Dass Deutsche und Filmschaffung sich häufig wie Antipode verhalten, ist ein allgemeines Vorurteil, das in bestechender Regelmäßigkeit bestätigt wird. Zeichnet sich dann alle Jubeljahre doch mal ein talentierter Regisseur aus unseren Landen ab, vollzieht sich häufig der eilige Import nach Hollywood, wo der neue Hoffnungsträger ein bis zwei Enttäuschungen abliefert, um schließlich gebrochen zurückzukehren und in der Mittelmäßigkeit der deutschen TV-Landschaft umherzustreifen.
Christian Alvart ist da ein bisschen anders. Nach seinem erfolgreichen Thriller Antikörper zog es auch ihn über den großen Teich. Dort angekommen, lieferte er mit Fall 39 einen routinierten Horrorthriller mit sozialkritischem Beiklang ab. Sein nächster Plan: Ein ambitionierter, unkonventioneller Sci-Fi-Thriller mit frischen Ansätzen und einer glaubwürdigen Geschichte. Now Where sollte der Titel lauten.
Paul W. S. Anderson, Mastermind hinter u.a. der Resident Evil-Reihe, wurde auf den jungen Deutschen aufmerksam und ließ ihm das Drehbuch von Travis Milloy zukommen, das Alvarts Idee recht nahe kommen sollte.
Das Ergebnis ist Pandorum. Weniger Komplexität, mehr Tempo und immer noch „no where“.
Story
Payton und Bower erwachen nacheinander aus einem langen Schlaf. Sie befinden sich auf dem gewaltigen Raumschiff Elysium. Eine bekannte Nebenwirkung des Reiseschlummers ist, dass die Erinnerung anfangs noch unzuverlässig und lückenhaft arbeitet. Einer Sache sind die beiden sich aber absolut gewiss: Aufwachen sollten sie, wenn ihre Schicht beginnt. Doch da ist keine Crew, die auf Ablösung wartet. Die Elysium scheint nahezu ohne Energieversorgung, von der Besatzung, die für Verwaltung und Kontrolle zuständig sein sollte, fehlt jede Spur. Es ist finster und selbst die rudimentärsten Funktionen an Bord verweigern ihre Funktion.
Bower versucht, durch die Lüftungsschächte in weitere Schiffsbereiche vorzudringen. Durch einen Unfall wird der Rückweg zu seinem Leidensgenossen aber unmöglich.
Payton, der nun absolut isoliert ist, versucht zwanghaft sich irgendwie nützlich zu machen, während Bower immer weiter in die Innereien des Raumschiffes vordringt. Auf seiner Suche nach Rettung, Erinnerung und Antworten trifft er alsbald triff auf andere Wesen. Doch die wenigsten davon sind menschlich, sondern albtraumhafte Kreaturen, mit erstaunlicher Stärke und prometheischem Heißhunger.
Kritik
Wenn sich die erste imposante Kamerafahrt nah an der Elysium ihrem Ende neigt, dürfte eines bereits weitestgehend klar sein. Ganz egal, was da noch kommt, visuell lässt sich Pandorum nicht lumpen. Und dieser Verdacht soll Bestätigung finden.
Hierbei setzt der Sci-Fi-Schocker jedoch nicht auf Pomp und monumentale Inszenierung, sondern orientiert sich an den klassischen Weltraumgruslern, kreiert die Bedrohung aus der Unwissenheit und der Furcht, entdeckt zu werden, heraus. Einige Stellen wecken tatsächlich wohlige Erinnerungen an die ersten drei Alien-Filme, ohne dabei unverschämt abgeguckt zu wirken.
Das Spiel mit Licht und Schatten ist hier ein besonderes Markenzeichen. Das Schiff, das von periodischen Energieschwankungen abgesehen, lange Zeit gänzlich ohne Strom auskommen muss, präsentiert sich als beengender Irrgarten in tiefster Finsternis. Schwere Schatten spannen sich über Szenerie und Charaktere, die spärliche schummrige Beleuchtung und die hektischen Kegel von Taschenlampen oder seltenen statischen Lichtquellen wirken in ihrer flackernden Aggressivität in hohem Grade beunruhigend. Zusammen mit der intensiven Soundkulisse und dem abgründigen Grummeln, das aus den unbekannten Tiefen des Raumschiffs empor quillt, serviert Pandorum auf atmosphärischer Eben äußerst delikate Kost. Der Horror wird in guter Dosierung eingesetzt und vollzieht sich in ausgeglichenem Verhältnis auf physischer wie psychischer Ebene, wobei auch so manche derbe Gewalttätigkeit nicht gescheut wird.
Selbst in Verschnaufpausen ist das Grauen unterschwellig anwesend und verhindert ein Abfallen der Anspannung.
Sparsam werden Analepsen eingestreut, wenn die Erinnerung an vergangene Erdenzeit gleich Flashbacks auf Bower einstürzt. In ihrem grellen Klinikweiß sind die Rückbesinnungen auf eine verklärte Vergangenheit enorm kontrastgebend und bauen so zwei semantische Räume auf. Nicht, wie man denken könnte, Vergangenheit und Gegenwart, sondern Traumwelt und Realität.
Die strikt eingehaltene interne Fokalisierung sorgt dafür, dass der Zuschauer sich die totale Ahnungs- und Orientierungslosigkeit mit den Figuren teilt. Immer wieder kommen Zweifel auf, ob denn das, was den Protagonisten widerfährt, sich tatsächlich abspielt oder ob es sich vielleicht nicht doch um die Kopfgeburt eines Paranoiden handelt.
Das so übermittelte Leid verfehlt seine Wirkung nicht und schichtet nach und nach eine bedrückende Stimmung der Hilflosigkeit auf. Doch die permanente Ungewissheit kann auch schnell ins Anstrengende kippen, wenn man auch lange nach dem Start noch nach ersten wirklichen Anhaltspunkten tastet, während das Wesentliche weiterhin tief im Dunkeln verborgen liegt.
Das Dekret, den Schwerpunkt von Pandorum auf die dichte Atmosphäre zu legen, fordert also auch Opfer. Kleine Abnutzungserscheinungen lassen sich gerade im Mittelteil nicht abstreiten, weil die Geschichte bei stetig hoher Spannung leider etwas auf der Strecke bleibt. Das ist kein Beinbruch, weil Alvart es dann doch immer wieder versteht, dem Zuschauer im letzten Augenblick ein paar leckere Informationsbrocken vor die Füße zu werfen. Es verbaut dem Film aber die Möglichkeit, auch inhaltlich zu beeindrucken. Denn das Grundkonzept erfindet das Genre ganz sicher nicht neu, hat aber ein paar interessante Ansätze, deren Ausbau mit Sicherheit lohnenswert gewesen wäre.
Ben Foster in der Rolle des Bower ist das Entsetzen permanent ins Gesicht geschrieben. Der Schauspieler weiß die langwährende Unkenntnis seiner Figur zu handhaben und überzeugt insbesondere in den hektischen Szenen. Auch der Rest macht seine Sache gut, ohne weiter aufzufallen. Dennis Quaids Rolle fällt deutlich kleiner aus, als Poster und DVD-Cover vermitteln wollen, und droht im ersten Drittel sogar kurz in Vergessenheit zu geraten. Mit späterer Bedeutungszunahme löst ein überzeugendes Spiel den anfänglichen Autopiloten des Schauspielveteranen ab.
Fazit
Pandorum überzeugt vor allem mit dem meisterhaftem Einsatz atmosphärischer Mittel. Die düstere Stimmung erinnert an große Klassiker, während sich Action und Monsterdesign eher nach neueren Werken der Marke 30 Days of Night und Vampire Nation richten.
Auch wenn Pandorum in Sachen Story unterm Strich von seinen eigenen Möglichkeiten abgehängt wird, lohnt sich der Film für jeden, der ein Faible für atmosphärisch dichte Science-Fiction mit deutlichem Hang zum Horrorfilm hat.
Super Streifen! War ziemlich positiv überrascht, auch wenn die Story nicht unbedingt die beste und recht durchschaubar ist. Optisch ist Pandorum aber wirklich cool.