Nachdem die 1. Staffel der Ausnahmeserie ziemlich schwach begann und in der Mitte eine qualitative Kehrtwende vollzog, um mit einigen spritzigen wie originellen Einzelgeschichten und einem starken Finale inklusive großem Cliffhanger auszuklingen, durfte man gespannt sein, in welche Richtung sich die Serie nun entwickeln würde.
Und tatsächlich kann das hohe Niveau gehalten werden. Das zweite Viertel von Farscape bleibt so sympathisch und unverbraucht, wie es das Ende von Staffel 1 versprach, bereichert die schräge Mythologie um ein paar mutige Facetten und versteht es, die Emotionen des Zuschauers an den richtigen Stellen gekonnt in Wallung zu versetzen.
Story
Crais’ Entwicklung setzt sich beständig fort. War er anfangs noch der große Schrecken von Moyas Crew, dessen erklärtes Daseinsziel es war, Crichton das Leben auszuhauen, scheint er nun weitestgehend geläutert und von seiner Vergangenheit als Peacekeeper befreit. Der von Wut und Trauer verblende Racheengel beeindruckt mittlerweile mit einer abgeklärten, sehr pragmatischen Weisheit. Trotzdem bleibt das Verhältnis zu den Protagonisten angespannt, da er Moyas Baby Talyn unter seine Kontrolle bringt, um mit ihm einen Neuanfang in kontemplativer Einsamkeit zu wagen.
Fortan wird er hauptsächlich als eine Art hämische Deus ex machina auftreten und den Weg des liebenswerten Leviathans immer wieder kreuzen.
Der wahre Antagonist bleibt Scorpius, der alle Hebel in Bewegung setzt, um an Crichton zu kommen, damit er die tief in seinem Hirn versteckte Wurmlochtechnologie endlich aus seinem Schädel pellen kann. Diese Verfolgungsjagd, die hauptsächlich auf psychischer Eben stattfindet, formt den Hauptplot von Staffel 2 und hat so manche Überraschung in der Hinterhand.
Die Crew, die mit der fahlen Diebin Chiana nun um eine zusätzliche Person bereichert ist und im späteren Verlauf noch weitere Änderungen erfährt, wird durch die gemeinsam bestandenen Abenteuer stetig fester zusammengeschweißt, muss aber auch die Prioritäten ihrer Mitglieder abwägen und einer Rangfolge unterwerfen. Soll die Verfolgung Talyns intensiviert werden, die Suche nach D’Argos versklavten Sohnemann endlich beginnen oder sich doch ganz auf die Flucht vor Scorpy konzentriert werden?
Dass Chrichton immer unzurechnungsfähiger und von wiederkehrenden Visionen seines ledergesichtigen Erzfeindes geplagt wird, macht die Dinge nicht unbedingt einfacher.
Kritik
Grundsätzlich wird das Erfolgsrezept weiter genutzt und vorsichtig verfeinert. Die Mischung aus tollen Charaktermomenten, frischem Humor und dem richtigen Schuss Dramatik glückt anstandslos und macht den hauptsächlichen Reiz der Serie aus.
Wirkliche Kritikpunkte müssen mit der Lupe gesucht werden, sind aber vorhanden.
Die gute Eigenschaft, den Zuschauer gleich zu Beginn mitten in die Handlung zu schleudern, wurde beibehalten, nimmt bisweilen aber störende Züge an. Ein Charakter fehlt zum Beispiel ohne Erklärung mehrere Folgen, um dann deutlich später und ähnlich erklärungsfaul einfach wieder aufzutauchen. Eine Begründung, wie dieses doch recht unstete Reiseverhalten in den unerforschten Gebieten des Alls zu bewerkstelligen ist, bleibt Farscape dem Zuschauer schuldig. Dass es sich hierbei um einen selten coolen Charakter handelt, dürfte mögliche Nörgler aber schnell wieder milde stimmen.
Ferner wird gleich zu Beginn ein Großteil der Dramatik, mit der die erste Season den Betrachter entlassen hatte, als fauler Zauber entlarvt. Durch diese Finte, auf die die Serie nicht zum letzten Mal zurückgreift, fühlt der Zuschauer sich schlimmstenfalls betrogen und vorgeführt.
Die Folgen, die sich ganz dem Fortgang des Hauptplots verschrieben haben, sind über jeden Zweifel erhaben und strotzen nur vor guten Drehbuchmomenten.
Auch den narrativ in sich geschlossenen Episoden wird häufig eine mehr oder minder große Bedeutung für das große Ganze zugestanden. Doch manchmal wirkt dieses Vorgehen etwas bemüht. So zum Beispiel gen Ende, wenn für die alles entscheidende Schlacht Figuren vergangener Abenteuer aus der Versenkung geholt und als widerspenstige Söldner angeheuert werden, die beinahe schon vergessen wurden. Aber auch diese etwas forcierte Kontextuierung geht letztlich mit dem eigentümlichen Charme der Außenseiterserie konform.
Gänzlich abstreiten lässt sich aber nicht, dass bei den kurzen Eskapaden der für sich stehenden Folgen eine gewisse Einfallslosigkeit das Zepter führt, verlaufen diese doch häufig nach recht ähnlichem Muster: Ein paar der hochgeschätzten Besatzungsmitglieder (in der Regel: alle oder nur einer) drehen am Rad, weil irgendein burleskes Weltraumphänomen Schindluder treibt. Und die verbliebene Vernunft hat den Tag zu retten. Dass trotzdem niemals Ermüdungserscheinungen auftreten, liegt an den erwähnten Ingredienzien von Farscape. Den humorigen Eskalationen und den einfallsreichen Variationen ist es zu verdanken, dass dieses Klonkonzept der Serie de facto in keiner Weise schadet. Inzwischen hat jeder Charakter so viel Profil und nicht zuletzt so viel Kredit beim Zuschauer, dass man die Pille lächelnd schluckt. Und obendrein birgt jede einzelne Verwicklung ein enormes komödiantisches Potential – je bizarrer die Probleme, desto heiterer das Resultat. Und da die Protagonisten sich oftmals auch selbst nicht allzu ernst nehmen, lacht man meist mit ihnen, nicht über sie.
Jede Folge hat außerdem dennoch ihre Alleinstellungsmerkmale, trägt einen relevanten Part zur Gesamtgeschichte bei und bringt die Charaktere schrittweise sich selber und dem Zuschauer näher. Genau das unterscheidet Farscape von vielen Serien deren Geburtsstunde vor der LOST-Ära liegt – am Ende einer Folge wird nicht alles zurück in den Ursprungszustand gezwungen. Jedwede Veränderung hat glaubwürdige Nachwehen und die wenigsten Prozesse enden mit der Episode, in der sie ihren Anfang nahmen.
Ein vorläufiger Staffelhöhepunkt findet mit der Folgen-Trilogie kurz nach der Halbzeit statt, die in einem Mix aus purem Aberwitz und selbstreflexiv-ironischem Trash kulminiert, der definitiv seines Gleichen sucht.
Dass Farscape auch anders als abgedreht und hektisch kann, zeigt die Episode „Das Bild in deinem Medaillon“ vorbildlich. Hier schafft es die Kultserie, innerhalb von knapp 10 Minuten die Tragik eines ganzen Lebens zu vermitteln, spricht eine gefühlvolle Liebeserklärung an die Geißel des Alters aus und ist bei all dem in jeder Sekunde entwaffnend aufrichtig. Ein Kunststück, das ansonsten nur Pixars Oben gelingen konnte. Aber auch das eigentliche Finale ist ein Lehrstück in Sachen Dramatik und bietet zudem ungewohnt opulente Schauwerte.
Fazit
Die zweite Staffel bietet von allem mehr. Mehr Aberwitz, mehr Skurrilitäten, mehr Dramatik und mehr Ebenmaß. Reifer ist die Serie geworden und funktioniert mittlerweile in den lauten Augenblicken genauso tadellos wie in stillen Charaktermomenten. Die Figuren, das Herzstück der Serie, werden weiter ausgebaut und wirken in ihrem Verhalten stets authentisch. Einzig Rygel wird im Vergleich zum Rest eher vernachlässigt und entwickelt sich kaum. Dies ist überraschend, weil der Gnom zuvor noch das größte Potential versprach. Doch irgendetwas muss sich Farscape ja auch noch für die nächsten zwei Staffeln aufbewahren.