Die Eroberung des Weltalls

Byron Haskin war einer der Tausendsassa goldener Kinozeit. Angefangen als Spezialeffekte-Profi, inszenierte er später Filme wie Die Schatzinsel, Kampf der Welten oder Robinson Crusoe auf dem Mars ebenso wie Folgen für The Outer Limits. Für die erste Star-Trek-Folge überhaupt (The Cage) war er als Produzent zuständig. Seinem Faible für das Spiel mit der optischen Wirklichkeit blieb er dabei immer treu. So ging er mit Der Schatz der Balearen in die Geschichte ein als derjenige, der den ersten Cinemascope-3D-Film überhaupt drehte (und das zu einer Zeit, in der 3D seine Hochphase schon lange hinter sich hatte). Auch in Die Eroberung des Weltalls spielen Illusionen und Effekte eine prominente Rolle.

Invaders? Of what, sir?

Story

Um die Erde rotiert ruhig eine gewaltige Weltraumstation. Sie dient als Stütz- und Ausgangspunkt für den ersten bemannten Weltraumflug zum Mond. Die Konstrukteure unter dem Befehl Samuel Merritts sind ein unterschiedlicher Haufen – und haben zugleich die besten Chancen, aufgrund ihrer Erfahrung im Weltraum auch als Crew für die Expedition zum Erdtrabanten gewählt zu werden. Zwischen der Hoffnung darauf, der Sehnsucht nach der Erde und den entbehrungsreichen Zuständen, die zur Vorbereitung der Mission dienen, sind sie hin- und hergerissen.
Dann erhält Merrit überraschende Order: Er soll aus seiner Crew die fähigsten Männer auswählen. Der Flug soll bereits am nächsten Tag stattfinden. Und: Es geht nicht zum Mond, der Mars ist das neue Ziel

Kritik

Filme haben ein Problem mit dem Alter. Das ist kein Geheimnis. Ganz im Gegenteil, das ist eine öffentliche, seit jeher grassierende Auflassung, die allem, was älter als ein paar Jahre ist, Zeitgemäßheit, Relevanz und letztlich jede Genießbarkeit abspricht. Und das nicht, weil Bildsprache sich schneller entwickelt als gesprochene Sprache (das Gegenteil ist der Fall), sondern weil technischer Fortschritt sich beeilt, unsere Sehgewohnheiten auf sich reiten lässt und die Filme stehen lässt. Statten wir ihnen einen Besuch ab, dann sind wir fernab unserer Gewohnheiten. Einige Filme haben Glück, sie befinden sich gänzlich abseits dieser Route, ihnen haftet das edle Attribut der Zeitlosigkeit an. Die Eroberung des Weltalls ist nicht unbedingt ein solcher Film. Verwunderlich ist das nicht, denn Science-Fiction-Filme sind in diesem schmutzigen Wettbewerb von Natur aus benachteiligt. Nicht nur beziehen sie sich verstärkt in ihrer Realisierung auf zeitgemäße Technik, sie haben sie bzw. ihre gedankliche Weiterführung auch inhaltlich zum Thema und ergreisen deswegen nur allzu oft mit doppelter Geschwindigkeit. Und dann gibt es da noch die unglückseligen Vertreter, welche eine fundamentale technische Innovation imaginieren, die unweit später tatsächlich in die echte Welt einbrechen. Filme, die vor 1968/69 Raumfahrt thematisierten, gehören ohne Zweifel in diese Kategorie. Denn nicht jeder kann so verblüffend authentisch daherkommen, wie Destination Moon.
Der Punkt ist hier aber: Na und? Mit den gleichen Argumenten könnte man auch gegen unzählige Abenteuergeschichten über Seefahrt wettern. Es ist doch eigentlich ein Vorteil: Es gilt, an- und hinzunehmen, dass eine fiktionale Narration natürlich nicht in unserer Welt spielt, sondern in einer anderen, die genauso beschaffen ist, wie es im Film zu sehen ist. Und da gibt es eben Seeungeheuer, unterirdische Städte, Nazis auf dem Mond, Dinosaurier in der Nähe des Erdkerns und bösartige Matriarchinnen in Marspalästen. Unser Anspruch an Realismus ist schädlich – unser Anspruch an Authentizität ist es nicht.
Was hat all das mit Die Eroberung des Weltalls zu tun? Ehrlich gesagt, gar nicht so viel. Es soll nur dafür sensibilisiert werden, dass Filme nicht schlecht sind, wenn sie nicht das abbilden, was wir für Realität halten. Und dass diverse Prä-Mondfahrt-Filme in ihren naiven Vorstellungen und ihren nicht minder naiven, teils tumben Ideen zur Umsetzung der Weltraumbereisung nicht minder gut sein müssen als zeitgenössisches Kino. Letztlich geht es darum, sich Fremde und ihre Gefahren vorzustellen – und natürlich den Menschen, der sich ihr und diesen stellt.

Bei Die Eroberung des Weltalls ist die Sache eigentlich auch gar nicht so problematisch. Die Effekte sind natürlich pappig, aber auch ungemein charmant. Die putzigen Modelle, die bemühten Simulationen von Schwerelosigkeit, der inkonsequente Einsatz von Magnetschuhwerk stören nicht die Illusion, sondern steuern sie: Die Welt da draußen ist befremdlich, merkwürdig, schwer einschätzbar, unheimlich und fremdartig. Besonders die Konfrontation mit einem plötzlich nahenden Kometen setzt hier einen starken Akzent. Und die Darstellung der Fliehkräfte bei 18.000 Meilen pro Stunde ist Gold wert. Wirklich gut gealtert sind dafür einige Designeinfälle. Und dann gibt es noch Situationen wie eine wirklich beeindruckende Raumschifflandung, die damals für offene Münder gesorgt haben dürfte.
Vor allem aber gelingt dem Film der Spagat zwischen Ernst und Heiterkeit, bei dem sich zahlreiche Regisseure bis heute (eigentlich sogar: umso mehr heute) verletzen. Der Pioniergeist, die Lust am Entdecken sorgen hier für nicht direkt für Übermut, aber eine Form von Gelassenheit, die von Übermut rühren mag. Dazu gibt es eine gut abgestimmte Dosis Galgenhumor. Während diese sonderbare Losgelöstheit herrscht, spürt man dennoch eine unterschwellige Unzufriedenheit in der Crew mit ihrer Ausgeliefertheit an die Vorgesetzten, der Nichtwürdigung ihrer Taten und natürlich der eigenen Entfremdung von der Menschlichkeit auf der Erde. Es sind vor allem solche Zwischentöne, die in der Rezeption dieses Filmes damals wie heute zu stark vernachlässigt werden, dabei aber ziemlich bemerkenswert sind. Interessant wird es dann, wenn eine Debatte darüber angestoßen wird, ob der Mensch überhaupt von der Erde runtersollte, ob er nicht in den Weltraum eindringt und sich gegen Gott erhebt. Hier nimmt sich der Film in Sachen Moralität außerordentlich zurück und lässt den allein von seinen Figuren austragen. Gerade so etwas verliert nicht an Aktualität, Begründetheit und Sinn – und ist demzufolge uneingeschränkt sehenswert.
Es ist natürlich alles holprig, häufig auch alles andere als feinsinnig gespielt und manchmal auch unverhohlen pathetisch, das Zusammenspiel all er genannten Komponenten sorgt aber trotzdem dafür, dass Langeweile auf gar keinen Fall aufkommt. Das liegt auch daran, dass in Die Eroberung des Weltalls unglaublich viel passiert, obwohl der Film gerade einmal 78 Minuten dauert.

Auf der anderen Seite stehen teils dümmliche Dialoge, die aber auch ihre guten Momente vorweisen. Gerade zu Anfang stochert Die Eroberung des Weltalls aber schon sehr penetrant in den Zuschauernerven, wenn die Figuren andauernd in den Wir-müssen-dem-Zuschauer-was-erklären,-das-wir-als-Figuren-eigentlich-jetzt-nie-sagen-würden-da-es-für-uns-doch-altbekannt-ist.“-Modus fallen. Was zunächst noch positiv auffällt, ist die Besatzung, die durch einen Asiaten schon vor Star Trek internationale Akzente zu setzen scheint. Dieser Eindruck zerbricht mit beispielloser Härte, als der Film mit rassistischer Breitseite erklären lässt, dass Asiaten ja deshalb so klein seien, weil sie in ihrem Land nicht richtig essen. Und der Asiate, der stimmt zu.

Fazit

Man könnte verkürzt sagen, Die Eroberung des Weltalls ist wie The Martian aus dem Jahre 2015, nur etwas kleiner. Doch auch, wenn das im Grunde zutrifft, wird es doch beiden Filmen nicht gerecht. Byron Haskins Weltraumfilm vor der Weltraumzeit setzt gekonnt eigene Akzente, bearbeitet interessante Fragenkomplexe und überzeugt mit Stimmungsabstufuungen, während in seiner recht kurzen Laufzeit mit den vielen Figuren allerhand geschieht.
Ein paar natürlich in die Jahre gekommene Effekte tun der Freude keinen Abbruch. Ein naiv-rassistisch anmutender Vortrag auf halber Strecke, darstellerischer Durchschnitt und eine etwas gehetzte Erzählweise gilt es vom Sichtungsspaß aber abzuziehen.

 

 

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