Nach einem stürmischen Piloten und 13 Episoden, die sich in achtbarbarem Gleichgewicht um Politik, Kriegswirren, Einzelschicksale und das Fortschreiten der Gesamthandlung kümmerten, wurde der Zuschauer nach einer bilderbuchmäßigen Doppelfolge in die Ungewissheit entlassen. Was Staffel 1 bisher am Wegesrand immer wieder angedeutet hat, rückt in Staffel 2 immer stärker Richtung Zentrum: Die große SciFi-Oper lässt langsam ab von Themen wie Regierungslegitimation und Versorgungsdefiziten und strickt stattdessen ein Netz aus Tragik und Esoterik. Eine mutige Gratwanderung, zudem die Folgenanzahl auf stolze 20 hochgeschraubt wurde.
Story
Boomers wahre Identität wird mit einem dramatischen Akt bekannt, woraufhin sie die Weg zurück auf das von Zylonen verheerte Caprica beginnt. Kara, die sich dort bereits befindet, trifft nicht nur auf eine Widerstandsbewegung und ganze Regimenter von Toastern, sondern kommt auch einem perfiden Geheimnis auf die Spur.
Tigh scheint vollends die Kontrolle über sein Alkoholproblem zu verlieren, die Präsidenten droht zwischen Wahlkampf, Ethikdebatten, köchelnder Bürgerkriegsgefahr, Krebsleiden und ihrer neuen Position als spirituelle Leitfigur zerrieben zu werden und zwischen Adama und seinem Sohnemann Lee bahnt sich der nächste große Konflikt an, der alle bisherigen Schlichtungen nichtig machen könnte.
Und das ist nur der Anlauf, um Runde 2 dieser einmaligen Science Fiction Serie in Fahrt zu bringen.
Kritik
Der Anfang ist hektisch, rasant und ehrt den Staffelauftakt mit ausgezeichnetem Timing. Dass der Aufhänger der ersten Episode ziemlich konstruiert wirkt, übersieht man geflissentlich. Eine derart hurtig inszenierte Wiedersehensfeier hat Seltenheitswert und sorgt dafür, dass man sich schnell wieder in das vertrackte BSG-Universum gefunden hat.
Obwohl nun einiges an Gemoser folgen wird, soll hier ausdrücklich erwähnt werden, wie außerordentlich dieser Serie ist. Die in Staffel 1 sorgfältig etablierten Charaktere werden weiter gepflegt und lernen ihrerseits die Besatzung immer wieder von neuen Seiten kennen, die teils erfreulich, teils gefährlich sind. Die geschickte Figurenführung ist das A und O dieser Serie, die schließlich hauptsächlich in den Windungen eines Raumschiffes stattfindet und somit nichts anderes besitzt als ihre Charaktere. Wir halten also fest: Es gibt viele tolle Episoden, ein paar Solide happen und wenige, die dem Anspruch nicht gerecht werden.
Solche Folgen, die zwar gut gemeint sind, in sich jedoch ein wenig inkonsistent und zu konstruiert wirken, gibt es immer wieder. Natürlich ist dies zu großen Teilen dem Fernsehformat geschuldet, das jeder Geschichte die exakte Spielzeit einer Dreiviertelstunde aufzwingt, dennoch trübt dieser Umstand ein wenig den eigentlich durchgängig hochwertigen Seriengenuss. So weist „Die Reporterin“, in der Lucy Lawless nach dem kindgerechten Fantasy-Trash Xena nach langer Zeit ma wieder eine bedeutende Serienrolle innehat, zwar eine gelungene Prämisse auf und besticht oberflächlich betrachtet durch seine kompromisslose Umsetzung, vereinigt aber auch die Probleme dieser Staffel: Viele unglaubwürdige Zufälligkeiten sind vonnöten, damit Battlestar Galactica seine Geschichten erzählen kann. Plötzliche, nur schwer nachvollziehbare Gesinnungswandel müssen vom Zuschauer zuweilen einfach akzeptiert werden und etwas künstlich anmutende Problemstellungen sind hinzunehmen, damit die Serie funktioniert. Diese Makel sind natürlich verschwindend geringe Flecken auf einem ansonsten blütenreinen Zeugnis. Die Beziehungsgeflechte zwischen den Hauptpersonen verdichten und verkomplizieren sich, verlieren aber nie an Glaubwürdigkeit. Die Probleme der Figuren werden ernst genommen ohne dass die Serie je zu sehr Rührselige abdriftet und die Flucht der Menschheit zu einer kitschigen Oper verkommen lässt. Beizeiten kratzt man gerade in bombastisch aufgezogenen Schlüsselszenen zwar kurz an wummerndem Pathos, doch wird niemals das kritische Feld der Lächerlichkeit betreten.
Problematisch sind also nicht die Belange und Schwierigkeiten der Figuren – sie selbst sind es hingegen beizeiten schon. Gemeint sich nicht Kleinigkeiten wie undurchsichtige Motivationen im Dienste der Subplots, sondern ein ganz bestimmter Charakter. Als zur Halbzeit die totgewähnte Frau vom Problem-Colonel aufs Spielfeld tritt, verärgert nicht nur die fehlende Skepsis der Figuren. Natürlich ist ihr Charakter mit voller Absicht eine unausstehliche Trulle, von der jedwede Sympathie mit Wucht abzuprallen hat. Leider spielt Kate Vernon das Ekel mit unverkennbarem Hang zum Overacting, sodass nicht nur ein Großteil der Crew von dieser Kreatur abgeschreckt ist, sondern auch der Zuschauer kaum umhinkommt, jede ihrer Szenen auf den Boden des Schneideraumes zu wünschen. Zumindest anfangs scheint sie nur für den Zweck zu existieren, den Status quo aufrechtzuerhalten und eigentlich zu Genüge behandelte Konflikte künstlich breizutreten.
Störende Kleinigkeiten wie die eben genannten können aber nicht über das Regiegeschick und die cleveren Züge des Drehbuchs hinwegtäuschen. Allen voran die handlungstreibenden Doppelfolgen haben es ausnahmslos in sich. Die esoterische Ausrichtung, die immer stärker in Vordergrund rückt, erfährt eine Behandlung mit Respekt, Vorsicht und der nötigen Distanz, sodass die – gerade für eine bodenständige Science Fiction-Serie, wie BSG sie ist – ungewohnte Wendung vom Betrachter gerne mit vollzogen wird. Auch die Geschichte über die Pegasus, die sich im Gesamtkontext wie ein kleiner Fremdkörper anfühlt, leistet einen wichtigen Beitrag. Der Film, der diesen Unterplot mit einer Vorgeschichte versieht, antizipiert aber schon die Schwächen der dritten Staffel, bleibt in dieser Wertung aber außen vor.
Der Hauptkonflikt, nämlich die Flucht vor den Zylonen, liegt in Staffel 2 auch das letzte Mal in seiner ursprünglichen For. Bevorstehende Entwicklungen kündigen sich zwar schon an, doch zeichnet sich überdeutlich ab, dass der zukünftige Weg der Serie ein deutlich unkonventionellerer werden wird. Das erzählerisch simple, aber nachvollziehbare Katz-und-Maus-Spiel zwischen Mensch und Maschine wird in dieser Form nicht weiterexistieren. Für den Mut, diesen Weg mit einer solchen Beharrlichkeit zu beschreiten, kann man die Serie eigentlich nur beglückwünschen. Da ist es nur konsequent, dass die Staffel mit einem offenen Ende der ganz besonderen Art aufwartet, das seinerzeit nicht wenig Irritation und Empörung unter den Fans ausgelöst hat, aber eben auch beweist, mit welcher Überzeugung die Macher der Serie ihre ganz spezielle Vision verfolgen.
Fazit
Staffel 2 versiegelt die erste Hälfte von Battlestar Galactica mit Wucht und Würde. Zum Ende ist man Figuren und Geschichte näher als je zuvor, wurde von manchen Ideen überrascht und kann bereits auf viel Durchlittenes zurückblicken. Natürlich ist der ein oder andere Fehler bei einer Großproduktion solchen Ausmaßes kaum zu vermeiden, unterm Strich bleibt aber auch BSG Season 2 exzellentes Ausnahmekino im Fernsehformat, das sich kein Liebhaber guter Film- und Serienkost entgehen lassen sollte.