Fantasy-Filmfest-Special: The Desert

Noch ein Regiedebut auf dem Fantasy Filmfest: Christoph Behls postapokalyptischer Zombiefilm The Desert hat keine postapokalyptischen Markenzeichen, quasi keine Zombies und erst recht keine Wüste. Dafür aber eine intensiv gespielte Dreiecksbeziehung in auswegloser Situation und jede Menge Fliegen.


Pythagoras

Story

Ana, Jonathan und Axel sind in einem Haus irgendwo in Argentinien gefangen. Draußen marodieren Zombiehorden, während das Trio in der Wohnung täglich daran scheitert, die Zeit totzuschlagen. Es wird getrunken, geschlafen und sich gegen die allgegenwärtigen Fliegen zur Wehr gesetzt. Dass beide Männer auf ihre Weise Ana lieben, sie aber nur mit Jonathan zusammen ist, sorgt in der vertrackten Konstellation nicht gerade für Entspannung. Axel beginnt damit, sich kleine schwarze Punkte auf den ganzen Körper zu tätowieren – wenn das Werk vollendet ist, so sagt er, sei es für ihn an der Zeit, zu gehen.
Um eventuellem Ärger Luft zu machen und die Situation zu entspannen, kommt man auf die Idee, sich selbst auf Video aufzunehmen und der Kamera alle Sorgen anzuvertrauen. Die alten Videobänder der ehemaligen Hausbesitzer erhalten so eine Tagebuchfunktion für die strapazierten Drei. Jedes Tape wird in einer verschlossenen Truhe mit Schlitz gelagert, damit niemand die privaten Geständnisse zu sehen bekommt. Nur dass sich Axel nicht an die Abmachung hält und sich jeden Tag die entblößenden Aufzeichnungen von Ana ansieht.

Kritik

Die Geschichte beginnt mit einem Schuss auf einen Zombie und führt damit gehörig in die Irre. The Desert ist ein Zombiefilm fast ohne Zombies und ganz ohne Action. Der ausgeschaltete Untote in Szene 1 ist für knapp drei Sekunden im Bild und für lange Zeit der letzte Wiedergänger, den die Zuschauer serviert bekommen. Das nächste Exemplar trägt einen Maulkorb und ist zwar etwas häufiger zu sehen, kriegt insgesamt aber auch keine zwei Minuten Screentime und erst recht keine direkte Handlungsrelevanz. Die wenigen Male, in denen die Protagonisten auf Zombies anlegen, sieht man nur sie und ihre Waffe, nicht aber das anvisierte Ziel. Direkte Bedrohung geht von den Wiedergängern nicht aus. Wenn man sie wahrnimmt, dann höchstens als weit entfernten Grunzlaut.
Was stattdessen in blutdurstigen Horden auftritt, das sind Fliegen. In jeder Szene sind die hartnäckigen Plagegeister zugegen und wenn sie nicht im Bild auftauchen, dann gewiss als penetrantes Gesumme auf der Tonspur. Der ärgste Feind wartet nicht draußen außerhalb der verbarrikadierten Wohnungstür. Der ärgste Feind ist der Mensch sich selbst. Das vom Schicksal zusammengeschweißte Trio hockt tatenlos abwartend in der Wohnung, leidet an der völlig desaströsen Gruppendynamik, trinkt Wein und hasst. Zwei Männer und eine Frau. Sie ist liiert mit einem der beiden. Der Dritte muss dem Liebesglück stumm zusehen und daran leiden. Jeder Kuss, jeder Geschlechtsakt und jedes gewechselte Wort findet zwangsläufig im selben Haus statt. Miteinander garen, einander ertragen. Und letzteres fällt mit jedem Tag schwerer.

Ist das spannend? In gewisser Weise ja. Die angedeuteten Abgründe der Figuren sind flirrend eingefangen. Die Einstellungen dauern lange, die Kamera ist unangenehm nah an den Personen und raubt dem Menschen das Schöne. So wird aus dem Zuschauer unfreiwillig ein ungesehener Voyeur, der sich genau wie die Figuren nicht der erzwungenen Nähe widersetzen kann. Privatsphäre erfährt eine Verwandlung. So transportiert der Film geschickt das ständige Unwohlsein seiner Figuren in den Betrachter hinein und bringt die dritte Wand ganz subtil zum Bröckeln. Mit jedem Tag breiten sich Misstrauen und Abhängigkeit gleichermaßen weiter aus. Jeder neue Punkt auf Axels Körper symbolisiert die Unausweichlichkeit der Eskalation.

Fazit

The Desert ist ein Psychothriller, bei dem die Zombieplage noch weitaus mehr nur als Symbol dient, als sie es schon in anderen Filmen tut. Für die direkte Handlung ist die zombiehaltige Postapokalypse nur Behauptung und Grund dafür, dass das Haus nicht verlassen werden kann. Ein nihilistisches Kammerspiel darüber, wie unerträglich Nähe und wie parasitär hoffnungslose Liebe sein kann. Langsam und schwer zu ertragen.