World War Z

Zwischen Schmalz, ungeschönten Tragödien, simplizistischem Existenzialismus, einer enttäuschenden James Bond-Episode und Gerard Butler als Action-Christ ist es nicht ganz einfach, den deutsch-schweizerischen Filmemacher Marc Forster eindeutig zu verorten.
Sein neustes Werk, die sehr freie Buchadaption World War Z, hat nicht nur Stapelzombies und einen Brad Pitt mit schulterlanger Mähne, sondern stellt auch eine Art Rehabilitierung für Ein Quantum Trost dar, der ähnlich verunglückte, wie die Übersetzung seines Titels.

Most people don’t believe something can happen until it already has.

Story

Gerry Lane hat seinen riskanten Job bei der UN schon lange an den Nagel gehängt und ist voll und ganz Familienmensch geworden, der mit Vorliebe den Abwasch erledigt und „Ich sehe was, was du nicht siehst“ mit seinem Nachwuchs spielt.
Als eines schönen Tages jedoch die weltweite Zombieapokalypse ausbricht und die Familie nur in letzter Sekunde durch einen alten Freund Gerry evakuiert werden kann, muss dieser sich damit abfinden, dass seine speziellen Dienste für die UN noch einmal reaktiviert werden müssen. Frau und Kinder sind nur so lange in Sicherheit, wie er sich als Virusjäger und Improvisationstalent betätigt.
Kurzerhand steigt Gerry mit einer Handvoll Soldaten in den nächsten Flieger und beginnt mit einer gefahrvollen Suche nach dem Ursprung des um sich greifenden Zombie-Virus.

Kritik

Die Nachrichten-Collage zu Beginn, die gerafft und durch die Lupe der Massenmedien die Genese der Epidemie erzählt, ist keine brandneue Idee, doch selten wurden einzelne Nachrichtenfragmente  zwischen verharmlosender und reißerischer Boulevardberichterstattung, Interviews und desorientierte Tatsachenberichte so gelungen aneinander montiert.  Das Ergebnis ist weniger informativ, sondern in erster Linie stimmungsgebend und beängstigen. Fortan haben Gerry Lane und mit ihm die Menschheit die Zeit im Nacken sitzen. Eine Zeit mit spitzen Zähnen, deren Bisse einen zum sprintenden Leichnam  werden lässt. Denn genau wie z.B. Danny Boyles  28 Days Later-Zombies trottet die untote Plage nicht stöhnend und schnaufend durch die Gasse, sondern bewegt sich im Eiltempo voran und bedient damit eine ganz andere Art von Furcht.
Einige Szenen mit den durch Häuserschluchten rollenden Zombiewellen sind unfassbar intensiv und beängstigend zugleich geworden. Diese Untoten kommen tatsächlich in Schwärmen wie eine Plage Gottes. Besonders die zahlreichen Bedrohungsszenen sind hervorragend eingefangen und sorgen für stete Anspannung, denn dankenswerterweise ist Gerry kein vollständiger Übermensch, sondern einfach nur ein wenig auf Zack. Da kann es auch vorkommen, dass er in einer panischen Affektreaktion etwas sehr Unüberlegtes in einem Flugzeug über den Wolken veranstaltet, ganz einfach deshalb, weil er trotz seiner Überdurchschnittlichkeit immer noch ein normaler Mensch in einer Extremsituation ist.
Während man sich im parallel laufenden Man of Steel nur mit großer Willenskraft für das Schicksal der Menschheit erwärmen kann, kaut man hier tatsächlich Nägel, während Stadt um Stadt der Plage anheimfällt.
Wer nach den Trailern mit der Angst zu kämpfen hatte, der Film zeige Brad Pitts Figur, die nichts anderes macht, als ihre Familie zu beschützen, darf die Waffen niederlegen. Frau und Kinder lässt er nämlich schon früh bei ein paar Aufpassern und bestreitet den Weg alleine.

In World War Z gibt es keine Blut-Springbrunnen und niemand wird mit den Eingeweiden eines andere Erdrosselt, ja. Trotzdem funktioniert der Film als Zombiefilm ausgezeichnet, so wie ein Horrorfilm eben ausgezeichnet funktioniert, wenn man nicht alles mit voyeuristischer Explizitheit präsentiert bekommt, sondern dem es dem eigenen Vorstellungsvermögen überlassen bleibt, die ungezeigten Leerstellen mit passendem Inhalt zu besetzen. Splatter befriedigt niedere Instinkte und macht – abhängig vom Realitätsgrad seiner Darstellung – Spaß. World War Z will aber nicht diese Art von Spaß machen. Niedere Instinkte werden hingegen auch hier befriedigt, nur dass es andere sind. Die Angst vor der Übermacht, die Furcht vor Schwarmintelligenzen, die Hilflosigkeit, einem Feind gegenüberzustehen, der für Rationalität keinen Sinn mehr hat und nur noch aus Wut und Fressdrang besteht. Nicht die Angst vor einer bestimmten Todesart, sondern davor, als Individuum einfach zu verschwinden.

Die globale Schnitzeljagt ist also gut gelungen und vor allem genau das, was World War Z sein und erreichen möchte. Erst auf den zweiten Blick offenbaren sich manche Ungereimtheiten und Schönheitsfehler.
Forster scheint sich immer noch zu seinem Wackelkamera-Laster hingezogen zu fühlen. Einige Handgemenge sind dadurch kaum mehr als das Flackern verschiedener Farben zu treibender Musik, aber auch das hat natürlich seine eigene stimmungsgebende Note.
Zur Schonung aller der, die während der Vorführung mal kurz den Saal verlassen müssen, wirft der Film wichtigen Informationen mehrmals ein. Einmal früh und dann noch mal, wenn der Zuschauer daran erinnert werden soll, weil es nun wichtig wird. Das lässt schnell ein Gefühl der Redundanz aufkommen. Außerdem ist die letztendliche Lösung des Ganzen sicherlich befriedigend, doch muss man sich schon fragen, wieso dieser entscheidende Punkt nicht schon viel früher irgendwem aufgefallen ist, denn so verborgen, wie der Science-Fiction-Film es weismachen möchte, ist die zu findende Schwachstelle des Virus keineswegs. Vor allem dann nicht, wenn man sich vor Augen führt, dass die Problematik eine weltweite ist. Klar wird auch nicht, wieso denn ausgerechnet Hauptperson Gerry so essenziell für diese Operation ist. Er hat keine lange Leitung, aber macht ihn das zum absoluten Virus-Experten und zur letzten Hoffnung der Menschheit?
Neben der Inszenierung hapert’s hie und da mit Dialogen und der eigentlichen Geschichte, aber unterm Strich ist das Tempo des Filmes ist einfach zu gelungen, als dass irgendeiner von den Punkten der Sache ihren Spaß nehmen könnte.

Im Finale gibt es sogar zünftiges Resident Evil-Feeling, wenn die beiden Actionhelden (Pitt bekommt nämlich relativ früh einen Sidekick an die Seite gestellt) durch Labore pirschen. Man merkt jedoch, dass der Schlusspart eilig neugedreht wurde, um den für den Verleih zu grausamen Originalschluss zu ersetzen. Die Geschichte selbst wirkt nahtlos zu Ende erzählt bzw. bis zu dem Punkt gebracht, wo sie vorerst stoppen soll.
Der Rest des Abschlusses ist hingegen sehr abrupt, vor allem, weil ein im letzten Drittel als sehr essenziell eingestuftes Problem sich einfach von alleine löst. Da merkt man deutlich, wo die Schere angesetzt wurde. Aber für so etwas und die anderen offenen Fragen gibt es dann die vollständige BluRay-Version – sogar mit ein paar Blutspringbrunnen, so wird gemunkelt.

Fazit

Marc Forsters World War Z ist eine mordsmäßig spannende Hatz rund um den Planeten geworden. Story und Action halten sich die Waage und die Inszenierung ist, von kleinen Wackelkamera-Aussetzern abgesehen, vollends gelungen. Brad Pitt als Normalsterblicher ist eine wohltuende Abwechslung und die Spannungsschraube permanent fest angezogen.
Stören tun nur Kleinigkeiten – und der unpassende Schluss, der sich nicht nur sehr nach Versatzstück anfühlt, sondern den Zuschauer darüber hinaus um die Lösung eines zuvor etablierten Problems betrügt.

Parasiten-Mörder

Psychische Deformationen, repräsentiert durch körperliche Deformationen. David Cronenberg, der ‚Baron of Blood‘, wie er zu seiner frühen Schaffenszeit von einigen mehr oder weniger freundlich gesonnenen Kritikern betitelt wurde, hat in genau eben dieser ein Untergenre nicht bloß geschaffen, sondern gleichzeitig auch seine besten Vertreter hervorgebracht.
Lange vor seinen bekannten Sci-Fi-Kultwerken wie Scanners – Ihre Gedanken können töten, Videodrome und seinem Die Fliege-Remake, kam Parasiten-Mörder aka Shivers.

It’s crazy. But who cares?

Story

Eigentlich meinten die idealistischen Wissenschaftler auf ihrem abgeschotteten Eiland es nur gut, als sie anfingen, Parasiten zu züchten, die anstatt dem Wirt zu schaden, seine defekten Organe ersetzen und eine symbiotische Beziehung mit ihm eingehen sollten. Doch bei der Versuchsperson scheint es Komplikationen zu geben, die sich in besonders abnormem und immer mehr auf die Triebe reduziertem Verhalten äußern. Der Parasit will sich vermehren und immer mehr Menschen befallen. Jede schadensbegrenzende Maßnahme ist hoffnungslos.
In einem luxuriösen Wohnkomplex auf der Insel häufen sich die Seltsamkeiten. Auch Nicholas Tudor verhält sich merkwürdig, während er immer kranker wird. Seine Freu sieht keinen anderen Ausweg, als hinter seinem Rücken den  Arzt Roger St Luc zu konsultieren.
Dieser kommt der Sache zwar langsam auf die Schliche, ist angesichts des Ausmaßes und der Unaufhaltsamkeit der Bedrohung aber ebenfalls hilflos.

Kritik

Alles beginnt gut. Beinahe jedenfalls. Ein paar halbwegs beschauliche Impressionen eines Ferienortes, eine warme Stimme zählt die Vorzüge der Lokalität auf. Ein Paradies für die Geschafften, Überarbeiteten, von der Gegenwart Erdrückten.
Ein Start, der nur von der Musik verraten wird, die zwar einladend und sanft klingt, aber einen unverkennbar trügerischen, prophezeienden Unterton hat. Die Idylle bröckelt. Schon der Anfang atmet eine schräg-beunruhigende Atmosphäre.
Der direkt anschließende Mord eines archetypischen Akademikers an einer schmächtigen Frau bestätigt den Verdacht. Im hochmodernen Appartement-Komplex außerhalb von Montreal liegt etwas gewaltig im Argen.
Besagte Szene wäre hochgradig schockierend, stünde sie alleine da. Doch immer wieder wird sie unterbrochen von einem höchst kuriosen Check-In einer Familie. Die kontrastierende Ironie schwächt kaum die Wirkung der gezeigten Greuel, aber gibt dem Gesamten eine stark schwarzhumorige Note, die den Zuschauer regelmäßig auflachen und sich entspannen lässt. Immer mal wieder flutschen skurrile Abschnitte vollkommen reibungslos in reinrassige Horrorperspektiven, was schlicht wunderbar gelingt.
Und damit wäre der Film eigentlich hinreichend auf den Punkt gebracht. Sonderbar, eigentümlich witzig und nicht ganz ohne.
Das Komische gibt es auf mehreren Ebenen, die sich allesamt auf die absurden Auswüchse gesellschaftlicher Konventionen beziehen. Für die Handlung selbst völlig irrelevante Gesprächsfetzen über Gurken und die richtige Technik, um Rosen zu schneiden, dringen  von nebenan durch. Beiläufig finden so abgedrehte wie größenwahnsinnige wissenschaftliche Theorien Erwähnung und an anderer Stelle ist eine Dame mit grotesk hässlichem Schirm, den sie trotz der Abstinenz von Sonne oder Regen aufgespannt hat, blind für die Welt, so sehr klammert sie sich an ihren Schutz. Das Amüsante liegt aber nicht nur platt auf der Oberfläche, sondern findet sich auch im Subtilen. Auf so manchen Witz stößt man nur dann, weil andere Zuschauer begeistert kichern.
Zeitlich perfekt abgestimmt, lockert der Humor das Grauen auf und führt es gleichermaßen vor. Seine Wirkung bleibt dennoch erhalten, weil Cronenberg schon damals die filmischen Werkzeuge meisterhaft einzusetzen wusste. Obwohl es lange dauert,  bis es zur tatsächlichen Eskalation kommt, ist die Spannung permanent am Hochpunkt. Jedes Bild ist schwanger mit düsterer Vorahnung und Befürchtung. Cronenberg weiß einfach, wie lange und vor allem auf was die Kamera gehalten werden muss. Eine einfache und ebenso seltene Gabe. Die Bildästhetik seines frühen Schaffens ist einmalig und die Soundauswahl zwar konventionell, aber sehr durchdacht. Wenn das markerschütternde Dröhnen, Surren und Streichergekreische sich biestig über die Bilder legt, kann kein Gag der Welt verhindern, dass Parasiten-Mörder gnadenlos ernst ist, wenn er es denn möchte. Sogar die an sich ruhigen Flöten strahlen Unheil aus. Auch die sparsam eingesetzten Effekte, die nach wie vor vorzüglich aussehen, leisten ihren Beitrag. Die parasitären Schleimklumpen sind ein wahrlich widerwärtiges Gewürm.
Dass man Zeuge der Anfangszeit des Body-Horror ist, wird zu jeder Zeit deutlich. Körper werden geöffnet und mit Säure aufgefüllt und Brechstangen werden zum Brechen benutzt. Hier ist auch die eine ‚skandalöse‘ Szene zu finden, die Piranha 3DD kopierte und direkt im Trailer verbriet. Dennoch wird die Gewalt nie gefeiert oder plakativ um die Leinwand gewickelt. Der passende Winkel, die richtige Geschwindigkeit und Neigung der Kamera und gute Schnitte verbergen den eigentlichen Brennpunkt fast immer und überlassen es der Fantasie des Zuschauers, sich die hässlichen Details auszumalen.
Dass die ganze Handlung in kleinstem Raum stattfindet, verschärft die Stimmung. Dabei wird zwar ein ganz typisches Slasher-Gerüst umbaut, doch fühlt sich der Film in keiner Sekunde wie ein solcher an. Dafür haben die starken Figuren einfach viel zu viel Substanz. Jeder des Ensembles ist gleichwertig in seiner Relevanz. Trotzdem, zumindest dem Gefühl nach, gibt es eigentlich keine wirklichen Helden, sondern nur Betroffene.
Das ganze wunderbar funktionierende Geflecht aus Charakterarbeit, Humor und Grauen fordert für sein Gelingen allerdings ein paar mittelgroße Opfer von der Logik. Das Verhalten einiger Figuren ist zwangsläufig weniger nachvollziehbar, damit die Geschichte so verläuft, wie sie es tun muss, und weshalb niemand schon früh im Film auf die Idee kommt, einfach mal Hilfe zu holen, ist eines der großen ungelösten Rätsel. Stimmung geht eindeutig über Plausibilität. Aber das funktioniert auch ganz ausgezeichnet bis zum ruhelosen Ende, wenn sich Parasiten-Mörder immer deutlicher zu einer Zombiefilm-Version verwandelt, als wäre der Film selbst in seinem eigenen Fortgang an einer Infektion erkrankt.

Bei alledem sollte nie vergessen werden, dass Cronenbergs häufig zelebrierte Dekonstruktion des Leibes eine Metapher für die Schizophrenie einer ganzen Gesellschaft ist, die bei all der zivilisatorischen Scharlatanerie zwanghaft vergessen muss, dass hinter ihrem mehrschichtigen Schminkmassiv und unter dem Öl der Großstadtfloskeln ganz erbarmungswürdig einfache Triebe liegen. Wie belastend diese Unterdrückung auf lange Hinsicht sein kann, das zeigen Cronenbergs frühe Filme. Die Sehnsucht nach dem betörend Unverfälschten, für die wir uns schämen und bestrafen. Deswegen verschwendet auch niemand einen Gedanken daran, ein Gegenmittel zu entwickeln. Der Parasit lässt sich nur zusammen mit dem Wirt ausmerzen, das verrät schon die erste richtige Szene des Filmes. Übrig bleibt nur die Flucht und auch sie ist vergebens.
Am Ende versucht der ganze Apparat modernen Scheins sich aufzulehnen und kann dabei nur scheitern.

Fazit

Bittersüße Abrechnung mit der modernen Gesellschaft eines noch jungen Genies, der mit 32 ein kleines Meisterwerk schuf. Filmisch ausgereift, mit individueller Bildsprache und der perfekten Mischung zwischen Humor und Horror, ohne dass die beiden Gegenteile sich die Show stehlen.
Ein großer Sci-Fi-Film mit Effekten, die vom Alter völlig verschont geblieben sind.

Resident Evil: Retribution

Fast auf den Tag genau zwei Jahre ist es her, dass Paul W. S. Anderson zurück zu seiner Filmreihe Resident Evil gekehrt ist und mit Resident Evil: Afterlife ein durchaus spaßiges Comeback lieferte. Das Rezept war denkbar simpel: Geschichte, Atmosphäre, Charakterzeichnung wegrationalisieren, dafür durchkomponierte Action am laufenden Band.
Eigentlich also wenig Anlass zu Sorge, doch wenn nach so kurzer Zeit bereits eine weitere Fortsetzung ins Haus steht, ist das meist kein gutes Omen.


In allen Korridoren Vernichtungslaser aktivieren.

Story

Die Geschichte schließt nahtlos an das Ende von Teil 4 an. Ein riesiges Geschwader der Umbrella Corporation entert das das Schiff Arcadia. Alice wird geschnappt, Jill wird abermals gebrustkäfert und somit von der skrupellosen Organisation instrumentalisiert und der Rest der Besatzung fällt.
Mittlerweile hat der Zentralcomputer Red Queen die vollständige Kontrolle über die Firma übernommen und selbst die nicht totzukriegende Nemesis Luther West ist machtlos gegen die KI.
Dank der Hilfe von Ada Wong, die mittlerweile die Fronten gewechselt hat, gelingt Alice die Flucht. Zumindest fürs Erste, denn es stellt sich heraus, dass ein Entkommen aus dem geheimen Umbrella-Stützpunkt gar nicht so einfach ist.

Kritik

Von der beispiellos lächerlichen, unnötig langen, aber mittlerweile ja obligatorischen Einführungsrede abgesehen, beginnt der Film eigentlich vielversprechend.
Nicht nur wegen des fließenden Übergangs der Erzählung erweckt der fünfte Teil der Serie den Eindruck, dort weiterzumachen, wo der letzte Film aufhörte. Alice als Engelssilhouette und die gesamte Startsequenz rückwärts und in Slow Motion zu zeigen, entbehrt jeglichen Sinns, ist aber witzig und sehr stimmungsvoll. Direkt danach springt der Film zu einer Alice, die von Zombies, T-Virus und Weltuntergang nichts weiß. Als Familienmutter erlebt sie die Apokalypse zum ersten Mal. In diesem kleinen Einschub wird tatsächlich etwas geboten, das man in einem Resident Evil-Film nicht erwarten würde – richtige Horrorelemente.
Leider endet der gute Part des Filmes an dieser Stelle.

Was folgt, ist ein eintöniger Spießrutenlauf durch viele künstliche Stadteile, der den vollmundigen Slogan „Evil goes global“ als Mogelpackung enttarnt. Auf dem Papier ist das ein toller Aufhänger dafür, noch mehr und noch spektakulärere Actionexzesse aneinanderzureihen, in der Praxis entpuppen sich die einzelnen Gebiete aber als einander viel zu ähnliche Schauplätze immer gleicher Ballerorgien. Die imposanten Choreographien aus Afterlife, die mehr Ballett als Kampf waren, haben am Anfang des Filmes noch Platz, wiederholen sich dann aber zu oft und weichen recht bald ermüdenden Schusswechseln. Die einzig nennenswerte Variation ist die Größenzunahme der Monster. Und wenn ein Viech schon mal dagewesen ist, wird es nun einfach verdoppelt. Doch die röhrenden Untiere wirken nie bedrohlich, da Alice so gestählt ist, dass sie ohne ein Wimpernzucken durch die Gegnermengen pflügt. Zwar greift sie sich ein paar Mal im Film schwankend an eine Bauchwunde, doch bleibt auch diese absolut folgenlos. Irgendwann ist Resident Evil: Retribution nur noch laut, arm und egal – und erinnert damit frappierend an Sucker Punch.
Weder Schlampereien in der Filmlogik, z.B. dass man inmitten einer Zombieinvasion in einem Auto mit heruntergekurbelten Scheiben spazieren fährt, noch die übertriebene Selbstdarstellung des Filmes, die in Zeitlupe fliegende Pistolenmagazine mit Chören untermalt, stören. Nicht einmal die Pornodialoge, die es tatsächlich schaffen, den Vorgänger rückwirkend als wortgewandt dastehen zu lassen, sind ein wirkliches Problem. Der große Fehler ist einzig und allein, dass sich der Film in seinem einheitlichen Brei aus unaufhörlicher Action selbst erschöpft. Das, was hingegen immer noch recht gut funktioniert, ist der 3D-Effekt.
Einige werden sich freuen, dass sich Resident Evil hier zum ersten Mal wirklich wie ein Videospiel gibt. Die einzelnen Stadtabschnitte fühlen sich an wie Levels, die großen Monster wie Zwischengegner und es finden noch mehr Elemente aus der Vorlage Einzug in die Filmwelt. Mit der Wiederkehr von Red Queen in Form der schmollenden Göre, dem holprigen Zusammenlaufen von ein paar Handlungssträngen und der Wiedervereinigung einiger Charaktere wollte Anderson vermutlich die einzelnen Serienfragmente zu einem Ganzen zusammenfügen. Doch da es abseits der plötzlich auftauchenden Figuren gar keine Geschichte gibt und einem die ganze Angelegenheit nach der zwanzigsten Schießerei schon herzlich egal ist, gelingt auch dies nur bedingt.
Kurz vor dem traditionellen Cliffhanger strapaziert ein nicht enden wollender Schlusskampf ein letztes Mal die Geduld des Zuschauers, bis sich ein Rudel Tiefseezombies erbarmt und der Sache ein Ende setzt.

Fazit

Viel, sehr viel Lärm um nichts. Während Resident Evil: Afterlife mit Ästhetik und Abwechslung noch halbwegs überzeugen konnte, merkt man Ableger Nummer 5 der Endzeit-Saga die knappe Produktionszeit deutlich an.
Sobald der Film nur noch drittklassige Ideen hat, seine Action zu präsentieren, kentert das gesamte Konzept.

Resident Evil: Afterlife

Diese Woche läuft Resident Evil: Retribution als mittlerweile fünfter Teil der scheinbar endlosen Reihe in den Kinos an. Passend dazu gibt es unsere Rezension zum direkten Vorgänger, der wieder von Paul W. S. Anderson inszeniert wurde, welcher bereits 8 Jahre zuvor bei Resident Evil Regie geführt hat, und sein Franchise immer fürsorglich als Produzent und Drehbuchautor unterstützt hat.


Noch ergibt nichts einen Sinn.

Story

Alice löst ein in Resident Evil: Extinction gemachtes Versprechen ein, macht einen kurzen Abstecher nach Alaska, um sich vom vermeintlichen Arcadia, die vorgebliche Trutzburg inmitten der zombifizierten Welt, enttäuschen zu lassen und steigt – nun wenigstens mit einer alten Freundin im Schlepptau – wieder in ihren Flieger. Ihr nächstes Ziel ist Los Angeles, wo sie auf dem Dach eines Hochsicherheitsgefängnisses, das in einem Meer aus Zombies steht, bruchlandet und sich einem wackeren Güppchen Überlebender anschließt.

Kritik

Ja, keine Frage, ein echter Paul W. S. Anderson-Film. Nachdem der Dreh des Vorgängers in die Hände von Highlander-Regisseur Russell Mulcahy gegeben wurde, um ihm aus dem Sumpf der undankbaren Videopremieren zu helfen, ist Anderson zurück – und das sieht man. Resident Evil: Afterlife macht eigentlich da weiter, wo Teil 2 aufhörte und vergisst die atmosphärischen Endzeit-Ambitionen des etwas schleppenden, aber recht hübschen Vorgängerteils.
Zwar wird das offene Ende pflichtgemäß mit ein paar Szenen aufgegriffen, doch weder Klone noch die fortgeschrittene Verwandlung der Erde in einen Wüstenplaneten spielen eine nennenswerte Rolle.
Genauer gesagt wird eigentlich fast gänzlich auf eine Geschichte verzichtet. Wenn dann doch mal was passiert, fragt der Zuschauer meist ungläubig nach dem Warum. So zum Beispiel, wenn die Hauptfiguren gemeinsam eine offensichtliche Falle als ebensolche erkennen und dann trotzdem arglos hineinstolzieren.

Milla Jovovich spielt gewohnt und zum Film passend künstlich und ist selbstverständlich auch nach mehrfachem Weltuntergang ständig geschminkt. Aber nicht nur sie. Auch vormals verdreckte, zottelige Wilde müssen dafür lediglich in ein Flugzeug steigen, das augenscheinlich eine bordeigene Make-Up-Maschine besitzt.
Aber natürlich geht es in Resident Evil spätestens seit dem Trashtitan Resident Evil: Apocalypse schon längst nicht mehr um so etwas Unnötiges wie Story.
Daseinsberechtigung des Filmes sind einzig und allein die Schauwerte. Die leiderprobte Alice tobt grimmig durch die zahlreichen Gefechte, die sichtlich nur für den 3D-Effekt gemacht worden sind.
Der halbe Film findet in Zeitlupe statt und ergötzt sich an seinen Szenen wie an Heiligenbildern. Schon der Anfang klotzt nach allen Regeln der Kunst, hebt den Bodycount in den ersten menschenverachtenden Minuten bereits ins Maßlose und legt eine ganze Stadt in (etwas) Schutt und (viel) Asche. Das Ganze strahlt in platter Symbolik, ist voll mit dummen Ideen und wird mit einer exzessiven Coolness vorgetragen, sodass der ganze Schmarrn auch noch Spaß macht – selbst in 2D. Alles ist fett, durchgestylt, dämlich und wird von einem reichlich peinlichen Score begleitet, der nur pausiert, wenn die katastrophale deutsche Synchronisation einsetzt.
Unabhängig von der gewählten Sprache sind die Dialoge aber eine Sache für sich, da tatschlich nicht ein einziges gesprochenes Wort sitzt, notwendig ist oder sogar Sinn ergibt. Stattdessen schleudert man sich platte Phrasen und lasche Oneliner um die Ohren. Das lädt zum Schmunzeln ein, wird aber zur Geduldsprobe, wenn mehr als zwei Sätze nacheinander fallen.
Aber dafür entschädigen ja die Videoclip-Actionszenen, in denen mehr Kugeln verfeuert werden, als in so ziemlich jedem Kriegsfilm. Aber auch und ganz besonders hier gilt: Wer mit bleihaltigem Edel-Trash nichts anfangen und sich nicht in blankem Unsinn verlieren kann, wird jede Sekunde von Resident Evil: Afterlife als schlimmste Folter empfinden. Wer sich gerne auf Over-the-Top-Spektakel einlässt und sich nichts dabei denkt, wenn sich in Herkules-Manier Muskelkraft mit Propellerflugzeugen misst und Schwerter Beton durchstechen, kann mit diesem Werk aber durchaus kurzweilige 96 Minuten verbringen.
Schließlich sieht der grobe Unfug die meiste Zeit unverschämt nett aus. Die Effekte sind zwar kalt, glatt und – man sollte es nicht zu selten erwähnen – bis ins Bizarre überzogen, haben in ihrer überstilisierten Albernheit aber durchaus ihren Reiz. Der Film verliert aber auch beinahe alles, wenn die Optik eine der vielen Qualitätsschwankungen erleidet. Gerade die verschwommenen Hintergründe des verheerten Landes wirken oftmals wie lieblos hineinkopierte Kulissen. Außerdem wirkt das Gemetzel häufig viel zu aufgesetzt und die Zeitlupe fühlt sich weniger als Stilelement, sondern wie ein Hilfsmittel an, um die unbeholfenen Versuche der Schauspieler, ihre Choreographien vorzuspielen, zu tarnen.
Immerhin hat man versucht, mal wieder ein paar Spielereferenzen in die einstige Spieleadaption einzustreuen. Das geht nie über Elemente hinaus, die aus dem Zusammenhang geschnitten und wahllos in den Film gestreut sind, mag den einen oder anderen Fan aber dennoch beschwichtigen können.
Dass der Sci-Fi-Horror sich seiner Natur bewusst ist und auch ironisch kann, zeigt sich auch daran, dass Wentworth Miller anfangs im Knast sitzt.
Was bleibt, ist ein in jeder Hinsicht abstruser Blödsinn, der nie länger als für den Augenblick existieren kann, sein Programm aber so konsequent durchzieht, dass er trotzdem unterhält. Dass die ganze Sache mit einem unnötigen und schrecklich aufgesetzten Cliffhanger endet, stört dann auch niemanden mehr.

Fazit

Der vierte Teil der Resident Evil-Reihe bietet den erwarteten Quatsch und viele nette Optikspielereien, die nur fürs 3D entworfen wurden, allerdings auch in der zweiten Dimension überzeugen können – sofern man ein Herz für gnadenlos überzogenen Trash hat.
Für alle Jünger zelebrierter Oberflächlichkeit, Komplettisten und natürlich all jene, die nicht müde werden, sich über die unerhörte Untreue gegenüber der Spielevorlage zu mokieren.

Fantasy Filmfest Special: Portrait of a Zombie

Fantasy Filmfest Special 5

Inmitten der Blütezeit des Found-footage-Films mag man fast schon instinktiv zusammenzucken, wenn man von einer neuen Mockumentary hört – besonders in Kombination mit Horror. Nicht ganz zu Unrecht fürchtet man mehr Handkamerageschüttel als in jedem Teil der Bourne Trilogie, viele schlecht gestellte Interviews und einen toten Kameramann, mit dem der Film sich am Ende feige aus der Affäre zieht.
Wenn nur 50.000 Dollar zur Verfügung stehen und man trotzdem das ausgelaugte Genre des Zombiefilmes am liebsten revolutionieren möchte, bietet sich die Wahl einer Fake-Doku aber durchaus an.


Jesus was not a zombie. And Billy is not Jesus.

Story

Dublin irgendwann während einer zukünftigen Zombieplage. Anstatt die Insel zu evakuieren, hat man sich dazu entschieden, das bisherige Leben so gut wie möglich weiterzuführen. Die Kneipen und Supermärkte sind gefüllt, die lokalen Banden Kleinkrimineller haben endlich ein ordentliches Feindbild und jeder versucht, Zombieinvasion und Alltag unter einen Hut zu kriegen. Die Epidemie ist letztlich auch nur eine Krise unter vielen.
Wer angekaut und somit angesteckt wird, gilt als verloren und trottet fortan als Hirngourmet durch die Straßen, sofern er nicht rechtzeitig erlöst wird.
Aber es gibt nicht nur Schwarz und Weiß in Irland. So wird eifrig debattiert, ob Zombies nicht auch Rechte haben sollten – oder ob man sie gar zu Vegetariern umerziehen könnte.
In einem solchen Graubereich liegt auch der Weg der Familie Murphy. Sohnemann Billy wurde infiziert, wird von den fürsorglichen Eltern aber weiter im Haus behalten und als vollwertiges Familienmitglied behandelt, während er ans Bett gekettet und mit einem Maulkorb versehen vor sich hin faucht, fault und frisst.
Der Film folgt einem Team junger Dokumentarfilmer, das sich des Familienschicksals annimmt.

Kritik

Schon in den ersten Minuten wird klar, dass Portrait of a Zombie nicht nur den Zombiefilm, sondern auch Mockumentaries kräftig durch den Kakao ziehen will. In Interviews wird herrlich manipulativ emotionalisierende Musik verwendet und bewegte Bilder aus der Zeit, in der Billy noch ein Bursche mit gesundem Appetit war, werden mit einem Farbfilter modifiziert, bis das eigentliche Motiv vor lauter Bildfehlern kaum noch identifizierbar ist.
Gerade in der ersten Hälfte sind Interviews in der Tat auch das prägende Stilmittel. Trotzdem entwickelt der Film hier nur wenige problematische Längen. Die naiven Eltern, die das Zombiedasein ihres Sohnes behandeln, als litte er lediglich an einer mittelschweren Grippe, während sie mit vor Liebe brüchiger Stimme davon berichten, wie schwer es ihrem Billy nun falle, neue Freunde zu finden, sind mit ihrer zwanghaft optimistischen Attitüde für einige Lacher gut, von denen manche durchaus im Halse steckenbleiben. Aufgrund der ungewohnten Perspektive drängen sich an wenigen Stellen sogar subtile Vergleiche mit We are what we are auf.
Auch die sonstigen Gestalten, die man vor die Kamera stellt, wissen Abwechslung ins Geschehen zu bringen und steigern die Absurdität der Situation streckenweise ganz beachtlich. So bringen die verängstigten Bürger, die das unvorsichtige Treiben von Familie Murphy aus Angst um ihre eigene Sicherheit nicht gutheißen können, das notwendige Konfliktpotenzial für den Anfang.
Man beschränkt sich dabei nicht ausschließlich auf die Aufnahmen des Teams, sondern liefert bei Bedarf – und das ist gar nicht so selten der Fall – auch Sequenzen einer stinknormalen extradiegetischen Kamera. Dass man Material der Filmcrew vorgesetzt bekommt, merkt man immer dann, wenn das Bild überdurchschnittlich stark hin und her springt. Die Kamera ist hier tatsächlich noch nervöser als in vielen anderen Vertretern mit ähnlicher Herangehensweise.

Während der Film sein kleines Budget häufig durch den gewollten Dokustil und einen meist gelungenen dichten Klangteppich verbergen kann, stellen die zahlreichen Untoten hier eindeutig die Achillesferse dar. Zwar hat man sich beim Makeup sichtlich Mühe gegeben, trotzdem bleibt man weit von der gewünschten Illusion entfernt, dass es sich nicht um eine Meute Statisten handelt, die mit jeder Menge Puder und klar erkennbaren Kontaktlinsen entsprechend hergerichtet wurde.

Nach der Halbzeit werden plötzlich zwei völlig unerwartet heftige Szenen geboten, die aufgrund ihrer rücksichtslosen Inszenierung und im ersten Fall außerdem wegen des eindeutigen Willens zur Kontroverse auch abgebrühte Genreveteranen ungläubig zucken lassen.
Dafür fehlt es im zweiten Teil und ganz besonders im gedehnten Finale klar an Ideen. Wenn die Figuren zu ratterndem Industrialgewitter völlig willkürlich das Zeitliche segnen und eine Sterbeszene amateurhafter als die andere wirkt, ist von der anfänglichen Unterhaltung keine Spur mehr vorhanden.

Fazit

Mit Portrait of a Zombie ist Bing Bailey ein grundsätzlich interessantes Erstlingswerk gelungen. Zu Anfang macht der Film nicht nur vieles anders, sondern überzeugt auch durch treffsicheren Humor. Im weiteren Verlauf erschöpft er sich aber immer mehr in seiner Ausgangsidee und weiß im letzten Akt sichtlich nicht, wie er zum Ende kommen soll.

Der Omega-Mann

Richard Mathersons Roman I Am Legend (im Deutschen: Ich bin Legende) kappte erstmals die okkult-mystischen Wurzeln des Vampirismus und stellte ihn als gewöhnliche Krankheit mit außergewöhnlichen Folgen dar. Ganze viermal wurde das Buch bis heute verfilmt. Zuerst 1964 unter dem Namen The Last Man on Earth mit Vincent Price in der Hauptrolle, das letzte (erwähnenswerte) Mal 2007 mit Will Smith als getriebener Wissenschaftler. Die wohl populärste Umsetzung des Stoffes aber dürfte Der Omega-Mann von Boris Sagal sein.

Story

Ein verheerender Krieg zwischen China und der UDSSR macht der Menschheit quasi ein Ende. Biologische Kampfstoffe haben die Mutation eines Bakterienstammes bewirkt, der beinahe alle hingerafft hat. Nur Robert Neville, ein ehemaliger Wissenschaftler im Militärdienst, überstand den großen Reset unbeschadet, da er sich rechtzeitig ein Antiserum injizierten konnte.
Alle weiteren Menschen, die nicht ihren Tod durch die Epidemie fanden, mutierten langsam zu lichtscheuen Wahnsinnigen, deren postzivilisatorische Gesellschaft nachts marodierend durch die Stadt zieht und die neue Weltordnung preist, während gebrandschatzt wird, was das Zeug hält. Die sektenartige Gruppierung, die sich selbst „Die Familie“ nennt, hegt tiefen Groll gegen sämtliche moderne Technik als Auslöser der Zeitenwende und hat den letzten Überlebenden als ihre Nemesis auserkiesen.
In den dunklen Stunden verschanzt sich Neville daher in seinem von Licht durchfluteten Appartement und gibt sich Mühe, nicht gelyncht zu werden.
Am Tage streift er ziellos durch die Stadt. Die meiste Zeit sitzt er in einer der vielen herrenlosen Luxuskarossen und braust mit Höchstgeschwindigkeit durch verwaiste Straßenschluchten. Er plündert, trinkt, schaut in leeren Kinos Filme, die er lange schon mitsprechen kann, und debattiert mit imaginierten Mitmenschen, um so etwas wie Alltag zu erschaffen. Der Überlebenskampf ist längst schon Routine und die größte Gefahr liegt in der Einsamkeit, die ihn langsam aber unaufhaltsam um den Verstand zu bringen scheint.

Kritik

Da die jüngste Interpretation mit Will Smith den meisten vermutlich am deutlichsten im Gedächtnis ist, bietet sich ein Vergleich natürlich an. Statt Smith, der seinerzeit mit entblößter Rückansicht für Furore sorgte, ist es nun der in die Jahre gekommene Charlton Heston, der weniger durch Coolness und mehr durch seinen abgeklärten Zynismus auffällt. Hestons Spiel ist ein wenig extrovertierter, was den in ihm keimenden Wahnsinn aufgrund der Desozialisation effektiv zur Geltung bringt.
Auch sind die nächtlichen Schrecken keine auf ihre Instinkte reduzierten Zombies, sondern weiterhin Menschen mit einer stark an Albinismus erinnernden Krankheit, die in erster Linie aufgrund ihrer kollektiven Psychose als Bedrohung wahrgenommen werden. Ihre Art, sich zu bewegen, und die Kutten, in die sie sich hüllen, erinnern aber recht schnell daran, dass es sich in der Vorlage um Vampire handelt. Ebenfalls wurde dem Buch der charismatische Anführer entliehen, der die ewig kichernde Meute der Mutierten koordiniert und von Lincoln Kilpatrick mit herrlich diabolischer Attitüde verkörpert wird.
Der größte Unterschied ist aber schlicht und ergreifend die Erzählweise selbst. Ist Francis Lawrences I Am Legend mehr Stimmungsbild und Momentaufnahme, so bemüht sich Der Omega-Mann, in seinen 98 Minuten neben der Charakterstudie Nevilles möglichst viel Geschichte unterzubringen. Eingestreute Medienberichte und Rückblenden klären den Zuschauer zudem über die Hintergründe und den Verlauf der Katastrophe auf und bringen ihm zugleich die Hauptperson näher.
Die verschiedenen Charaktere wurden passend besetzt und schaffen es auch in kurzen Szenen, durch ausdrucksstarkes, aber nie übertriebenes Spiel, das Notwendige zu vermitteln. Ein gesondertes Lob haben sich die sehr pointierten Dialoge verdient. Überhaupt gibt es handwerklich genauso wenig zu bemängeln wie auf inhaltlicher Seite. Wenige Schwenks und viele Zooms, insbesondere von Großaufnahmen zu Totalen, unterstreichen gerade am Anfang des Filmes die zersetzende Einsamkeit, die den Wissenschaftler Tag für Tag umgibt.

Einer der interessantesten Aspekte ist die musikalische Untermalung.
Seien es die verfremdeten Orgelklänge, die eine angenehm schaurig-morbide Atmosphäre kreieren, oder die treibenden, jedoch keineswegs aufdringlichen Synthesizermelodien, die eine ganz eigene Beschwingtheit hervorrufen, welche aber anstandslos mit dem apokalyptischen Bild harmoniert. Irgendwie rufen der gesamte Score und die von ihm verursachte Stimmung Erinnerungen an die Arbeit von Sergio Leones Stammkomponisten Ennio Morricone wach, der zuvorderst durch seine Arbeit an der unvergesslichen Dollar-Trilogie unsterblich wurde. Ron Grainer, der Komponist von Der Omega-Mann, stellte hier unter Beweis, welch außerordentliches Geschick und hervorragendes Gespür er dafür besitzt, den richtigen Ton zur richtigen Zeit erklingen zu lassen.

Fazit:

Der Omega-Mann ist die kurzweilige und äußerst stilsichere Geschichte einer Welt, die in den 1970ern ihr Ende fand. Dabei ist der Scifi-Film trotz Aktualität nicht vollends zeitlos, aber gerade wegen der spürbaren Verhaftung in seiner Ära absolut sehenswert.
Typisch für das Datum seiner Herstellung sind die sozialkritischen Kommentare, die steife Kameraführung und natürlich die Frisuren sowie die Tatsache, dass auch die schlimmsten Dinge mit der richtigen Musik groovy sein können. Dass der Film fraglos Kind seiner Zeit ist, kann und will er nicht verbergen. Dessen ungeachtet ist das Kultwerk ausgezeichnet gealtert und auch heute noch völlig beschwerdefrei zu genießen. Einzig die actionhaltigeren Abschnitte wirken aus heutiger Sicht ein klein wenig unbeholfen.

Vampire Nation

Inmitten von im Sonnenlicht glitzernden Grazien und melancholischen Aristokraten tauchten in den letzten Jahren entgegen aller Wahrscheinlichkeit immer mal wieder Vertreter der Blutsaugerzunft auf, die weniger durch romantische Veranlagungen auffielen als der moderne Spitzzahn dies zu tun pflegt. Stephenie Meyer zum Trotz gelangten achtbare Werke wie 30 Days of Night und Tomas Alfredsons So Finster die Nacht in den letzten Jahren auf die Leinwand, ernteten Erfolge und erinnerten daran, wie die eigentliche Etikette eines Vampirs auszusehen hat.

Mit Vampire Nation (im Original den ungleich besseren Titel Stake Land führend) liegt ein Genrefilm vor, dem diese Aufmerksamkeit bisher weitestgehend verwehrt geblieben ist.

Story

Ein jugendlicher Neuwaise und ein bärbeißiger Revolverheld namens Mister streifen durchs verheerte Amerika der Zukunft. Ihr Ziel ist ein sicheres Gebiet, irgendwo im fernen Osten, das nur gerüchteweise existiert. Der Weg zwischen ihnen und dem erhofften Paradies ist besetzt von furchtbar hässlichen Vampiren, einer christlich-fanatischen Sekte im Amok-Modus, ein wenig Restzivilisation, sehr viel rauer Natur und weiteren Gerüchten, deren Inhalt zeitweise auch das tapfere Duo selbst ist. Zum Glück bleibt es nicht bei diesem Zweiergespann, denn auf der langen Reise stoßen weitere wackere Überlebende und Hilfesuchende zu dem Grüppchen.
Und dieses mal größere, mal kleinere Grüppchen bewegt sich zusammen mit dem Zuschauer durch ein einzigartiges Roadmovie. In den Überbleibseln der Städte haben sich die Menschen zusammengerafft, Konflikte niedergelegt und fristen ein Dasein wie im Wilden Westen, mit all den Unannehmlichkeiten dieser romantisierten Epoche, aber auch mit den kleinen Alltagsereignissen, die jäh große Ausgelassenheit auslösen können. Zum Beispiel die Begegnung mit freundlichen Reisenden nach Zeiten langer Einsamkeit und Isolation.

Kritik

Die Welt von Vampire Nation ist glaubwürdig, doch im Gegensatz zum ebenfalls liebevoll erdachten Szenario in Daybreakers, sind all die netten Details lebendig und involviert.
Auch, wenn die einzelnen Charaktere sich auf dem Papier wie wandelnde Klischees lesen, die brav ihre markante Hauptfunktion erfüllen und sich sonst im Hintergrund halten, blüht der zusammengewürfelte Haufen auf der Leinwand mit unerwarteter Stärke auf. Protagonist ist die Gruppe, jeder ist wichtig, geschickt eingebunden und niemand wirkt überflüssig. Dass Mister und sein Schützling mehr Leinwandzeit haben als der Rest, liegt in der Natur der Sache – entbehrlich werden die Übrigen dadurch keineswegs. So wachsen Sympathien und so stockt der Atem, wenn jemand die Gemeinschaft verlässt – dies geschieht nämlich auf stets nüchterne, unaufgeregte und doch schmerzlich überraschende Weise.
Die Vampire sind nicht edel, nicht Äonen alt und auch nicht clever. Es sind wilde und fremde Tiere, die kaum koordiniert in der Gruppe agieren, dafür aber auch einzeln eine durchaus ernstzunehmende Gefahr darstellen. Viel Schimpf musste Vampire Nation erdulden, weil die Vampire sich nicht standesgemäß verhalten und im Grunde kaum bessere Zombies mit scharfen Eckzähnen sind. Davon abgesehen, dass der bereits erwähnte 30 Days of Night ähnlich animalische Vampire ins Feld führt, kommt es doch einfach nicht darauf an, ob deren Verhalten sich irgendeinem allgemeingültigen Regelwerk beugt oder nicht. Die Kreaturen müssen ihren Zweck als ernstzunehmende Bedrohung erfüllen, die den Helden überlegen, mindestens aber gewachsen sind. Und dies ist der Fall in Jim Mickles Mär vom postapokalyptischen Vampirismus.
Eine noch viel größere Gefahr stellen die erwähnten Fanatiker dar, die den Untergang der Menschheit als großes Fest begreifen, das mit Inbrunst gefeiert werden muss. Nicht nur Mister und sein Gefolge fürchten sich vor der klerikalfaschistischen Sekte, auch der Zuschauer empfindet die religiösen Eiferer als die größte aller Bedrohungen. Die irregeleitete Intelligenz wirkt weitaus bösartiger als die nur unwesentlich harmloseren, aber eben rein instinktgelenkten Attacken der Vampire.

In Anbetracht dieser nihilistischen Ausgangssituation mag es überraschen, dass die Grundstimmung des Filmes weit entfernt davon ist, düster zu sein. Ständig bricht die Sonne durch das Blätterdach, streichelt Bergrücken oder wärmt die Häuser. Der Fokus liegt nicht auf intensiven Situationen – die es zweifelsohne gibt – sondern auf der Reise, die immer wieder von der Erzählstimme des Jungen unterlegt ist. Und wie es vielen guten Roadmovies eigen ist, ist Vampire Nation auch nicht trist, karg und schlimm. Vielmehr ist er wunderschön, hoffnungsfroh und rührt das Fernweh. Und dies wiederum ist natürlich den Werkzeugen des Films anzurechnen.
Soll heißen: Man nehme die Landschaftsaufnahmen aus Into the Wild und die Musik aus 28 Days Later sowie, ja!, Firefly und plötzlich ergibt sich ein Feel Good-Horrorfilm, der so unverblümt locker und frisch daherkommt, als sei er der erste Vampirfilm der Filmgeschichte. In seinen stärksten Momenten kann es gut vorkommen, dass man sich trotz der objektiven Hoffnungslosigkeit von einer eigentümlichen Euphorie mitgerissen fühlt, wenn man erlebt, wie die Figuren einander besser kennenlernen, das Beste aus ihrer Situation machen und neuen Mut daraus schöpfen, einfach ihrem Weg zu folgen.
Angenehm ist auch, dass vieles unverkennbare Handarbeit ist. Die Masken der Vampire, die Zeichen der Zerstörung und die Kämpfe sind von CGI beinahe gänzlich unberührt und sehen nicht trotzdem, sondern deswegen wunderbar aus. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass letztere hin und wieder recht martialisch ausfallen. Vampire Nation ist beileibe kein Splatterfilm, nimmt sich in den Auseinandersetzungen aber auch nicht zwanghaft zurück.

Ankreiden könnte man theoretisch natürlich so einiges. Zum Beispiel, dass das musikalische Thema absolut überstrapaziert wird, klingt es doch gefühlt in jeder zweiten Szene von Neuem an. Dem entgegenzusetzen wäre das Totschlagargument, dass das überhaupt nichts macht – die Musik verträgt sich derart gut mit Bild und Handlung, dass man sie sich insgeheim auch in den anderen Szenen herbeiwünscht.
Das typische Charakterproblem, dass einige Figuren viel zu sehr auf wenige Grundeigenschaften reduziert sind und sich jenseits von diesen als nicht überlebensfähig erweisen, wurde bereits angesprochen, kommt hier aber schlichtweg nicht zum Tragen. Sie passen einfach in die portraitierte Welt, eine Welt, die sich weitergedreht hat. Man nimmt den Figuren ihre Beweggründe ab, weil sie aufrichtig von ihnen vorgetragen und mit Nachdruck von der Welt bestätigt werden.
Gefallen lassen muss sich der Film den Vorwurf, dass er wenigstens strukturell nur neu zusammengewürfeltes Diebesgut ist. Westernstädte in der Endzeit, bösartige Sekten, Vampire und nicht zuletzt die Konstellation vermeintlicher Stereotypen: Der stoische Krieger, das reifende Kind, die tapfere Nonne… etwas feinfühliger hätte man bei der Auswahl der Charaktere schon vorgehen können. Doch das sind Oberflächlichkeiten, die nie verhindern können, dass einem die Reisenden ans Herz wachsen, man über die Welt staunt und sich ständig fragt, was wohl hinter dem nächsten Autowrack verborgen sein könnte. So altbekannt die Zutaten auch sein mögen – ihre Kombination erfolgt hier in reiner Vorbildhaftigkeit.
Überflüssig ist nur eine einzige Sache, welche – wie so oft – am Ende zu finden ist. Die abschließende Konfrontation ist fürchterlich typisch, entsprechend unbeholfen und somit der einzige Moment, in dem der Film tatsächlich Richtung Genredurchschnitt fällt. Es handelt sich zwar nur um wenige Minuten, doch sticht diese finale Inkonsequenz so sehr aus dem ansonsten quasi makellosen Film hervor, dass es schon ein wenig schmerzt.

Fazit:

Vampire Nation aka Stake Land nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise, die trotz des Elends der Welt, trotz immerwährender Lebensgefahr in erster Linie wunderschön ist.
Hervorragende handwerkliche Arbeit, eine mutige Regie, gute Schauspieler und nicht zuletzt die ungewöhnliche Herangehensweise machen den Film zu einer wirklichen Perle, die bisher jedoch kaum jemandem ein Begriff ist. Ob die Rezeption in Deutschland anders ausgefallen wäre, wenn man den Film mit weniger unrühmlichem deutschen Titel und nicht ganz so trashigem Cover auf den Markt gebracht hätte, muss jeder für sich entscheiden.

Eine gewagte (und natürlich schwer subjektive) These zum Schluss: Vampire Nation der beste Vampirfilm seit Interview mit einem Vampir.