Maggie

Henry Hobson, zu dessen bisherigen Beiträge zur Landschaft Hollywood man durchaus berechtigt schweigen kann, lieferte 2015 mit Maggie sein Spielfilmdebüt ab, dessen primärer Aufmerksamkeitsmagnet sein Hauptdarsteller ist: Arnold Schwarzenegger.
Wem das Konzept, dass Arnold Schwarzenegger in einem Zombiedrama mitspielt, bereits Sensation genug ist, bei dem kann der Film sowieso nur wenig falsch machen. Doch Arnie ist hier nicht nur werbewirksamer Schmuck, sondern eine echte Bereicherung für einen sehr guten Film, der die kleine Sparte des „intellektuellen Zombiefilms“ sinnvoll bereichert.

Dad, I’ve gone to the city. Please don’t come for me.

Story

Durch hartes Durchgreifen konnte die USA von der Zombie-Epidemie weitestgehend gesäubert werden. Hier und dort streifen noch ein paar Untote umher, doch die tatsächliche Gefahr scheint gebannt. Und langsam beginnt man mit der Wiederaufnahme des Alltags. Die infizierte Schülerin Maggie Vogel wird von ihrem Vater aus der Klinik abgeholt. Der weitere Verlauf ist klar: In den nächsten Wochen wird sich ihr Zustand verschlimmern. Dann muss sie zusammen mit den anderen Opfern in Quarantäne gebracht werden und Sterben. Die Zeit dazwischen darf sie noch im Kreis der Familie bleiben. Ihr Farmer-Dad Wade Vogel muss sich nicht nur mit Nachbarn rumschlagen, die der Gefahrenquelle in ihrer ländlichen Gemeinde wütende Blicke zuwerfen, sondern vor allem mit der Tatsache selbst, dass nun Abschied von seiner einzigen Tochter genommen werden muss.

Kritik

Das Setting selbst ist angenehm unaufgeregt, wenn auch die Ausgangsituation mehr als hanebüchen daherkommt – die große Plage scheint überstanden, Amerika schüttelt sich nur noch ein wenig unter ihren Nachwirkungen. Letztlich scheint es aber so, als wäre die Epidemie nur ein weiteres großes Übel gewesen, das es gemeinsam zu überwinden galt. So gibt sich die gezeigte Welt einigermaßen ruhig, zur Hälfte, weil sie hilflos und müde ist, zur Hälfte aber auch, weil sie unbeirrt weiterbesteht. Sie gewinnt vor allem durch die tristen Farben und die perfekte Ausleuchtung der Szenerien viel an Profil und Stimmung. Mürbe ist alles, grau, alt und durchzogen von Schatten verschiedener Stärke. Am Horizont rauchen Trümmer, die vorherige Grenzenlosigkeit der Highways wird nun strukturiert von Leuchtfeuern der ausklingenden Katastrophe – aber es gibt sie noch, die Highways, die Autos auf ihnen, die Supermärkte und das Geld. Es ist nur eben alles etwas leerer, grauer. Manchmal ist es sehr viel grauer, fast schon an der Grenze zum Schwarzweiß, so entsättigt ist die Welt. Und Entsättigung ist es wohl auch, was den Zustand des Landes am besten beschreibt. Das Haus der Familie Vogel aber ist getaucht in warme Farben, Familie ist der sichere Nukleus in dieser Zeit und wohl schon immer. Sie ist das Zentrum, das über allem steht. Ist sie sicher, gibt es auch Hoffnung.
Das selbstverliebte Klavier, das etwas zu oft etwas zu verträumte Melodien klimpert, ist das Element des Films, das am meisten stört. Ein weniger plattes, dafür aber durchdachteres musikalisches Konzept hätte dem Film ebenso wie totales Fehlen von Musik sehr viel besser zu Gesicht gestanden. Dafür aber stimmt der Rest. Die Geschichte wird mit Gemach erzählt, ohne eine Minute langweilig zu sein. Einige Aufnahmen sind vielleicht zu sehr auf kunstvollen Kleinfilm getrimmt, manche Montagen in all ihrer gekonnten Realisierung im Kern zu altbacken, doch was am Ende zählt ist die grundsätzliche Stimmung – und die stimmt. Maggie ist durchgehend düster, aber nie trist, nie ohne Hoffnung, nie hässlich. Angesichts der schweren Thematik ist das viel mehr als nur ein Achtungserfolg. Zu wissen, dass ein naher Mensch bald gehen wird, dass die Zeit mit ihm befristet ist, das ist die eigentliche Geschichte des Filmes. Und der zurückhaltende Schwarzenegger spielt seine Rolle des verzweifelten Vaters mit gebundenen Händen ebenso überzeugend wie gut. Schwarzeneggers Figur dient als perfekter Spiegel dieser Hoffnung und ihrer Qualität. Ein rüstiger, mürrischer Dickkopf von einem Farmer, Vater und Ehemann. Der Österreichische Dialekt passt zu der Figur vom Land, die eisernen Züge zu dem, was das Leben von ihm abverlangt. Aus seinem Gesicht lässt sich lesen. Die Augen werden feucht, ein kaum merkliches Zittern, Ohnmacht und Ausweglosigkeit in den Bewegungen. Nie war der gebürtige Österreicher mehr Schauspieler als in Maggie.
Auch die anderen zentralen Figuren des reduzierten Ensembles wissen zu überzeugen. Joely Richardson als seine Frau und Stiefmutter von Maggie bietet den logischen Gegenpart zum Farmer. Auch in ihr umspinnen sich Rauheit, sich beißende Gefühle, Schmerz und Beharrlichkeit. Das Ehepaar Vogel ist in seiner Darstellung intensiv und glaubhaft. Die Namensgebende Maggie wird gespielt von Abigail Breslin (Little Miss Sunshine, Zombieland, Signs), die eine überzeugende Darsellung eines pubertierenden Mädchens gibt, das verunsichert, vom eigenen Körper betrogen und irgendwie schon halb erwachsen ist. Wie jede in ihrem Alter und doch anders. Überhaupt lässt sich der gesamte Film auch hervorragend auf Parabel auf das Erwachsenwerden lesen.
Obschon Maggie hie und da besser sein könnte, heißt das mitnichten, dass der Film an irgendeiner Stelle schlecht sei. Im Gegenteil: Die kleinen Pannen spielen letztlich keine zu bedeutende Rolle, weil das Drama sowohl inhaltlich als auch ästhetisch mitnimmt und fesselt.

Fazit

Maggie ist eine tragische Indieperle, die ohne Schwarzenegger in der Hauptrolle viel weniger Aufmerksamkeit bekommen hätte – und mit ihm viel mehr als nur ein Aushängeschild bekam. Der rüstige Farmer ist das ernergetische Zentrum eines intensiven, hochatmosphärischen Zombie-Dramas mit Mut zur Andersheit.

Im Stahlnetz des Dr. Mabuse

Ein schweres Erbe tritt Harald Reinl an, wenn er von niemand geringerem als Fritz Lang die ikonische Figur des Dr. Mabuse übernimmt. Ein vollständig verwandeltes Drehbuch später entstand ein internationales Produkt, das mit dem ursprünglichen Mabuse-Thema nur noch wenig gemein hat – und damit Langs eingeschlagenen Pfad in gewisser Weise weiterverfolgt.

Ich habe nur einen Herrn und Gebieter, Dr. Mabuse!

Story

Kommissar Lohmann, seine Familie und vier Kisten Bier wollen in den wohlverdienten Urlaub verschwinden, als ihn kurz vor Abfahrt ein Anruf seines Assistenten Voss zurückhält. Ein Interpol-Agent wurde ermordet, der mit belastendem Material gegen ein großes Verbrechersyndikat aus Chicago mit sich führte. Für den Fall zur Seite wird ihm der vermeintliche Fbi-Agent Joe Como, der auf sehr amerikanische Weise vorzugehen pflegt. Nach und nach scheint nicht nur jeder verdächtig, sondern auch der eigentlich längst verstorbene Dr. Mabuse sich als Strippenzieher herauszustellen, der mit einer neuartigen chemischen Substanz jeden nach Belieben zu einer gehorsamen Marionette verwandeln kann.

Kritik

Gert Fröbe spielt den den altgedienten Kommissar Lohmann, der als Figur bereits in Das Testament des Dr. Mabuse und M – Eine Stadt sucht einen Mörder Popularität erlangte (damals gespielt von Otto Wernicke), mit schalkhafter Launigkeit. Eingeführt wird er als jemand, der nicht trotz, sondern wegen seiner Polizeiarbeit „immer noch Kind“ ist und sich gerade vom Sohnemann drei Kisten Bier (und eine für den Notfall) für einen Kurzurlaub verladen lässt; jemand, der sich auch während der Ermittlungen nicht zu schade ist, mal ein Bier zu ordern. Damit bedient er aber gerade nicht den Typus des elegischen Hard-Boiled-Detectives, sondern präsentiert sich als dessen Gegenteil, den Mann aus der Mittelschicht, dessen Ironie nicht eiskalt, sondern schalkhaft ist, der dessen Verstand zwar messerscharf, aber nicht ganz so fern von einer zünftigen Bauernschläue ist. Das passt prinzipiell gut in die Reihe, die nach ihrer Wiederbelebung weit mehr als nur ein lahmer Edgar-Wallace-Abklatsch sein wollte, sondern sich bemühte, in seinem Subtext gesellschaftspolitische Relevanz zu vermitteln. In Die 1000 Augen des Dr. Mabuse ging der Zeigefinger hoch gegen eine Wiederholung der Stasi-Methoden, in Das Stahlnetz des Dr. Mabuse heißt es nun: Jeder kann und muss seinen Beitrag leisten – auch der durchschnittliche Bürger hat das Potenzial und die Pflicht, für das Richtige einzustehen.
Und so reiht sich der neue Ermittler in Sachen Mabuse eigentlich ganz gut in eine Reihe heterogener Spürnasen, die alle verschieden ernst, charakterstark und auch präsent waren. Nun ist es eben eine Art Pfarrer Braun, der sich gemütlich durch die Tatorte schiebt und dabei eine Genre-Schablone nach der anderen besucht. Denn Das Stahlnetz des Dr. Mabuse ist der facettenreichste Film der langen Mabuse-Reihe – deswegen aber nicht der beste.
Tatsächlich walzt sich der Film, der in Berlin gedreht wurde, aber in einer anonymen Stadt spielt, auf teils überspitzte Weise durch das Agentengenre, indem er einen Polizisten mit doppelter Identität sogar noch eine weitere Rolle übernehmen lässt, schafft es irgendwie, immer mal wieder eine Hau-Drauf-Klamotte, wenn der überstarke Amerikaner als einziger klassischer Held die Fäuste schwingt und bösen Buben in Reihe das Licht ausknipst und wird alle 15 Minuten zum Gefängnisfilm – bei dem eine Figur auf höchst bizarre Weise optisch deutlich an Sasori erinnert, welche aber erst 10 Jahre später die Leinwand betrat. Dass einige Szenen dann noch klar auf Western, Kriegsfilm und Schnulze verweisen, macht den Kohl endgültig fett. Und mit der willens
nehmenden Droge, mit der Mabuse die Welt zu beherrschen trachtet, kommt auch noch ein gehöriger Schuss Wissenschafts-Sci-Fi hinzu. Lezteres ist die auffälligste Abstandnahme von der einstigen Figur, befand sich Mabuse doch immer auf kriminell festem Grund, wenn er sich hier auf wissenschaftliche Fiktion verlässt.
Harald Reinl hat den Stoff mit seiner Regie aber fest im Griff und bringt das kleine Meisterwerk zustande, dass Das Stahlnetz des Dr. Mabuse zwischen diesen verschiedenen Abschnitten nicht zerfasert, sondern jederzeit als schlüssiges Ganzes wirkt. Während der Film in der ersten Hälfte in seiner gemütlichen, nie zur Gänze ernsten Weise gefällig zu unterhalten weiß, verliert er auf der Zielgerade immer mehr an Tempo, bis sich die zu Beginn noch aufgeplusterte Geschichte eingestehen muss, dass sie gar kein nennenswertes Finale besitzt.
Die Figur des Mabuse wirkt mehr noch als in Langs letzten Film Die tausend Augen des Dr. Mabuse ungefährlich und als Person völlig belanglos. War ein Jahr zuvor bereits der Superschurke, wie man ihn aus den unsterblichen Stummfilmklassikern kannte, kaum noch erkennbar, wodurch der Film so wirkte, als hätte man die Figur nachträglich in einen ordinären Krimi geschrieben, hat das Verbrechergenie nun beinahe alles von seiner markanten Alleinstellungsmerkmale verloren – und das, was noch da ist, wirkt in pflichtbewusster Lieblosigkeit einfach zum Film hinzuaddiert.
Leider gerät das Werk bei seinem Versuch, gleichzeitig ernst und witzig zu sein, auch einige Male in straucheln, wenn ernste Figuren Dinge tun, die nicht amüsant, sondern bemerkenswert dumm sind. Das ist besonders bei

Fazit

Einen Dr. Mabuse der alten Schule erwartet niemand mehr in der mehrteiligen 60er-Ausgabe der Filmreihe, war ja auch Fritz Langs Abschied aus dem Regiefach Die 1000 Augen des Dr. Mabuse bereits eine völlige Neuinterpretation und Modernisierung dieses Superschurken-Archetypen. Das Stahlnetz des Dr. Mabuse ist ein Film geworden, der in erster Linie unterhalten will, dabei keine großen künstlerischen Ambitionen hegt und mit seiner Ermittlerfigur erstmals einen echten Lebemann zum ebenbürtigen Kontrahenten krönt. Leider macht der Kommissar nicht durchweg eine gute Figur, sondern zusammen mit anderen Figuren auch mal etwas grenzwertig Dummes – und wird zusätzlich auch noch bestraft, dass sein verwickelter Fall ein eher lahmes Ende nimmt.

Rain for the Dead

Japan Filmfest Hamburg Special 9

Story

Nur durch Zufall findet Yōjirō heraus, dass Zombies nicht auf Menschen reagieren, wenn es regnet. So kann er sich bei schlechtem Wetter gefahrlos durch die tote Stadt bewegen und Besorgungen tätigen. In seiner Wohnung wartet, angekettet in einer Ecke, seine Freundin Mami. Nachdem sie von ihrem Vater infiziert wurde, versorgt Yōjirō sie mit Fleisch und hofft wider alle Wahrscheinlichkeit darauf, dass sich seine Lebenspartnerin wieder in einen Menschen verwandelt.

Kritik

Thematische Trends sind so eine Sache. Häufig sind ihre Vorgaben recht eng, die Art und Weise, wie man sie umsetzen kann, nicht allzu variabel. Wenn inhaltlich Variationen ohne Weiteres nicht mehr möglich sind, ohne den Gegenstand zu sehr zu verfremden, sucht man nach Änderungsmöglichkeiten in der Form.
Auch in Rain for the Dead hat die Oberhand der Stil, wenn auch nur ein klein wenig. Man huscht nicht durch die strolchenden Zombies, man schreitet. Eingerahmt wird dies von Kameraperspektiven, die mal einsam und traurig, mal eigentümlich majestätisch scheinen, immer aber den Ehrgeiz versprühen, irgendetwas ausdrücken zu wollen. Rain for the Dead ist ein Film des Ausdrucks über das Eindringen. Das Eindringen von gesammeltem Regen in Gebäude, von abgebrühten Kämpfern in die biedere, aber glückliche Vergangenheit und von Baseballschlägern in Schädeldecken. Letzteres jedoch nur in der Theorie, de facto wird im gesamten Film kein einziger Zombie getötet.
Der ständige Regen ergießt sich in die Gassen, wo die Toten hilflos wie Stop-Motion-Figuren durch die Pfützen zuckeln, in ihrer Roboterhaftigkeit fast schon jämmerlich. Und zwischen ihnen hindurch spaziert Yôhirô, wie ein kindlicher König, dessen Land und Volk nur Hirngespinste sind. Zombies, die als entseelte Ungeheuer einstmals selbst für die Gefahr der Gleichgültigkeit standen, begegnet man nun mit eben dieser. Was um uns herum ist, das wird zur Normalität, zum Alltag, dies ist das Tragischste im Dasein des modernen Menschen.
Passender Weise ermöglicht dies der Regen, das Melancholischste, was Mutter Natur zu bieten hat. So ist es nur folgerichtig, dass die Wiedergänger mehr Automaten als Monster sind, die immer noch alte Routinen in rudimentärer Struktur in sich tragen, Arbeitswege abschreiten, schunkelnd vor ihrer Haustür verharren oder sich zu vertrauten Werkzeugen hingezogen fühlen. Der Mensch ist vollends zur Maschine geworden, die nur dann unter Fehlfunktionen leidet, wenn der animalische Kern zum Vorschein kommt.
Diese Symbolik zieht sich auch durch die anderen Bereiche des Filmes, wo sie noch viel subtiler zum Tragen kommt. Tatsächlich sind Zombies in Rain for the Dead eher arme, bemitleidenswerte Kreaturen, hilflos und tragisch. Und so mag auch der Titel zu verstehen sein, der Regen für die Zombies fordert, wie man einst auf Regen für die Ernte hoffte, um Leben in das tote Korn zu bringen. Damit darf der Film noch stärker als viele andere Zombiefilme gesehen werden als ein zynischer Abgesang auf die (japanische) Gesellschaft entseelter Funktionsträger, die lange schon nicht mehr der Moderne mit ihrem Aufruf, sich und seinem Tun eine normative Funktion zu geben, überein zu bringen sind, sondern ganz vom Kapitalismus gefressen wurden.

Wie in den meisten aktuellen Genrebeiträgen sind die Masken über die meisten Zweifel erhaben, man fährt hier nicht mit Horden von Entstellten auf, sondern gewährt stattdessen immer mal wieder vereinzelte Blicke auf die verstümmelten Geschöpfe und ihre Opfer. Die so gesetzten kleinen Spitzen sind nicht nur effektvoller, sondern bringen häufig auch ein paar nette Ausschmückungen mit sich. Mit effekthascherischem Gestus wird aber gar nichts gezeigt, die Kamera ist nahezu gleichgültig bei ihrer Musterung des Status quo.

All das funktioniert in seinen Feinheiten anstandslos, wird aber immer wieder enorm von gerade den emotional aufgeladenen Szenen getrübt, auf die es zusteuert. Der verklärte Blick des in der postapokalyptischen Gegenwart Gefangenen auf die rosige Vergangenheit ist immer begleitet von schwermütigem Kitsch, ohne den die eigentliche Botschaft und die Last der Gefühle jedoch viel wirksamer zur Geltung kommen würden.
Vor allem die Rückblenden stehen nicht nur im krassen, sondern im viel zu krassen Kontrast dagegen. Die aufgedrehte Art der Freunde, die spießbürgerliche Alltagsidylle zwischen ihm und seiner Freundin Mami. Hier findet Kontrast nur um des Kontrasts willen statt.
Doch ist die Epidemie erst einmal im Gange, lässt auch die rührige Verklärung nach und die zunehmenden Flashbacks gleichen sich der nihilistischen Stimmung der Gegenwart an. All das strahlt eine bedrückende Tristesse und Hoffnungslosigkeit aus, die den Film sehr erdrückend und trostlos wirken, obwohl er in optischer Hinsicht immer mal wieder kurze Schönheit zulässt. Zum Ende hin kommt dann in den gerade mal 68 Minuten Laufzeit doch etwas Leerlauf zustande, wenn der Film sich nur noch darauf beschränkt, Yôhirô dabei zu zeigen, wie er seiner Liebe Mami nachtrauert. Auch, dass er eingangs noch Text über die Szenen sprach, dieses Stilmittel nach der Einführung aber nie wieder Verwendung findet, wirkt unüberlegt und so ziellos wie die Handlung selbst.
Das Zombie-Malheur als deprimierendes Kammerspiel, das gab es auch schon in Portrait of a Zombie. Rain for the Dead hätte es aber gut getan, mehr von dem Draußen, mehr von den stillen Wanderungen des Protagonisten und mehr von den armen Kreaturen und ihrem schlimmem Schicksal zu zeigen. So aber formuliert der Film weder die Welt des Außen noch die Welt des Innen ausreichend gut aus, weshalb man sich in beiden nur wie ein Besucher fühlt, der einen kurzen Blick auf die Oberfläche erhaschen kann, dann aber sofort in den Abspann weiterziehen muss, bevor man sich so richtig mit dem Geschehen vertraut machen kann.

Fazit

Die Mangaverfilmung Rain for the Dead steuert inhaltlich zwar nichts Neues zum Zombiethema bei, besticht aber durch einen eigenen Stil und seine tief trostlose Stimmung. Leider kann der Film in der kurzen Spielzeit nicht das erreichen, was er sich vornimmt, zudem er sich zu sehr mit kitschigen Rückblenden aufhält.
Trotzdem lohnt sich ein Blick dank der gut umgesetzten Ansätze und dem beklemmenden Gefühl, das dieser Film auslöst.

Samurai of the Dead

Japan-Filmfest Hamburg 2015 Special 3


It pups and you are gone.

Story

Die Edo-Zeit sieht ihrem Ende entgegen und das Leben in Kyoto verläuft in halbwegs beschaulichen Bahnen. Auch für Gesutaro Kuzuyama, der ganz in seiner frischen Liebe zu sich selbst und seiner neuen Angebeteten aufgeht, könnte das Leben schön sein, würde nicht ein Untoter, verkauft als Attraktion, von einem amerikanischen Geschäftsmann in die Gegend gebracht werden – und prompt ausbrechen.
Es dauert nicht lange und der Infizierte haut seine Zähne ins satte Fleisch des Samurais. Während man am rätseln ist, was zu tun sei und was überhaupt vor sich geht, erweist sich der Fremde Ryôma Sakamoto als hilfreich – denn wie der Zombie auch, spricht der Einzelgänger Englisch.

Kritik

Selbst der weichherzigste Genrefan hat angesichts der unkontrollierten Schwemme an Zombie VS […]-Filmen schon lange nicht nur den Überblick, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach die größte Lust verloren, sich an die x-te Variation des Themas heranzuwagen.
Umso schöner ist es, wenn einem eine Perle vom Kaliber eines Samurai of the Dead auf der Leinwand begegnet. Hier geht es nicht darum, dass sich eine Gruppe verschanzt und dann nach und nach verkleinert wird. Und es geht auch nicht darum, effektvoll die markantesten Markenzeichen der Gruppe gegen die Übermacht an untoten Stöhnschleichern im Einsatz zu sehen (was sich der Erfahrung nach binnen 3 Minuten erschöpft hat und in müder Wiederholung endet). Hier geht es nicht um Spektakel, hier geht es nicht um Trash. Hier geht es um ein überraschend gutes Drehbuch, in dem mehrere Figuren teils parallel, teils miteinander ein gemeinsames Abenteuer erleben und – hier haben wir im besten Sinne dann doch eine klassische Genre-Entsprechung – vorrangig miteinander auskommen müssen, bevor es dann den Wiedergängern an den Kragen geht.
Das Ganze ist im besten Sinne albern, wobei der Humor primär aus den Kontrasten zwischen den Figuren erwächst – und diese sind denkbar groß, prallen hier doch Eastern und Western aufeinander, während es der Film sich nicht nehmen lässt, beide Genres liebevoll durch den Kakao zu ziehen. Dass das Ganze von einem Funksoundtrack untermalt wird, der an klassische Agentenfilme erinnert, macht die Mischung perfekt. Der Zündstoff zwischen dem urkomischen Kuzuyama (gespielt von Comedy-Star Yûki Himura), der als so korpulenter wie selbstverliebter Draufgänger sowohl als Figur als auch in der Darstellung völlig überzogen ist – und ziemlich bald als eingesperrter Infizierter endet –, dem japanischen Westerner Ryôma, dessen anfängliche Coolness bald einer gutgläubigen Liebenswürdigkeit weicht, klassischen Samurai und einem skrupellosen Geschäftsmann aus dem teuflischen Amerika ist unablässig am knistern und gerät alle paar Meter zur Explosion.
Der gesellige Offtext-Sprecher, der das Geschehen unterlegt, verleiht dem Humor die nötige Trockenheit, während die Figuren sich in einem ständigen Tanz aus Vorsicht und Übervorteilung miteinander befinden, und der Spaß, den alle Beteiligten gehabt haben müssen, in jeder Minute spürbar ist. Auch handwerklich ist Samurai of the Dead nichts vorzuwerfen, wobei vor allem die Bildkomposition überzeugt. Die Maske der Zombies ist absichtlich etwas trashiger geworden – sie sind grün! –, spätestens, wenn sich herausstellt, dass dies keineswegs typische Vertreter ihrer Zunft sind, trägt aber auch dieses Stilmerkmal erfolgreich zur Stimmung bei.
Dass der Zombievirus von einem raffgierigen Kapitalisten aus Amerika ins reine Japan importiert wurde, ist natürlich ein nur schwer übersehbarer Seitenhieb auf die fortschreitende Verwestlichung des traditionsreichen Landes, die die Globalisierung zwangsläufig mit sich bringt. Machart und Inhalte des Filmes bezeugen aber ebenso, dass sich Regisseur und Autor Kazushi Watanabe (Als Schauspieler bekannt als Visitor in Miikes grandiosem Visitor Q, als Filmemacher seit 19 und Captain Tokio immer populärer) mit diesem Umstand sehr gut abgefunden hat.

Fazit

Dass Samurai of the Dead keineswegs eine der unzählbar gewordenen Filme ist, in denen Zombiehorden gegen eine literarisch beliebte Gruppe antreten, konnte man bei dem Regisseur vielleicht schon erwarten, doch ist man dieser Tage bei diesem Genre zurecht sehr vorsichtig.
Die Optimisten bestätigend, liefert der Film mit seinem bunten Figureninventar und der miltiverspektivischen Herangehensweise neben einer – nicht so ganz Romero-tauglichen – Erweiterung des Zombiemythos‘ viele zahlreiche gelungene Gags und One-Liner, während die überraschend komplex erzählte Geschichte mit ihren lediglich 72-Minuten wie im Fluge vergeht.

Miss Zombie

15. Japan-Filmfest Special 5

Hiroyuki Tanaka, besserf bekannt unter seinem Künstlerpseudonym SABU, und bekannt wohl aufgrund von verschrobenen Filmen wie Monday, Blessing Bell und Postman Blues, hat sich in den letzten Jahren etwas rar gemacht. Nun kehrt der Kultregisseur zurück mit etwas für seine Vita sehr Ungewöhnlichen: Einem Zombiefilm. Wenn auch einer der ganz anderen Art.

Feed fruits or vegetables.

Story

In der Zukunft Japans lief die Zombifizierung der Gesellschaft ungewöhnlich ab. Schnell bekam man die Epidemie unter Kontrolle und eigentlich war die Welt wieder sicher. Außerdem gibt es Zombies verschiedenen Grades – es ist kein bipolares Entweder-Oder-System, sondern jeder Zombie hat zu gewissen Graden Menschlichkeit. Je mehr von dieser, desto geringer ist die Aggressivität.
Ein wohlhabendes Ehepaar ordert sich halblegal eine Zombiedinerin. Ihr Name ist Sara und sie soll als untotes Hausmädchen den Hof ihrer Halter pflegen.
Neben ein paar ungehobelten Lüstlingen sorgen aber auch aufkeimende Spannungen innerhalb der Familie für Probleme, denn die Anwesenheit von Sara bringt Veränderungen mit sich.

Kritik

Was immer SABU in den vergangenen Jahren auch getrieben hat, er hat gewiss nicht stillgesessen. Miss Zombie, und das merkt man ab der ersten Minute, ist das mit enormem Abstand reifste, wohlkomponierteste Werk des Regisseurs. Mit seiner Zombieparabel in Schwarzweiß hat er nicht nur seinen ungewöhnlichsten Genreausflug gemeistert, sondern auch noch einen der ganz wenigen modernen Schwarzweißfilme geschaffen, welche mit Fug und Recht behaupten dürfen, von ihrer Farbarmut enorm zu profitieren. Jedes Bild wie gemalt, jeder Schwenk ein gut durchdachtes Beben und jeder Schnitt ein Schritt beim Tanze. So, wie SABU es schafft, die Schwarzweiß-Kontraste zur Geltung zu bringen, hat man es in den letzten Jahren nirgends betrachten dürfen. Miss Zombie spielt ästhetisch ganz weit vorne mit. Das durchdachte Sounddesign, das mit Klarheit, Präzision und einer ungemein stimmigen Auswahl glänzt, und das hervorragende Editing werden fallen dadurch erst an zweiter Stelle auf – was sie nicht weniger gut und wirkungsvoll macht. Selbiges treffen auf den Bildaufbau und die erstaunlich effektive Raumgeometrie mit ihren Linien und Formen, zu. Das perfektionistische Gesamtbild ist ein Erlebnis, ohne dass man je das Gefühl bekommt, der Film könnte sich in seiner Schönheit selbst verlieren. Alles trägt optimal zur Stimmung herbei und liefert der Erzählung bemerkenswerte Unterstützung. Es verhält sich wie mit dem Jungen des Paares, das in einer kurzen Szene in der Mitte des Filmes mit der Sofortbildkamera durch den Hof trabt und fotografiert, was ihm im Augenblick gefällt. Die Bilder greifen allesamt aus ihren Momenten das Maximale an Schönheit; trotzdem bieten sie keinen verklärten Blick auf ihren Gegenstand, sondern etwas Reines, Unschuldiges, Naives, das nicht sensationslüstern, sondern einfach nur neugierig ist.
Der für Tanaka typische sehr spröde Humor fehlt auch hier nicht zu Gänze, ist aber nur selten und sehr leise eingebettet, als wüsste er sich aus Respekt vor seinem Gegenstand zurückzuhalten.
f0 MISS_nuki.000002 MISS_nuki.000054
Die Geschichte selbst kommt so langsam voran wie ein Zombie, ist dabei aber bei weitem ansehnlicher. Auf der einen Seite steht das sich zart, aber unaufhaltsam entwickelte Drama, das zwischen Ehemann, Gattin und Diener-Zombie entsteht, und langsam auf eine Eskalation
hinsteuert. Auf der anderen der kritische Hinweis auf den tatsächlichen Zustand in Japan, wo unzählige Hausmädchen illegal beschäftigt und auf ihre bloße Tätigkeit reduziert werden und in ertragender Unterwürfigkeit ihr Dasein fristen, wodurch fast schon eine Zweiklassengesellschaft mit stark patriarchalischer Ausprägung entsteht.
In den schönen Bildern von Miss Zombie ist viel zu entdecken und viele Szenen glänzen mit Doppelbödigkeit, ohne auch nur kurz von oben herab belehrend zu wirken.
Die Geschichte um ein Mädchen, das ausschließlich für den Dienst lebt und sich im Geheimen nach Identität sehnt, aber für eine Gesellschaft arbeitet, die sie nie erreichen kann, ist schwer anzusehen, obwohl sie in berauschend schönen Bildern erzählt wird.

Fazit

Einer der wirklich wenigen relevanten Zombiefilme, der sein Schwarzweiß nicht als selbstzweckhafte Show nutzt, sondern tatsächlich einen enormen ästhetischen Mehrwert aus seiner fast vollkommen entfärbten Welt zieht.
Sowohl das hintergründig grollende Drama auf Plotebene als auch die gesellschaftskritische Analogie funktionieren selbstständig als auch zusammen bestens, wodurch sich ein zwar sehr langsamer, aber deswegen nicht minder fesselnder Film entsteht, der sich zudem als eine der außergewöhnlichsten Genrevertreter herausstellt.

Carriers

Endzeitfilme, deren Schwerpunkt nicht auf marodierende Zombiemeuten liegt und die sich stattdessen an die Ausarbeitung psychologischer Tiefe wagen, sind rares Gut.
Carriers lockt zudem mit Chris Pine, der zuvor durch seine Rolle als neuer Kirk zu Ruhm kam, und versucht mehr zu sein als nur ein Teenie-Horror in postapokalyptischer Jeanshose.


Sometimes choosing life is just choosing a more painful form of death.

Story

Die Menschheit erlag einer Pandemie. Wer sich ansteckt, ist dem Tod geweiht. Die Infizierten werden erst kaum merklich, dann immer unübersehbarer mit Geschwüren bedeckt und sind in hohem Maße ansteckend.
Damit Danny und sein Bruder Brian zusammen mit dessen Partnerin Bobby und der zurückhaltenden Kate sich in dieser widrigen Welt behaupten können, halten sie sich streng an ihre drei eigenen Regeln. Ständige Vorsicht, immer geschützt und die Vermeidung von jedwedem Kontakt mit auch nur potenziell Erkrankten. Auch wenn das bedeutet, egoistischer Kaltherzigkeit der Menschlichkeit gegenüber den Vortritt zu lassen.
Eine starke Dehnung erfahren diese Regeln, als sich die Gruppe entschließt, einen Vater und seine infizierte Tochter in ihrem Auto ins nächste Krankenhaus mitzunehmen.

Kritik

Àlex Pastors Endzeitversion verzichtet auf ausschweifenden Ausblick. Der Fokus liegt klar auf einigen wenigen Einzelschicksalen. Das biologische Drama, das der Erde ihr Gesicht nahm, ist nur Rahmen, nicht Thema. Ein Rahmen allerdings, der nett anzusehen ist.
Zwischen verlassenen Kreuzungen und verwaisten Tiergeschäften, in denen müde die vergessenen Vögel umhertrudeln, findet Carriers einige nette Bilder für den Stimmungstransport. Der Film ist schön und überaus stimmig gefilmt. Alles nicht neu, aber durchaus gefällig.
Selbiges lässt sich auch vom Rest des Filmes behaupten. Das, was erzählt wird, ist genauso wenig innovativ wie die Art und Weise des Erzählens. Es reicht aber, um das Geschehen ziemlich kurzweilig sein zu lassen. Die nicht einmal 90 Minuten vergehen dank der gelungenen Form und der ständig voranschreitenden Handlung wie im Flug. Die Geschichte ist genauso nah an den Personen dran, wie die Kamera.
Die psychologische Komponente, die sowohl bei Road-Movies als auch bei Schilderungen von Extremsituationen unabdingbar ist, kommt genügend zum Tragen, bringt aber ebenso nichts Neues zum Vorschein. Natürlich braucht es das auch nicht zwingend, um einen guten Film zu schaffen, aber es verwehrt den meisten Streifen auch die Ehre, mehr als nur „gut“ zu sein.
Ein wenig ausgefallener fällt da schon die Zeichnung der Protagonisten aus. Die adretten Teens sind, bringt man es wenig galant auf den Punkt, ziemliche Kotzbrocken, die darüber hinaus zu viert so viel denken wie einer alleine. Auch ihre Handlungen lassen das ein oder andere Mal berechtigt vermuten, die Intelligenz der Einzelnen sei geviertelt. Klar, inmitten von Zeiten des durch die Luft ziehenden Todes, der sein Hauptwerk bereits erfolgreich vollbracht hat, ist man nicht fröhlich und gelassen, wenn die Hauptfiguren sich aber unentwegt beleidigen und keiner von ihnen erkennbar sympathische Züge trägt, fällt es nicht sonderlich leicht, sich in sie zu verlieben. Viel zu sehr ähneln sie – auch optisch – den austauschbaren Schönheiten, die in Slashern nicht die ersten 40 Minuten überleben.
Die Tatsache, dass die ganze Vermarktung des Filmes sich auf die drei fundamentalen Überlebensregeln des Grüppchens stützt, unsere Helden aber gleich zu Beginn gegen sie verstoßen, ist daher nicht nur Inkonsequenz im Drehbuchschreiben, sondern spricht auch für die Fähigkeiten der Figuren.
Doch die Mistkerl-Variable bringt natürlich nicht nur Nachteile mit sich. Tatsächlich sorgt sie auch für einen anständigen Kloß im Hals beziehungsweise eine gen Himmel zuckende Augenbraue, wenn man es doch vermag, sich auf sie einzulassen. Denn eines muss man den Arschloch-Protagonisten lassen – sie bleiben ihrem Wesen treu und werden nicht von weichgespülten Plotkompromissen verraten. Stattdessen bemüht sich der Film zum Ende hin um eine Erklärung dafür, dass manche Menschen ganz einfach Mistkerle sind. Arrangiert man sich damit, dass das Drehbuch einem nicht nur durch die Umstände narzisstisch gewordene, sondern per se unangenehme Zeitgenossen als Identifikationsmaterial anbietet, offenbart sich das wahre psychologische Experiment, an dem der Film sich versucht.
Und das ist dann doch irgendwie eine Überraschung.

Fazit

Carriers ist ein straff erzähltes Road-Movie zwischen Seuchenthriller und Familiendrama, das von vorn bis hinten spannend bleibt und damit bestens für einen gelungenen Filmabend geeignet ist. Die fehlenden Sympathieträger sind nicht jedermanns Fall, bringen im Ganzen betrachtet aber die nötige Frische, die Carriers davor retten, in den endlosen Weiten des Genredurchschnitts zu versumpfen.

Horrors of Malformed Men

Wunder beleidigen. Deshalb sprang der Filmexzess Horrors of Malformed Men von Fließband-Regisseur Teruo Ishii, der selbst einen Takashi Miike wie einen drehfaulen Müßiggänger aussehen lässt, quasi direkt nach Release auf die Indexe dieser Welt und erblickte erst viele Jahrzehnte nach Erscheinung – nämlich im August 2007 – in Form einer DVD-Veröffentlichung das Licht dieser bis dato viel zu normalen Welt.
Da Wunder aber nicht nur empören, sondern auch über die Dekaden hinweg Wunder bleiben, ist diese Mischung aus Frankenstein-Ekstase mit Hiroshima-Aufarbeitung, Detektiv-Groteske und Slapstick-Horror auch heute noch in der Lage, in Begeisterung zu versetzen.


A warped dream…

Story

Hitomi Kousuke ist Medizinstudent, wacht in einem Irrenhaus auf und hat so ziemlich keine Ahnung, warum er wer wo ist. Er bricht aus und besucht einen Zirkus, wo er eine Akrobatin trifft, die ebenfalls an Amnesie leidet, daraufhin aber recht bald das Zeitliche segnet, woraufhin der Unglücksrabe nun auch noch als Mörder gejagt wird. Folglich lässt sich erst einmal massieren – eine gute Idee, denn die Masseurin setzt ihn davon in Kenntnis, dass sich ein merkwürdiges Mal auf seiner Fußsohle befindet, das, ganz nebenbei, verblüffende Ähnlichkeit mit einer Swastika aufweist. Da ein kürzlich verstorbener und zudem sehr reicher Mann ihm bis aufs Haar ähnelt und selbiges Zeichen aufweist, nimmt er prompt die Identität des Doppelgängers an, indem er vorgibt, lediglich scheintot gewesen zu sein. Ein Beutelchen Intrigen und Verwicklungen später findet sich Hitomi auf einer geheimnisumwitterten Insel ein, wo ein wahnsinniger Wissenschaftler, der zugleich Vater seiner neuen Identität ist, gräuliche Ungeheuer erschafft, indem er die Körperteile verschiedener Menschen zusammenflickt und dabei finster lacht.
Irgendwo in dieser Armee aus Entartung wartet die verdrehte Antwort auf die Fragen, die sich Hitomi und Zuschauer stellen. Zum Beispiel, weshalb ihm dieses eine Schlaflied so verdammt bekannt vorkommt.

Kritik

Es ist eine Herausforderung, die Handlung von Horrors of Malformed Men (江戸川乱歩全集 恐怖奇形人間 Edogawa Rampo Zenshū: Kyoufu Kikei Ningen) anzudeuten, weil dieser Film in seinen weniger als 100 Minuten so wahnsinnig (hier steht absichtlich ‚wahnsinnig‘ und kein Synonym wie ‚unfassbar‘) viel ist, tut, will und kann.
Weise Zeitgenossen widmen sich einem Werk im besten Fall mit einem Minimum an Vorwissen, um für ein unbefangenes Erlebnis zu sorgen und kommen so sehr wie noch nie auf ihre Kosten: Trailer und Titel suggerieren ein bestimmtes Genre und bereiten damit niemanden auf das vor, was der Film tatsächlich zu bieten hat. Nach einem Vorspann aus wimmelnden Insekten kredenzt Szene eins vor Wahnsinn tanzende Geishas mit Hang zum Oberteilverlust, bevor im  Anschluss die kriminalistische Rekonstruktionsgeschichte und Doppelgängerkomödie beginnt, die erst nach einer ganzen Weile auf die Insel der namensgebenden Männer führt. Köstlich amüsieren tut man sich dabei von Anfang an, obwohl man sich dabei unentwegt im falschen Film wähnt. Durchsetzt ist das ganze mit herrlich skurrilem Humor der Marke Japan-Extrem-Situationsirrsinn. Während die üblichen Filme mit Doppelgängerthematik einen oder zwei Fehltritte zeigen, die den Schwindler bis kurz vor die Enttarnung führen, wartet man hier einfach mit allen nur Denkbaren aus dieser Richtung auf. Egal, ob Hände, Hunde oder Höschen – Hitomis Schwindel droht mit jedem Schritt aufzufliegen. Was den ganzen Film hinweg ungemein zur Erheiterung beiträgt, ist das ständig verdatterte Gesicht des Protagonisten, welches er bis zum konsequent inskonsequenten Ende nicht abzulegen gedenkt. Die Sympathiefigur schaut permanent so, als würde sie soeben aus dem Schlaf gerissen und ohne Übergang und Vorbereitung den immer abstruser werdenden Situationen ausgesetzt worden. Genaugenommen trifft das ja aber auch zu. Und genaugenommen kann der Zuschauer sich nur aus diesem Grund ein wenig in ihr wiederfinden.

Und gerade, wenn man sich anfängt heimisch zu fühlen in diesem vergnüglichen Wirrwarr, geht es auf die Insel und der Film schlägt eine Richtung ein, die jenseits von allem liegt, was man aufgrund von Titel, Trailer oder bisheriger Filmerfahrung erwarten könnte. Da wäre der Ausdruckstanz liebende Doktor (Japans Exzentriker-Größe Kichijirô Ueda) mit Spinnweben-Händen, der mit seinen bebenden, gedrungenen Bewegungen und ständigen Kurzauftritten immer wieder für zuckende Augenlider sorgt. Da wären seine Geschöpfe, die irgendwo zwischen purem Leid und neuer Daseinsfreude pendeln und dabei einer Spannbreite gerecht werden, die von billiger Maskenbildner-Knete bis hin zu wunderbarem Kreationen zwischen Jodorowsky und Tool reicht. Der Höhepunkt ist wohl eine gedehnte, surrealistische Sequenz kurz nach der Ankunft auf dem Eiland, in der verstörend-schöne Impressionen aus dem Moloch des Doktors vorgeführt werden. Jenseits von Trash und überzeichnetem (nie aber unangemessen übertriebenem) Humor finden sich immer wieder erschreckende und zugleich erschreckend eindringliche Szenen ein, die zusammen mit der beschwörenden Musikuntermalung eine seltsam erhabene Atmosphäre zwischen Anziehung und Abstoßung generieren.

Manch einer wird dem Drehbuch vorwerfen, ein lückenhaftes, aus Versatzstücken bestehendes Flickwerk zu sein. Aber gerade hier liegt das Geheimnis der tranceartigen Rhythmik des Filmes verborgen, der immer wieder von Neuem verblüfft und schockiert.
Das Ganze Abenteuer, in dem sich übrigens allen Gerüchten zum Trotz kaum ausgezogen wird, kulminiert schließlich in der wunderlichsten, unpassendsten und zugleich auch unnötigsten Pseudo-Aufklärung aus dem Reich des Unwägbaren, indem es in letzter Sekunde wieder auf die detektivische Szene springt und damit auch dem letzten Fass den Boden ausschlägt. Schlichtweg wunderbar.

Fazit

Es grenzt an Anstrengung, Horrors of Malformed Men mit einer angemessenen Synopsis einzufangen. Eine passende Kritik zu verfassen, ist unweit schwieriger, das Ganze dann mit einem Fazit zu vollenden, schlicht unmöglich. Die einzigartige Atmosphäre des Filmes, der mehr als 50 Jahre nach seinem Erscheinen auch heute noch Einmaliges zeigt, zu beschreiben, ist Worten kaum möglich. Filmische Irritation als Schnittmenge von zig dekonstruierten Genres und irgendwo zwischen Trash, Kunst, Überheblichkeit und Wahnsinn – vor allem und ganz nebenbei aber ein Meiststück in Sachen Kurzweil.
Schauen, nein: Erleben. Nicht lesen.

Die einfachste Methode, an dieses viel zu lang verpönte und deswegen entschieden zu unbekannte Schmuckstück zu gelangen, ist der Umweg über einen Import aus Amerika.

Survival of the Dead

Die goldenen Jahre George A. Romeros liegen in den 70ern. Nach seiner langen Schaffenspause versucht er seit 2005 an alte Taten anzuknüpfen und den Zombiekosmos ein zweites Mal in seinem Leben umzukrempeln. Das Ergebnis seiner Bemühungen sind sehr mittelmäßige, sehr unbeholfene Werke. Interessante Ideen in uninteressanter Ausführung. War Land of the Dead noch schmerzfrei anzusehen, ist Diary of the Dead wohl als definitiver Tiefpunkt von Romeros Karriere zu betrachten.
Survival of the Dead sieht sich ausgerechnet als direkter Nachfolger der Wackelkamera-Katastrophe.

What if it’s out of gas?

Story

Vor knapp einer Woche war es mal wieder so weit. Die Toten raffen ihre Gebeine zusammen und klabustern mit knurrendem Magen die gute alte Welt. Nur dass sie weder gut noch alt ist, sondern ein Ort voller Zank, Missgunst und kindlichem Trotz.
Man sollte meinen, auf einer Insel geht es während so einer Zombie-Seuche halbwegs sicher zu. Schließlich sind die alten Leichen zu grobmotorisch, um elegant zu kraulen, weshalb man sich auf autarker Basis einigeln und freundlich zu seinen Nachbarn sein kann.
Pustekuchen, denkt man sich auf dem Eiland mit dem Namen Delaware. Zwei verfeindete Clans sind zänkischer denn je, seit sich dieses Zombie-Problem nicht mehr totschweigen lässt. Während Patrick O’Flynn alles, was sich nicht regt, mehrfach durchsiebt und die Zombie-Gretchenfrage für sich lieber zu vorsichtig als zu nachsichtig beantwortet, fährt sein alter Rivale Shamus Muldoon eine vergleichsweise liberale Schiene und spekuliert darauf, die resoluten Leichen domestizieren zu können.
Inmitten dieses Konflikts nähert sich eine Gruppe desertierter Soldaten dem vermeintlich paradiesischem Fleckchen.

Kritik

Romero tut wie immer furchtbar differenziert. Zombies sind doch auch nur, Menschen, oder? Zumindest aber doch eine eigene Spezies, die der Evolution genauso wenig ausweichen kann, wie die unsrige. Deswegen verdienen sie es wenigstens, dass man abwägt, ob nicht auch sie ein Recht auf Existenz haben, mit all ihren Bedürfnissen und dem eventuellen Potenzial.
Vielleicht sind sie die Ablösung. Oder Gottes gerechte Strafe. Oder beides. Immerhin sind wir mit unserem Hochmut und unserer Gewissenlosigkeit ja regelmäßig der Auslöser für die Zombo-Apokalypse. Weil wir Kriege mit Massenvernichtungswaffen führen, in synthetisch erschaffenen Krankheitserregern rumrühren, unbedacht Voodoo-Formeln in uns reinmurmeln und einfach am falschen Ort zur falschen Zeit das Falsche machen – weil wir eben ein furchtbar unfähiger Haufen sind und seit der Verbannung aus dem Paradies rein gar nichts gelernt haben.

Doch so differenziert, wie er gerne tut, ist der verehrte Herr leider schon länger nicht mehr gewesen. So angenehm die Vorstellung auch ist, die eigentlich stabilen Grenzen des Genres versuchsweise mal ein wenig zu dehnen, fällt der Versuch regelmäßig auf ähnliche Weise plump und ernüchternd aus.
Plump ist das Wort, welches seine neueren Filme recht gut im Gesamten umschreibt.
An der nötigen Differenzierung fehlt es allem voran den Charakteren. Es gibt nur lässig und gut; nur grob und schlecht. Mischformen sind die Ausnahme. Genau wie bei den Zombies versucht Romero ebenfalls hier, die Mauern transparenter werden zu lassen, aber scheitert an der Verwendung seiner eigenen Mittel. In diesem Fall treffen zwei Gruppen aufeinander, von denen beide unsympathisch und scher erträglich sind. Das klappt, wenn man ein gutes Drehbuch und einen fähigen Regisseur zusammenbringt. Geht dies schief, müssen die Zuschauer schlimmstenfalls einen 90-minüten Zank zwischen lästigen Idioten ertragen. Survival of the Dead ist sehr nah dran an diesem Szenario.

Die Sache mit der Zombie-Evolution hat noch ein anderes, sehr hausgemachtes Problem. Reitende und Autofahrende Zombies sehen grundsätzlich lächerlich aus. Deshalb ist Fido zum Beispiel eine Komödie und kein Horrorfilm. Das merkte wohl auch der zuständige Regie-Senior und zog den Stoff als groben Klamauk  auf, der, wie gewohnt, vollkommen am Zeitgeist vorbeischrammt. Dumme Sprüche und völlig grässliche Slapstickeinlagen sind Romeros Vorstellung von gutem Witz und mittlerweile steckt er so viel wie nur möglich davon in seine Filme. Das Ganze wird garniert mit Effekten, die entschieden zu oft aus sichtlich schlechter CGI denn aus Handwerkskunst bestehen, und einer humpelnden Dramaturgie, welche alles mehr schlecht als recht aneinander leimt.
Hinzu kommt ein raschelnder Haufen aus Kleinigkeiten. Wie die Tatsache, dass so gut wie alle Zombies völlig unversehrt sind. Nur ihre Gesichtsfarbe zeugt von der Verwandlung. Das würde aber bedeuten, dass jene, die sie infiziert haben, sich gar nicht von ihnen ernährten. Da Nahrungsaufnahme aber nun mal das primäre Anliegen der trottenden Wiedergänger darstellt – auch in Survival of the Dead ist dies ein Kernthema – ergibt es leider keinerlei Sinn, dass die Kadaver nicht die typischen Genussmerkmale aufweisen.
Deswegen ist es schon in Ordnung, dass in Romeros bisher letztem Werk die Untoten fast schon zu einer Randerscheinung herabgestuft werden, die das trashige Hintergrundrauschen zu den trashigen Kleinkriegen der Lebenden bildet.

Das alles hat natürlich einen Sinn, auch wenn man für ihn nicht sonderlich tief graben muss. Aber Romero mag seine Botschaften halt so direkt wie seine Plagen.
Die Zombies sind nicht nur auch Menschen, sie sind die besseren Menschen. Zombies werden schrittweise menschlich, während sich die untergehende Spezies immer weiter und scheinbar ohne Chance auf Rettung zur Bestie entwickelt. Wenn anderswo der Zombie als Spiegelbild der Gesellschaft herhalten muss, müssen bei Romero Zombie und Gesellschaft selbst als dieser dienen. Diese Tendenz ist vielleicht am stärksten in seinem Land of the Dead zu erkennen, wo sogar Mitleid mit dem Klagen in die Nacht röhrenden Big Daddy evoziert wird. Ein Mitleid, das durchaus berechtigt ist. Schließlich handelt es sich bei der Gestalt Zombie um eine tragische Gestalt, die einer permanente Vergewaltigung unterworfen ist. Etwas hat Besitz ergriffen vom Privaten des Leibes, es annektiert, und missbraucht es nun für eigene Zwecke, die denen des ursprünglichen Besitzers aller Wahrscheinlichkeit zuwider sind. Es hat schon was Trauriges, wenn darum geeifert wird, diesen bemitleidenswerten Knechten, Blei in die sumpfigen Schädel zu jagen. Nicht, weil auf diesem ja das Gesicht der Tochter, des Anwalts oder des Fahrlehrers von irgendeinem sitzt, sondern weil man gezwungenermaßen jemanden richtet, der sich schuldlos schuldig macht. Jeder weitere Film in Romeros Universum scheint eine weitere Etappe darzustellen, in der sich die Schleckermäuler Menschlichkeit aneignen. Die große Frage ist natürlich, was dann aus den eigentlichen Menschen wird – behalten sie ihre kriegerische Natur bei, ist eine Koexistenz per se undenkbar.
Das Schlussbild von Survival of the Dead liefert die Andeutung einer Antwort. Der Filmtitel selbst aber auch.

Eigentlich gäbe es noch viel zu erwähnen, denn es steckt durchaus einiges drin in diesem Film. Die Kreuzung mit dem Western ist neu bei Romero und wer mag, darf sich Gedanken über Parallelen zu den Geschichten der Gründungsväter ziehen, darüber, wofür der klassische Western stand und steht – und wie sich diese Bedeutung in einer postapokalyptischen Zombie-Zukunft verschiebt, wo sich die Menschen, allen überlebensgroßen Sorgen zum Trotz, die Köpfe aufgrund von Nichtigkeiten von den Hälsen säbeln. Man könnte Seiten füllen mit Spekulationen über das generelle Spaltungsphänomen, das in vielen solchen Filmen und besonders in Romeros Werken immer wieder überdeutlich zutage tritt.
Weshalb darauf nun verzichtet wird, wurde schon gesagt: Der Film ist schlecht. Natürlich ist die Zombiethematik eine verhältnismäßig dankbare, sodass man auch dem unterirdischsten Horrorfilm diverse Botschaften unterstellen kann, ohne so richtig falsch zu liegen. Romero hatte fraglos viele Ideen – die er alle roh in den Film gewürfelt hat, wo nun die meisten von ihnen recht verloren umherschwimmen und nur sehr schlecht miteinander harmonieren. Der Film selbst aber, seine Geschichte, ihre Inszenierung und das Gefühl, das diese Kombination an den Zuschauer weitergibt, ist leider ein wenig erfreuliches Resultat.

Fazit

Survival of the Dead, so schlecht er ist, macht es einem bei einer Bewertung nicht so leicht, wie man anfangs meinen könnte. Im Grunde haut nichts hin. Spannung entsteht selten, die Figuren sind hassenswert, die Effekte lieblos und die Geschichte auf eine traurige Weise überraschungsarm und total abgehoben zugleich.
Trotz allem ist Romero immer noch Romero, so banal diese Erkenntnis auch sein mag. Es hätte, rein theoretisch, ein wirklich guter Film werden können, wenn der Vater des Pop-Zombies sich auf wenige Dinge beschränkt und diese dafür gewissenhaft ausformuliert hätte.
Stattdessen ist Survival of the Dead eine Wiederholung des ständig Gleichen, beschmutzt mit gescheitertem Humor. Es wird versucht, aus dem Genre, wie es in Romeros Kopf zu existieren scheint, durch kräftiges Wringen etwas Neues herauszubekommen – doch sammelt sich kaum genug wahre Innovation für einen einzigen, zitternden Tropfen.
Letztlich wirkt der sechste Film aus Romeros Zombiewerkstatt selbst etwas untot.

The Walking Dead – Staffel 1

Nach nunmehr 4 Staffeln und (mindestens) einer weiteren in Produktion, einer – teils aus der Serie entstandenen – Dauer-Euphorie für die Comicgrundlage aus der Feder von Robert Kirkman und Tony Moore, der Ankündigung von Spin-Offs und unentwegt steigenden Zuschauerquoten ist es wohl an der Zeit, The Walking Dead unter die Lupe zu nehmen. Zwar wurde das an vielen tausend anderen Stellen schon getan und so gut wie alles scheint gesagt, doch… das hat ja auch sonst niemanden abgehalten. Und Zombos sind nun mal Science-Fiction.


Do not enter the city. It belongs to the dead now.

Story

Die Welt ist der Zombie-Apokalypse anheimgefallen. Selbst Atlanta, wo Hilfssheriff Rick Grimes und seine Schusswunde ahnungslos in einem Krankenhausbett erwachen, sich über das ganze Chaos wundern und noch halb betäubt und völlig dehydriert in die verwüstete Stadt aufbrechen.
Dort nimmt sich ein fürsorgliches Vater-Sohn-Gespann des verwirrten Gesetzeshüters an und klärt ihn über das Notwendigste auf.
Auf dem Stand der Dinge angekommen, trennt er sich von seinen Helfern, gelobt, via Funk mit ihnen in Kontakt bleiben zu wollen, und macht sich auf den Weg, die eigene Familie ausfindig zu machen. Etwas, das überraschend flott gelingt, campieren Frau und Sohnemann doch zufällig mit einer knappen Handvoll Überlebender am Stadtgürtel, wo man sich in Sicherheit wiegt.
Wieder einmal stellt sich heraus, dass Menschen den Zombies einander gar nicht so unähnlich sind, wenn Gesetze ihre Gültigkeit verlieren und Geltungsdrang, Eifersucht, Angst und Verblendung ohne Puffer aufeinanderprallen.

Kritik

The Walking Dead ist so einiges. Zum Beispiel die Serie, die Kompromisslosigkeit in Sachen Gewaltdarstellung auch im TV legitim machte und genau deswegen so stark in den Medien geechot wurde. So viel spritzenden Hirnbrei und Zergliederung sah man selten zur Primetime im Free TV. Nicht nur mit dem Zombie wird übel umgesprungen, auch jene, die noch Geist im Leib haben, müssen so manche Marter über sich ergehen lassen. Die Geschehnisse hinterlassen definitiv Spuren auf ihren Figuren. Und das ist gut, denn dadurch fällt es leicht, auch mit Charakteren mitzuleiden, denen eigentlich der letzte Schliff fehlt, um als wirklich gut geschrieben durchgehen zu können.
Da es in der Natur des Genres liegt, findet sich auch in The Walking Dead schnell eine Gruppe von unterschiedlichen Menschen zusammen, die miteinander zwar nicht können, aber müssen. Und es liegt ebenfalls in dieser Natur, dass diese Leute zweibeinige Stereotypen sind. Aber ohne geht es einfach nicht. Entscheidend ist, wie aufdringlich diese Stereotypen sind, ob sie mehr als nur Klischee darstellen und vor allem, wie sie einander begegnen. Und da The Walking Dead all diese Fragen erfreulich positiv beantworten kann, darf gesagt werden, dass die Serie kaum etwas falsch macht. Ohne Stereotypen würde das ganze Konzept nicht aufgehen. Zombie-Geschichten sind eine Allegorie und eine solche funktioniert naturgemäß nur mit Repräsentanten.
Dass die Serie diesem Konzept folgt, passt zu ihrem mutigen und gleichzeitig konventionellen Weg: Es wird nicht versucht, der alten Zombie-Mär neue Facetten abzugewinnen, sie besonders innovativ zu erzählen oder gar von Grund auf neu zu erfinden. Stattdessen ist sie im Kern höchst gewöhnlich. Die Stärke ist schlichtweg die pointierte Inszenierung und das Gespür für passende Charaktermomente.
Dass die Science-Fiction-Serie vieles wie andere Genreproduktionen macht, bedeutet insbesondere, dass verstärkt auf des Schicksals Willkür gesetzt wird. Dass Dramatik entsteht, hängt in erster Linie damit zusammen, dass bestimmte Leute zufällig an bestimmten Orten auf weitere bestimmte Leute treffen, denen wiederum bestimmte Dinge passieren. Das alles könnte auch eine Stunde zeitversetzt geschehen und wäre für die Handlung dann kaum noch von Bedeutung; angefangen damit, dass unter der kleinen Schar Überlebender ganze drei Personen sind, die die Hauptfigur schon kennt, wodurch sich selbstredend allerhand tragische Verwicklungen ergeben.
Das ist sinnvoll, denn in 6 Episoden bleibt einfach relativ wenig Raum, der durch eine solche Ökonomie eben entsprechend genutzt werden will. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass derartiges passiert, von überschaubarer Größe.

Gleichzeitig ist es diese Raffung, die die Serie wirklich, wirklich gut macht. Die fehlende Eitelkeit, sich über zig Folgen zu schleppen, ohne entsprechend viel zu erzählen zu haben. In 6 Episödchen gibt es lediglich ein Ereignis, das nicht zwingend notwendig ist, weil es mit der Geschichte respektive ihren Figuren selbst nur peripher etwas zu tun hat. Alles andere ist straff erzählter Fortschritt ohne unangenehme Redundanz. Und da verzeiht man auch die ein oder andere überdramatische Szene, wenn man im Gegenzug nie das Gefühl bekommt, die laufenden Toten würden einen unnötig hinhalten.
Auch ansonsten macht US-Produktion– zumindest in dieser Staffel – so einiges richtig gut. Da wären zum Beispiel die sorgfältig gewählten Spielorte, welche mit zerschlissenen, von Rissen durchzogenen Stadtgesichtern, Ansammlungen von Fahrzeugwracks und Müll beherbergenden Straßenzügen gelungen Endzeitstimmung verbreiten. Denkwürdige Schlussbilder wie die finale Einstellung der Pilotfolge runden das Paket ab. Dass jede der sechs Episoden ihre eigenen kleinen Unstimmigkeiten bietet und atmosphärische Darstellung Glaubwürdigkeit gerne mal in die Ecke drängt, macht unterm Strich gar nichts, zumal es sich dabei wirklich nur um Kleinigkeiten handelt

Die Masken der Modernden sind eine Wucht und lassen die hungernden Wiedergänger nicht nur gefährlich, sondern im gleichen Maße mitleiderregend erscheinen. The Walking Dead ist tatsächlich eine Zombie-Serie, die ihre Monster nicht als Schießbudenfiguren vergeudet, sondern als einstige Menschen darstellt, und es dennoch weitestgehend vermeiden kann, in Sentimentalitäten zu rutschen.
Deswegen wurde es wohl auch nachgesehen, dass sie ab und an Magenwände und Blinddärme auf der Kameralinse verteilt. Die Toten sind die Feinde, aber es sind Feinde, die man nicht nur wegen ihrer Gefährlichkeit respektiert, sondern auch, weil immer wieder vor Augen geführt wird, was diese Toten einmal gewesen sind.
Trotzdem muss man sich fragen, ob Zombies, die in erster Linie auf Schall reagieren, dabei aber unentwegt am Stöhnen und Keuchen sind, sich nicht ständig gegenseitig zueinander locken müssten.

Für das Gelingen einer solchen Serie viel wichtiger ist aber die Umsetzung der gruppenpsychologischen Komponente – und auch hier wurden weitestgehend alle Ziele erreicht, während großartige Neuerungen und Überraschungen bewusst ausgespart bleiben. Wie überall heißt es: Bewährtes auf hohem Niveau. Konflikte und unausgesprochenen Streitworte stauen sich an und müssen gewaltsam unter Kontrolle gehalten werden. Das alles für und wegen einer Gruppe, die sich aus Individuen zusammensetzt, welche keine Wahl haben. Entweder diese Gruppe oder keine, entweder Gemeinschaft wider Willen oder drastisch gesunkene Überlebenschancen. All das fällt erst auf, wenn es hervorbricht. Nämlich in Extremsituationen, unter Alkoholeinfluss oder im Akt purer Hilflosigkeit. Das ist es, was die Serie so gut von ihrer Vorlage adaptiert, für bewegte Bilder aufbereitet und dem Zuschauer mit genau der richtigen Intensität darreicht. Vorlagentreue dieser Art ist wertvoller als bloßes Nacherzählen.

Fazit

Staffel 1 der Zombie-Serie bietet das, was der Fan kennt, von seiner besten Seite. Die Figuren als ausgewogene Mitte zwischen Stereotyp und glaubhafter Person, die Situation altbekannt, aber hervorragend wiedergegeben, die Ungeheuer stets hungrig und meist dort lauernd, wo Sicherheit erwartet wird. Eine Zombie-Serie, die kaum Neues, dafür aber auch kaum Überflüssiges bietet und somit niemanden enttäuschen sollte.

Zwei Jahrhunderte nach der Totenwache, 81 Jahre nach White Zombie und trotz Romero, der mittlerweile selbst wie ein Untoter sein eigenes Erbe befleckt, können’s Zombies immer noch. Wir lieben euch, ihr trägen, vielfräßigen Rudeljäger.

Fantasy-Filmfest-Special: The Desert

Noch ein Regiedebut auf dem Fantasy Filmfest: Christoph Behls postapokalyptischer Zombiefilm The Desert hat keine postapokalyptischen Markenzeichen, quasi keine Zombies und erst recht keine Wüste. Dafür aber eine intensiv gespielte Dreiecksbeziehung in auswegloser Situation und jede Menge Fliegen.


Pythagoras

Story

Ana, Jonathan und Axel sind in einem Haus irgendwo in Argentinien gefangen. Draußen marodieren Zombiehorden, während das Trio in der Wohnung täglich daran scheitert, die Zeit totzuschlagen. Es wird getrunken, geschlafen und sich gegen die allgegenwärtigen Fliegen zur Wehr gesetzt. Dass beide Männer auf ihre Weise Ana lieben, sie aber nur mit Jonathan zusammen ist, sorgt in der vertrackten Konstellation nicht gerade für Entspannung. Axel beginnt damit, sich kleine schwarze Punkte auf den ganzen Körper zu tätowieren – wenn das Werk vollendet ist, so sagt er, sei es für ihn an der Zeit, zu gehen.
Um eventuellem Ärger Luft zu machen und die Situation zu entspannen, kommt man auf die Idee, sich selbst auf Video aufzunehmen und der Kamera alle Sorgen anzuvertrauen. Die alten Videobänder der ehemaligen Hausbesitzer erhalten so eine Tagebuchfunktion für die strapazierten Drei. Jedes Tape wird in einer verschlossenen Truhe mit Schlitz gelagert, damit niemand die privaten Geständnisse zu sehen bekommt. Nur dass sich Axel nicht an die Abmachung hält und sich jeden Tag die entblößenden Aufzeichnungen von Ana ansieht.

Kritik

Die Geschichte beginnt mit einem Schuss auf einen Zombie und führt damit gehörig in die Irre. The Desert ist ein Zombiefilm fast ohne Zombies und ganz ohne Action. Der ausgeschaltete Untote in Szene 1 ist für knapp drei Sekunden im Bild und für lange Zeit der letzte Wiedergänger, den die Zuschauer serviert bekommen. Das nächste Exemplar trägt einen Maulkorb und ist zwar etwas häufiger zu sehen, kriegt insgesamt aber auch keine zwei Minuten Screentime und erst recht keine direkte Handlungsrelevanz. Die wenigen Male, in denen die Protagonisten auf Zombies anlegen, sieht man nur sie und ihre Waffe, nicht aber das anvisierte Ziel. Direkte Bedrohung geht von den Wiedergängern nicht aus. Wenn man sie wahrnimmt, dann höchstens als weit entfernten Grunzlaut.
Was stattdessen in blutdurstigen Horden auftritt, das sind Fliegen. In jeder Szene sind die hartnäckigen Plagegeister zugegen und wenn sie nicht im Bild auftauchen, dann gewiss als penetrantes Gesumme auf der Tonspur. Der ärgste Feind wartet nicht draußen außerhalb der verbarrikadierten Wohnungstür. Der ärgste Feind ist der Mensch sich selbst. Das vom Schicksal zusammengeschweißte Trio hockt tatenlos abwartend in der Wohnung, leidet an der völlig desaströsen Gruppendynamik, trinkt Wein und hasst. Zwei Männer und eine Frau. Sie ist liiert mit einem der beiden. Der Dritte muss dem Liebesglück stumm zusehen und daran leiden. Jeder Kuss, jeder Geschlechtsakt und jedes gewechselte Wort findet zwangsläufig im selben Haus statt. Miteinander garen, einander ertragen. Und letzteres fällt mit jedem Tag schwerer.

Ist das spannend? In gewisser Weise ja. Die angedeuteten Abgründe der Figuren sind flirrend eingefangen. Die Einstellungen dauern lange, die Kamera ist unangenehm nah an den Personen und raubt dem Menschen das Schöne. So wird aus dem Zuschauer unfreiwillig ein ungesehener Voyeur, der sich genau wie die Figuren nicht der erzwungenen Nähe widersetzen kann. Privatsphäre erfährt eine Verwandlung. So transportiert der Film geschickt das ständige Unwohlsein seiner Figuren in den Betrachter hinein und bringt die dritte Wand ganz subtil zum Bröckeln. Mit jedem Tag breiten sich Misstrauen und Abhängigkeit gleichermaßen weiter aus. Jeder neue Punkt auf Axels Körper symbolisiert die Unausweichlichkeit der Eskalation.

Fazit

The Desert ist ein Psychothriller, bei dem die Zombieplage noch weitaus mehr nur als Symbol dient, als sie es schon in anderen Filmen tut. Für die direkte Handlung ist die zombiehaltige Postapokalypse nur Behauptung und Grund dafür, dass das Haus nicht verlassen werden kann. Ein nihilistisches Kammerspiel darüber, wie unerträglich Nähe und wie parasitär hoffnungslose Liebe sein kann. Langsam und schwer zu ertragen.