Alien: Covenant


Am Ende der Produktion von Prometheus, wohl irgendwie auch am Anfang der Marketingkampagne, hieß es, der Film stünde in keiner direkten Verbindung zu Alien – eine Fährte, die falscher nicht hätte sein können. Vor dem Erscheinen von Alien: Covenant versprach ein Stimmenheer einhellig, der Film stünde nicht nur im direkten Bezug zu Alien, sondern verfüge auch über die schauerliche Stimmung, den Geist des Originals. Und wieder war die Fährte falsch.

They’ve made a few upgrades since your time.

Story

Knapp ein Jahrzehnt nach dem Verschwinden der Prometheus befindet sich das USCSS Covenant auf einer Besiedelungsmission, der Androide Walter wartet das Schiff und überwacht die Geschehnisse, während sich die Crew in einem mehrjährigen Kälteschlaf befindet, der just unterbrochen wird, als eine unvorhergesehene Neutrinoexplosion das Schiff in Mitleidenschaft zieht und unter anderem dem Captain Jake Branson das Leben kostet.
Kurz nach den Ereignissen wird ein seltsames Signal empfangen, das eindeutig von einem Menschen kommen muss – inmitten einer unbekannten Zone und offenbar von einem sich in nächster Nähe befindlichen Planeten, der allem Anschein nach habitabler ist als das ursprüngliche Ziel der Kolonialisten. Unter der Leitung des so neuen wie unsicheren Captains Christopher Oram ändert di Covenant ihren vorgeschriebenen Kurs und hält auf den Herkunftsort des Signals zu.
Dort angekommen, bestätigt sich der Verdacht auf lebensfreundliche Zustände, doch trifft die strohdumme Mannschaft auch auf ganz andere Dinge.

Kritik

Tatsächlich beginnt der Film haargenau wie der große Serienstart von 1979 – eine Crew samt Androiden im heimeligen Raumschiff mit einem Zentralcomputer namens Mother, deren Beziehungen vom Film ausgespielt werden, für deren Alltag sich Zeit gelassen wird. Das ist im Prinzip stark – wenn auch ein Nachgeschmack bleibt, da es eben auch haargenau dieselbe Routine wie in Alien ist, inklusive sich selbst feiernder Zitate. Nur dass es eben nicht so gerissen geschrieben ist, die Figuren nie so natürlich-schroff und glaubhaft sind wie damals.
Und dann, mit einem Mal, ist der Film wieder Prometheus. Nach ein paar höchst fragwürdigen Entscheidungen landet die Crew auf einem Planeten, der deprimierend uninteressant wirkt, und verhält sich so, als wären ihr die Konzepte von Wissenschaftlichkeit und gesundem Menschenverstand völlig unvertraut. Man spaziert unbescholten mit der gesamten Crew und ohne Schutzanzug über einen fremden Planeten, trampelt auf alles, was gefährlich sein könnte und hält dIE nASE wie ein neugieriges Frettchen in alles, was irgendwie so aussieht, als könnte es giftige Sporen enthalten. Alle Sachen, die irgendwie merkwürdig erscheinen, werden von den Protagonisten bestenfalls kurz registriert, aber nie hinterfragt, sondern einfach hingenommen. Überhaupt agiert man verblüffend gleichgültig gegenüber der Tatsache, dass man sich hier auf völlig fremdem Terrain bewegt. Und so geht es weiter: Eine dämliche Entscheidung jagt die nächste und jede Spannung wird vermieden, weil das Drehbuch unverständlich schlecht geschrieben ist. Die an sich zahlreich vorhandenen Möglichkeiten, in interessante Richtungen abzubiegen, ignoriert der Film konsequent – und die titelgebende Kreatur des Alien – denn an ihrer Kreatürlichkeit besteht mittlerweile kein Zweifel mehr – spielt einerseits nur eine recht untergeordnete Rolle und hat andererseits alles von ihrer höllischen Schauerlichkeit verloren, wird reduziert auf die Bedrohlichkeit eines tollwütigen Bernhardiners.
An der Form des Films gibt es selbstverständlich nicht zu viel auszusetzen – höchstens, dass die Plumpheit und Einfallsarmut auf inhaltlicher Ebene auch hier dann und wann ihre Entsprechung findet. Davon abgesehen findet der Film fraglos schöne, stimmungsvolle, manchmal auch beeindruckende Bilder und hat in der Hinterhand einen Moment, der ungeachtet der Tatsache, dass er auf der Dekonstruktion des gesamten Alien-Mythos fußt, das Potential hat, eine anhaltende Gänsehaut mitsamt beunruhigt-gerührtem Gefühl in der Magengegend zu verursachen. Auch ist es – das sei hier erwähnt, weil es allerorts als größtes Verkaufsargument gepriesen wird – freilich nett, Michael Fassbender in einer Doppelrolle zu sehen, doch hier die beste Performance in der Karriere des Mimen attestieren zu wollen, wird vor allem Fassbender selbst nicht gerecht.

Am vielleicht Ärgerlichsten ist der Umstand, dass Alien: Covenant der Saga überhaupt nichts hinzufügt, sondern inhaltlich völlig auf der Stelle tritt. Abgesehen davon, dass das Mysterium um das Alien noch etwas weiter zertrampelt wird, verweigert sich der Film stur jeder Erforschung des eigentlich Interessanten Gebietes des Planeten – der Beleuchtung der Konstrukteure. Angesichts des kurzen Blickes, den der Film in diese Richtung gestattet, ist das aber wahrscheinlich auch gar nicht so schlecht.

Fazit

Der neue Alien-Ableger von Ridley Scott ist das nicht, was alle regulären Sequels der Drittregisseure für sich beanspruchen wollen: Eine sinnvolle Ergänzung zum Alien-Universum, sondern eher ein nervöses Auf-Der-Stelle-Treten; eine Stelle, die gut aussieht und anfangs sehr in ihren Ursprung verliebt ist, unterm Strich aber bleibt primär hängen, dass der Alien: Covenant unnachvollziehbar nachlässig geschrieben und schrecklich arm an relevanten Ideen ist.

Scanners – Ihre Gedanken können töten

Eigentlich sollen hier keine absolut gefeierten Klassiker besprochen werden, da sie schließlich jedem ein Begriff sind und so kaum Mehrwert für die Leser entsteht – trotzdem werden sie es immer wieder. Um sie wieder ins Gedächtnis zu rufen, um sie aus heutiger Perspektive in Augenschein zu nehmen, um bestimmte Gedanken zu äußern, die einfach zu stark sind, um unter Verschluss gehalten zu bleiben.
Und so hat auch David Cronenberg schon einige Einträge auf scififilme.net – Videodrome, Rabid, Shivers und nun eben auch Scanners – jener Film, der gleich zwei Fortsetzungen und eine kurzlebige Serie nach sich folgen ließ; beides selbstredend nicht mehr unter der Regie des Kanadiers.

You’re one of me?

Story

Cameron Vale ist ein Wrack. Ein Streuner, der scheinbar unter Schizophrenie leidet und am Rande der Gesellschaft lebt. Nach einem Zwischenfall aber wird er von dem dubiosen Wissenschaftler Professor Dr. Paul Ruth unter die Fittiche genommen und aufgeklärt, dass seine Probleme ganz woanders liegen. Cameron gehört zu den Scannern – Menschen, die ihr Nervensystem auf geheimnisvolle Weise mit denen Anderer verknüpfen können, um ihnen ihren Willen aufzuzwingen. Oder ihre Köpfe platzen zu lassen.
Und: Cameron soll als Agent eingesetzt werden, denn eine Untergrundorganisation um den teuflischen Darryl Revok herum versucht mit ihren Scanner-Fähigkeiten, die Welt zu unterjochen.

Kritik

Scanners – Ihre Gedanken können töten lautet der deutsche Verleihtitel, welcher eins zu eins von der amerikansichen Werbekampagne übernommen wurde, und beweist, wie viele deutsche Verleihtitel und Trailer generell, dass der Film nicht so recht verstanden wurde, weil es sich hier dezidiert nicht um Telepathie, sondern um etwas anderes handelt, etwas, das nicht passives Lesen, sondern aktives Grenzüberschreiten der fremden wie auch der eigenen Grenze ist. Aus Scanners stammt das wohl ikonischste Bild, das man bis heute mit dem Namen David Cronenberg verbindet – der hemmungslos in alle Richtungen platzende Schädel eines Scanners, die einen Kampf mit Darryl Revok verloren hat. Es ist nicht nur einer von Cronenbergs berühmtesten Filmen, sondern auch derjenige, mit dem er zum ersten Mal richtig Kasse machte und sich im Anschluss den wirklich großen Projekten zuwenden konnte. Und das ist aus so vielen Gründen merkwürdig. Denn Scanners entstand quasi im freien Fall. Plötzlich mussten aus Steuergründen Gelder verbraten werden – man drückte sie dem Filmemacher in die Hand, der von nun an ein paar Wimpernschläge Zeit hatte, sich einen Film aus den Rippen zu schneiden. Mit nur ein paar Sätzen als Script begann der Dreh, während Cronenberg die frühen Morgenstunden dafür nutzte, eilige Drehbuchideen für den folgenden Arbeitstag zusammenzuflicken. Jennifer O’Neill, die so etwas wie die Love Interest der Hauptfigur spielt, wusste bis zum Ende nicht, in was für einen Streifen sie sich da begibt, wurde unter Vorspiegelung falscher Tatsachen am Se gehalten – und hätte auch nicht mitgewirkt, wenn ihr bewusst gewesen wäre, dass es explodierende Köpfe gibt. Ihre Figur ist eine Frau mit wenig Eigeninitiative und einem falschen Instinkt in einer Welt, in der Frauen nur Werkzeuge machthungriger, manipulationssüchtiger Männer darstellen. Der große Erfolg ist irritierend, vielleicht aber auch dadurch erklärbar, dass es sich bei Scanners um einen relativ schlichten Agententhriller handelt. Natürlich gibt es auch hier viel zu entdecken, über die Einrichtungen, über Innen- und Außenverhältnisse, über Mannwerdung, und Identitätsbildung zu erzählen. Doch das wäre Detailarbeit an einem Film, der in seiner Gesamtheit schlicht nicht so richtig gut gealtert ist – das zeigt sich nicht zuletzt an der besagten Schädelexplosionsszene, die vielleicht weniger überzeugend aussieht, als alle anderen Effekte, die jemals in einem Cronenberg-Film aufgefahren wurde.
Das wirkliche Problem des Filmes ist aber sein Hauptdarsteller Cameron Vale, der einfach, und man kann es nicht anders sagen, ein ganz, ganz mieser Schauspieler ist. Egal, wie sehr man betonen möchte, dass der Scanner natürlich entfremdet, verfremdet, distanziert und kühl wirken muss, Vales Schauspiel ist eine Darbietung völliger Überforderung. Er stakst ausdruckslos durch die Szenen, wirft aufgesetzte leere Blicke durch die Räume und scheint jeden einzelnen Satz falsch und unnatürlich zu betonen. Cameron Vales zuzuschauen, wie er sich durch diesen Film stümpert ist, und ein solches Urteil wurde in dieser Schärfe noch nie hier gefällt, wirklich schwer zu ertragen. Besonders fällt dies auf im Kontrast zu Michael Ironside, der seinen Gegenpart mimt, und mit seiner wabernden Mimik und dem ausufernden Wahnsinn in seinem Spiel jede Szene im Handumdrehen für sich gewonnen hat. Auch Patrick McGoohan: als doppelgesichtiger Wissenschaftler Paul Ruth macht aus seiner Figur einen wunderbar exzentrischen, vor sich hin brummelnden Wunderling, der seine ganz eigene Aura mit sich herumträgt. Aber alle leiden sie an der schemenhaften Leistung Cameron Vales.
Am Bemerkenswertesten sind vielleicht noch die zahlreichen Parallelen, die sich zu Cronenbergs späterem Meisterwerk Crash ziehen lassen. Doch die machen den Film nur retrospektiv und theoretisch interessant, während er ansonsten kaum verbergen kann, dass es sich bei ihm um eine schwere, sich wehrende Zwangsgeburt handelte, deren wenige gute Szenen häufig Zusammenhang vermissenlassen. Nichtsdestotrotz gibt es diese Szenen und ihn ihnen schimmert das altvertraute Genie des kanadischen Auteurs hervor, die vielen kleinen Ideen in der Ausstattung, die Umsetzung mancher Räume und der Mut zu offenen Fragen machen Scanners natürlich trotzdem zu einem sehenswerten Film, von dem hier auf gar keinen Fall abgeraten werden soll.
Doch ist es eben auch ein Film Cronenbergs, der – ausgenommen Fast Company und zusammen mit Rabid – mit am wenigsten Freude bereitet und manchmal sogar etwas anstrengend daherkommt.

Scanners

Cronenbergs finanzieller Durchbruch ist, im Vergleich zu seinen sonstigen Filmen, nicht bestmöglich gealtert, nicht immer mit Freude zu schauen und nicht so ganz ausgeglichen in seinen vielen Elementen. Allem voran aber ärgert Hauptdarsteller Cameron Vale mit seinem unbeholfenen Spiel in den meisten Szenen und droht manchmal, die vorhandenen guten Ansätze zu übertünchen.

The Signal

2007 kam ein recht guter, weil sehr ungewöhnlicher Zombiestreifen namens The Signal – doch um den geht es nicht. William Eubanks The Signal ist der zweite Film des Regisseurs; mit dem 2007er The Signal teilt dieser ebenso wie mit Eubanks Erstling Love die Liebe zum Ungewöhnlichen.

It’s just blood.

Story

Die MIT-Studenten Nic, Jonah und Haley liefern sich ein Katz-und-Maus-Spiel mit einem unbekannten, offenbar aber äußerst versierten Hacker. Da Jonah plant, für ein Jahr das Land zu verlassen, fürchtet Nic um die Zukunft ihrer Liebesbeziehung – und lässt sich aus Frust, Verzweiflung und Fluchtwillen gemeinsam mit Haley auf eine Schnitzeljagd nach dem Hacker ein. Von diesem wissen sie nur zwei Dinge: Er nennt sich Nomad und scheint, ihrer Nachverfolgung zufolge, an einem verlassenen Platz in Nevada zu leben.
Das Paar samt Krise und Haley machen auf ihrem Ausflug also einen Umweg von 270 Meilen und stoßen auf ein scheinbar verlassenes Haus mitten in der Wüste. Nick und Haley beginnen die Erkundung, während Jonah im Wagen zurückbleibt. Dann überschlagen sich die Dinge: Ein Schrei, Haley ist verschwunden, eine große Lücke. Nic erwacht in einer isolierten Station und begegnet der Fremde.

Kritik

Als erstes fällt auf: Mit Nic, Jonah und Haley bewegen sich drei  grundsympathische, endlich mal wieder glaubwürdige Charaktere durch die Handlung. Es sind Leute in ihren Zwanzigern, die sich nachvollziehbar verhalten und denen nicht auf Teufel komm raus bestimmte, sie definierende Haupteigenschaften zugeschrieben werden.
Eine sensible Inszenierung sorgt zusammen damit für einen leichten Zugang in die Welt, in die Motivationen und eventuellen Gefühle der drei Studenten. Einen maßgeblichen Teil tragen auch die trüben, kühlen Landschaften dieser wenig aufregenden Seite der USA zum Gesamtgefühl bei – zudem sie gleichzeitig einen ungewohnten, sehr interessanten Hintergrund für einen Film über Technik bieten. Andere Indie-Perlen wie zum Beispiel Primer haben dies ähnlich und ebenfalls erfolgreich gemacht. Die horizontenternden, steppenartigen Ebenen, in denen maulgleiche Risse das Schönste sind, wo nur Tankstellen die Straßen, die wie obszön lange Zungen in dieser Landschaft liegen, an den Seiten markieren und nur die tiefhängenden, grauen Wolkenschichten die Landschaft in irgendeine Richtung begrenzen. Während am Horizont immer die gleichen Berge zu warten scheinen, die niemals näher rücken, wie Verheißungen, wie Fata Morganas in der Wüste. Und dann zeigt der Film, dass er nicht nur einseitig Stimmung entwickeln kann, sondern ein Allroundtalent in Sachen Zuschauermanipulation ist. Denn das bisher Beschriebene ist zwar ein wichtiger Teil des Filmes, macht aber nur grob ein Drittel der Gesamtlaufzeit aus. Plötzlich ändert sich alles: Genre, Setting, Ausgangssituation – das Verhältnis von erzählter Zeit und Erzählzeit gerät ebenso durcheinander wie die Orientierung generell.

Im Folgenden erzeugt der Film mit seiner unaufdringlichen aber enorm effizient geführten Kamera intensive Nähe, mit seiner Musik Bedrängnis und ein Gefühl von Not und mit seinen Bildkompositionen eine vorbildliche Spannung. Dabei wird die Technik des ersten Filmteils nicht verworfen, sondern erfährt, wie die Handlung selbst, eine prägnante Weiterentwicklung. In Summe ergibt das ein nachdrücklich intensives Schauerlebnis, das sich von Überraschung zu Überraschung hangelt. Einige dieser Überraschungen scheinen erst einmal auf Kosten der Logik zu gehen, können in Summe aber kaum etwas ändern an der starken Sogwirkung, die all die fetten schwarzen Fragezeichen über der Geschichte und an ihren Weggabelungen rotieren, ausstrahlen.
Darüber hinaus steht und fällt der Film nicht mit seiner Auflösung, nicht mit dem unvermeidlichen Twist am Ende. Den gibt es, aber The Signal macht eigentlich die ganze Zeit kein übermäßig großes Geheimnis um die große Antwort, sondern lässt sie an mehreren Stellen bereits anklingen. Wichtig ist nicht das Plot-Point-Wie, sondern das Wie der Art und Weise und dieses kann ganz spoilerfrei mit einem toll! Beantwortet werden.
The Signal liefert eine Bildästhetik, die so verstörend ist, wie die Bildinhalte häufig surreal sind. Anachronismen, bewusste Inkonsistenten in den Figurenhandlungen und Unsicherheiten bezüglich des Wahrheitsgehalts der Bilder kreieren eine beunruhigende, aber auch einnehmende Stimmung.
Darüber hinaus fügt sich vieles erschreckend sauber zusammen und auch nach anfänglichen Zweifeln muss eingestanden werden, dass sehr viele vermeintlich unlogische Begebenheiten rückblickend Sinn machen, ohne dass alles zu sehr auf ein Deus-Ex-Machina-Ende hinausläuft. Sogar die kleinen Ungereimtheiten, die nur bestimmten Fachmännern für Technik oder Autos auffallen dürften, können schlüssig erklärt werden. Und das zeugt von einer Detailliebe und einem Ernstnehmen der eigenen Geschichte, die Filmen, die weit teurer sind als die 4 Million Dollar, die The Signal kostete, in ihrer Routine fehlen.

Fazit

Nach seinem erfolgreichen Erstling Love kann mit William Eubank mit The Signal den Eindruck, ein absolut vielversprechendes Licht am Sci-Fi-Himmel zu sein, massiv untermauern. Wie schon Love scheint die Geschichte auf den ersten und vielleicht auch zweiten Blick gar nicht so originell zu sein, lässt bei einer genaueren Rückbetrachtung aber zahlreiche kluge Entscheidungen erkennen und bietet in Folge genug interessante Ansätze, um prompt eine zweite Sichtung zu starten.
Die elegant eingeführten Figuren taugen dabei bestens als Leitfaden durch diese toll gefilmte, mit zahlreichen surrealen Elementen garnierte, wendungsreiche und sehr atmosphärische Geschichte.

Der Höllentrip

Ken Russel. Vertreter radikaler Subjektivitgät, Schöpfer unsterblicher Filme wie Die Teufel und Tommy , verwirrten Irrlichtern wie Der Biss der Schlangenfrau, späterer Undergroundfilme ohne alle Mittel und eben Filmen wie diesem hier: Altered States bzw. im Deutschen ungleich plumper Der Höllentrip – mal gefeiert, mal verpönt, mal weitestgehend vergessen. Ken Russel.


I feel like I’m being harpooned by some raging monk in the act of receiving god.

Story

Eddie Jessup ist ein Vollblutwissenschaftler, der mit wenig beachteten und verpönten Methoden versucht, die menschliche Wahrnehmung und das Erinnerungsvermögen über natürliche Grenzen hinaus auszuweiten. Seine These lautet, dass in jedem Gehirn auch die Erinnerungen aller vorherigen Evolutionsstufen vorhanden und theoretisch abrufbar sind.
Er trennt sich von seiner Frau Blair und experimentiert mit einer von mexikanischen Eingeborenen aus Pilzen gebrauten Substanz, welche direkt das Gehirn beeinflusst und Eddie nicht nur unvergleichliche Visionen beschert, sondern auch körperliche Wandlungen zu bedingen scheint.

Kritik

Altered States beginnt mit dem Zuschauerblick auf ein Bullauge. Dahinter befindet sich, durch das Glas leicht verzerrt, umschlossen von Wasser ein Mann, der seinerseits durch das Glasfenster zurückschaut. Die Kamera fährt langsam zurück und nach und nach erkennen wir, die Zuschauer, dass wir nur auf einen winzigen, tonnengleichen Tank geblickt haben – scheinbar gar nicht ausreichend groß, um einen ausgewachsenen Männerkörper zu beherbergen. Der Weg des Filmblicks wird nach hinten fortgesetzt, hindurch durch eine Scheibe, vor der ein Mann sitzt, der wiederum selbst durch diese Scheibe in das dahinter liegende Bullauge blickt. Wie häufig in Filmen inszeniert auch Altered States sich als Film – als Guckkasten, der einen Blick erlaubt auf eine hermetisch abgeriegelte, eigenlogische Welt. In diesem Fall ist dies besonders interessant, denn es handelt sich schließlich um eine Geschichte, deren Erzählinstanz eine interne Fokalisierung zu haben scheint. Wir sehen die Visionen, die sich im Kopf eines Mannes abspielen, als scheinbar diegetische Realität. Es passt, dass der Tank, in dem Eddie erstmals gezeigt wird, ein Isolationstank ist. Wir sind in seinem Kopf, er ist in einem Tank, dieser ist in einem verschlossenen Raum. Und darüber hinaus ist auch der „Zuschauer“ in seinem ganz eigenen abgeriegelten Zimmer.
Die geschilderte Eingangssequenz ist kein Einzelfall – immer wieder positioniert sich die Kamera vor Menschen, die ihrerseits in voyeuristischer Position sind, vor Fensterfronten, einseitig transparenten Spiegelwänden, in offenen Türen, hinter Gefängnisgittern oder vor Monitoren. Die Thematisierung des Blicks in Ken Russels Science-Fiction-Drama ist einer der fruchtbarsten Ausgangspunkte für eine ergiebige Sichtung des Filmes.
Und das gilt nicht nur für das rein visuelle Beobachten, sondern auch die akustische Teilhabe an fremdem Wahrnehmungsräumen.
Und dann gibt es auch noch Szenen, in denen diese Motive aufgegriffen und verändert und gebrochen werden. Altered States ist ein motivisch reicher Film über Beobachtung und ganz besonders über die Faszination und den Rausch der Selbstbeobachtung. Und damit eine Liebeserklärung an die unerforschbare Komplexität des Menschlichen.

Der von William Hurt in seiner ersten Filmrolle dargestellte Protagonist ist ein von der Arbeit besessener, von einer Art verkleidetem religiösem Wahn angetriebener Soziopath mit der Passion eines Pioniers, der ausnahmsweise nicht in-, sondern eher extrovertiert ist und tatsächlich mit einer tiefen Überzeugung infiziert ist, die er so flamboyant vorträgt, dass sie fast schon ansteckend wirkt. Dass die Hauptfigur stets droht, von ihrer Leidenschaft versengt zu werden, dabei aber immer glaubwürdig und sympathisch bleibt, ist eine weitere große Leistung des Filmes,
der auf der Tonseite ein Horrorfilm ist und in seinen halluzinatorischen Exkursen an die intensiven Passagen der frühen Alejandro-Jodorowsky-Filme erinnert, die ja thematisch gar nicht so weit entfernt von Atered States angesiedelt sind.

Wie inspiriert Regisseur Russel gewesen sein mag, lässt sich aus den euphorischen und pointierten Dialogen herauslesen. Aber wohl auch an der Tatsache, dass sich der Autor der Romanvorlage ausdrücklich vor deren Filmversion distanzierte.
Und bei genauerer Betrachtung haben Ken-Russel-Filme sowieso immer schon etwas visionenhaftes in sich. Dieser aber hat eine Sonderstellung inne – so gut wie sein Schreckensportrait Die Teufel ist Altered States natürlich nicht, seine etwas ins Schlingern geratene Karriere wurde durch den Film aber wieder in die Spur gesetzt.

So beeindruckend das Miterzählte und indirekt Erzählte ist, so ordinär fällt aber doch die tatsächliche histoire, die tatsächliche, an der Oberfläche sich abspielende Geschichte aus – gerade im letzten Drittel.
Und bei all den Beobachtungsgeräten auf so vielen Ebenen ist es faul und besonders auffällig, dass man auf ein „neutrales Auge“ wie eine dokumentierende Überwachungskamera an Orten verzichtet, wo sie unverzichtbar wäre. Auch wenn man es sich hinsichtlich der Thematik des Filmes aber auch schönreden kann, dass fast schon zwingend folgerichtig ist, dass es sie nicht gibt.
Wenn wir schon beim Herummäkeln an der Narration sind: Der ganze Storyast mit der Heirat mit Emily, der enormen Unausgeglichenheit der Beziehung, der Trennung und dem Wiedertreffen wirkt unnötig zerfasert und scheint einzig dafür da zu sein, dem Film eine klarere nach außen erkennbare Struktur zu verleihen. Und dann ist da auch noch dieses abrupte, nur mit viel Nachsicht aufgehende Ende, ohne dass der Film paradoxerweise weniger unvollständig wirken würde.
Über die Sogwirkung, die Altered States entwickelt und mit der er einen nahezu in seine unangenehme Welt hineinreißt, haben diese kleineren Unstimmigkeiten aber keine schädigende Wirkung. Die Welt mit ihren irgendwie unheilvollen Farben, mit ihrer lockenden Musik, die ebenso wie der Ton eine Oscarnominierung erhielt, und der ruckhaft vonstatten gehenden Entwicklung ist nämlich mindestens einen Abstecher wert.

Fazit

Ken Russels Altered States ist ein epiphanischer Kurzausflug, dessen surreale Ausläufe sich mit unangenehmer Beharrlichkeit um den Zuschauer schlingen. Letzterer ist zugleich selbst Teil der Abhandlung, als die man den Film begreifen kann. Dass Altered States noch besser sein könnte, ist natürlich eine Kritik, die fast immer anzubringen ist – und die trotzdem ausgesprochen sein will, denn so ganz ohne Fehler ist der Film keinesfalls.

Teenage Mutant Ninja Turtles (2014)

Am 11. August startet das Sequel Teenage Mutant Ninja Turtles: Out of the Shadows in den Lichtspielhäusern. Höchste Zeit, den ersten Teil, der unter der Regie des wenig geschätzten Jonathan Liebesmann entstanden ist, unter die Lupe zu nehmen.

Have you seen that video where the cat is playing Chopsticks with chopsticks?

Story

Die Schläger des Foot Clans machen seit Jahren schon die Straßen von New York unsicher und werden in letzter Zeit wachsend aggressiver. Die Reporterin April O’Neil, die genug davon hat, unwichtige Boulevard-Sendungen zu moderieren, startet auf eigene Faust eine Recherche und kreuzt prompt den Weg vierer mysteriöser Rächer, die der Verbrecherbande das Handwerk legen wollen.
Bei ihren Nachforschungen stellt sie nicht nur fest, dass diese ominösen Helden mit ihrer eigenen Vergangenheit zu tun haben, sondern auch, dass es sich um jugendliche Schildkröten-Ninjas handelt, die von einer Kampfsportratte aufgezogen wurden.

Kritik

Zugegeben, der Anfang hat was. Wie da in die Kamera durch nette, abstrakte Bilder fährt, die klassischen Ninja-Turtles-Waffen ihre Schatten auf Kanalwände werfen und Geräusche machen, wie Splinter mit bedeutungsschwangerem Tonfall prophezeit, dass die vier Schildkröten Außergewöhnliches erleben werden. Das ist eine Verbeugung vor den Ursprüngen, das ist… nett. Und dann, dann endet der Ausflug durchs gezeichnete Kanalisationssystem und wir starten mit einer Verbeugung vor dem Produzenten Michael Bay. Ein Stadtpanorama dieser speziellen Art, wie man es von seinem Stil kennt. Glatt, zugekleistert, aus einem Helikopter gefilmt und von hymnischer Musik unterlegt, als wolle man tatsächlich sagen: Diese trostlose Ansammlung trister Stahlbaracken dort unten, die ist doch wunder-, wunderschön, nicht wahr?
Direkt danach wähnt man sich in einem Found-Footage-Film der wirklich schlimmsten Sorte, während wir einer April O’Neil in gelber Jacke einem Arbeiter an den Docks hinterherlaufen sehen. Für einen unschuldigen Moment glaubt man noch, man sähe hier einfach das Bild des hinterherhechtenden Co-Reporters, der das Interview filmt. Die nächste Einstellung belehrt uns eines Besseren. Auch ansonsten schreit hier alles „Dies ist ein Film von Michael Bay!“, obwohl es keiner ist. Alles ist seltsam grün ausgeleuchtet und wirkt deshalb wie ein Traum von G.I. Joe, die Kamerafahrten sind ausnahmslos gelangweilt und kaum eine Einstellung dauert länger als 5 Sekunden. Und wir reden hier von normalen, handlungstragenden Szenen. In Action-Momenten werden diese Zahlen auf einen viel kleineren Zeitraum gepresst und in dieser stark komprimierten Form wirkt es so, als liefe der Film in einem schrecklich öden Zeitraffer ab.
Das ist kein Problem von Teenage Mutant Ninja Turtles alleine, das ist kein Problem von Filmen á la Michael Bay alleine, das ist nicht mal ein Problem des Actionkinos der Gegenwart alleine, sondern eines, das zunehmend auf die gesamte Filmlandschaft übergewandert ist. Sorgfältig geplante Einstellungen, „cineastische Gemälde“, montiert mit bedachten Schnitten, das macht Kino aus. Durch den inflationären Einsatz von Handkameras wird Planung aber obsolet, stattdessen kann eine Szene aus unzähligen Perspektiven gefilmt und im Schneideraum zusammengestückelt werden, ohne dass zuvor ein wirkliches Konzept existieren muss. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich aus Einzeleinstellungen, die zwar eine Geschichte, mitnichten aber ein stimmiges ästhetisches Erlebnis garantieren. Film mutiert zum chaotischen  Daumenkino. Sich darüber ausgerechnet bei Teenage Mutant Ninja Turtles auszulassen, ist etwas ungerecht, da es wahrlich schlimmere Vertreter dieser Gattung gibt, aber der Film ist auf der anderen Seite auch kein sonderlich schlechtes  Beispiel, um den geplatzten Kragen mal ein bisschen in der Öffentlichkeit auszuschütteln.

Alles andere ist eine höchst zwiespältige Sache. Dass das alles stumpf, von hanebüchenen Zufällen beherrscht und teils sehr platt inszeniert ist, erkauft sich der Film natürlich damit, auf einer Comicserie für Teenager basieren. Und man darf dabei auch wirklich nicht aus den Augen verlieren, dass auch der Originalstoff kein Shakespeare ist, wenn auch man sich nicht mal dort die Blöße gab, den alten Hut vom seinen Plan offenbarenden Bösewicht vom Haken zu nehmen. Aber die drei Filme der frühen 90er waren charmant, und das nicht nur aufgrund der rein handgemachten Effekte. Die animierten Panzerninjas von 2014 sind das manchmal auch, wenn auch auf eine tölpelhaft-nervige Halbstarkenweise, die sich primär durch Herumalbern definiert, aber eben auch dann und wann passable Slapstick-Momente bietet. Bei den menschlichen Figuren sieht es ganz ähnlich aus. Manche Kabbeleien zwischen April und den New Yorkern, die ihre Schildkröten-Rächer-Story nicht glauben wollen, entbehren nicht einer gewissen Schnittigkeit, andere wiederum überschreiten die Grenze zur Albernheit mit weiten Schritten. Grundsätzlich ist der Film aber geprägt von einer Geschwätzigkeit, die so redundant und einfallslos sind wie die Schnitte zwischen den Sekundeneinstellungen. Schön ist hingegen, dass man sich mit der Einführung des Szenarios Zeit lässt, sich dabei aber nicht in einer Origin-Story verstrickt, sondern diese in wenigen Minuten retrospektive nachliefert.
Interessant ist, dass sich die gesamte Geschichte um die säbelrasselnden Rennaissance-Kröten einer ganz anderen Herausforderung stellen muss. Denn dadurch, dass sie nun einen ernsten Look bekommt und die Protagonisten dank moderner Tricktechnik halbwegs realistisch aussehen, muss der Film irgendwann auch thematisieren, was sie da mit ihren scharfen Klingen eigentlich anstellen. Denn während die Nunchakus  Michelangelos und der Bo Donatellos keine zwingend letalen Waffen sind, sieht es bei Leonardos Katanas und Raffaels Sai ganz anders aus. Von  Shuriken, Tekagi-Shuko und so fort ganz zu schweigen. Der Film stiehlt sich allerdings davon, indem er einfach nicht zeigt, was die Konsequenzen der direkten Auseinandersetzungen mit Waffengewalt sind.

Mehr kann man eigentlich nicht sagen. Irgendwo ist da noch Whoopi Goldberg, die ihre Hochzeit zur gleichen Zeit wie die originalen Teenage Mutant Ninja Turtles hatte, William Fichtner hingegen wurde wie so oft verschenkt und sorgt nur indirekt für so etwas wie markante Momente, weil die von ihm verkörperte Figur Eric Sacks ausgesprochen genau wie „Sex“ klingt, was für die denkwürdigsten Momente des ganzen Filmes sorgt.
Teenage Mutant Ninja Turtles als kurzweilig zu bezeichnen, könnte falsche Signale aussenden. Langweilig ist der Streifen aber nicht wirklich. Sondern auf eine gar nicht so grauenhafte Weise belanglos. Die fünffache Nominierung für die Goldene Himbeere darf dabei aber trotzdem als maßlose Übertreibung gesehen werden. Denn in der unterirdischen Liga eines Transformers-Filmes spielt das Schildkrötenabenteuer in keiner Minute. Vergessen werden darf auch nicht, dass die vier Liebhaber italienischen Traditionsessens bereits ganz andere Tiefpunkte wegstecken mussten. Man denke da nur an eine gewisse Fünfte im Bunde namens Venus de Milo in der „Power Ranger“-Ausführung 1997/98. Gleiches gilt übrigens auch für die häufigen Schmähworte über das Design der Turtles. Ja, sie sehen monströser und nicht mehr so lieblich aus wie einst. Doch das Aussehen ist mehr als angemessen und passt absolut zum Setting.
Andererseits erzählt der Film aber auch so wenig, dass seine Dauer von 100 Minuten einfach viel zu lang ist. 30 davon weniger und die Sache wäre deutlich runder und damit zum Ende hin weniger zäh geworden.

Fazit

Man mag es nicht glauben, aber das Reboot der Teenage Mutant Ninja Turtles gehört zu dem eindeutig Besseren, was Jonathan Liebesmann in seiner Karriere so verbrochen hat. Auch wenn das nichts zu bedeuten hat. Und auch wenn man die Fingerabdrücke des Seelenverschlingers Michael Bays ständig zu spüren meint, ist das hier kein Transformers-Debakel. Wäre das Spektakel nicht nach hinten hinaus zu lang geworden, wäre durchaus noch mehr drin gewesen. So werden ein paar sympathische Gags der Anarcho-Kröten, halbwegs gelungene Actioneinfälle und fast verbrämte Bezugnahmen zur eigenen Serienvergangenheit zwar von einer Menge an tumbem Geschnatter, erschütternd liebloser Charakterzeichnung und einer bemitleidenswert hilflosen Kamera in den Schatten gedrängt, aber trotzdem kann man sagen: Es hätte viel schlimmer kommen können.

Und mit dem Nachfolger Out of the Shadows wechselt nicht nur Newcomer Dave Green (Earth to Echo) auf den Regiestuhl, auch werden allerhand coole Turtles-Schergen  die New Yorker Bühne betreten und mit etwas Glück den Comic-Charme entfesseln, der in diesem Film nur sehr unterdrückt zum Tragen kam.

 

Im Stahlnetz des Dr. Mabuse

Ein schweres Erbe tritt Harald Reinl an, wenn er von niemand geringerem als Fritz Lang die ikonische Figur des Dr. Mabuse übernimmt. Ein vollständig verwandeltes Drehbuch später entstand ein internationales Produkt, das mit dem ursprünglichen Mabuse-Thema nur noch wenig gemein hat – und damit Langs eingeschlagenen Pfad in gewisser Weise weiterverfolgt.

Ich habe nur einen Herrn und Gebieter, Dr. Mabuse!

Story

Kommissar Lohmann, seine Familie und vier Kisten Bier wollen in den wohlverdienten Urlaub verschwinden, als ihn kurz vor Abfahrt ein Anruf seines Assistenten Voss zurückhält. Ein Interpol-Agent wurde ermordet, der mit belastendem Material gegen ein großes Verbrechersyndikat aus Chicago mit sich führte. Für den Fall zur Seite wird ihm der vermeintliche Fbi-Agent Joe Como, der auf sehr amerikanische Weise vorzugehen pflegt. Nach und nach scheint nicht nur jeder verdächtig, sondern auch der eigentlich längst verstorbene Dr. Mabuse sich als Strippenzieher herauszustellen, der mit einer neuartigen chemischen Substanz jeden nach Belieben zu einer gehorsamen Marionette verwandeln kann.

Kritik

Gert Fröbe spielt den den altgedienten Kommissar Lohmann, der als Figur bereits in Das Testament des Dr. Mabuse und M – Eine Stadt sucht einen Mörder Popularität erlangte (damals gespielt von Otto Wernicke), mit schalkhafter Launigkeit. Eingeführt wird er als jemand, der nicht trotz, sondern wegen seiner Polizeiarbeit „immer noch Kind“ ist und sich gerade vom Sohnemann drei Kisten Bier (und eine für den Notfall) für einen Kurzurlaub verladen lässt; jemand, der sich auch während der Ermittlungen nicht zu schade ist, mal ein Bier zu ordern. Damit bedient er aber gerade nicht den Typus des elegischen Hard-Boiled-Detectives, sondern präsentiert sich als dessen Gegenteil, den Mann aus der Mittelschicht, dessen Ironie nicht eiskalt, sondern schalkhaft ist, der dessen Verstand zwar messerscharf, aber nicht ganz so fern von einer zünftigen Bauernschläue ist. Das passt prinzipiell gut in die Reihe, die nach ihrer Wiederbelebung weit mehr als nur ein lahmer Edgar-Wallace-Abklatsch sein wollte, sondern sich bemühte, in seinem Subtext gesellschaftspolitische Relevanz zu vermitteln. In Die 1000 Augen des Dr. Mabuse ging der Zeigefinger hoch gegen eine Wiederholung der Stasi-Methoden, in Das Stahlnetz des Dr. Mabuse heißt es nun: Jeder kann und muss seinen Beitrag leisten – auch der durchschnittliche Bürger hat das Potenzial und die Pflicht, für das Richtige einzustehen.
Und so reiht sich der neue Ermittler in Sachen Mabuse eigentlich ganz gut in eine Reihe heterogener Spürnasen, die alle verschieden ernst, charakterstark und auch präsent waren. Nun ist es eben eine Art Pfarrer Braun, der sich gemütlich durch die Tatorte schiebt und dabei eine Genre-Schablone nach der anderen besucht. Denn Das Stahlnetz des Dr. Mabuse ist der facettenreichste Film der langen Mabuse-Reihe – deswegen aber nicht der beste.
Tatsächlich walzt sich der Film, der in Berlin gedreht wurde, aber in einer anonymen Stadt spielt, auf teils überspitzte Weise durch das Agentengenre, indem er einen Polizisten mit doppelter Identität sogar noch eine weitere Rolle übernehmen lässt, schafft es irgendwie, immer mal wieder eine Hau-Drauf-Klamotte, wenn der überstarke Amerikaner als einziger klassischer Held die Fäuste schwingt und bösen Buben in Reihe das Licht ausknipst und wird alle 15 Minuten zum Gefängnisfilm – bei dem eine Figur auf höchst bizarre Weise optisch deutlich an Sasori erinnert, welche aber erst 10 Jahre später die Leinwand betrat. Dass einige Szenen dann noch klar auf Western, Kriegsfilm und Schnulze verweisen, macht den Kohl endgültig fett. Und mit der willens
nehmenden Droge, mit der Mabuse die Welt zu beherrschen trachtet, kommt auch noch ein gehöriger Schuss Wissenschafts-Sci-Fi hinzu. Lezteres ist die auffälligste Abstandnahme von der einstigen Figur, befand sich Mabuse doch immer auf kriminell festem Grund, wenn er sich hier auf wissenschaftliche Fiktion verlässt.
Harald Reinl hat den Stoff mit seiner Regie aber fest im Griff und bringt das kleine Meisterwerk zustande, dass Das Stahlnetz des Dr. Mabuse zwischen diesen verschiedenen Abschnitten nicht zerfasert, sondern jederzeit als schlüssiges Ganzes wirkt. Während der Film in der ersten Hälfte in seiner gemütlichen, nie zur Gänze ernsten Weise gefällig zu unterhalten weiß, verliert er auf der Zielgerade immer mehr an Tempo, bis sich die zu Beginn noch aufgeplusterte Geschichte eingestehen muss, dass sie gar kein nennenswertes Finale besitzt.
Die Figur des Mabuse wirkt mehr noch als in Langs letzten Film Die tausend Augen des Dr. Mabuse ungefährlich und als Person völlig belanglos. War ein Jahr zuvor bereits der Superschurke, wie man ihn aus den unsterblichen Stummfilmklassikern kannte, kaum noch erkennbar, wodurch der Film so wirkte, als hätte man die Figur nachträglich in einen ordinären Krimi geschrieben, hat das Verbrechergenie nun beinahe alles von seiner markanten Alleinstellungsmerkmale verloren – und das, was noch da ist, wirkt in pflichtbewusster Lieblosigkeit einfach zum Film hinzuaddiert.
Leider gerät das Werk bei seinem Versuch, gleichzeitig ernst und witzig zu sein, auch einige Male in straucheln, wenn ernste Figuren Dinge tun, die nicht amüsant, sondern bemerkenswert dumm sind. Das ist besonders bei

Fazit

Einen Dr. Mabuse der alten Schule erwartet niemand mehr in der mehrteiligen 60er-Ausgabe der Filmreihe, war ja auch Fritz Langs Abschied aus dem Regiefach Die 1000 Augen des Dr. Mabuse bereits eine völlige Neuinterpretation und Modernisierung dieses Superschurken-Archetypen. Das Stahlnetz des Dr. Mabuse ist ein Film geworden, der in erster Linie unterhalten will, dabei keine großen künstlerischen Ambitionen hegt und mit seiner Ermittlerfigur erstmals einen echten Lebemann zum ebenbürtigen Kontrahenten krönt. Leider macht der Kommissar nicht durchweg eine gute Figur, sondern zusammen mit anderen Figuren auch mal etwas grenzwertig Dummes – und wird zusätzlich auch noch bestraft, dass sein verwickelter Fall ein eher lahmes Ende nimmt.

The Lazarus Effect

The Lazarus Effect ist der erste Langspielfilm des jungen New Yorker Filmemachers David Gelb, für dessen zentrale Figur er Olivia Wilde verpflichten konnte. Das Ergebnis ist Wissenschafts-Horror mit metaphysischer Behauptungsebene zwischen Lucy und Flatliners.

If we are going to be asking the questions, we have to be ready for the answers.

Story

Das Forscherpaar Zoe und Frank forscht mit einer Handvoll nerdiger Wissenschaftler an einem Serum, dass es ermöglichen soll, einen verstorbenen Körper für einen kurzen Moment wieder zu reanimieren. In der Medizin soll dies für einen erweiterten Handlungsrahmen bei brenzligen Situationen auf dem OP-Tisch sorgen.
Und tatsächlich verlaufen die Experimente noch viel besser als erwartet. Ein toter Hund kann nicht nur kurzzeitig, sondern dauerhaft wiederbelebt werden.
Genau diese Erfolge sorgen für eine sofortige Übernahme der Einrichtung, die den Ausschluss der jungen Wissenschaftler von ihrem eigenen Projekt bedeuten wird – etwas, das man natürlich nicht auf sich sitzen lassen kann. Bei einem Einbruch in ihr eigenes Labor, kommt Zoe bei einem Unfall ums Leben, woraufhin Frank und sein Team sie mittels des Serums prompt wieder zurückholen. Doch Zoe scheint nicht mehr ganz dieselbe zu sein wie vor ihrem Ableben.

Kritik

The Lazarus Effect beginnt auf vertraute Weise als Wissenschaftsthriller, dessen Münden in einen Pandemiefilm sich bereits in der ersten Szene unverkennbar anzukündigen scheint. Da ist es erfrischend, dass der Film sich nicht so entwickelt, wie es eingangs wirkt, sondern einen etwas weniger ausgeprägten Trampelpfad einschlägt. Ungewöhnlich sind die kleinen Spitzen klassischen Horrors, die, immer in nur knapp unterdrückter Form, in die Welt brechen. Für sich genommen sind diese Szenen zwar nur mäßig wirkungsvoll, da sie alle auf vertraute Formeln zurückgreifen und diese quasi gar nicht abwandeln, im Kontext sorgt diese kleine Bereicherung aber für ein gelungenes Gefühl des Unbehagens, das dem Zuschauer schon früh im Nacken zu klemmen beginnt.
Mit fortschreitender Laufzeit fallen diese Schema-F-Horrorelemente jedoch immer stärker ins Gewicht und irgendwann ist der Punkt erreicht, wo offenbar wird, dass The Lazarus Effect einfach zu wenig Selbstbewusstsein hat, um den Charakter- und Wissenschaftspart für ausreichend tragfähig zu halten, weshalb immer wieder kleine Schocksequenzen als zusätzliche Stütze eingebaut werden. Nur schwächt genau das die Charakterseite noch mehr, denn einander ständig erschrecken wollende oder sich uneinsichtig-kindlich über alle Regeln hinwegsetzende Figuren sind ebenso wenig sympathisch wie glaubhaft. The Lazarus Effect ist sich nicht mal zu schade, mehrmals auf Geisterfilm-Klischees zurückzugreifen – und schlussendlich sogar zu einem Geister- bzw. Besessenheitsfilm zu werden.

Das heißt aber auch: Während in Sachen Schockmomente einzig die Sache bemerkenswert ist, dass sie überhaupt in dieser Form in den Film gekommen sind, erfreut die Geschichte damit, nicht einfach nur die alte Wiedergänger-Leier abzuspulen, sondern einen feinen Kniff die die Sache einzubauen.
Noch viel Bemerkenswerter: Während man sich noch darüber ärgert, dass sich ein Klischee an nächste Reiht, funktionieren die einzelnen Elemente trotzdem erschreckend gut. Die Regie ist einerseits lahm genug, all die faden alten Dinge ein weiteres Mal zu inszenieren, aber doch so kompetent, dass es ihr gelingt, sie so effektvoll zu inszenieren, dass ihre abgeschmackte Natur kurz vergessen wird. Nicht vollständig, aber doch ausreichend stark, um den gewünschten Effekt zu erzielen.
Nur reicht das allein nicht, um einen guten Film abzugeben. David Gelbs Film ist letztlich ein halbgarer Horrorfilm mit einer nicht funktionierenden psychologischen Komponente, dessen Grundidee durchaus Potenzial hätte, das aber nicht ansatzweise ausgeschöpft wird. Dieselbe Idee wurde vor gar nicht allzu langer Zeit in Luc Bessons Lucy deutlich kreativer behandelt, während die Ausgangssituation bereits in Joel Schumachers Flatliners vor einem viertel Jahrhundert kohärenter inszeniert wurde. Oder eben vor 197 Jahren von Mary Shelley.

Fazit

Zwar verläuft der The Lazarus Effect anfangs etwas überraschend in einer anderen (Genre-)Bahn, doch verlässt sich die Geschichte viel zu sehr auf zwar patent in Szene gesetzte, nichtsdestotrotz aber wahllos zusammengestückelt wirkende Horroreinlagen, die dazu auch noch verstärkt darauf aufmerksam machen, dass sowohl Charaktere als auch die Geschichte eher schwach sind.

Time Lapse

Regelmäßige Leser des Blogs wissen, dass Zeitreisefilme so ziemlich das Beste sind, was es gibt. Auch für junge Filmemacher, denn so werden spektakuläre Geschichten erzählbar, ohne dass ein großer materieller Aufwand für ihre Realisation betrieben werden müsste. Ein motiviertes Team und ein tolles Drehbuch ersetzen hohe Produktionswerte, denn die Zeitreise liefert auch auf der bloßen Behauptungsebene bei geschickter Verpackung eine wundervolle Erklärung für so ziemlich alles. Bradley Kings Langfilmdebut Time Laps lockt darüber hinaus mit einer reichlich interessanten Umkehrung des altbekannten Zeitsprungsystems.

You don’t fuck with time.

Story

Finn ist Hausmeister aus Notwendigkeit und Maler aus Leidenschaft. Letzteres jedoch schon seit Längerem ohne einen Funken Inspiration. Jasper ist sein bester Kumpel, der in erster Linie Wetten mit Sport und Videospiele mit Finn mag. Callie ist Finns Freundin und pragmatisch genug verurteilt, um die Wohngemeinschaft dieser drei Menschen in ihren Zwanzigern am Funktionieren zu halten.
Da einer der Mieter des – sehr kleinen und umzäunten – Wohnbezirks bereits zwei Monate mit seiner Miete im Rückstand ist, schaut Finn dort nach dem Rechten.
Tatsächlich: Mr. Bezzerides, der schuldige Mieter, scheint verschwunden, vielleicht sogar tot. Was die Drei anstatt seiner in der Wohnung entdecken, ist eine riesige Kamerakonstruktion, die direkt auf ihr eigenes Wohnzimmerfenster ausgerichtet ist und alle 24 Stunden ein Bild schießt. Doch Mr. Bezzerides war kein Spanner, sondern Wissenschaftler. Und das Bild, das die Kamera ausgibt, ist kein normales. Fotografiert wurde das Wohnzimmer, wie es am Folgetag, genau 24 Stunden in der Zukunft aussieht.

Kritik

Es fühlt sich an nach frischem Wind im Zeitreise-Subgenre, das immer wieder toll, dessen ungeachtet aber auch immer nach demselben Prinzip funktioniert. Time Lapse lockt mit einer knackigen Umkehrung. Dieses Mal wird nicht von der Gegenwart in die Vergangenheit gereist, um zu verhindern, dass die Gegenwart aufgrund von weiteren Reisen in die Vergangenheit gestört wird, sondern es ist ein täglicher Blick in die Zukunft, der nun die Gegenwart diktiert. Und drei junge Menschen stecken plötzlich in einem eisern zugeschnürten Handlungskorsett, weil sie sich an die Vorgaben aus der Zukunft halten müssen, die sie einen Tag später selbst machen – nicht aus logischer Motivation heraus, sondern schlicht, weil sie vom Gestern wissen, dass das Heute so auszusehen hat. Denn: Don’t fuck with time.
Das klingt nicht weniger, sondern eher verstärkt kompliziert. Time Lapse kann seine Ausgangssituation allerdings in guter Zeit verständlich einführen und dann darauf aufbauen. Das klappt anfangs auch sehr gut. Der Film geht forsch voran und das Übergewicht auf dem Deterministischen forciert ein starkes Gefühl des Unwohlseins. Immerhin wissen die Personen, die sich selbst aus der Zukunft lenken, die ganze Zeit nicht so recht, warum sie das überhaupt tun. Hinzu kommt natürlich das wie üblich schwere Los der eigenen Verführbarkeit. Als triefe die Miesere nicht schon bedrohlich genug in den Alltag, verleitet die Gier auch noch dazu, die Situation zum größtmöglichen eigenen Vorteil auszuschöpfen und damit selbstredend eine Kettenreaktion in Gang zu setzen, die nicht nur Schlimmes zur Folge hat, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch der letztgültige Auslöser der ganzen mysteriösen Handlungskette ist. Denn diese Time-Travel-Film-Tradition – so viel sei verraten – wird dann doch beibehalten. Ganz so innovativ ist die Idee der Autoren King und Cooper auch nicht. Denn in der zweiten Staffel von The Twilight Zone aus dem Jahre 1960 bediente sich die Episode A Most Unusual Camera eines ganz ähnlichen Prinzips. Nur dass die Kamera nicht einen ganzen Tag, sondern fünf Minuten in die Zukunft fotografierte. Da die Idee aber bestens für einen Spielfilm geeignet ist, sei ihr die Originalität in Time Lapse daher nicht abgesprochen.
Callie, Finn und Jasper sind anfangs noch nette Teilzeitnerds, die in ihrer etwas konstruiert wirkenden, trotzdem aber sympathischen Wohngemeinschaft vom Film als Personen eingeführt werden, die mit ihren Träumen und Angewohnheiten recht nah am Klischee, deswegen aber nicht unsympathisch sind. Ebenso wie die Geschichte geht das lange Zeit gut. Und über die Hälfte der Laufzeit ist Time Lapse ein in gutem Sinne sehr unangenehmer Film. Und während man die Figuren offenen Auges gen Katastrophe gehen sieht, sieht man auch gerne über kleinere Schwächen in Drehbuch und Regie hinweg – und ebenso über die zu hölzerne Charakterentwicklung.

Letzteres fällt nach der Halbzeit dann aber verstärkt ins Gewicht. Figuren verhalten sich teilweise etwas arg unnachvollziehbar bis irrational und gerade die Wandlung eines bestimmten Charakters hin zum völligen Wahn ist deutlich zu überzeichnet, während die anderen beiden dieser Wendung unerklärlich gelassen beiwohnen. Unstimmig ist auch die Filmarchitektur. Die geheimnisvolle Kamera im Fenster auf der anderen Seite ist problemlos zu erkennen und die zahlreichen intimen Handlungen im Wohnzimmer würde niemand vollziehen, der ein ähnliches Riesenfenster direkt zur gaffenden Welt hat.
Deutlich schwerer ins Gewicht fällt aber die Tatsache, dass sich Time Laps am Ende als ein nicht sonderlich geschickter Schwindel herausstellt. Fast alle Punkte, die anfangs noch offen und ungeklärt sind und damit die Neugierde befeuern, werden nicht befriedigend aufgelöst, sondern am Ende stattdessen einfach faul als Plotwerkzeug gebraucht, um die Geschichte schlüssig zum Ende zu bringen. Vermeintliche Kernmysterien verkommen damit zu einer langen Nase, die der Film dem Zuschauer dreht. Hier warten keine spannenden Antworten und Wendungen, sondern nur faules Gleitmittel für eine noch faulere Geschichte.
Nachträglich bekommt die kammerspielartige Sci-Fi-Story dadurch einen leicht faden Beigeschmack. Denn aus dem tollen Versprechen, eine gänzlich neue, quasi umgekehrte Idee für das Zeitreisefeld anzuwenden, sitzt man einer netten Flunkerei auf, die etwas interessanter klingt als sie es schlussendlich ist.

Fazit

Die letzten Zeilen klingen vernichtend „Flunkerei, die etwas interessanter klingt als sie es schlussendlich ist“. Der Punkt ist, dass die Idee hinter Time Lapse ziemlich verheißungsvoll ist. Dass im Schlusspart verstärkt offenbart wird, dass Bradley D. Kings Film ein paar Krücken zu viel braucht, um aus dem selbstgegrabenen Loch wieder herauszukommen, ist sehr schade. Umgekehrt macht es den Film aber auch nicht schlecht oder langweilig. Das Gefühl des Unangenehmen ist sorgt für eine intensive Seherfahrung, das Design der „Zeitreisemaschine“ für Atmosphäre und die interessante Prämisse funktioniert auch mit großen Abzügen immer noch gut genug, um die in den Film gesteckte Zeit keinesfalls als vergeudet bewerten zu müssen.

Tusk

Kevin Smith, der in jüngsten Jahren mit Komödien wie Clerks, Mallrats, Chasing Army und Dogma Weltruhm und Nerdliebe erlangte, lässt lässt seiner New-Jersey-Saga nun eine True-North-Trilogy folgen. Den Anfang macht ausgerechnet ein Horrorfilm, der auf den Spuren Hostels wandelt und sich mit einem wahnsinnigem Wissenschaftler schmückt.

I don’t wanna die in Canada!

Story

Wallace ist die Definition eines unausstehlichen Kerls, der sich schlecht kleidet, schlecht redet, schlecht ist. Ein Waschechter Unsympathant, der aus dem Leid anderer sein emotionales Kapital schlägt, indem er sich gemeinsam mit Kumpel Teddy er einen erfolgreichen Internetpodcast Pechvögel an den Pranger stellt.
Als er in Kanada eine von ihn zur Witzfigur gemachten Person live interviewen will, stellt er fest, dass diese sich aus Scham zwischenzeitlich das Leben genommen hat. Reue empfindet Wallace aber vornehmlich aufgrund der umsonst angetretenen Reise, weshalb er sich spontan auf die Suche nach anderem macht, über das sich berichten lassen könnte. An der Pinnwand einer Bar entdeckt er die Ausschreibung eines Herren, der alleine in seinem Anwesen altert, sich als Weltenbummler ausweist und damit lockt, zahlreiche Geschichten zu kennen.
Wallace wittert eine Quelle neuer Lächerlichkeit und macht sich auf dem Weg. Was ihn erwartet ist ein manierliches Herrenhaus, dessen Besitzer Howard Howe nicht nur zahlreiche Geschichten zum Besten geben kann, sondern als genialer, aber etwas wahnsinniger Wissenschaftler seine ganz eigenen Pläne mit dem Besucher hat.

Kritik

Anfangs ist das Aufeinandertreffen der beiden Ungleichen durchaus aufgeladen. Denn mit dem schleimigen Widerling Wallace und dem kultivierten, zuvorkommenden und zugleich ungezwungenen Howard in seinem vornehm Staub ansetzenden Herrenhaus kollidieren tatsächlich sehr effektiv zwei Welten; dass Wallace dem mehr oder weniger jungen Medium Podcast zuzurechnen ist, spielt eigentlich überhaupt keine Rolle. Der betagte Mann von Welt, welcher sich als sadistischer Psychopath herausstellt, wird wie zu erwarten bestens Michael Parks verkörpert, leidet aber an der generellen Dünnheit seines Charakters. Gleich wie irre seine Idee ist und wie herrlich unvorhersehbar sich die Landschaft seines Gesichts auch bewegen kann, wenn er sein Spiel mit Boshaftigkeiten treibt – sobald raus ist, dass sich hinter der interessanten Fassade nur eine flache Motivation steckt, verliert nicht nur er als Figur an Attraktivität, sondern der ganze Film.
Vielleicht ist genau dies das Konzept. Tusk ist strukturell zu 90% Horrorfilm: Der Protagonist landet in den Fängen des Bösen, muss Plagen erdulden und unterdessen suchen seine Mitmenschen ihn nach altbekanntem Muster. Sein Freund und Co-Podcaster Teddy wird gespielt von Haley Joel Osment, oscarnominiert für seine Rolle als tote Menschen sehendes Kind aus The Sixth Sense, mittlerweile etwas dicker, etwas älter und nicht mehr zu erkennen. Und nichts abliefernd, was eine weitere Nominierung rechtfertigen würde.
Dass als Auslöser der Masterplan eines irren Großväterchen dient, einen Menschen zum Walross zu transformieren, ist aber dermaßen skurril, dass man regelmäßig die für sich selbst überprüfen muss, ob man das, was man da sieht, als Witz versteht oder nicht. In erster Linie ist es grausam, widerwärtig und ehrlich gesagt auch ein bisschen langweilig – aber es geht verdammt noch mal darum, dass jemand alles daran setzt, einen Menschen in die seiner Meinung nach edelsten Kreatur auf Gottes Erde zu verwandeln: In ein Walross (nur um es noch mal zu sagen). Artikulierten Witz gibt es auf dieser Seite des Flusses aber keinen zu sehen, allein die implizite Übertreibung der Situation hat humoristische Züge.
Während die Wortäußerungen des Podcaststars nicht kess, sondern jämmerlich wirken sollen, lässt sich der einzig wirklich komödiantische Aspekt in einigen Kurzauftritten von kauzigen, völlig überzeichneten Figuren finden, die den Protagonisten die Richtung weisen und „normale Kanadier“ repräsentieren sollen. Diese Ausreißer sind durchweg gelungen, den Höhepunkt aber stellt das ausgedehnte Stelldichein eines wirklich großen Stars als Kriminalbeamter dar, den man in diesem Film unter keinen Umständen vermutet hätte. Wo der genau das macht, womit er im vergangen Jahrzehnt berühmt geworden ist, wenn er sich in gestellter Trotteligkeit übt und damit mit selbstgefälligen Improvisationen des immer wieder gleichen Typus die Kamera für sich einnimmt.

Positiv zu vermerken ist, dass Tusk sich nicht in endlosen Operations- und Folterszenen ergeht, sondern diese höchstens andeutet und dafür größeren Wert auf finale Zustände legt. Bei diesen finalen Zuständen greift auch schon wieder das scheinbare Leitmotiv des Filmes, denn es ist unmöglich, sich zu entscheiden, ob die Schöpfung des nun mehr bemitleidenswert und grausam aussieht, oder ob der Film nicht doch durch ihre überzogene Darstellung gar nicht so ernst genommen werden will.

Fazit

Ein Hinweis auf die Dumpfheit der Ecke, in die sich das Horror-Genre verfahren hat? Ein psychologisches Experiment, was passiert, wenn die klassische Horrornervensäge noch unerträglicher als normalerweise schon ist?
Was auch immer die Antwort sein mag, ist gar nicht so wichtig, denn der Film als solcher ist aller Provokations- und Aufheiterungsversuche zum Trotz schlicht nicht gut. Die zwar bizarre, aber nach 5 Minuten doch sehr dünn wirkende Prämisse bleibt unerweitert und so bietet Tusk Stoff für einen passablen Kurzfilm, erschöpft sich in seiner abendfüllenden Form aber schnell.
Als außergewöhnlich in Erinnerung bleibt daher nur die seltene Tatsache, dass auch nach dem Abspann nicht abzuschätzen ist, wie ernst das gerade Gesehene sich selber nimmt. Und natürlich eine sehenswerte Show von altmeister Michael Parks als gruseliger Mann.
So erbärmlich, wie die Nutzerreviews auf IMDB – „I hate you Kevin Smith!“ – erwarten lassen, ist Tusk aber keinesfalls.

Die beiden geplanten anderen Teile der Trilogie sollen übrigens ein rasanter Abenteuerfilm namens Yoga Hosers und Moose Jaws… ein Film mit Haien und Elchen… werden. Auch hier sollen bereits eingeführte Figuren wiederholte Auftritte haben.

Jurassic World

Jurassic World führt unbeirrt die Charts an und wehrt auch Wochen nach seinem Kinostart selbst Neueinsteiger ab. Der Film, der 208,8 Millionen US.Dollar am Startwochenende einfuhr, will Michael Chrichtons und Steven Spielbergs Vision vom Familienblockbuster mit imposanten Echsen fort. Und das zum ersten Mal ohne eine Figur aus dem Cast des ersten Teils und mit einem nahezu unerfahrenen Regisseur: Colin Trevorrow.

They’re dinosaurs. ‚Wow‘ enough.

Story

22 Jahre sind seit der Katastrophe Islar Nublar vergangen und John Hammonds Erbe wurde weiterentwickelt. Aus Jurassic Park wurde Jurassic World, wo sich eine noch größere Artenvielfalt an Dinosauriern den aufgerissenen Augen gebannter Zuschauer präsentieren.
Als Parkleiterin Claire Dearing für ein paar Tage Besuch von ihren Neffen Zach und Gray erhält, fehlt es ihr an Zeit, sich um sie zu kümmern. Da eine vollkommen neue Züchtung, der Indominus Rex, alsbald den Zuschauer als neue Attraktion vorgeführt werden soll. Diese Laborschöpfung ist das Resultat davon, dass die Besucher nach immer größeren, ehrfurchtgebietenden Kreaturen lechzen.

Derweil sich Zach und Gray von ihrer Park-Nanny absetzen, hat der Velociraptor-Dompteur Owen Grady mit den Begehren des ehemaligen Soldaten Vic Hoskins zu kämpfen, welcher abgerichtet Saurier für das Militär einsetzen will.
Als der Indominus Rex mit ungeahnter List aus seinem Gehege ausbricht und eine Schneise der Verwüstung im Park hinterlässt, verstricken sich die Schicksale aller.

Kritik

22 Jahre ist es her, dass das Jurassic Park-Unterfangen im größten anzunehmenden Desaster endete. Folglich dürfte der neue Park höchstens 10 Jahre auf dem Buckel haben. Dass nicht auch nur mit einem Wort erwähnt wird, wieso man sich aller Vernunft zuwider dafür entschloss wieder ins Business der Kreidezeit-Vergnügung einzusteigen, ist schon fahrlässig genug. Es aber ernsthaft als gesetzt hinzunehmen, dass diese einmalige Wunderinsel, zu der sich offenkundig jeder Mensch den Eintritt leisten kann, niemanden mehr interessiert, weil man sich an den normalen Dinosauriern sattgesehen hätte, ist eine derart abstruse Behauptung, dass man vom Drehbuch von Jurassic World vernünftigerweise schon früh nichts mehr erwarten sollte. Und daran tut man gut.

Dabei könnte alles so gut werden. Traditionsgemäß steht anfangs eine Familie im Mittelpunkt, deren zwei Sprösslinge ins Wunderland geschickt werden sollen. Während der Jüngere sich als nervtötender Klugscheißer herausstellt, der wie ein Frettchen von einem Geräusch zum nächsten sprintet, ist der Ältere ein unausstehlicher Teenager, dessen Desinteresse wohl von keinem anderen Filmcharakter der Geschichte getoppt werden könnte. Gut, sympathische Kinderfiguren konnten die Jurassic Park-Filme noch nie. Doch gab es immer wenigstens einen Charakter, der sich als Sympathieträger anbot. In Jurassic World trifft das auf niemanden zu. Die Menschen sind so plump wie die Geschichte, allesamt eindimensional, teils unausstehlich und durchweg keinen Deut witzig, sondern aufgesetzt albern. Der klar als Held konstruierte, smarte Dinoversteher Vic macht da keine Ausnahme. Bedenkt man, wie charismatisch und cool Chris Pratt kürzlich noch in Guardians of Galaxy auftrat, ist das schon bemerkenswert. Weder der raffgierige Ex-Navy-Soldat noch die bis zum Filmende auf Stöckelschuhen umherlaufende Tante haben eine irgendwie reizvoll geratene Eigenschaft. Die Kinder, welche zu Beginn noch als Hauptfiguren vorgestellt werden, verlieren ab der ersten Hälfte stetig an Bedeutung, bis sie nur noch Beiwerk sind, das von den Erwachsenen von A nach B geschoben wird.

Das Konzept von Jurassic Park war ein so einfaches wie effektives. Eine Märchenwelt wird mit langen, idyllischen Einstellungen etabliert. Fantastische Tiere grasen friedlich auf sattgrünen Plateaus und streifen zufrieden dröhnend durch dichte, exotische Dschungel. Zwar spürte man auch damals – gewollt – in jedem Bild, dass man sich in einem Freizeitpark befand, dem Gefühl von Größe und imposanter Schönheit tat dies aber keinen Abbruch. Dass sich genau diese Schauplätze im weiteren Verlauf in bedrohliche Todesfallen verwandeln, in der der Mensch zur Beute wird, war das Rezept, das Steven Spielbergs Popkornfilm so gelungen werden ließ.
Jurassic World spart sich die Momente erhabener Wunder und inszeniert die Insel als durchkalkulierten Freizeitpark, in dem die Dinos in winzigen Gehegen als Attraktionen zur Schau gestellt werden – gleich einem Zoo. Jurassic World ist im Film damit auch deutlich weniger „World“ als der Park es gewesen ist. Wenn der Indominus Rex schließlich seinen Amoklauf beginnt, ist die Fallhöhe keine allzu große. Nicht wird aus schön plötzlich tödlich, sondern wir sehen dabei zu, wie eine von vornherein als unangenehm inszenierte kapitalistische Maschinerie durchgeschüttelt wird. Diese Botschaft hatte der Ur-Film natürlich auch, doch wusste er sie trotz Spielberg-Regie unaufdringlicher zu vermitteln.

Und dann wären da die Logikfehler. Jurassic World wirkt an so vielen Stellen lieblos erdacht und kurzsichtig geschrieben, dass man sich einfach nur wundern kann, wie gerade dieser Film es schafft, so beispiellos erfolgreich zu werden. Mehrmals etabliert der Film Regeln, nach denen er nun funktionieren wird, und bricht sie zwei Szenen weiter völlig rücksichtslos – ungeachtet der Tatsache, dass die Geschichte dadurch nicht mehr funktioniert. Es gibt Bestandteile des Parks, die auf den zweiten Blick überhaupt keinen Sinn machen, Wendungen, die jeder Figurenlogik widersprechen, und Geschichten, die angefangen, aber einfach nicht weitererzählt werden. Und dann wäre da noch der superschlaue, allen überlegene, durch und durch bösartige Indominus Rex, mit dem der Film dem Zuschauer exakt dasselbe unterstellt wie den Besuchern des Parks: Die normalen Dinos genügen nicht mehr, wir brauchen etwas Neues, das größer ist, lauter brüllt und mehr Zähne hat, um die Leute zu überzeugen. Doch geht genau diesem Monstrum die Faszination ab, die die tatsächlichen, jedem seit der Kindheit bekannten Tieren anhaftet.
Begleitet wird all das von einem Klangteppich aus zügellosen Fanfaren, die unentwegt pompös vor sich hin tröten. Michael Giacchino bemühte sich hörbar darum, dem alten Jurassic Park-Thema von John Williams Tribut zu zollen, hat aber nie das richtige Feingespür, das für den treffsicheren Einsatz vonnöten ist.

Ein paar nette Erweiterungen wurden der Grundidee hinzugefügt, doch kommen auf jede davon drei weitere Ideen, die so wenig durchdacht sind, dass sie Ärger evozieren. Der große Erfolg lässt sich, naheliegender Weise, damit erklären, dass Dinos nun mal Dinos sind und es einfach Spaß macht, die faszinierenden Riesen auf der Leinwand zu sehen. Dass mit großem Budget und neuester Technik gerade auf die Echsen Wert gelegt wird, war zu erwarten, und diese Erwartung wird enttäuscht. Tatsächlich ist die Screentime der Dinos enttäuschend gering, während die uncharismatischen Figuren unentwegt vor der Kamera hin- und herlaufen. Sich nicht zu sehr in Special-Effects zu verlieren, ist grundsätzlich sicherlich eine gute Sache, doch verliert der Film damit auch ein Alleinstellungsmerkmal, das in Vergessene Welt: Jurassic Park und Jurassic Park III dafür sorgte, dass die Filme trotz makelbehafteten Drehbüchern Freude bereiteten.

Eine Sache wurde allerdings doch erfolgreich vom Original abgeschöpft. Trevorrow bemüht sich, die Actionsequenzen mehr sein zu lassen als einzelne Erschreck-Momente, die kurz aus dem Gebüsch zappeln und versucht, die meisten Bedrohungssituationen in mehreren Phasen darzustellen, die – mehr oder weniger logisch – auseinander hervorgehen, sodass ein Aktionsfluss entsteht, dessen Dynamik durchaus überzeugen kann. Doch gibt es auch von diesen Momenten viel zu wenige. Darüber hinaus hat der gesamt Film, wie schon die Trailer befürchten ließen, einen merkwürdig künstlichen Look mit einer Farbgebung, die zugleich übersättigt und matt wirkt. So wirken auch die Urzeittiere wenig beeindruckend, sondern immer ein wenig falsch und künstlich. Wie der ganze Film.
Beendet wird das Ganze dann mit einem Cliffhanger, der billiger kaum sein könnte.
Einzig der finale Kampf, so blöde er auch sein mag, weiß zu überzeugen, bietet er doch exakt das Spektakel zwischen zwei Giganten, das Jurassic Park III mit seinem Duell zwischen T-Rex und Spinosaurus versprochen und niemals eingelöst hat.

Fazit

Auch wenn der immense Erfolg an den Kinokassen etwas anderes sagt: Jurassic World macht keinen Spaß. Zu viele, zu unsympathische Figuren, zu wenige Dinos, ein miserables Drehbuch voller Löcher ergeben einen Film, der ebenso wenig spannend wie ernst zu nehmen ist. Man könnte noch milde sagen, dass Michael Crichtons Ausgangsidee nun eben nicht mehr für einen Familien-, sondern für einen Kinderfilm verwendet wurde. Dagegen spricht wiederum, dass Jurassic World sehr viele Tiere und Menschen über die Klinge springen lässt.