Der Höllentrip

Ken Russel. Vertreter radikaler Subjektivitgät, Schöpfer unsterblicher Filme wie Die Teufel und Tommy , verwirrten Irrlichtern wie Der Biss der Schlangenfrau, späterer Undergroundfilme ohne alle Mittel und eben Filmen wie diesem hier: Altered States bzw. im Deutschen ungleich plumper Der Höllentrip – mal gefeiert, mal verpönt, mal weitestgehend vergessen. Ken Russel.


I feel like I’m being harpooned by some raging monk in the act of receiving god.

Story

Eddie Jessup ist ein Vollblutwissenschaftler, der mit wenig beachteten und verpönten Methoden versucht, die menschliche Wahrnehmung und das Erinnerungsvermögen über natürliche Grenzen hinaus auszuweiten. Seine These lautet, dass in jedem Gehirn auch die Erinnerungen aller vorherigen Evolutionsstufen vorhanden und theoretisch abrufbar sind.
Er trennt sich von seiner Frau Blair und experimentiert mit einer von mexikanischen Eingeborenen aus Pilzen gebrauten Substanz, welche direkt das Gehirn beeinflusst und Eddie nicht nur unvergleichliche Visionen beschert, sondern auch körperliche Wandlungen zu bedingen scheint.

Kritik

Altered States beginnt mit dem Zuschauerblick auf ein Bullauge. Dahinter befindet sich, durch das Glas leicht verzerrt, umschlossen von Wasser ein Mann, der seinerseits durch das Glasfenster zurückschaut. Die Kamera fährt langsam zurück und nach und nach erkennen wir, die Zuschauer, dass wir nur auf einen winzigen, tonnengleichen Tank geblickt haben – scheinbar gar nicht ausreichend groß, um einen ausgewachsenen Männerkörper zu beherbergen. Der Weg des Filmblicks wird nach hinten fortgesetzt, hindurch durch eine Scheibe, vor der ein Mann sitzt, der wiederum selbst durch diese Scheibe in das dahinter liegende Bullauge blickt. Wie häufig in Filmen inszeniert auch Altered States sich als Film – als Guckkasten, der einen Blick erlaubt auf eine hermetisch abgeriegelte, eigenlogische Welt. In diesem Fall ist dies besonders interessant, denn es handelt sich schließlich um eine Geschichte, deren Erzählinstanz eine interne Fokalisierung zu haben scheint. Wir sehen die Visionen, die sich im Kopf eines Mannes abspielen, als scheinbar diegetische Realität. Es passt, dass der Tank, in dem Eddie erstmals gezeigt wird, ein Isolationstank ist. Wir sind in seinem Kopf, er ist in einem Tank, dieser ist in einem verschlossenen Raum. Und darüber hinaus ist auch der „Zuschauer“ in seinem ganz eigenen abgeriegelten Zimmer.
Die geschilderte Eingangssequenz ist kein Einzelfall – immer wieder positioniert sich die Kamera vor Menschen, die ihrerseits in voyeuristischer Position sind, vor Fensterfronten, einseitig transparenten Spiegelwänden, in offenen Türen, hinter Gefängnisgittern oder vor Monitoren. Die Thematisierung des Blicks in Ken Russels Science-Fiction-Drama ist einer der fruchtbarsten Ausgangspunkte für eine ergiebige Sichtung des Filmes.
Und das gilt nicht nur für das rein visuelle Beobachten, sondern auch die akustische Teilhabe an fremdem Wahrnehmungsräumen.
Und dann gibt es auch noch Szenen, in denen diese Motive aufgegriffen und verändert und gebrochen werden. Altered States ist ein motivisch reicher Film über Beobachtung und ganz besonders über die Faszination und den Rausch der Selbstbeobachtung. Und damit eine Liebeserklärung an die unerforschbare Komplexität des Menschlichen.

Der von William Hurt in seiner ersten Filmrolle dargestellte Protagonist ist ein von der Arbeit besessener, von einer Art verkleidetem religiösem Wahn angetriebener Soziopath mit der Passion eines Pioniers, der ausnahmsweise nicht in-, sondern eher extrovertiert ist und tatsächlich mit einer tiefen Überzeugung infiziert ist, die er so flamboyant vorträgt, dass sie fast schon ansteckend wirkt. Dass die Hauptfigur stets droht, von ihrer Leidenschaft versengt zu werden, dabei aber immer glaubwürdig und sympathisch bleibt, ist eine weitere große Leistung des Filmes,
der auf der Tonseite ein Horrorfilm ist und in seinen halluzinatorischen Exkursen an die intensiven Passagen der frühen Alejandro-Jodorowsky-Filme erinnert, die ja thematisch gar nicht so weit entfernt von Atered States angesiedelt sind.

Wie inspiriert Regisseur Russel gewesen sein mag, lässt sich aus den euphorischen und pointierten Dialogen herauslesen. Aber wohl auch an der Tatsache, dass sich der Autor der Romanvorlage ausdrücklich vor deren Filmversion distanzierte.
Und bei genauerer Betrachtung haben Ken-Russel-Filme sowieso immer schon etwas visionenhaftes in sich. Dieser aber hat eine Sonderstellung inne – so gut wie sein Schreckensportrait Die Teufel ist Altered States natürlich nicht, seine etwas ins Schlingern geratene Karriere wurde durch den Film aber wieder in die Spur gesetzt.

So beeindruckend das Miterzählte und indirekt Erzählte ist, so ordinär fällt aber doch die tatsächliche histoire, die tatsächliche, an der Oberfläche sich abspielende Geschichte aus – gerade im letzten Drittel.
Und bei all den Beobachtungsgeräten auf so vielen Ebenen ist es faul und besonders auffällig, dass man auf ein „neutrales Auge“ wie eine dokumentierende Überwachungskamera an Orten verzichtet, wo sie unverzichtbar wäre. Auch wenn man es sich hinsichtlich der Thematik des Filmes aber auch schönreden kann, dass fast schon zwingend folgerichtig ist, dass es sie nicht gibt.
Wenn wir schon beim Herummäkeln an der Narration sind: Der ganze Storyast mit der Heirat mit Emily, der enormen Unausgeglichenheit der Beziehung, der Trennung und dem Wiedertreffen wirkt unnötig zerfasert und scheint einzig dafür da zu sein, dem Film eine klarere nach außen erkennbare Struktur zu verleihen. Und dann ist da auch noch dieses abrupte, nur mit viel Nachsicht aufgehende Ende, ohne dass der Film paradoxerweise weniger unvollständig wirken würde.
Über die Sogwirkung, die Altered States entwickelt und mit der er einen nahezu in seine unangenehme Welt hineinreißt, haben diese kleineren Unstimmigkeiten aber keine schädigende Wirkung. Die Welt mit ihren irgendwie unheilvollen Farben, mit ihrer lockenden Musik, die ebenso wie der Ton eine Oscarnominierung erhielt, und der ruckhaft vonstatten gehenden Entwicklung ist nämlich mindestens einen Abstecher wert.

Fazit

Ken Russels Altered States ist ein epiphanischer Kurzausflug, dessen surreale Ausläufe sich mit unangenehmer Beharrlichkeit um den Zuschauer schlingen. Letzterer ist zugleich selbst Teil der Abhandlung, als die man den Film begreifen kann. Dass Altered States noch besser sein könnte, ist natürlich eine Kritik, die fast immer anzubringen ist – und die trotzdem ausgesprochen sein will, denn so ganz ohne Fehler ist der Film keinesfalls.

Lost in Space

Ein Jahr vor den Serien Raumpatrouille Orion, The New Adventures of Superman und Star Trek, ganz kurz nach dem Start von Outer Limits, Mein Onkel vom Mars und Doctor Who. Inmitten dieser goldenen Zeit serieller SF kam die Science-Fiction-Serie Lost in Space bzw. Verschollen zwischen fremden Welten in die heimischen Wohnzimmer. Die Geschichte basierte ihrerseits auf einer Comicheft-Reihe und einem Kinderbuch, um in drei Staffeln nicht nur indirekt, sondern ganz geradeheraus eine klassische Familiengeschichte erzählen. Im Weltraum. Versteht sich.
Mehr als 30 Jahre später fand eine Auferstehung der Geschichte um Familie Robinson statt.

Never love anything, kiddo, you will just end up losing it.

Story

Oberflächlich hat die Erdbevölkerung ihre Konflikte beigelegt und in gemeinsamer Arbeit die bemannte Raumfahrt revolutioniert. Inoffiziell aber steht der Blaue Planet kurz vor dem Tode, es herrscht Krieg gegen eine dubiose Untergrundbewegung und die Notwendigkeit, so schnell wie möglich einen neuen Planeten mit irdischen Zuständen aufzuspüren, ist dringender denn je.
Professor John Robinson ist die Speerspitze der dahingehenden Forschung und soll gemeinsam mit seiner Familie als erster Mensch durch ein Hypergate geschickt werden, um den Planeten Alpha Prime zur Kolonisierung vorzubereiten. Die pubertierende Tochter verfällt in offensives Schmollen, der so vernachlässigte wie hochbegabte Sohnemann hat im Kampf um die Aufmerksamkeit seines Vaters längst kapituliert und Ehefrau und Mitforscherin Maureen versucht erfolglos die Wogen zu glätten.
Das Schiff startet ohne Komplikationen seine Schnellreise und die zerstrittene Familie Robinson liegt gemeinsam mit dem Maulhelden Major West und ihren Konflikten im Kälteschlaf. Doch nicht alles verläuft nach Plan: Saboteur Dr. Smith befindet sich an Bord, so ziemlich alles geht schief und plötzlich befinden sich die Reisenden gemeinsam mit dem Übeltäter fernab von Ziel- und Ursprungsort in den weiten des unbekannten Raumes.

Kritik

Regiesseur Stephen Hopkins und Autor Akiva Goldsman haben sich einer Aufgabe angenommen, die auf den ersten Blick zwar wenig spektakulär wirkt, in Wahrheit aber eine sehr komplizierte ist.
Wie so manche Serien der 60er lebte Lost in Space von dem Geist dieser Zeit. Noch vor der ersten Mondlandung wird eine Familie in Falten werfenden, kunterbunten Anzügen durch eine kindliche Vorstellung vom Weltall geschickt, um schrille Abenteuer zu erleben und nebenbei zu lernen, (wieder) miteinander auszukommen sowie natürlich allerhand Abenteuer durch die Kombination ihrer jeweiligen Stärken zu bestreiten. Besonders die erste Staffel ist eine nach wie vor sehenswerte Abenteuerfahrt, deren Charme sich ob der vergilbten Effektlandschaft zwar ein wenig verschoben hat, aber ohne Frage vorhanden ist.

Autor Akiva Goldsman hat häufig bewiesen, dass er a) ein Saboteur ist, der Hollywood mit seinen Filmen zu stürzen gedenkt, und b) einen Ghostwriter für den sich qualitativ von seiner restlichen Arbeit verdächtig stark abhebenden A beautiful Mind angeheuert und anschließend getötet haben muss. Batman Forever, Batman & Robin (immerhin zusammen der Grund, weshalb das Filmfranchise bis Christoper Nolan tot war) und I, Robot sind beispielhafte Bürgen dieser Thesen.
Lost in Space kann in dieser Hinsicht als sein Opus magnum bezeichnet werden. Und dann auch wieder nicht.

Aus der ikonischen Familie Robinson wurden ständig brabbelnde Figuren, die aber nie irgendwas irgendwie Wichtiges oder Berührendes, geschweige denn sinnvolles mitzuteilen haben. Es sind überwiegend schreckliche Dialoge, die auf zum Schreien schreckliche Weise dem Zuschauer mitteilen sollen, was der Stand der Dinge ist, dabei aber beinahe für Kopfschmerzen sorgt. Die unentwegte Produktion leerer Sätze unterstreicht ihr unsinniges Agieren und die ebenso unsinnigen Motivationen hinter den Taten. Die offenkundigsten Sachverhalte sind ihnen Rätsel, Begegnungen mit dem Tod, Außerirdischen oder anderen fantastischen Begebenheiten ringen ihnen nicht einmal ein müdes Lächeln ab.
Die Hauptfiguren sind seltsam laut, überzeichnet und scheinen im großen und ganzen direkt aus den 80ern zu kommen. Und damit sind sie in guter Begleitung
Denn auch der Humor der müden Sprüche scheint diesem Jahrzehnt ebenso entnommen zu sein wie die Mode.
Dazu bekleidet mit Matt LeBlanc ein bekanntes Gesicht aus Friends eine Hauptrolle und darf unerbittlich neben William Hurt verblassen, der quasi alle guten Eigenschaften des Filmes auf sein Konto nehmen kann.
Es ist also schon seltsam, was da für ein Brei kreiert wurde: Ein Film kurz vor der Jahrtausendwende erzählt eine Geschichte aus den 50ern über das Jahr 2058 in dem Stil der 80er, während er sich auf die Starpower der 90er verlässt.
Diese sonderbare Form der Entscheidungsschwierigkeit zeichnet sich auch an anderen Stellen ab. So kann sich der Film anfangs nicht entscheiden, ob er zu geringen oder hohem Maße Comic sein will und weist daher immer wieder Inkonsistenzen in seinem Tonfall auf. Dies lässt sich vor allem an Garry Oldmans Bösewicht aufzeigen – ein halb hysterisch brüllender Übeltäter ohne Motivation. Die ihn begleitende Musik – und Musik begleitet ihn quasi bei jeder seiner Szene – ist entweder diabolisch, quatschig oder irritierend unpassend, weil sie im letzten Fall versucht, John Williams Star-Wars-Soundtrack zu kopieren, und sich in allen andere nicht entscheiden kann.
Zurückzuführen ist diese wilde Unentschlossenheit wohl darauf, dass man versuchte, die ganze Serie in 2 Stunden Film zu pfropfen und dabei möglichst allem gerecht werden wollte. Das Ergebnis ist die Summe von nahezu sämtlichen Sci-Fi-Klischees und denkbar ungeschickter Ausführung: Ein vor sich hin plappernder Roboter, außerirdische Insektenstahlmonster, eine Weltraumodyssee, Kämpfe gegen Gegner aus der eigenen Reihe, Zeitreiseverirrungen und Cartoonfiguren. Und diese Summe ist krumm. Auf der Strecke bleibt dabei jede Art von Logik – bis hin zu der Tatsache, dass nie ganz klar ist, was Garry Oldmans Bösewicht eigentlich vorhat und wie es nach dem Ende weitergehen soll.

Immerhin: Bis zu diesem Ende wird versucht, dieses Durcheinander aufrechtzuerhalten, weshalb der Film von Minute zu Minute absurder und alberner wird. Durch diese mitnichten souveräne, auf seine unlogische Weise aber zumindest konsequent scheiternde wie unausgegorene Kombination von allerhand Bekanntem schafft es Lost in Space dann irgendwie doch noch, alles andere als Durchschnitt zu sein. Auf eine Weise, bei der man sich schon mal die Augen reibend fragen kann, in welcher Form die Pferde denn da mit dem Drehbuchautor durchgegangen sein müssen. So sehr, dass er fast als ein kleines Guilty Pleasure durchgehen könnte. Fast.
Denn irgendwann ist klar: Lost in Space will und kann nicht anders wahrgenommen werden als eine Art filmischer Jahrmarkt. Die Geschichte spaziert bei leichtem Nieselregen von einer konstruierten Attraktion zur nächsten, steigt unbeeindruckt in zuckelnde Miniaturfeuerwehrautos, wartet ab und wechselt dann zum nächsten Fahrgeschäft. Die Effekte die Zuckerwatte, der Humor die Erinnerung daran, dass diese Art der Vergnügung sich an Kinder richtet.
Trotzdem sind sie nicht alleine, sondern mit der Familie da. Und so schließt sich der Kreis, denn bei all der Ansammlung von SF-Klischees bemüht sich der Film immerhin um das eine Alleinstellungsmerkmal, auch eine durch und durch klassische Familiengeschichte zu beherbergen. Dass das Familienelement nicht funktioniert sei dahingestellt, über solche Qualitätsansprüche sind wir sowieso schon hinweg.

Fazit

Wäre Lost in Space eine Suppe, dann wäre ihr Koch ein ahnungsloser Schuster, der alle Zutaten, die er findet, hineinkippt und zum Ausgleich sämtliche Gewürze vergisst. Das Ergebnis wurde durch die ganzen Farben braun, weil sich die meisten Zutaten nicht miteinander vertragen und in seinem Geschmack auf eine ungeheuerliche Weise interessant. Lost in Space ist aber keine Suppe. Die Geschichte ist ein konfuses Durcheinander, der Film sich seiner angestrebten Zielgruppe wohl lange Zeit nicht sicher und jede Form von Gespräch ist, gelinde gesagt, kein Gewinn. Dass sich Lost in Space in seiner naiven Comicwelt um so etwas wie Logik und Charakterentwicklung überhaupt nicht schert, sondern ganz einfach seinen kunterbunten Quatsch abzieht, hat aber eine Art von exzentrische Reiz, der in seiner seltsamen Form verlockend wirkt.

The First Avenger: Civil War

Captain America schwingt zum dritten Mal seinen Schild auf einem Solo-Abenteuer. Nur dass dieses eigentlich gar keines ist, sondern sich The First Avenger: Civil War genaugenommen wie ein etwas kleineres Abenteuer der Avengers gebärdet.
Aber handelt es sich bei dem zweiten Marvel-Film (und dritten Film überhaupt) der Brüder Anthony Russo und Joe Russo wirklich um den besten Film des Marvel Cinematic Universe, wie vielerorts beschworen wird?

Sometimes I wanna punch you in your perfect teeth.

Story

Bei einem Avenger-Einsatz in Lagos gegen den Söldner Crossbone kommt es zu Kollateralschäden, wieder einmal. Angesichts der Todesopfer, die die Einsätze der Heldentruppe bisher gefordert haben, fordern die Vereinten Nationen mit der Unterzeichnung des Sokovia Accords, dass die Avengers nicht mehr länger als Privatorganisation operieren dürfen, sondern nur noch auf Geheiß der UN aktiviert werden dürfen.
Während Tony Stark mit dieser Meinung konform geht, sieht Steve Rogers die Unabhängigkeit der Avengers gefährdet und stimmt gegen die Anordnung. Die Einheit der Helden ist gespalten. Black Widow und War Machine stehen Iron Man bei und auch der geheimnisvolle Black Panther ergänzt ihre Reihen, weil der Winter Soldier den Vater des Prinzen des afrikanischen Staates Wakanda getötet hat. Der Winter Soldier selbst stärkt zusammen mit Falcon, Hawkey, Scarlet Witch und Ant-Man den Rücken von Captain America.
Unterdessen scheint ein Unbekannter im Hintergrund seinen ganz eigenen Plan auszuhecken.

Kritik

Bereits im unerwartet tollen The Return of the First Avenger konnte man nicht anders, als zu konstatieren, dass die Russo-Brüder ganz ohne Zweifel eine Art Magierteam sein müssen. Wie sonst kann man aus dem Nichts kommen und mal eben das ganze, um sich selbst kreisende Superhelden-Szenario in ein völlig neues Genre, den Agentenfilm, versetzen und dabei auch noch brillieren?
Auch in The First Avenger: Civil War beweisen die Regisseure, dass sie das Salz liefern können, das dem Marvel-Universum so langsam auzugehen drohte.
So leistet der Film sinnvolle Reflexionen und gelangt mit ihnen auch zu klugen und notwendigen Schlüssen, die unabdingbar sind, damit das Heldenuniversum auch weiterhin auf Dauer als Erwachsenenunterhaltung ernst genommen werden kann. So gut die Sache in der Regel auch sein mag, für die derartige Übermenschen eintreten, ihre Gegenreaktion auf das Handeln eines wie auch immer gearteten Antagonisten muss so nachdrücklich ausfallen wie dessen aggressive Initiativhandlung. Im Umkehrschluss muss auch das Kontern der Helden Opfer fordern. Die in den bisherigen Filmen eingestürzten Stadtteile, die fehlgeleiteten Raketen, Hulk-Fäuste und Mjölnirflüge töteten Unbeteiligte. In gewisser Weise verändert dieses Eingeständnis nicht nur die Helden und ihr Selbstbild, sondern auch die Filme und das Bild, das der Zuschauer von ihnen haben wird und sollte. Der Film ist außerdem auch mutig genug, den wunderlichen Fakt zur Sprache zu bringen, dass böse Übermächte nicht viel früher oder viel später, sondern quasi stets zeitgleich mit den Geburten der Protagonisten den Schauplatz der Erde betraten. Die Erklärungsnot, in der so gut wie jede Heroenreise gerät, zu benennen, zeugt von Selbstbewusstsein, auch wenn das Drehbuch sie natürlich nicht ausschalten kann. Das alles klappt deshalb so gut, weil die Schreiberfähigkeiten von Autor Christoph Markus mit jedem Film zu wachsen scheinen. The First Avenger: Civil War ist ein für sein Genre stark dialoglastiger Streifen, der in dieser Position aber zu keinem Zeitpunkt spröde oder unbeholfen wirkt. Man traut sich nicht nur, den Film Film politisch und gesprächig zu machen, man kann es auch.

Wo es dann hingegen schwächelt, das ist die eigene Prämisse. Dass Tony Stark zum kontrollbesessenen Egomanen mutiert, ist auf dem Papier wenig überraschend, genaugenommen eigentlich nicht einmal eine wirkliche Entwicklung. In der Praxis funktioniert dies aber nicht ganz so gut und selbstverständlich, denn seine Gründe sind fadenscheinig und noch viel fadenscheiniger erklärt. Dass er und sein Team sich nun gegen die andere Hälfte des Kämpferensembles stellen, führt dazu, dass die ganze Avengers-Truppe sich aufführt wie eine verzankte Horde dickköpfiger Kinder. Auch die zentrale Schlacht am Leipziger Flughafen wirkt, kleinlich ausgedrückt, wie eine aufgeplusterte Schulhofschlägerei. Eigentlich sind sie ja alle Freunde, eigentlich meinen sie es gar nicht so. Dass man sich dann und wann trotzdem Hangarteile an den Kopf schleudert oder eine Boing auf den besten Freund stürzen lässt, wirkt in der Rückichts- und Gedankenlosigkeit so unbegründet und albern, dass es der gesamten Marvelmannschaft prospektiv Zurechnungsfähigkeit, Charakterstärke und Konsistenz abspricht. Und das ist insbesondere deshalb eine bedauernswerte Fehlentwicklung, weil die Figuren ja gerade aufgrund ihrer charakterlichen Stärke so attraktiv sind.
Verstärkt tritt dies dann im Finale hervor, wo Iron Man und Captain America wie die Tiere aufeinander losgehen, obwohl sie nicht nur eigentlich keinerlei zulässige Gründe dafür haben, sondern vor allem auch genau wissen, dass dies von ihrem eigentlichen Feind geplant wurde und sie damit zu seinen Erfüllungsgehilfen werden. Spätestens hier muss man dem Drehbuch, das im Kleinen so ambitioniert daherkommt, eine schmerzhafte Nachlässigkeit attestieren, die mit etwas mehr Feinarbeit zumindest entschieden verringert hätte werden können.
Das Falcon immer noch aussieht wie jemand, der sich zu Fasching als Blade verkleidet fällt angesichts dessen ebenso wenig ins Gewicht wie Kuriositäten wie tickende Handgranaten.

Eine andere große Wende, die mit dem Film vorgenommen wird, ist die Eingliederung von Ant-Man und Spiderman in das stetig anwachsende Team. Mit diesen beiden wird die Welt mit einem Schlag deutlich klamaukiger, was aller Wahrscheinlichkeit viel am zukünftigen Grundton der Filmereihe ändern wird. Ob das gut oder schlecht ist, wird die Zukunft zeigen. (Die Wahrscheinlichkeit, dass die Erdenhelden mit dem chaotischen Trupp der Guardians of the Galaxy harmoniert, steigt dadurch natürlich deutlich)
Die Action ist im Prinzip gelungen, da sich stets und erfolgreich um Kreativität und abwechselnde Schauwerte bemüht wird. Nur leider ist so gut wie jede Auseinandersetzung ein wenig zu hastig geschnitten und ein wenig zu nah am Geschehen gefilmt. Die Übersicht geht hierbei nicht verloren, doch vermisst man inszenatorische Ruhe, um das, was da geschiecht, und was im Grunde genommen toll ist, auch wirklich wahrnehmen zu können.

Story

The First Avenger: Civil War ist ein guter Film, der große Dinge in Bewegung setzt und die immer größer werdende Herausforderung meistert, (fast) alle Charaktere des Avenger-Universums zu vereinen, ohne dass der Film zerfällt, aus allen Nähten platzt oder Figuren untergehen. Auch dank der gut geschriebenen und inszenierten Dialoge funktioniert dies.
Dafür krankt das Universum erstmals deutlich an seinen Figuren, die von der Geschichte gezwungen werden, ungewohnt ignorant, kurzsichtig und nur allzu oft auch sehr dumm zu handeln. Das Drehbuch schafft es nicht, die notwendigen Schritte zu machen, solche Handlungsextreme hinreichend zu plausibilisieren, weshalb nach den zweieinhalb Stunden guter Unterhaltung trotzdem ein Nachgeschmack des Bedauerns bleibt.