Lifepod

Ron Silver ist einer dieser Regisseure, die insgesamt deutlich mehr, aber auch deutlich weniger hochwertige Filme gemacht haben, als man annehmen würde.
Die Terrorkapsel – der deutsche Titel soll nach dieser pflichtbewussten ersten Nennung nie wieder erwähnt und durch den beinahe schon antonymischen Oritinalnamen Lifepod ersetzt sein – ist ein loses Remake von Alfred Hitchcocks Lifeboat.

I believe the term is ‚explicit‘, Director.

Story

Es ist Heiligabend des Jahres 2168 an Bord eines großen Raumschiffes, als plötzlich eine mysteriöse Fehlfunktion zu dessen Explosion und dem Ableben unzähliger Passagiere führt – nur 8 von ihnen konnten in letzter Sekunde in einer Rettungskapsel entwischen und treiben nun, auf Rettung hoffend und den gegenseitigen Verdächtigungen und Anfeindungen ausgesetzt, durch den lebensfeindlichen Raum. Nach und nach wir die Stimmung toxischer, Luft und Rationen werden knapper und die Aussichten auf Rettung geringer. Und ein roboterarmiger kleinwüchsiger Cheftechniker sowie die von allen anderen abgeschottete Pilotin haben es zunehmend schwerer, die explosive Gruppe unter Kontrolle zu halten und Hoffnung zu vermitteln.

Kritik

Die Konzeption lässt wenig erwarten – Anfang der 90er, ein SF-Film mit TV-Budget und einer Prämisse, die allem voran uninspirierte Stangenware anzukündigen scheint. Doch Lifepod vermag zu überraschen, liefert er doch mehr und besser als man anfangs zu hoffen wagt.
Nach einem etwas holprig-zähem Einstieg beginnt ein Kammerspiel, das sich inszenatorisch wie inhaltlich nie vom B-Bereich lösen kann, im Rahmen seiner Möglichkeiten aber eine kohärente Stimmung der Bedrohung und des Verlorenseins heraufbeschwört und im Laufe der Handlung konstant anzuziehen weiß. Die Figuren gewinnen die Art von Profil, die man im Fernsehen der 90er schätzen gelernt hat – das Profil einer Welt, die ganz anders, meist schlicht, in ihrer Eigenlogik aber auch auf naiv-schöne Weise funktional und letztlich mitnehmend ist. Nach und nach öffnen sich die einzelnen Charaktere, offenbaren weitaus interessantere Fähigkeiten als zu erwarten war und erfreuen mit einer Dynamik, die zum unheilschwangeren Setting bestens passt.
Dabei wird Lifepod besser und interessanter, je weiter er sich vom Originalstoff entfernt, den Weltraum mehr als nur ein schwarzes Meer mit weißen Punkten sein lässt und Einblicke in eine dystopische, aber auch angedeutet-fantasievolle Zukunft gewährt.
Schön ist zudem, hier Schauspielschwergewichte wie Stan Shaw (Scarface, Independence Day, Lost Highway), vor allem aber C. C. H. Pounder (Avatar, Face/Off, RoboCop 3) als abgekapselte Pilotin anzutreffen. Auch ist es interessant, die – überwiegend visuellen – Metaphern, auszumachen, weil sich so tatsächlich weitreichende Vorausdeutungen hervortun, die dem Film um eine weitere Facette ergänzen, wenn auch Ron Silver hier am Anfang mit der doppelten Geburt am Weihnachtstag doch eine Spur zu dick aufträgt.
Mit seinen knapp 89 Minuten ist der Film nicht wirklich zu lang, eine Straffung runter auf 80 hätte ihm aber sicher gut getan, denn einige der finalen Konflikte bereichern nur die Laufzeit, während das eigentliche Finale überhastet und holprig hereinbricht und dann auch schon wieder vorbei ist.

Fazit

Auch wenn vieles unbestritten käsig ist, kann Lifepod über weite Strecken unterhalten und in den richtigen Abständen neue Konflikte und Offenbarungen liefern.  Das Ganze geschieht zwar routiniert und auf TV-Niveau, aber eben auch mit unbestreitbarem Charme.

Alien: Covenant


Am Ende der Produktion von Prometheus, wohl irgendwie auch am Anfang der Marketingkampagne, hieß es, der Film stünde in keiner direkten Verbindung zu Alien – eine Fährte, die falscher nicht hätte sein können. Vor dem Erscheinen von Alien: Covenant versprach ein Stimmenheer einhellig, der Film stünde nicht nur im direkten Bezug zu Alien, sondern verfüge auch über die schauerliche Stimmung, den Geist des Originals. Und wieder war die Fährte falsch.

They’ve made a few upgrades since your time.

Story

Knapp ein Jahrzehnt nach dem Verschwinden der Prometheus befindet sich das USCSS Covenant auf einer Besiedelungsmission, der Androide Walter wartet das Schiff und überwacht die Geschehnisse, während sich die Crew in einem mehrjährigen Kälteschlaf befindet, der just unterbrochen wird, als eine unvorhergesehene Neutrinoexplosion das Schiff in Mitleidenschaft zieht und unter anderem dem Captain Jake Branson das Leben kostet.
Kurz nach den Ereignissen wird ein seltsames Signal empfangen, das eindeutig von einem Menschen kommen muss – inmitten einer unbekannten Zone und offenbar von einem sich in nächster Nähe befindlichen Planeten, der allem Anschein nach habitabler ist als das ursprüngliche Ziel der Kolonialisten. Unter der Leitung des so neuen wie unsicheren Captains Christopher Oram ändert di Covenant ihren vorgeschriebenen Kurs und hält auf den Herkunftsort des Signals zu.
Dort angekommen, bestätigt sich der Verdacht auf lebensfreundliche Zustände, doch trifft die strohdumme Mannschaft auch auf ganz andere Dinge.

Kritik

Tatsächlich beginnt der Film haargenau wie der große Serienstart von 1979 – eine Crew samt Androiden im heimeligen Raumschiff mit einem Zentralcomputer namens Mother, deren Beziehungen vom Film ausgespielt werden, für deren Alltag sich Zeit gelassen wird. Das ist im Prinzip stark – wenn auch ein Nachgeschmack bleibt, da es eben auch haargenau dieselbe Routine wie in Alien ist, inklusive sich selbst feiernder Zitate. Nur dass es eben nicht so gerissen geschrieben ist, die Figuren nie so natürlich-schroff und glaubhaft sind wie damals.
Und dann, mit einem Mal, ist der Film wieder Prometheus. Nach ein paar höchst fragwürdigen Entscheidungen landet die Crew auf einem Planeten, der deprimierend uninteressant wirkt, und verhält sich so, als wären ihr die Konzepte von Wissenschaftlichkeit und gesundem Menschenverstand völlig unvertraut. Man spaziert unbescholten mit der gesamten Crew und ohne Schutzanzug über einen fremden Planeten, trampelt auf alles, was gefährlich sein könnte und hält dIE nASE wie ein neugieriges Frettchen in alles, was irgendwie so aussieht, als könnte es giftige Sporen enthalten. Alle Sachen, die irgendwie merkwürdig erscheinen, werden von den Protagonisten bestenfalls kurz registriert, aber nie hinterfragt, sondern einfach hingenommen. Überhaupt agiert man verblüffend gleichgültig gegenüber der Tatsache, dass man sich hier auf völlig fremdem Terrain bewegt. Und so geht es weiter: Eine dämliche Entscheidung jagt die nächste und jede Spannung wird vermieden, weil das Drehbuch unverständlich schlecht geschrieben ist. Die an sich zahlreich vorhandenen Möglichkeiten, in interessante Richtungen abzubiegen, ignoriert der Film konsequent – und die titelgebende Kreatur des Alien – denn an ihrer Kreatürlichkeit besteht mittlerweile kein Zweifel mehr – spielt einerseits nur eine recht untergeordnete Rolle und hat andererseits alles von ihrer höllischen Schauerlichkeit verloren, wird reduziert auf die Bedrohlichkeit eines tollwütigen Bernhardiners.
An der Form des Films gibt es selbstverständlich nicht zu viel auszusetzen – höchstens, dass die Plumpheit und Einfallsarmut auf inhaltlicher Ebene auch hier dann und wann ihre Entsprechung findet. Davon abgesehen findet der Film fraglos schöne, stimmungsvolle, manchmal auch beeindruckende Bilder und hat in der Hinterhand einen Moment, der ungeachtet der Tatsache, dass er auf der Dekonstruktion des gesamten Alien-Mythos fußt, das Potential hat, eine anhaltende Gänsehaut mitsamt beunruhigt-gerührtem Gefühl in der Magengegend zu verursachen. Auch ist es – das sei hier erwähnt, weil es allerorts als größtes Verkaufsargument gepriesen wird – freilich nett, Michael Fassbender in einer Doppelrolle zu sehen, doch hier die beste Performance in der Karriere des Mimen attestieren zu wollen, wird vor allem Fassbender selbst nicht gerecht.

Am vielleicht Ärgerlichsten ist der Umstand, dass Alien: Covenant der Saga überhaupt nichts hinzufügt, sondern inhaltlich völlig auf der Stelle tritt. Abgesehen davon, dass das Mysterium um das Alien noch etwas weiter zertrampelt wird, verweigert sich der Film stur jeder Erforschung des eigentlich Interessanten Gebietes des Planeten – der Beleuchtung der Konstrukteure. Angesichts des kurzen Blickes, den der Film in diese Richtung gestattet, ist das aber wahrscheinlich auch gar nicht so schlecht.

Fazit

Der neue Alien-Ableger von Ridley Scott ist das nicht, was alle regulären Sequels der Drittregisseure für sich beanspruchen wollen: Eine sinnvolle Ergänzung zum Alien-Universum, sondern eher ein nervöses Auf-Der-Stelle-Treten; eine Stelle, die gut aussieht und anfangs sehr in ihren Ursprung verliebt ist, unterm Strich aber bleibt primär hängen, dass der Alien: Covenant unnachvollziehbar nachlässig geschrieben und schrecklich arm an relevanten Ideen ist.

Star Trek Beyond

50 Jahre. 13 Filme. Sechs, in ein paar Monaten sieben Serien. Einfluss, den man sich größer kaum vorstellen könnte. Eine gewaltige kulturelle Säule also, gegenüber der der Zorn über eine neue Ausrichtung des Franchises wie eine Brise des Zeitgeistes wirken muss. Und dennoch – und zum Glück – Star Trek erhitzt die Gemüter, gerade wegen seiner Generationen umschließenden Wirkmacht. Nachdem J.J. Abrams quasi als Hebamme einer frischen Reinkarnation bei Star Trek und Star Trek Into Darkness fungierte, ist es nun ausgerechnet Justin Lin, der durch 4 Episoden Fast & Furious zu Ruhm kam, der in diesem Jahr das das Steuer der Enterprise übernimmt und sie in windigere Gegenden bringen soll.

My dad joined Starfleet because he believed in it. I joined on a dare.

Story

Die Halbzeit ihrer fünfjährigen Mission knapp überschritten, läuft die USS Enterprise in den Hafen der Sternenbasis Yorktown ein. Gerade angekommen, ereilt das interstellare Zentrum der Föderation prompt ein Hilferuf: Eine Mannschaft sei auf einem Planeten bruchgelandet, der von biestigem Staub umgeben ist. Wie der Zufall es will, ist nur die Enterprise für diese Mission gewappnet. Und so begibt sich die Crew zu den angegebenen Koordinaten. Das Problem ist jedoch nicht der Staub, sondern eine bisher unbekannte und der Enterprise überlegene Waffe, die das Schiff auf dem unbekannten Planeten bruchlanden lässt.
Ein Großteil der Mannschaft ist tot oder entführt, ein fieser Schurke namens Krall zieht die Strippen und ist auf der Jagd nach einem Artefakt, das sich im Besitz der Enterprise befand, und nur ein kleines Grüppchen der Crew operationsfähig und in Freiheit.

Kritik

Wie so oft verrät auch bei Star Trek Beyond der Anfang schon eine Menge über den ganzen Film. Die erste Sequenz leitet den dreizehnten Film der Reihe – eigentlich in guter Tradition – mit komödiantischem Gerangel sein. So richtig witzig ist das aber nicht, dafür sehr mittelprächtig einem Computer entrungen. Aber es zeigt, wohin die Fahrt gehen soll: Kurz, hektisch, unterhaltsam – fern vom Epos und Pathos der beiden Vorgänger.
Die Witze bleiben auf mäßigem Slapstick-Niveau und schnell stellt sich der Verdacht ein, dass sie auch gar nicht wirklich darauf aus sind, bahnbrechend komisch zu sein, sondern sich bescheiden am Rand halten; zu klein, um fad zu sein, zu dumm, um gut zu sein. Und damit ist die Kategorie Humor in dieser Rezension abgehakt. Er ist da, er ist weder pointiert oder einfallsreich noch gut getimt. Er ist einfach nur da und sorgt dafür, dass die Angelegenheit nie zu düster wird. Reines Mittel zum Zweck.
Ansonsten präsentiert sich Justin Lins Version von Star Trek wenig überraschend als ein Fest für Schaulustige. Opulente Raumstationen werden zu schwelgender Orchestermusik ausgiebig von der Kamera umschmeichelt, die Kreaturen sind comikhafter, noppeliger und schleimiger als bisher. Star Trek war schon mit Abrams‘ Taufe längst kein linientreuer Besonnenheitstest, jetzt aber wird es wirklich wild, schnell und kunterbunt. Die Bilder werden munter rein- und rausgezoomt, verkantet und mit Effekten überkleistert. Das macht dann und wann was her, hat aber selten Sinn. Wäre 2009 nicht Star Trek, sondern Star Trek Beyond der Serienneustart gewesen, die Fangemeinde hätte sich eine Version à la Abrams sehnlichst herbeigesehnt. So wurde sie darauf vorbereitet und erhoffte sich nicht allzu viel Stiltreue. Anfangs war James T. Kirk ein Rebell, dessen Verhalten mit Welt nicht zusammenpassen wollte. In Justin Lins Version ist diese Welt viel angepasster an den Raufbold-Captain. Und hier sind wir nun.
Die Action aber kann durchaus was. Als die Enterprise recht zu Beginn von etwas Unbekanntem invadiert wird, stimmen Inszenierung und Spannungsaufbau, die Lichtstimmung macht einiges her und auch einige Bilder wissen zu beeindrucken. Ebenfalls fällt hier erstmals auf: Es wurde sich große Mühe mit der Musikuntermalung gegeben. Außerdem bleibt das Chaos übersichtlich, die Schnitte überschlagen sich nicht und die Abfolge der Szenen ist inhaltlich wie dramaturgisch nachvollziehbar – mit einer Ausnahme. Nichts davon ist für die Ewigkeit, doch aber für ein paar kurzweilige Minuten Action gut.
Dass man mit der aus dem Trailer schon zu genüge bekannten Zerstörung der U.S.S.  Enterprise so hochstapelt, ist fast schon schade, denn es untergräbt den eigentlichen Kern des Filmes: Ein kleines Abenteuer, bei dem mal nicht die ganze Föderation auf dem Spiel steht, sondern die Crew ein „einfaches“ Abenteuer erlebt. Das, was der Enterprise-Besatzung ja eigentlich in der Regel widerfährt. Zudem funktioniert die Destruktion USS Enterprise NCC-1701 als Symbol überhaupt nicht, weil es inhaltlich schlicht nicht zum Rest des Filmes passt – ganz im Gegenteil zu dem Ende dem Schiff der originalen Zeitlinie in Star Trek III: Auf der Suche nach Mr. Spock. Es scheint ein wenig so, als würde die Zerstörung hier primär herbeigeführt worden, um eine Parallele zu dem „ersten dritten Teil“ von 1984 heraufzubeschwören.
Doch zurück ins Jahre 2016: Es geht in Wahrheit natürlich schon um die ganze Föderation und die wirklich großen Dinge, aber immerhin nur auf dem Papier. Prinzipiell aber gibt es endlich eine richtige, wenn auch durch Fremdeinwirkung aufgezwungene Außenbordmission, endlich eine fremde Planetenoberfläche, die für mehr als nur eine Actionsequenz zu herhalten darf, sondern hier eben Schauplatz einer langen Abfolge von Actionsequenzen ist. Denn Charakterentwickung passiert hier nur am Rande. Auch hier bleibt Star Trek Beyond also, wenn man so möchte, einer „Standard-Mission“ treu. Dazu passt, dass sich als Antagonist ein stumpfer Bösewicht mit fadenscheinigen, kaum im Ansatz ausgearbeiteten Motiven präsentiert. Auch hier gilt: Mittel zum Zweck.
Optisch dominieren Mittelklasseeffekte, gerade bei kurzen Ausflügen zu räumlich beschränkteren Handlungsstätten, wo die CGI-Horizonte nicht auffällig die Stimmung löchern, kommt dann und wann tatsächlich ein wenig das Außenbord-Feeling der originalen Serie auf.
Nur wirklich spannend ist das Ganze nicht – leidlich unterhaltsam auf jeden Fall, doch die Dringlichkeit der Situation wird nie zureichend transportiert. Und so bleibt Star Trek Beyond ein kleiner Action-Happen für zwischendurch, ehe nächstes Jahr mit Star Trek Discovery endlich wieder eine Serie an den Start geht.

Fazit

Vor allem beim ersten Trailer, der Speerspitze der Werbekampagne zu Star Trek Beyond konnte man nicht zu Unrecht etwas Übles befürchten. So schlimm kam es nicht, nicht einmal annähernd. Ein Geniestreich hat sowieso niemand erwartet und so bietet der dreizehnte Kinoausflug von Star Trek ordentliche Außenbord-Action ohne Tiefgang oder weitreichende Folgen. Sicher, ein 50. Geburtstag einer solch altehrwürdigen Begleiterin der Popkultur hätte vielleicht eine bessere Feier verdient. Aber letztlich ist es nur ein Fragment eines narrativen Netzwerks, das selbst schon fast in die Unendlichkeit gewachsen ist.
Kein großer Wurf, aber auch kein Rohrkrepierer, sondern simple Unterhaltungskost, die sich selbst nicht zu wichtig nimmt.
Nur „Beyond“, wie der Titel suggeriert ist hier rein gar nichts – auch bei Einnahme abenteuerlicher Perspektiven mag sich die Bedeutung dieses Wortes nicht erschließen.

Gravity

Nach Children of Men hat man eigentlich nur eines getan: Darauf gewartet, dass Regisseur und Autor Alfonso Cuarón sich endlich wieder ins Science-Fiction-Gebiet wagt und seinen Erfolg wiederholt. Nach vielen Jahren der Abstinenz tut er das mit Gravity und beweist, dass alles beim Alten geblieben ist. Nämlich etwas zu konstruiert, aber dafür ziemlich packend.


I hate space!

Story

Das Space-Shuttle STS-157 fristet ungestört sein Dasein neben der Erde. Während Veteran Matt Kowalski seinen letzten All-Abstecher macht, ist dies der Jungfernflug von Dr. Ryan Stone. Man schraubt gewissenhaft am  Hubble-Weltraumteleskop rum, bis Houston mitteilt, dass die Russen einen ihrer eigenen Satelliten abgeschossen hätten und dessen nun um die Umlaufbahn der Erde schnellenden Trümmer bald mit ihrer Position kollidieren würden.
Nun geschieht alles Schlag auf Schlag. Während Kowalski, Stone und ihr Begleiter den Außeneinsatz abbrechen wollen, treffen die ersten Bruchstücke ein. Stone treibt plötzlich hilflos und ohne Halt im All, das Shuttle ist zerstört und der dritte Kollege tot. Zwar kann Kowalski die Verschollene erreichen, doch ist dies erst der Startschuss zu einem alles fordernden Spießroutenlaufs in der Schwerelosigkeit.

Kritik

Gravity wurden Ersten gezeigt und sofort war das Internet voll mit innig geschmetterten Lobeshymnen und ebenso innigen Versicherungen, dass hier ein neuer 2001 – Odyssee im Weltraum vorläge. Ein stolzer IMDB-Wert von aktuell 8,7 stimmt dem zu und gewährt dem Sci-Fi-Film einen Platz in der Top 100.
Alles beginnt mit dem Besten, was Filme haben können – einer ellenlangen Plansequenz. Der Ticketpreis hat sich bereits gelohnt, der Rest ist Bonus. Sofort danach schaltet Gravity in den höchsten Gang und lässt ihn bis zur letzten Minute drin – egal, was das Getriebe davon hält. Als erstes fällt aber die unglaublich perfektionistische Inszenierung auf, zu welcher fast ausschließlich der Kameraführung zu gratulieren ist. Der exotische Schauplatz Weltraum als alleiniger Handlungsort ist etwas gänzlich Unverbrauchtes. Emmanuel Lubezki (The Tree of Life) berauscht sich an dieser Neuheit und macht aus dem Weltraum einen Ort der Schönheit und des im doppelten Sinne Überirdischen. Vor allem die Kameras, die aus den Helmen heraus filmen, liefern atemberaubende Bilder. Doch auch sonst reiht sich eine geniale Einstellung an die nächste, wodurch pittoreske Eindrücke am laufenden Band entstehen. Hinzukommt, dass man – vor allem, weil im Weltraum ablenkende Objekte fehlen – ständig ganz nah an den Gesichtern dran ist. Dies schafft eine Nähe und Verbundenheit, die ganz unabhängig von der Geschichte entsteht. Und das wiederum ist einzig Sandra Bullocks Verdienst. Die Bullock, die olle, schnöde, dröge, töfte Bullock kann endlich mal wieder zeigen, dass sie mit Gründen für große Filme gecastet wird und dicke Schecks einstreicht. Nicht nur die Kamera, auch die Hauptdarstellerin hat wenigstens eine Nominierung verdient.
Das 3D ist nicht nötig, für sich aber wunderbar gelungen. Und das ist wohl das Schönste, was man über einen 3D-Film und seinen Effekt verkünden kann. Beide sind für sich gut und gemeinsam noch etwas besser.
Nicht ganz so elegant wie bei den berauschenden Weltraumimpressionen geht es im Mikrokosmos der Figuren zu. Mit dem altgedienten, nonchalanten Profi-Astronauten, der nie aus der Fassung zu bringen ist und immer einen forschen Spruch auf der Lippe hat, und der zaudernden Ärztin, die in der Schwerelosigkeit mit rebellierendem Magen kämpfen muss, hat man sich zweier Figuren mit möglichst extremen Gegensätzen bedient. Entsprechend grob ist deren Profil geworden, weil sie sich mehr durch ihre überpräsenten Haupteigenschaften Erfahren/Cool und Unerfahren/Unsicher definieren statt über tatsächliche Charakterarbeit. Dass die mittelmäßigen Figuren sich über mittelmäßige Dialoge verständigen, fällt aufgrund der bravourösen Inszenierung umso stärker auf. Man muss dem Film aber zugutehalten, dass es fraglos realistisch ist, dass Menschen in einer solchen Extremsituation häufig nur reden, um sich mit dem Klang ihrer eigenen Stimme zu beruhigen und nicht, um gehaltvolle Dinge zu sagen.
Dazu kommt eine Musik, die ständig anwesend scheint, aber niemals zurückhaltend ist. Laut und aufdringlich ist die klangliche Untermalung aufgefallen. All das passt aber zu dem, was Gravity dann tatsächlich ist. Kein Film über die Schönheit des Weltraums und nichts, was einen tief in die menschliche Psyche tauchen lässt, sondern ganz einfach ein Actionfilm. Nach dem Unfall, der die Astronauten aus ihrem Alltag schleudert, startet eine Kettenreaktion der Unglücksfälle sondergleichen. Ein Schicksalsschlag folgt dem nächsten und jeder Schritt aus dem Regen bringt die gebeutelte Protagonistin tiefer in die Traufe. Luftknappheit in verschiedenen Variationen, vielfach feindlich gesonnene Elemente und todbringende Geschwindigkeiten… das Ableben lauert an jeder Ecke und damit wirkt der Film mit seiner überdramatisierten fatalistischen Art häufig wie eine Sci-Fi-Version von Final Destination, so viele aus dem Nichts kommende Unglücksfälle setzt das Drehbuch der Heldin ohne Atempause entgegen. Auch hier wäre weniger eindeutig mehr gewesen. Hätte man sich auf eine Auswahl der Probleme konzentriert und diesen mehr Zeit zum Wirken gelassen, anstatt sie wie Perlen einer Kette aneinanderzureihen; hätte man sich mit dem Bombast der musikalischen Diktatur deutlich zurückgehalten und mal Stille erlaubt; hätte man die Figuren nicht am laufenden Band plappern, sondern auch mal ihre stummen Gesichter zu Wort kommen lassen, was für ein einmalig intensives Meisterwerk hätte Gravity werden können.
Und was ist nun mit den endlosen Paralleleisierungen mit Kubricks Odyssee? Wie gesagt, Gravity ist ein reinrassiger Actionfilm. Als Entwicklungsweg einer Frau kann er ebenso gelesen werden – und die reichlich platte, zum Glück aber nicht sehr aufdringliche Symbolik am Ende besagt, dass er das auch möchte. Der Kampf gegen die Urängste ist gewonnen. Das Leben findet seinen Neubeginn. Letztlich aber ist die private Leidensgeschichte und Hauptfigur zu aufgesetzt und wirkt wie ein Fremdkörper in der Geschichte. Was am Ende bleibt, ist Adrenalin.
Der Rausch der Bilder und die kleinen Menschen, die in ihren plumpen Raumanzügen unbeholfen hin und her zuckeln, laden ihrerseits tatsächlich dazu ein, über Leere, Ferne, Wesen und Bedeutung nachzudenken. Doch lenkt der Actionteil immer wieder von derlei ab. Das ist beileibe nichts Schlimmes, schließlich ist die Action denkwürdig intensiv und mitreißend choreographiert.
Trotzdem lässt Gravity einen mit leicht lakonischem Gefühl zurück, denn er hätte noch so viel mehr sein können als ein hochkarätiger Action-Parcour.

Fazit

Ein fesselnder, antreibender Actionfilm mit überwältigen Bildern eines Spielortes, der auf diese Weise noch nie genutzt wurde. Das reicht, um 90 verdammt erstaunliche und in erster Linie kurzweilige Minuten zu verbringen. Viel mehr als das ist Alfonso Cuaróns Weltraum-Hatz aber nicht. Die überragende Kamera und eine endlich mal geforderte Bullock sind zudem starke Argumente dafür, den Film auf der großen Leinwand zu genießen. Denn der größte Pluspunkt dieses Filmes sind seine einmaligen Bilder.