The Divide – Die Hölle sind die anderen

Der Franzose Xavier Gens ist – wieder einmal auch dank Tausendsasser Luc Besson im Hintergrund – vor allem für seinen ersten Langfrilm Frontier(s) bekannt, stolperte er mit dem Schocker doch genau richtig in die Zeit der Euphorie über das neue harte französische Horror-Kino zwischen High Tension und Martyrs. Nur so richtig gut war sein Film nicht – was ebenso auf seine kurze Stippvisite nach Hollywood in Form der Videospielverfilmung Hitman – Jeder stirbt allein zutrifft. Mit The Divide – Die Hölle sind die anderen brachte Gens dann aber einen Film hervor, der sich in jeder Hinsicht positiv von seinen Vorgängerwerken abhob. Nur wollte ihm da schon kaum noch jemand Beachtung schenken – und die wenige Beachtung, die der Film erhielt, ist ob seiner Lust an Grenzauslotung überwiegend ablehnender Natur. Und das ist schade.

There is something in the storageroom you don’t know about.

Story

Als grelle Blitze, Explosionen und Beben New York überziehen, bleiben einer neunköpfigen Truppe nur Sekunden, um sich in dem Keller eines Hochhauses zu verbarrikadieren, welcher von Hausmeister Mickey für ebensolche Notfälle präpariert wurde. Die einander weitestgehend unbekannten Menschen sitzen auf engstem Raum in diesem unterirdischen Komplex, während sie nicht wissen, was draußen vor sich geht – ob die Gefahr gebannt oder gestiegen ist, ob die Stadt Opfer eines Unfalles oder eines Angriffes wurde.
Sorge bereiten außerdem nicht nur von Draußen eindringen wollende Männer in weißen Schutzanzügen und mit voller Bewaffnung, sondern auch die sich aufstauenden Energien innerhalb der Gruppe. Was anfangs noch normale Wortgefechte sind, steigert sich für die Dauer des Aufenthalts und unter dem Mantel der Verzweiflung immer weiter, bis die Grenze des Normalen weit überschritten wird.

Kritik

Als ich The Divide 2011 damals lange vor seiner offiziellen Veröffentlichung in einem Kinosaal sehen durfte, dauerte es nicht lange, bis das Publikum auf eine außergewöhnliche Weise reagierte. Einige verließen den Saal, weit mehr jedoch – alles abgebrühte Genrefans – saßen mit vor den Mund gedrückten Händen auf ihren Plätzen und starrten regungslos und mit vor Schreck geweiteten Augen auf die Leinwand.
The Divide bewegt die richtigen Hebel und hat die richtigen Pläne. Ein Höchstmaß an Beklemmung, an vollkommener Anspannung, an Annäherung an die Eskalation. Mit den Worten „Let there be light.“ aus Michael Beans Mund beginnt eine neue Welt, deren Anfang nicht die Schöpfung, sondern die Zerstörung der vorherigen war. Fortan beginnt ein mitleidloser Schraubstock sich immer weiter zuzudrehen, um erst die äußeren Wände der menschlichen Exklave  einzudrücken und sich mit fast schon fatalistischer Unaufhaltsamkeit seinem Kern anzunähern. Serviert wird dies mit einer sehr durchdachten, ausgefeilten, aber ungemein schmutzigen Ästhetik. Wie ein Musikvideo, mit all den oberflächlichen Perversionen, die mit diesem Inszenierungsgestus einhergehen, spielt sich das Grauen über zwei Stunden hinweg ab. Und Hossa, ist das wirkungsvoll.
The Divide mutet sich und dem Zuschauer eine haarige Gratwanderung zu, indem es zwischen Panik-Psychogram Einzelner, Dynamiken eines gesellschaftlichen Querschnitts im Stile eines King’schen Mikrokosmos und der neuen französischen Hardcore-Horror-Welle angesiedelt werden möchte. Naturgemäß klappt dies nicht immer tadellos. Die Figuren werden nicht ausgiebig ausgeleuchtet, Konflikthergänge werden um des Tempos willen beschleunigt dargestellt und sehr viele Handlungen sind schlicht kaum nachvollziehbar. Andererseits liegt gerade hier der spezielle Reiz des Filmes: Es ist gerade dieser Zwischenraum, diese kaputte Heterotopie eines Kellers, der plötzlich zum Zentrum der Welt degeneriert und alle Räume zugleich zu sein hat, in dem alle bisherigen Regeln und jede normal nachvollziehbare Folgerichtigkeit außer Kraft gesetzt zu sein scheint, die grausige Faszination ausstrahlt. Wenn alles im Niedergang befindlich ist, warum, so lässt sich der Film lesen, sollte dann irgendetwas noch bekannten Bahnen folgen?
Nicht auf allem liegt ein schmutziger Staub, sondern er scheint in allem zu liegen.

Was The Divide perfekt beherrscht und was Regisseur Xavier Gens weder davor noch danach auch nur im Ansatz so gekonnt vollzogen hat, ist die Generierung immens intensiver Situationen. Die Momente, in denen die sowieso schon permanent hohe Spannung nicht mehr gehalten werden kann und irgendwo etwas unvermeidlich explodiert. In einer Heftigkeit, in einer Unfassbarkeit, die nur schwer auszuhalten ist.
Auffällig sind die immer gleich verlaufenden Kamerabewegungen, die mit einer Nahaufnahme beginnen und in einer Parabel bis zu einer Totalen zurückfahren. Der Film nähert sich den Personen nicht an, sondern entfernt sich mit ihnen im gleichen Tempo, wie sie von der Situation und sich selbst entmenschlicht werden. In diesem Extrem ist nicht jeder dem anderen Wolf, sondern etwas viel Schlimmeres.
An anderen Stellen wiederum ist die Kamera  zu bewegungsfreudig und der Schnitt zu hochfrequentiert. Viele von der Montage verstümmelte Rundfahrten um die Personengruppen wären als durchgängige Bewegungen weit intensiver gewesen. Hier stört die Musikvideo-Ästhetik dann doch das Konzept.
Ebenso übertrieben ist der Einsatz der Pianomusik, die manchmal etwas zu laut und eine Spur zu dramatisch die Tasten klingen lässt. Auch hier wäre nicht weniger, sondern einfach gar nichts mehr gewesen. Diese Augenblicke fehlender Stille kosten den Film in seiner ersten Hälfte einige Möglichkeiten, was ob der Tatsache, dass die Veranlagungen dafür vorhanden sind, doch etwas schade ist.

Was The Divide außergewöhnlich, in seinem gebiet einzigartig und in vielen Augen auch ziemlich schlimm macht, ist seine Wandlung, die er nach der Hälfte der Laufzeit durchläuft. Es ist nicht direkt ein Plottwist, es ist nicht direkt ein Bruch oder eine Wendung der Geschichte – und eigentlich ist es all das doch. In ungeahnter, ungekannter und wohl auch ungewollter Weise. Denn die klassische Intensivität, die bisher aufgebaut wurde und auch einen ebenso klassischen Gipfel erklomm, weicht einer, die in dieser Richtung nicht erwartet und in dieser Form noch nicht oft vorgekommen ist. Und diese Intensität wird gesteigert, überdreht und einfach weiter gesteigert. Über alle Konventionen, Regeln und Erwartungen hinweg. Über jede Form von Geschmack und auch über die Formen des Zumutbaren hinaus.
Und hier fallen die Vorhänge. Denn so wie die Personen ihre unnatürliche Schönheit verlieren, verliert sie auch der Film. Das Piano schwärmt seltener, Die Montage beruhigt sich.  Und auch die Kamerafahrten kehren sich um – nun wird von der Totalen zur Nahen gezoomt. Hinein in das Grauen, das nicht mehr Mensch ist.

Fazit

Es hätte ein unvergleichliches Manifest des Grauens und der filmischen Gnadenlosigkeit werden können. Dass The Divide fast überall abgelehnt und belächelt wird, liegt in der Natur extremer Filme. Unnötige, weil aussagelose Schaumschlägerei der Inszenierung gerade in der ersten Hälfte spielen den Kritikern aber in die Hände und verwehren Xavier Gens‘ einzig guten Film auch hier widerspruchsfreie Würdigung. Denn dafür vertraut der Film letztlich zu wenig auf seine inhärente Effektivität und verwässert sie mit effekthascherischem Geplänkel. Dessen ungeachtet ist der SF-Terror aber mehr als nur einen Blick wert, setzt er doch auf seine Weise Maßstäbe und besitzt eine Wucht und Eindringlichkeit, der man sich unmöglich widersetzen kann.

The Adventure of Denchu-Kozo

The Adventure of Denchu-Kozo (Oder: The Adventures of Electric Rod Boy; oder: Denchû kozô no bôken; oder: 電柱小僧の冒険) ist der letzte Film, den Shinya Kutusuke drehte, ehe er mit Tetsuo: The Iron Man vollends zurecht auch der Welt außerhalb Japans ein Begriff wurde. Die Berlinale würdigte ihn zusammen mit Sogo Ishiis Isolation of 1/880000 in der neuen Sparte „Hachimiri Madness, in der sich die einmalige Gelegenheit bot, auf Leinwand zu bestaunen, was die 8-mm-Anfänge der prägenden Giganten japanischer Filmlandschaft aus der Punk-Gruft der 80er sind.

Story

Hikari ist ein gewöhnlicher Junge, der sich den Mobbingattacken seiner weniger zimperlichen Mitschüler zu stellen hat. Ihr Umgang mit ihm wird nicht dadurch verbessert, dass ihm ein Elektrizitätsmast aus dem Rücken wächst. Eines Tages schreitet das Mädchen Mome rettend ein und vertreibt die mitleidlosen Rüpel, welche Hikari das Leben schwer machen. Zum Dank zeigt dieser ihr das Ergebnis seines neuesten Bastelexperiments: Eine Zeitmaschine, durcheinander, handlich und  funktionsfähig, wie sich herausstellt, wenn Hikari plötzlich 25 Jahre in die Zukunft springt. Was er dort vorfindet, ist ein Japan, das von einem Vampirclan unterjocht wird, der alles daran setzt, eine Dr. Sariba zu töten. Nun muss Hikari seine besonderen Kräfte zum Einsatz bringen.

Kritik

Wie umschreibt man diesen nicht ganz 50-Minütigen Film über einen Jungen, dessen ihm aus dem Rücken ragender Strommast ganz unverhohlen einfach nur eine behelfsmäßig angebrachte Stange aus Pappmaché, Schaumstoff und etwas Hartmaterial ist? Der kurz sagt „Hey, ich habe da übrigens eine Zeitmaschine“, und damit eine wirre Ansammlung von Elektroschrott meint, den er mit sich rumschleppt? Der nach knapp 3 Minuten in einer Zukunft feststeckt, in der Vampire mit einer Bombe stete Dunkelheit über die Welt gebracht haben und nun eine Eva züchten, die diese Dunkelheit verewigen soll? Da The Adventure of Denchu-Kozo sowieso zwangsläufig jeder Beschreibung nur spotten kann. Und so kann hier eigentlich auch nur geraten werden, diese Explosion von Film zu schauen, denn so einmalig, rasant und altersfrei ist kaum etwas.
Die Ähnlichkeiten zu Tetsuo: The Iron Man sind offenkundig. Die Liebe zum Detail, die Fantasie in den Bildern. Der Film ist voll sind von kreativen Fleisch-Maschine-Vermengungen, Drahtknäulen, aus denen sich Kreatürlichkeit entfaltet, und Kostümen, die nahtlos mit der Umgebung verschmelzen. Dabei koexistiert bewusster Trash mit wahrhaft augenöffnenden Effekten. Wie alles im Film ergibt sich daraus eine Fusion, die in eine Diegese mündet, in der alles möglich erscheint und das meiste trotzdem überrascht.
An vielen Stellen wirkt dieser frühe Ausflug Kutusukes wie ein Musikvideo, an weiteren wie ein Experimentalfilm. Die Wahrheit liegt vielleicht irgendwo in der Mitte. Die mit einem Affenzahn durch Gänge rauschenden Vampire, welche sich ausschlich per Stop-Motion bewegen, geben das Tempo für den gesamten Film vor, der in seinen 50 Minuten Stoff verhandelt, der sich ohne Probleme auf eine zweistündige Erzählung erstrecken hätte könne.
Im Vergleich zu seinen späteren Werken fehlen die Momente der Ruhe, der ernsthaften, schmerzlichen Intensität, in denen die Mühlen kurz innehalten und Raum für Reflexion lassen. Der Film schleudert voran und heftet Irrsinn an Irrsinn, ohne Platz für Ernst zu lassen. Dieser Fehlende Ernst ist in gewisser Hinsicht aber auch das Bemerkenswerteste, weil Überraschendste Moment – an Shinya Kutusuke ist nämlich ein wahrer Komiker verlorengegangen, was man bei seinen späteren Werken allerdings nie wieder in dieser Form erahnen kann. Die zahlreichen Witze sind voller überraschender Pointen, garniert mit dreisten Wendungen und in keiner Weise an die Zeit gebunden. Hier beweist sich wieder einmal, was sich nur allzu selten beweist: Guter Humor ist nicht an Zeit gebunden. Er basiert auf dem Moment der Verblüffung, der Abkehr vom Erwartbaren. Und das ändert sich nicht mal eben in 30, 40 Jahren. Dass wir es hier mit einem Film aus (immer noch) völlig fremdem Kulturkreis zu tun haben, verstärkt diesen Effekt für den westlichen Zuschauer nur noch.
Fazit

The Adventure of Denchu-Kozo ist tatsächlich  ein Abenteuer. Eines der absolut aberwitzigen Sorte, das heute noch genauso überraschend, schockierend, energetisch und überwalzend wirkt wie vor 30 Jahren. Es braucht nur ein paar Sekunden, bis es seine metallenen Klauen um den Nacken des Zuschauers gelegt hat und ihn durchschüttelt, bis die Geschichte  in einen Abspann mündet, der dem Film in keiner Weise nachsteht.

Tusk

Kevin Smith, der in jüngsten Jahren mit Komödien wie Clerks, Mallrats, Chasing Army und Dogma Weltruhm und Nerdliebe erlangte, lässt lässt seiner New-Jersey-Saga nun eine True-North-Trilogy folgen. Den Anfang macht ausgerechnet ein Horrorfilm, der auf den Spuren Hostels wandelt und sich mit einem wahnsinnigem Wissenschaftler schmückt.

I don’t wanna die in Canada!

Story

Wallace ist die Definition eines unausstehlichen Kerls, der sich schlecht kleidet, schlecht redet, schlecht ist. Ein Waschechter Unsympathant, der aus dem Leid anderer sein emotionales Kapital schlägt, indem er sich gemeinsam mit Kumpel Teddy er einen erfolgreichen Internetpodcast Pechvögel an den Pranger stellt.
Als er in Kanada eine von ihn zur Witzfigur gemachten Person live interviewen will, stellt er fest, dass diese sich aus Scham zwischenzeitlich das Leben genommen hat. Reue empfindet Wallace aber vornehmlich aufgrund der umsonst angetretenen Reise, weshalb er sich spontan auf die Suche nach anderem macht, über das sich berichten lassen könnte. An der Pinnwand einer Bar entdeckt er die Ausschreibung eines Herren, der alleine in seinem Anwesen altert, sich als Weltenbummler ausweist und damit lockt, zahlreiche Geschichten zu kennen.
Wallace wittert eine Quelle neuer Lächerlichkeit und macht sich auf dem Weg. Was ihn erwartet ist ein manierliches Herrenhaus, dessen Besitzer Howard Howe nicht nur zahlreiche Geschichten zum Besten geben kann, sondern als genialer, aber etwas wahnsinniger Wissenschaftler seine ganz eigenen Pläne mit dem Besucher hat.

Kritik

Anfangs ist das Aufeinandertreffen der beiden Ungleichen durchaus aufgeladen. Denn mit dem schleimigen Widerling Wallace und dem kultivierten, zuvorkommenden und zugleich ungezwungenen Howard in seinem vornehm Staub ansetzenden Herrenhaus kollidieren tatsächlich sehr effektiv zwei Welten; dass Wallace dem mehr oder weniger jungen Medium Podcast zuzurechnen ist, spielt eigentlich überhaupt keine Rolle. Der betagte Mann von Welt, welcher sich als sadistischer Psychopath herausstellt, wird wie zu erwarten bestens Michael Parks verkörpert, leidet aber an der generellen Dünnheit seines Charakters. Gleich wie irre seine Idee ist und wie herrlich unvorhersehbar sich die Landschaft seines Gesichts auch bewegen kann, wenn er sein Spiel mit Boshaftigkeiten treibt – sobald raus ist, dass sich hinter der interessanten Fassade nur eine flache Motivation steckt, verliert nicht nur er als Figur an Attraktivität, sondern der ganze Film.
Vielleicht ist genau dies das Konzept. Tusk ist strukturell zu 90% Horrorfilm: Der Protagonist landet in den Fängen des Bösen, muss Plagen erdulden und unterdessen suchen seine Mitmenschen ihn nach altbekanntem Muster. Sein Freund und Co-Podcaster Teddy wird gespielt von Haley Joel Osment, oscarnominiert für seine Rolle als tote Menschen sehendes Kind aus The Sixth Sense, mittlerweile etwas dicker, etwas älter und nicht mehr zu erkennen. Und nichts abliefernd, was eine weitere Nominierung rechtfertigen würde.
Dass als Auslöser der Masterplan eines irren Großväterchen dient, einen Menschen zum Walross zu transformieren, ist aber dermaßen skurril, dass man regelmäßig die für sich selbst überprüfen muss, ob man das, was man da sieht, als Witz versteht oder nicht. In erster Linie ist es grausam, widerwärtig und ehrlich gesagt auch ein bisschen langweilig – aber es geht verdammt noch mal darum, dass jemand alles daran setzt, einen Menschen in die seiner Meinung nach edelsten Kreatur auf Gottes Erde zu verwandeln: In ein Walross (nur um es noch mal zu sagen). Artikulierten Witz gibt es auf dieser Seite des Flusses aber keinen zu sehen, allein die implizite Übertreibung der Situation hat humoristische Züge.
Während die Wortäußerungen des Podcaststars nicht kess, sondern jämmerlich wirken sollen, lässt sich der einzig wirklich komödiantische Aspekt in einigen Kurzauftritten von kauzigen, völlig überzeichneten Figuren finden, die den Protagonisten die Richtung weisen und „normale Kanadier“ repräsentieren sollen. Diese Ausreißer sind durchweg gelungen, den Höhepunkt aber stellt das ausgedehnte Stelldichein eines wirklich großen Stars als Kriminalbeamter dar, den man in diesem Film unter keinen Umständen vermutet hätte. Wo der genau das macht, womit er im vergangen Jahrzehnt berühmt geworden ist, wenn er sich in gestellter Trotteligkeit übt und damit mit selbstgefälligen Improvisationen des immer wieder gleichen Typus die Kamera für sich einnimmt.

Positiv zu vermerken ist, dass Tusk sich nicht in endlosen Operations- und Folterszenen ergeht, sondern diese höchstens andeutet und dafür größeren Wert auf finale Zustände legt. Bei diesen finalen Zuständen greift auch schon wieder das scheinbare Leitmotiv des Filmes, denn es ist unmöglich, sich zu entscheiden, ob die Schöpfung des nun mehr bemitleidenswert und grausam aussieht, oder ob der Film nicht doch durch ihre überzogene Darstellung gar nicht so ernst genommen werden will.

Fazit

Ein Hinweis auf die Dumpfheit der Ecke, in die sich das Horror-Genre verfahren hat? Ein psychologisches Experiment, was passiert, wenn die klassische Horrornervensäge noch unerträglicher als normalerweise schon ist?
Was auch immer die Antwort sein mag, ist gar nicht so wichtig, denn der Film als solcher ist aller Provokations- und Aufheiterungsversuche zum Trotz schlicht nicht gut. Die zwar bizarre, aber nach 5 Minuten doch sehr dünn wirkende Prämisse bleibt unerweitert und so bietet Tusk Stoff für einen passablen Kurzfilm, erschöpft sich in seiner abendfüllenden Form aber schnell.
Als außergewöhnlich in Erinnerung bleibt daher nur die seltene Tatsache, dass auch nach dem Abspann nicht abzuschätzen ist, wie ernst das gerade Gesehene sich selber nimmt. Und natürlich eine sehenswerte Show von altmeister Michael Parks als gruseliger Mann.
So erbärmlich, wie die Nutzerreviews auf IMDB – „I hate you Kevin Smith!“ – erwarten lassen, ist Tusk aber keinesfalls.

Die beiden geplanten anderen Teile der Trilogie sollen übrigens ein rasanter Abenteuerfilm namens Yoga Hosers und Moose Jaws… ein Film mit Haien und Elchen… werden. Auch hier sollen bereits eingeführte Figuren wiederholte Auftritte haben.

Mad Max: Fury Road

Mad Max ist ein Film über einen Polizisten, der nicht nur angesichts des Kollapses der Gesellschaft, sondern auch seines persönlichen Lebens Ohnmacht empfindet. Mad Max – Der Vollstrecker erzählt die Geschichte eines Ritters, der in einer anarchisch geprägten Wüste die Vorstellung für immer etabliert, die wir heute vom Genre ‚Endzeitfilm‘ haben. Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel ist dann ein notwendiger Anhang aus Trash mit Tina Turner.
In Teil 1 war das „Mad“ Ausdruck der Verzweiflung. 36 Jahre später steht es nun endgültig für den in Film gegossenen vollkommenen Wahnsinn.

There’s no going back!

Story

Nach dem Verlust seiner Familie und dem anschließenden Verlust von Regeln und Welt ist aus dem ehemaligen Straßenpolizisten Max Rockatansky ein derangiertes Wrack geworden, das, gemartert von den Bildern der Vergangenheit, nur noch durch rohen Überlebenswillen mit seiner Umwelt interagiert.
Eines Tages entführen ihnen die Anhänger des Diktators Immortan Joe, der mit seinem Wasser-Monopol eine degenerierte Gesellschaft unterjocht und sich als Gottkaiser feiern lässt.
Max soll als mobiler Blutspender dafür sorgen, dass die kränklichen Krieger des Despoten fit bleiben, während sie mit ihren Buggys die Lande unsicher machen. Als Imperator Furiosa sich gegen Immortan Joe stellt und einen Tanklaster mit wichtiger Ladung samt Harem entführt, schließt sich der zerrüttete Straßenkrieger der kleinen unfreiwillig Gruppe an.

Kritik

Erst kam der Krieg dazwischen, dann stieg Mel Gibson aus. Als dann schließlich, nach ewigem Garen in der Hölle der Vorproduktion, die Dreharbeiten gestarteten werden sollten, verwandelten plötzliche Regenfälle Brocken Hill in einen zweiten Garten Eden. Erst 12 Jahre nach der Idee zu einem vierten Mad Max konnte diese 2011 in Namibia als Filmdreh verwirklicht werden. Und, Jesus, es ist ein Biest geworden.

Schon die vorfreudig brodelnde Entführungssequenz, bevor überhaupt die Titeleinblendung ihre Verheißung aussprechen kann, gibt eine Stoßrichtung vor, die so laut, durchchoreographiert, übertaktet und sich ständig aus sich selbst neu herausreißend ist, dass man nicht glauben möchte, dass der Film dies einlösen kann. Was folgt, ist in der Tat keine schlappe Einlösung, sondern ein gnadenloses Auftrumpfen von Mehr, Besser, Tiefer, Heißer.
Beschreiben lässt sich der Film in gewohntem Maße nur beschränkt. Man könnte sagen, er ist ein Tanz, eine Choreographie, bei der ein Höhepunkt den nächsten jagt, die keine Verschnaufpause lässt und mit immer Neuem das überbietet, was den Zuschauer zuvor noch mit offenem Mund und trockenen Augen staunen ließ. Man könnte aber auch sagen, Mad Max: Fury Road ist ein zweistündiges Finale Extravaganza, das unentwegt pulsiert und die Schleusen des Irrsinns weiter geöffnet hat, als es in dieser Form jemals jemand gewagt hat. Mad Max: Fury Road ist laufend am Explodieren und in seiner zelebrierten Verrücktheit grenzenlos kreativ; ein Film, der den Zeitraffer dort einsetzt, wo zur Zeitlupe griffen. Mad Max: Fury Road platzt 120 Minuten lang aus allen Nähten und ist dabei so besessen von Details, dass man beim Betrachten in diesem Sturm des Kinos jedes Gefühl für Zeit verliert. Mad Max: Fury Road ist ein artistisches Ungetüm, das in seinem Treiben völlig schamlos ist und jede gängige Erzählkonvention in seiner Rage ignoriert, ein Spiel mit Tabus, die dann gebrochen werden. Mad Max: Fury Road ist ein Walkürenritt und mit seinen glühenden Bildern und der hämmernden Symbolik das mit Abstand ästhetischste Erlebnis, das man im Kino für lange, lange Zeit haben können wird. Mad Max: Fury Road ist vor allem aber eine wortgetreue Umsetzung jedes einzelnen Wortes seines Titels.
Dass etwas so Unfassbares so unfassbar gut funktioniert, liegt zum einen natürlich an dem ineinandergreifenden Spiel zwischen seinen technischen Vermittlern. Der Film ist ein wahres Wunderwerk des Schnitts und hat ein atemberaubendes Gespür für Aufnahmen jeder Art – Nahaufnahmen wechseln sich mit Panorama Shots ab und münden dann in einer Totalen. Das ist auf der einen Seite eine perfekt getimte Bilddramaturgie, auf der anderen sind alle Einstellungen für sich aber bereits Gemälde, die vor präziser Wuchtigkeit nur so strotzen. Dann wäre da die Musik, die häufig nur kurz, aber absolut treffsicher angespielt wird, ehe sie wieder im Getöse des Hintergrunds verschwindet, sich über den Film hinweg aber immer weiter steigert, und zwischendurch auch nicht davor zurückscheut, in orchestraler Fiebrigkeit aus sämtlichen Boxen zu wummern. Vorhanden ist dieses Zusammenspiel in erster Linie, um das perfektionierte Endzeit-Design in Szene zu setzen, das seit Teil 2 und 3 seine absolute Mitte gefunden hat und selbstsicher das Kunststück meistert, kulturelles Flickwerk, abstoßende Krankhaftigkeit, Westernflair und planlose Improvisation auf einem Zentimeter zu vereinen, was in den wunderlichsten Selbstbauboliden und den abgedrehtesten Charakteren resultiert.
Die Action selbst ist in all ihrer verblüffenden Wahnhaftigkeit zugleich die ehrlichste, bodenständigste, die man in einem Spektakelfilm seit langem gesehen hat. Kaum CGI, so gut wie vollständig von Hand gestaltet. Ein gewaltiger Aufwand, der der Natur des Drehorts wohl auch einiges abverlangt hat, aber dafür auch ein Fest allererster Güte ist, das so ziemlich alles, was es tut, für den Rest der Welt neudefiniert.
Es gibt auch Augenblicke, in denen es der Koloss zu weit treibt. Nicht in der gnadenlosen Action, sondern wenn im letzten Drittel ein absehbarer Twist dazu führt, dass jemand in Platoon-Pose seiner Gram Ausdruck verleiht und ihn sämtliche filmischen Mittel dabei unterstützen. Von solchen Ausrutschern im Schlamm des Pathos gibt es nur sehr wenige und sie ändern nicht viel am Gesamtbild, erwähnt werden müssen sie aber.

Die wenigen Momente, in denen etwas Ruhe einkehrt, köcheln im Vergleich immer noch energischer, als die Finali vieler anderer Filme. Dennoch gelingt es, in ihnen viele Andeutungen über den Zustand der Welt, die Geschichte der Figuren und den Aufbau der Gesellschaft zu vermitteln. Dazu gehört auch das Wesen von Max, dessen Rolle fast überall als zu unterpräsent kritisiert wird. Doch ist gerade die Entscheidung, ihn als zurückhaltendes, innerlich zerfleischtes Tier zu zeigen, bei dem sich die Menschlichkeit verwundet soweit zurückgezogen hat, wie es nur möglich war, eine bemerkenswerte. Der Protagonist ist nicht mehr derselbe wie bei seinen ersten drei Auftritten, sondern deren Resultat. Ohne Glauben, ohne Hoffnung. Ein Sack aus Knochen, dem die Dämonen der Vergangenheit in jeder Zelle sitzen und von dort aus die versteckten Reste seines demontierten Wesens suchen. An einer so ikonischen Figur wie Mad Max die erschreckende Genese von Qual mit solcher Konsequenz aufzuzeigen und ihn damit folgerichtig zu einem Anderen werden zu lassen, ist ein Schritt, der großen Mut gekostet haben muss.
Aber auch sonst ist der Film unter der Oberfläche kein graues Gerippe, wie es den meisten Actionfilmen eigen ist.
Um nicht zu viel vorwegzunehmen, sei nur ein einziges Beispiel aus der oben schon kurz angerissenen Symbolik angerissen, mit der Mad Max: Fury Road unterschwellig spielt. Er hat die Filmreihe nun endgültig zu einer über Flüssigkeiten gemacht. Nach Wasser und Öl sind es nun Blut und Milch als liquide Träger von Hoffnung und Glauben, die als Symbol dafür sorgen, dass so etwas wie Zivilisation zumindest als Potenzial erhalten bleibt. Abhängig ist ihre Qualität nicht von ihrem Vorhandensein, denn das sind sie, sondern vom Umgang mit ihnen. Öl kann verbrennen, Wasser verdunsten, vereisen oder aber sinnlos in der Wüste versickern, Blut gerinnen und Milch, vielleicht die Königin der Flüssigkeiten, verderben – vor allem dann, wenn sie ohne Kühlung in einem Laster durch die Wüste kutschiert wird.

Fazit

Vor ein paar Tagen wurde George Miller 70 Jahre alt. Seinen Oscar erhielt er 2006 für den Animationsfilm Happy Feet. Nun hat er eine Formwerdung des Unfassbaren auf Leinwand gebannt. Mad Max: Fury Road ist eine einzige Choreographie, die in manchen Szenen sogar sehr offen an einen Tanz erinnert. Es ist ein Tanz, der Wahnsinn in bizarrer Formation zum Thema hat und mit seiner unglaublichen Energie, seiner Kreativität und Zügellosigkeit etwas geworden ist, an dem sich fortan alle Actionfilme messen lassen müssen.
Doch Mad Max: Fury Road ist vor allem auch eines: Ein Stück Filmgeschichte, das man sich auf gar keinen Fall im Kino entgehen lassen sollte. Denn dies ist sein angestammter Ort.

 

Bride of the Re-Animator

Vier Jahre nach Stuart Gordons wegweisendem Genre-Erfolg Re-Animator, der geschwind das Kult-Signum erhielt, ereilt die Filmwelt das vorgeschriebene Sequel, während sich der originäre Regisseur mit From Beyond in eine ganz ähnliche Richtung absetzt
Mit Ausnahme von ihm ist das alte Team jedoch wieder beisammen (mit den zusätzlichen Einschränkungen, die der Leichenzähler des Vorgängers vorgab), der vormalige Produzent Brian Yuzna schwingt sich mit eigenem Drehbuch auf den Regiestuhl, das Rezept wird erweitert und die Puppen werden wieder tanzen gelassen.

We start with the heart.

Story

Die blutigen Ereignisse der letzten Experimente haben Dr. Herbert West nur noch verbissener forschen lassen. Mit einem neu entdeckten Mittel lassen sich nun nicht mehr nur Körper als Ganzes, sondern auch einzelne Teile von ihnen reanimieren. In jedem Teil von uns, so die Erkenntnis des Wiedererweckers, wirkt Willenskraft. Da liegt es doch nahe, auch einmal gar nicht zueinander gehörige Komponenten miteinander zu verbinden. Dr. Dan Cain ist weiterhin der Mitbewohner und der Angelegenheit etwas weniger aufgeschlossen.
Da sich beiden für ihre Experimente illegal Leichenteile aus dem Krankenhaus entwenden, kommt ihnen der aufdringliche Polizist Leslie Chapham gefährlich nahe. Zu allem Überfluss scheint auch Dr. Carl Hill noch nicht ganz so tot, wie erwartet.

Kritik

Waren die Verbindungen zu Mary Shelleys Frankenstein (beziehungsweise der Verfilmung von James Whale) bereits im ersten Teil unschwer zu übersehen, wurde Bride of the Re-Animator noch deutlich stärker parallelisiert und darf nun auch schon im Titel verkünden, wessen zweiter Teil da im zweiten Teil Pate stehen darf. Tatsächliche Gemeinsamkeiten zwischen Brian Yuznas Sequel und Frankensteins Braut sind selbstredend nur auf motivischer Ebene auszumachen, vielmehr gereicht das prominente Vorbild zum Anlass, deutlich komödiantischer vorzugehen, als noch in Re-Animator. Diese Entwicklung ist signifikant und der Bezug zur Herzensdame des modernen Prometheus ergibt dahingehend auch Sinn. Wie auch der zitierte Filmklassiker, so gelingt es ebenso dieser Horrorkomödie, die Geschichte des Vorgängers zwar einerseits weiterzuspinnen, andererseits aber nicht in Gefahr zu laufen, einfach nur mehr vom Selben zu liefern, weil die Fortsetzung nicht mehr im exakt gleichen Genre angesiedelt ist. Die Musik klingt nach Schabernack, die Figuren sind bereits von Anfang an allesamt mehr oder weniger überdreht und das gesprochene Wort in der Regel entsprechend.
Auf der anderen Seite gibt es Szenen, die deutlich mehr Ernst besitzen – selbst wenn in diesen 4 lose Finger und ein Auge zu einem glubschenden Wanderwesen verschmolzen werden. Trotzdem ähnelt der Film vom Look wie auch den Grundton unverkennbar seinem Vorgänger, der Beleuchtungsstil ist übernommen, die Ausstattung ähnlich nah dran an Theater wie das Schauspiel. (Dass in diesem Jahrtausend dann ein Musical mit Originalbesetzung auf die Bühne kam, war daher eigentlich nur logisch)
Der größte Zugewinn gegenüber dem Re-Animator-Einstieg unter Stuart Gordons Regie ist allerdings der Wandel, den Jeffrey Combs und seine Figur Herbert West durchgemacht haben. Dieser wird mit einem so souveränen, immer nur einen Hauch überzogenen Irrsinn verkörpert, dass jede Szene mit ihm automatisch Freude generiert. Eine weitere, kaum minder positive Ergänzung ist die simple Tatsache, dass alle wichtigen Elemente schon etabliert sind und daher keine große Introduktion mehr benötigen, um hier in Aktion zu treten. In Folge kann das frohe Wiederbeleben von beliebiger Materie in beliebiger Zusammensetzung direkt angegangen werden und der Film liefert genau das, was man voraussetzt, wenn etwas Re-Animator heißt. Dabei hat das Werk so manche Widerwärtigkeit in petto, die damals wie heute faszinieren und schockieren kann. An wenigen Stellen bewegt sich der Film fast schon ein wenig in die Gore-Richtung, ironisiert derartige Darstellungen aber auch stets wieder mit Eile. Das Gesamtbild ist im Großen und Ganzen runder und kerniger, weil die Geschichte kleiner ausfällt und sich über weniger Orte erstreckt, was dem Geschehen ausgesprochen gut tut.
Gänzlich rund ist die Sache aber dennoch nicht. Manches Element wird anfänglich als bedeutungsvoll eingeführt, verkommt dann aber zur fast schon beliebigen Randnotiz oder zum bloßen Plotwerkzeug. Und auch mit eben diesem Plot stimmt nicht immer alles – aber das ist letztlich Gekrittel an Stellen, wo niemand Perfektion erwartet.
Letztlich bietet auch dieser Film unterhaltsames pseudowissenschaftliches Gefasel von kleinen Männern mit Gotteskomplex, die ihre guten Absichten ein paar Mal zu oft hin und her gedreht haben. Dazu gibt es eine Femme fatal, die wohl selten so indirekt ihren Einfluss auf den Protagonisten nahm, wie es hier geschieht. Und, das wichtigste, es gibt kuriose Wiedererweckversuche in Hülle und Fülle. Den kleinen Originalitätsbonus, den der Erstling noch für sich verbuchen konnte, kommt an dieser Stelle natürlich abhanden.
Woran es dem Film dann gebricht, ist ein wummerndes Finale vom Format des ersten Teiles. Der Tanz der Kadaver hält sich dieses Mal in etwas engeren Grenzen, doch dafür passt dieser Schluss auch nahtloser zum Vorangegangen. Das soll aber nicht bedeuten, dass ein krönendes Spektakel ausbleibt, es fällt lediglich kürzer aus, ist dafür aber auch einen guten Teil abgedrehter. Besonders hier springt der zweite Teil auf ein gänzlich anderes Gleis als noch Re-Animator und beschert einige bizarre Überraschungen, die zwar nicht so laut wie im Vorgänger sind, aber entschieden fantasievoller.

Fazit

Brian Yuznas Regiekarriere lässt sich wahrlich nicht als Vorzeigelauf bezeichnen, doch steckt in all seinen Filmen eine unverkennbare Eigenmarke und der unverfälschte Hinweis auf einen Schwall von Herzblut. Nicht einmal ein Jahr nach der im höchsten Grade verstörenden Kuriosität Society folgte dieses Sequel, dem man nicht vorwerfen muss, es handele sich um eine lieblose Reproduktion.
Die Geschichte wird ungezwungen weitergesponnen, einige Stärken weiter ausgebaut und wieder andere wurden konstant beibehalten. Wie der erste Teil ist auch Bride of the Re-Animator gewiss kein Meisterwerk, wer aber ein Faible für Handgemachtes und charmante Aufmachungen hat, wer eine wohldosierte Lust am Überzogenen, das morbide Flair von entgleister Wissenschaft zu schätzen weiß und zeitgleich bei Dramaturgie und Drehbuchschwächen ein offenes Äuglein entbehren kann, der fügt sich auch mit dem zweiten Teil der Trilogie garantiert keinen Schaden zu.

Re-Animator

Im vergangenen Jahr beendete Stuart Gordons Re-Animator in Deutschland seine Index-Existenz. Über zwei Jahrzehnte war der auf Howard Phillips Lovecrafts Kurzgeschichte Herbert West – Der Wiedererwecker basierende Film verboten, was seinem Semi-Kultstatus zugute kam.
Es folgten zwei Fortsetzungen und eine überaus erfolgreiche Musical-Umsetzung.


Birth is always painful.

Story

Über die Jahrhunderte sind wir zu ganz anständigen Medizinern gereift, möchte man meinen. Dabei wird gern vergessen, dass es immer noch den einen oder anderen weißen Fleck auf der Karte unserer Möglichkeiten gibt. Krebs, Demenz, das Altern, der Tod – nichts davon tatsächlich heilbar. Wie unbeholfen ist der Mensch doch, wenn er sich bemüht, ein ausklingendes Leben noch ein wenig länger im Diesseits zu behalten. Mit Elektroschocks wird das Herz malträtiert, die wildesten Elixiere werden intravinös in den sterbenden Leib gepumpt, und dann zieht es die arme Seele doch davon. Dieser Kampf gegen Windmühlen ist für den ambitionierten Arzt von Heute eine frustrierende Angelegenheit. Dr. Herbert West ist ein solcher Arzt und weit davon entfernt, sich geschlagen zu geben. Eines Tages trifft er den überambitionierten Kollegen Dr. Daniel Cain an seiner Uni. Und Cain entwickelt ein Serum, das toter Materie wieder Leben einhaucht.

Kritik

Ein hinreißender Vorspann mit anatomischen Kunstzeichnungen, die in neonfarben und ästhetischen Posen einen schmalen Bereich zwischen Erotik und Morbidität besiedeln, führt in das Lovecraft-Universum.
Das ist umso erstaunlicher, erweist die erste Szene den Film doch als klaren Trash aus. Trash mit hervorquellenden Augen, schäumendem Fleischblut, schrillen Schreien und allerhand Flüssigkeiten von unfeiner Farbe. Die Leichen sind hübsch zerschunden und die ganze Inszenierung eine große voyoristische Ekelschau, vornehmlich darauf angelegt, den Zuschauer zum Quieken zu bringen. Der Film ist in dem Bewusstsein, seine Geschichte mit dem nötigen Maß an Selbstironie erzählen zu müssen, will er nicht in seinem eigenen Glibber ausrutschen.
Wenn der betagte Arzt mit lüstern hervorgestreckter Zunge und fast schon gierigem Blick die Knochensäge anwirft und dabei mit euphorischer Detailversessenheit von der Virtuosität seines Schaffens berichtet, mag man Re-Animator ganz fest umschlingen.
Die Figuren sind gut ausgearbeitet, reden keinen Unsinn und verhalten sich im Genrerahmen nachvollziehbar. Wärehnd Hauptdarsteller Jeffrey Combs in diesem Re-Animator-Teil noch stark an den prototypischen College-Studenten ohne große praktische Erfahrung, aber mit vorzeigbarer Blondine an der Seite erinnert, liefert Bruce Abbott als übereifriger Praxisbefürworter eine angenehm psychopathische Performance ab, die nie über ihr Ziel hinausschießt, aber trotzdem ein paar witzige Spitzen auf Lager hat. Es ist diese Mischung aus klassischen 80er-Jahre-Horrorelementen und dem bösartigen, aber selbstreflexiven und zum Glück sehr leisen, zurückhaltenden Humor, der den Kultstatus von Re-Animator erklärt. Viel trägt die im doppelten Sinne klassische Instrumentalisierung zur Stimmung des Filmes bei, die von Horror-Komponist Richard Band kreiert wurde, der hier erstmalig mit Stuart Gordon zusammenarbeitete. Nicht zurückhaltend, aber niemals aufdringlich und mit schnödem Pomp überladen, sondern in altmodisch-effizienter Weise antizipierend, vorwärtstreibend, vorbereitend und zurückhaltend, niemals subtil, aber immer mit dem richtigen Gespür für die Situation, so nimmt einen die Instrumentalisierung an die Hand, von Anfang bis Ende. Sie führt den Zuschauer durch die vielen kleinen Höhepunkte, durch die die beiden Wissenschaftler schrittweise zu ihrem zweifelhaftem Erfolg geführt werden. Alle paar Minuten hält der Film mit kurzen Schockepisoden bei der Stange, während die Welt schnell ihre eigenen Regeln vergisst. Das grün schimmernde Serum muss anfangs noch gezielt ins Hirn injiziert werden, um die Leichen zu vitalisieren. Später ist es dann aber gleich, wohin der Saft gepresst wird. Die Körper erwachen so oder so zum Leben, wenn sie mit ihm in Berührung kommen.
Nach einer Stunde ist das eh egal. Wenn der Antagonisten-Kadaver wieder rumläuft, driftet die Geschichte vollständig ins Absurde – leider. Kopf und Körper agieren unabhängig voneinander, die bisher angenehm dezente Komik legt eine Schippe zu viel drauf und auch die Musik lässt sich hinreißen, bei der Übertreibung mitzumischen. Dann ist
Re-Animator weniger eklig, weniger ernstzunehmen und dadurch auch weniger gut. Diese sonderbare Hommage an alte Gruselmotive hat ohne Frage etwas für sich, bringt die bisher stringente Atmosphäre des medizinischen Sci-Fi-Filmes aber gehörig durcheinander. Das überbordende Finale vermag es jedoch, diesen Fehltritt vergessen zu machen. Der Film hat dann nicht mehr denselben Ton, wirkt in den ausladenden, fast schon an Braindead erinnernden Gefilden aber trittsicher und fühlt sich sichtlich wohl.

Dem wissenschaftskritischen Aspekt, wenn man den Film denn nicht als puren Unterhaltungsstreifen wahrnehmen möchte, kommt keine allzu große Rolle zu, er bleibt im Hintergrund aber durchweg spürbar. Es sind die Thematik und die agierenden Forscher, die allesamt auf ihre Weise einen an der Klatsche haben, weil sie nicht nur ihr Erkenntnisinteresse über den Rest der Welt und alle Werte erheben, sondern vorrangig von paranoidem Konkurrenzdenken getrieben werden. Anstatt in kooperativem Wirken gesicherte Ergebnisse anzustreben, werden die Wissenschaftler zu narzisstischen Eigenbrödlern, die dem anderen keinen Zentimeter Fortschritt gönnen und sich neidvoll mit fremden Federn behängen. Interessant wird es, wenn man eine andere Lesart zulässt. Der erzkonservative Dekan Halsey lässt Töcherlein Megan nicht bei unserem Wissenschaftler übernachten. Theoretisch ist dies nur durch Eheschließung möglich, praktisch gar nicht, denn ein offizieller Kontakt, der über akademische Belange hinausgeht, würde den jungen West sofort von der Forschungseinrichtung verbannen. Zusammenfinden kann das Paar nur, weil der Vater früh das Zeitliche segnet – und natürlich als grunzendes, instinktgetriebenes Wesen wiederkehrt, das keinen klaren Gedanken mehr fassen kann. Es sind gleich zwei Weltbilder, mit denen Gordons Film abrechnet, und einzig der ambitionierte, aber gewissenahfte West kann siegreich hervorgehen, da er die goldene Mitte zwischen alt und neu, Rückwärtsgewandtheit und Hybris verkörpert, um sich gegen die miteinander paktierenden Weltbilder durchzusetzen, bis ihn sein doppeltes Wesen am Ende zerreißt.
Das kann nur gipfeln in einem Splatterfest, in dem Zurückgeholte splitterfasernackt und blutrünstig, aber unter voller geistiger Kontrolle als Armee aufmaschieren.

Fazit

Eine hübsch inszenierte Eskalation mit liebevollen, kaum gealterten Effekten, einer überwiegend gut dosierten Selbstironie, gut aufgelegten Darstellern und einer sehr dynamischen Dramaturgie. Ein unpassender Ausflug ins Absurde bricht nach einer Stunde aber mit der Atmosphäre und der Film benötigt eine Weile, um sein neues Gesicht mit der Geschichte zusammenzubringen.

Steins;Gate

Mit dem Hintergrund zu Steins;Gate verhält es sich weit komplizierter als mit der erzählten Geschichte. 2008 erschien auf der XBOX 360 die visual novel Chaos;Head der beiden Entwickler 5pb. und Nitroplus. Aufgrund der Wahnvorstellung des Protagonisten entstand das Spin-Of Steins;Gate, ebenfalls ein Spiel, welches selbst drei Nachfolger bekam. Aus den beiden innovativen Titeln wurden später Mangas und Animes.
Der Erfolg scheint nicht abzunehmen, denn neben der TV- und Buch-Umsetzung gibt es von dem Titel außerdem noch CDs, ein Brettspiel, eine eigene Radioshow und einen den Spielfilm Steins;Gate: Fuka Ryōiki no Déjà vu.
Das wirkt so, als wolle man auf Basis eines Überraschungserfolgs mit immer neuen Auskopplungen den großen Reibach machen. Vermutlich ist das auch der Fall. Doch wichtig ist: Die Qualität stimmt, trotz Videospiel-Vorlage.

Könntest du noch einen Moment warten?

Story

Dem jungen und selbsterklärt wahnsinnigen Wissenschaftler Rintarō Okabe.und sein aus Freunden zusammengeleimtes Team gelingt nach einer folgenreichen Entdeckung Erstaunliches. Mittels eines umfunktionierten Mikrowellenherdes sind sie in der Lage, Textnachrichten eines Handys in die Vergangenheit zu senden. Es kommt, wie es kommen muss – mit jeder verschickten SMS verändert sich die Gegenwart in ungeahntem Ausmaß und darüber hinaus hat die wissenschaftliche Organisation SERN Wind von der Sache bekommen und scheint die Forschern mit drastischen Mitteln in ihre Schranken weisen zu wollen.

Kritik

Alles beginnt mit einem manischen Junge, der sich für einen verrückten Wissenschaftler hält und damit gar nicht so verkehrt liegt. Ständig erfindet er Sachen mit zweifelhaftem Zweck und so tut, als wäre er der Kopf eines Aufstandes gegen die ominöse „Organisation“, welche er sich ebenso ausdenkt wie ihre undefinierten, aber definitiv teuflischen Ziele.
Anfangs ist Rintarō Okabe eine hektische Hauptfigur, die so schräg ist, dass sie für sich fasziniert und funktioniert. Vor allem deshalb, weil die Witze tatsächlich zu ihren Pointen finden, wenn auch nicht alle.
Wenn die Serie ihre ersten Schritte macht, befeuern sich Blödsinn und Spannungsbogen in bester Manier gegenseitig und erschaffen damit einen vorbildlichen Sog. Der Zuschauer wird nicht für dumm verkauft und es herrscht von Beginn an ein angenehm hohes Tempo vor, ohne dabei an jeder Ecke alles zu rekapitulieren und mehrmals zu erklären.
Dies ist ein Niveau, das Steins;Gate zu einer ungemein unterhaltsamen Angelegenheit macht, nach Behandlung des ersten Storydrittels aber nicht mehr gehalten werden kann. Ab einem bestimmten Punkt nimmt die Sci-Fi-Serie neue Wege und erhält ein in erster Linie erst mal fundamental anderes Stimmungsgefühl. Sowohl das empfundene als auch das tatsächliche Tempo nehmen ab, der turbulente Humor verliert merklich an Kraft, bis er schließlich so gut wie vollständig verschwindet, und damit verlagert sich auch das narrative Scheinwerferlicht. Bisher beachtete Elemente werden ad acta gelegt und einige wenige dafür vehementer aufgegriffen. Dies ist der Weg, auf dem sich die Geschichte plötzlich abnutzt. Von den vielleicht nicht großen, aber groß gestellten Fragen des Wahnsinns hin zu den persönlichen, aber gewöhnlicheren Fragen individueller Tragik. Steins;Gate gelingt das Kunststück dadurch uninteressanter zu werden, dass es anfängt, Tiefenschärfe zu entwickeln und seine Charaktere zunehmend ernster zu nehmen.
Schade ist es allemal, dass der hervorblitzende Wahnsinn und der vorlaute Witz, welche die ersten Episoden treu begleitet, im Laufe immer weiter abebbt, bis er sich irgendwann fast zur Gänze verabschiedet. Eine Verlagerung hin zum Ernsten wird von der Handlung natürlich gefordert, gerade die durchgängige Gegensätzlichkeit von Irrsinn und Tragik hätten der Serie aber eine wichtige Note verliehen, die im tatsächlichen Zustand leider nur noch andeutungsweise vorhanden ist.

Die Qualität der Zeichnungen ist den Animationen angemessen, insgesamt entsteht ein visuell stimmiger Stil, dem man lediglich etwas mehr Dynamik innerhalb der Bilder wünschen würde, denn die eigentlich hübschen Hintergründe sind oft etwas leblos und die passend abstrakten Figuren manchmal einen Tick zu starr. Dafür hat man sich einige atmosphärestiftende und sehr charakterstarke Stilelemente ausgedacht. Häufig werden bei Gesprächen nur die Ecken gezeigt hinter welchen diese stattfinden. Klingt unwichtig, verschafft der schrägen Grundstimmung aber den letzten Schliff.

Die letzten Folgen vor dem Finale sind durchweg sehr gefühlsbetont und treiben es mit der Sentimentalität auch gerne zu weit. Ein Gespür für die richtigen Bilder zu haben, das kann man den Machern aber nicht absprechen. So rührselig es teils auch ist, die Stimmung wird von Bild und Ton gewaltig aufgewertet, denn die über die ganzen 24 Folgen hinweg ist die Inszenierung nie reißerisch, sondern unaufdringlich, dafür aber umso gekonnter. Verstärkt wird der handwerklich hervorragende Eindruck von den sehr professionellen Sprechern im japanischen Originalton.

Pseudointellektuelle Episodennamen wie „Opfernekrose“ oder „Homeostase der Komplementäre„ sind sicher nicht jedermanns Fall, spiegeln den Ton der Serie aber auch nicht wieder.
Von Wichtigkeit ist natürlich die Frage, ob denn die Zeitreisegeschichte Sinn macht, in sich stimmig ist und ganz besonders, ob es Freude bereitet, sie zu verfolgen. Und all das kann mehr oder weniger bejahen – zumindest für einen großen Teil der Serie. Das Zeitreisekonzept ist ein höchst kurioses, das aber halbwegs glaubwürdig ist, da die Zeiträume, in die zurückgesprungen wird, meist nicht weit von der jeweiligen Gegenwart entfernt liegen. Dass sich nur kleine Dinge verändern, ist somit logisch. Dennoch lassen sich unzählige kleinere und größere Fehler finden, die nicht aufregen, aber auffallen.
Im Showdown selbst versöhnt man sich wieder etwas mit den Figuren und der eigentlichen Handlung, auch wenn man zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ganz sicher sein, ob das alles, was bisher geschehen ist, so tatsächlich nötig war und auch den Sinn ergibt, den die Serie behauptet. Vieles, das als selbstverständlich vorgestellt wird, ist tatsächlich ziemlich hochtrabende Vorgeblichkeit, vor allem, was kausale Zusammenhänge betrifft. Man mag hier einwerfen, dass das ein zu spitzfindiger Vorwurf des Erbsenzähler-Rezensenten sei, aber insbesondere Geschichten mit zentraler Zeitreisethematik müssen es sich einfach gefallen lassen, dass man Schlüssigkeit erwartet. Steins;Gate hat es sich schon leicht gemacht, indem die vielen Sonderregeln und Beschränkungen in Sachen Zeitenwanderung es gestatten, ebenso viele klassische Stolperfallen einfach zu ignorieren. Wenn es trotz dieser Vorkehrungen noch hapert, dann darf man das der Serie auch zum Vorwurf machen. Gerade am Ende wird dann leider einfach etwas ziemlich wichtiges ignoriert, weil die Geschichte andernfalls nicht auf dem gewünschten Wege zu Ende zu führen wäre. Und das ist dann einfach nur faul oder nachlässig seitens der Drehbuchschreiber.
Blöd oder unerträglich ärgerlich wird es aber nie. Dafür ist die Dynamik, mit der die eigentlich gar nicht so dynamische Geschichte erzählt wird, zu ausgereift.

Fazit

Ein wenig Achtung kann man schon zollen, denn die Geschichte des Videospiels wurde ohne große Abweichungen in eine Serie verpflanzt und funktioniert als solche mehr als nur anständig. Leider geht im späteren Verlauf die Rasanz des Anfangs immer weiter verloren, während die verstärkt eintretende Dramatik keinen vollends würdigen Ersatz abgibt. Trotz einiger Macken ist Steins;Gate eine sehr gut schaubare, die meiste Zeit sehr interessante Serie, die sich angenehm vor dem Sci-Fi-Allerlei der Animewelt abhebt.

A Scanner Darkly – Der Dunkle Schirm

Philip K Dick-teilte sich mit Tolkien das „Unverfilmbar!“-Prädikat, das beiden lange Zeit anhaftete. Natürlich ist Blade Runner ein famoser Film, doch kann man den Roman Do Androids Dream of Electric Sheep? bestenfalls als Inspirationsquelle bezeichnen, so frei geht der Ridley Scott-Film mit der literarischen Grundlage um. Gleiches gilt für Total Recall und Minority Report.
Ausgerechnet eines seiner besten, untypischsten und irgendwie auch unverfilmbarsten Bücher bekam dann eine Adaption, die vorlagentreu und gut ist. A Scanner Darkly.

What does a scanner see? Into the head? Into the heart? Does it see into me? Clearly? Or darkly?

Story

Fred ist bei der Drogenfahndung und ermittelt undercover als Junkie Bob Actor in der Szene, um irgendwie und irgendwann an die großen Fische im Milieu zu kommen. Sein Alter Ego wohnt mit ein paar abgehalfterten Tunichtguten in einem verlotterten Haus. Die ein- und ausgehenden Freunde hängen rum und werfen sich Substanz T ein, eine hochgradig süchtig machende Droge. Auch Fred/Bob ist ihr verfallen, damit sein Doppelleben möglichst authentisch auf sein Umfeld wirkt. Da das Dezernat ständig fürchten muss, von Kriminellen unterwandert zu werden, tragen sämtliche Ermittler, wenn sie die Zentrale betreten, einen Jedermann-Anzug,  mit dem sie nicht zu identifizieren sind. Auf diesem Weg weiß nur Fred selbst, dass er als Bob Actor ermittelt, weil niemand bei der Behörde sein wahres Aussehen kennt.
Die Lage spitzt sich zu, als Fred die Order erhält, für die Verwanzung und Überwachung seines respektive Bobs Hauses zu sorgen. Plötzlich muss er sich selbst und seine alltäglichen Begleiter observieren und regelmäßige Berichte über den Bespitzelungsvorgang anfertigen, während seine Sucht immer größere Ausmaße annimmt, ihm beide Parteien auf die Schliche zu kommen scheinen und sich zu über allem Überfluss eine Identitätskrise, die sich wahrlich gewaschen hat, ihrer Vollendung nähert.

Kritik

Philip K. Dicks A Scanner Darkly ist ein Meisterwerk und eine Lektüre jedem wärmstens ans Herz zu legen. Großartige Sprache, eine durchkomponierte und – besonders die Verhältnisse des Autors – stringente Geschichte, eine Heerschar umwerfender Ideen und ein Verwirrspiel, das gleichzeitig klug und höchst unterhaltsam geraten ist. Darüber hinaus ist es K Dicks wohl persönlichstes, aufrichtigstes Werk mit unverhohlen autobiografischsten Zügen. Die meisten Figuren wurden Personen nachempfunden, mit denen der Autor sich umgab, als er Erfahrungen mit Amphetaminen und LSD machte und nur noch unter Einfluss von Aufputschmitteln schrieb. Es ist ein Mikrokosmos voll mit spleenigen Charakteren, bei dem es Stilmittel und Aussage zugleich ist, dass eigentlich sehr wenig passiert. Das Leben dieser Gestalten ist ein einförmiges, das nur sie selbst als aufregend wahrnehmen, weil sich um ihre Psychosen herum schillernde Paranoia rankt, die sich mit den Angstzuständen der anderen verschränkt und die entlegensten Wahnvorstellungen plötzlich zur realen Bedrohung werden lässt. Die Ernsthaftigkeit in der Absurdität und die strenge interne Fokalisierung sind es, die den Zuschauer selbst in die verworrene Gedankenwelt der Spinner hineinversetzt und alles rationale Wissen und die Kalkulierbarkeit von Wahrscheinlichkeiten plötzlich drastisch reduziert. Denn Paranoia ist ansteckend.

Wie soll man aber ein Werk verfilmen, das hauptsächlich aus repetitiven Abläufen und den realitätsentzogenen Bandwurmmonologen schrecklich kaputter Menschen besteht? Ein Werk, dessen Reiz wie so oft in der Sprache zu finden ist. Die Antwort von Autor und Regisseur Richard Linklater ist verblüffend klar: In erster Linie verfilmt man den Stoff genau so, wie er ist.
Tatsächlich überrascht A Scanner Darkly mit etwas, was keine andere Verfilmung des Sci-Fi-Gurus von sich behaupten kann: Akkuratesse. Viele Dialoge wurden eins zu eins aus der Vorlage übertragen, die Reihenfolge der Geschehnisse ist meist identisch, die Figuren kaum variiert und das Buch von allen Beteiligten wohl ziemlich oft und ziemlich gründlich gelesen worden. Um auszugleichen, was durch den Mangel an filmisch darstellbarem Schreibstil fehlt, wurde ein neuartiger visueller Stil entworfen: Auf jede gedrehte Szene wurde mittels eines vektorbasierten Verfahrens drüber gezeichnet – sprichwörtlich. Das Ergebnis ist eine einmalige Gleichzeitigkeit von Real- und Zeichentrickfilm. Und tatsächlich, die Rechnung geht auf. Genau wie in der Romanvorlage erhält der Zuschauer die Ahnung eines Gefühls, wie es sein muss, selbst inmitten dieser von Drogen und totaler Überwachung verstopften Endstationswelt zu stecken – und all das mitzuerleben; aktiv, weil ebenso beeinflusst und anfällig für die abstrusen Gedankenspinnereien der Protagonisten, passiv, weil unfähig zu intervenieren, während die Situation sich mitsamt ihrer Akteure unweigerlich der Eskalation nähert.
Die totale Paranoia wird verstärkt durch subtilen Einsatz psychedelischer Klänge.

Die Schauspieler durchliefen diese Transformation gleichfalls und entpuppen sich als frappierend gute Besetzung für das kaputte Figurenensemble der Geschichte. Einzig Woody Harrelson als Ernie Luckman wirkt an einigen Stellen etwas deplatziert, was jedoch kaum weiter ins Gewicht fällt. Er, Keanu Reeves, Robert Downey Jr., Rory Cochrane und Winona Ryder zappeln, nuscheln und brabbeln was das Zeug hält, und das mit einem Affenzahn.
„Affenzahn“ ist etwas, das auch auf den Film als Ganzes zutrifft. Da man der Buchhandlung gerecht werden wollte, wurde nur wenig gekürzt. In Folge passiert in den 100 Minuten Film sehr viel sehr schnell sehr hintereinander. Das hysterische Tempo der Gespräche im eh sehr geschwätzigen Film ist maßgeblich für das ganze Geschehen. Gerade der Fakt, dass die Gleichförmigkeit des Daseins mit einem derartigen Tempo vermittelt wird, verstärkt den Drogeneffekt enorm. Das führt dazu, dass A Scanner Darkly eine sehr authentische, sehr spannende und recht experimentelle, dafür aber auch eine etwas sperrige, die eigenen Sehgewohnheiten hinterfragende Filmerfahrung ist.
Trotz des teils exakt übernommenen Wortlauts und dem Bemühen, alles Relevante miteinzubinden, muss die Geschichte natürlich mit so eklatanten wie notwendigen Auslassungen leben, damit Substanz und Atmosphäre des Filmes nicht verklumpen. Dadurch verliert die Story aber auch etwas von ihrer herrlich verkruppten Redundanz. Ebenfalls die Ereignischronologie wurde hier und da aus denselben Gründen etwas durcheinandergeschüttelt, was in dieser Geschichte aber kein allzu schwerwiegendes Vergehen darstellt.
Einige Elemente wie den Jedermannsanzug und die vielfältigen Drogenphantasien ließen sich natürlich gar nicht oder nur unzureichend visualisieren. Der abgedrehte Stil entschädigt aber nicht nur für vieles, sondern liefert auch Ersatz – im Falle des Anzuges sogar in symbolischer Form. Die Tatsache, dass auch Philip K. Dicks Konterfei kurz auf diesem zu entdecken ist, eröffnet, nebenbei gesagt, eine Deutungsebene, die sogar über das im Buch offensichtlich angebotene Interpretationsmaterial hinausweist.

Zwangsläufig muss die Story auf viele der wunderbaren Gedankenmonologe verzichten, die jede Tat wie  ein bizarres Badehandtuch unterlegen und der Geschichte erst ihren unverwechselbaren, genialen Drive geben. Trotzdem kann man Linklater nur reines Lob aussprechen. Er hat gemacht, was man überhaupt machen konnte. Höchstens eine Serie hätte es vermocht, näher an die Vorlage zu gelangen. Für die Möglichkeiten eines Spielfilmes ist A Scanner Darkly ein ist mehr als respektables Ergebnis mit eigenen Ideen und der notwendigen Achtung gegenüber der Vorlage.
Gerade diejenigen, welche mit den zugrundeliegenden Stoff nicht vertraut sind, dürften an einigen Stellen aber mit mittelschweren Verständnisproblemen zu kämpfen haben, weil Manches nur andeutungshalber vermittelt wird.

Fazit

Tatsächlich ist Richard Linklater das Kunstwerk gelungen, die unverfilmbare Geschichte des Großmeisters adäquat auf die Leinwand zu bringen. Das Ergebnis ist nichts, was sich unter Standard-Filmerfahrung verbuchen ließe, und gerade deswegen besonders sehenswert. Visuell und inhaltlich bemerkenswert, darstellerisch gewieft ausgelegt und unter Garantie nicht langweilig.

Fantasy-Filmfest-Special: Frankenstein’s Army

Frankensteins Monster – nun auch im Plural. Richard Raaphorst lässt in seinem ersten Langfilm handgemachten Wahnsinn posieren, pfeift auf Charakterarbeit und Story und konzentriert sich ganz auf seine unikalen Fleisch-Maschine-Perversionen. Mit Erfolg.
http://www.youtube.com/watch?v=dOF8GiIXtGY
Things the Doctor makes.

Story

Der zweite Weltkrieg ist am Toben und Dimitri ein Filmstudent mit großem Engagement. Er und seine 16mm-Kamera begleiten einen kleinen Stoßtrupp der russischen Armee, um ein paar werbewirksame Propagandaaufnahmen einzufangen.
Als sie einen Hilferuf über Funk empfangen, folgen sie dem Signal und erreichen ein kleines Dorf, das wie ausgestorben scheint. Dass es dort nicht mit rechten Dingen zugeht, kündigt sich schon auf dem Hinweg an, wo höchst eigenwillige Kadaver von Kriegsgreuel zeugen, die jenseits des Vorstellbaren liegen. Die toten Körper werden entstellt durch merkwürdige Mutationen und mechanische Modifikationen.
Im Gangsystem unter einer zum Labor umfunktionierten Kirche stößt man schnell auf die Quelle dieser entmenschlichten Wesen: Wütende Kreaturen, von einem irren Doktor wiederbelebt. Von einem Nazi-Frankenstein der sich mit lascher Wiedererweckung nicht zufrieden gab, denn derartiges ist bekanntlich für Amateure. Stattdessen stattete er seine Geschöpfe mit dem Besten aus, was der gut sortierte Werkzeugschrank so hergab. Leiber mit viel Metall und noch mehr Waffen streifen durch die klaustrophobisch engen Gänge und machen Jagd auf die Eindringlinge. Frisches Baumaterial wird schließlich immer gebraucht.
Doch auch untereinander herrschen Spannungen, die durch die Extremsituation nur noch geschürt werden, bis Dimitri, nur mit seiner Kamera bewaffnet, sich plötzlich alleine in einem Strudel aus Körperteilen und Motoröl wiederfindet

Kritik

Wenn die Filmwelt von Heute eines ganz gewiss nicht braucht, ist es ein weiterer Found-Footage-Streifen. Nun sehen wir uns also das – offenbar gefundene – Material des Kameramannes Dimitri an und merken schnell, dass sich das Konzept mit seinem Authentizitätsanspruch selbst ad absurdum führt, weil die vermeintlich echten Aufnahmen andauernd mit atmosphärischer Hintergrundmusik untermalt sind. Auch sonst wirkt es so, als wäre die Wahl dieses Präsentationsstils keine dramaturgisch, sondern eine finanziell motivierte gewesen. Wirre Kameraführung und wahllose Schnitte sind dadurch entschuldigt. Aber trotzdem gelingt Frankenstein‘s Army genau das, woran die meisten Handkamerafilme kläglich scheitern: Es stellt sich ein starkes Mittendrin-Gefühl ein. Selbst die Laiendarsteller, die in mindestens zwei Fällen auch viel zu jung für ihre Rollen aussehen, verhindern nicht, dass man sich als Zuschauer direkt im Geschehen wähnt. Neben erwähnter Musik und den toll gewählten Schauplätzen, auch vor und auf dem Weg zu der Kirche, ist das vor allem vielen Schummeleien der Regie zu verdanken: Der filmende Hauptdarsteller neigt dazu, in den gefahrvollsten Situationen einfach tatenlos stehenzubleiben und seine Kamera zudem so zu drehen, wie man den Kopf drehen würde – nur viel, viel langsamer. Wenn aus drei von vier Gängen grässlich grunzende Abscheulichkeiten anstürmen und das Kameraauge zwar zittrig, aber trotzdem ohne Eile erst einmal in alle drei Gänge reinfilmt, bevor sich der gute Dimitri dann vielleicht mal entschließt, in den einzig freiliegenden Schacht zu türmen, nimmt man den Protagonisten mit seinen geistigen Kapazitäten und auch dessen Überlebenstrieb zwar nicht mehr für voll, kann die aufkeimende Panik aber auch sehr gut nachempfinden. Ein ähnlicher Effekt tritt ein, wenn die Waffenarme der Scheusale niedersausen und es wegen der Kameraperspektive so aussieht, als müssten sie das Würstchen von einem Helden eigentlich zweiteilen. Doch stattdessen gibt es noch ein paar weitere Hiebe ins vorgebliche Nichts und der ambitionierte Filmstudent setzt seinen Weg fort. Wie gesagt, Manipulation sehr hohen Grades, aber es funktioniert, wenn man sich drauf einlässt.
Und der Rest? Ein Haufen trunksüchtiger Schandmäuler, denen das Leben der Genossen wenig und das aller anderen gar nichts wert ist. Kriegsverbrechen sind keine Ausnahme. Ein sonderbares Protagonistenpack ist es, das Frankenstein’s Army uns da vorsetzt. Und da man auch nicht davor zurückschreckt, den eigenen Kameraden bei nächstbester Gelegenheit schamlos in den Rücken zu fallen, fällt eine Identifikation nicht leicht. Aber so ist der Krieg nun mal, möchte uns der Film der Niederländer uns wohl sagen. Vor allem in Russland. Liebgewinnen sollte man eh niemanden der Herrschaften, denn die Soldaten fallen den in den Schächten lauernden Wiedererweckten schneller zum Opfer als man ihre Namen auswendig kann. Und die wahren Hauptdarsteller sind auch gar nicht die nichtsahnenden Militärs oder Kameramann Dimitri, sondern die schaurigen Gestalten, deren Körper Waffe ist. Das Geld, das eigentlich für Schauspieler und Drehbuch ausgegeben wird, floss hier zur Gänze in Kreaturendesign und Maske. Was Frankenstein’s Army auszeichnet und zu dem Spaß macht, der der Film ist, ist die unglaubliche Liebe zum Detail. Über 30 Biester wurden erdacht und in Handarbeit zusammengeklebt, -geschraubt und -genäht. Und sämtlich sehen sie zu niederknien gut aus. Von der mordenden Tauchglocke und der Schnapp-Kopf-Ab-Falle auf den Schultern bis hin zum Propeller als Kopfersatz hat man nichts ausgelassen, um den Freund altmodischer Effekte selig zu stimmen. Und das mit enormem Erfolg: Die Kuriositätenschau scheint kein Ende zu nehmen, jedes neue Ungeheuer überrascht mit seiner einfallsreichen Aufmachung und jede kommende Idee ist noch ein wenig irrer und abgefahrener als die vorangegangene. Bis zum Kochtopf auf Beinen. Doch nicht nur hier, auch an allen anderen Stellen zeugt jede Einstellung von liebevoll entworfener Ausstattung. Es werden Räume durchquert, die man nur für wenige Sekunden zu Gesicht bekommt, an deren verschwenderischer Steampunk-Einrichtung man sich aber gar nicht sattsehen kann. Dabei nimmt sich der Film ernst genug, um oben erwähnte Intensität zu wahren, aber weißt auch immer, dass er eigentlich großen Unfug darstellt. Die Spitze dieses augenzwinkernden Eingeständnisses ist fraglos das herrlich dämliche Vorhaben des für die Misere verantwortlichen Doktors, den Konflikt zwischen Nazis und Kommunisten auf ewig beizulegen.
Im Großen und Ganzen spiegelt der Film auf seine eigene bizarre Weise ein wenig den Wahnsinn wider, der in einem fanatischen Dr. Frankenstein wüten könnte. Und das Ganze bezeichnenderweise in und unter einer Kirche. Welcher Ort könnte passender sein, um einem Menschen das Feld zu bieten, sich als Gott aufzuspielen?
Am Ende gibt es zur Abrundung noch eine fies-schöne Reminiszenz an Mary Shelleys Roman.

Fazit

Frankenstein’s Army wirkt wie ein schelmischer Abgesang auf das Zeitalter digitaler Effekte. Alles ist handgemacht und alles sieht superb aus. Wer sich damit arrangieren kann, dass nicht irgendwelche inneren Werte wie eine Story zählen, sondern das furiose Schaulaufen eines obskuren Monsterkabinetts des Filmes Herzstück darstellt, erlebt eine 84-minütige Geisterbahnfahrt, wie es sie schon lange nicht mehr gab. Inklusive einem von Sinnen seienden Doktor, Bloßstellung von Naziideologie und herzhaftem Splatter.