10 Cloverfield Lane

Cloverfield von 2008, der dank der starken Präsenz von Bad Robot Productions einzig J. J. Abrams zugeschrieben wird, obwohl Matt Reeves inszenierte und Drew Goddard das Buch beisteuerte, war vor allem dank der großen viralen Kampagne ein enormer Erfolg.
Vom Sequel 10 Cloverfield Lane darf man endlich mal zurecht behaupten, dass es wirklich alles anders macht: Quasi keinerlei Werbung, eine Ankündigung kurz vor Filmstart, ein anderes Genre, kein Erfolg und besser als sein Vorgänger, der im Herzen eigentlich nur ein verwackelter Monsterfilm gewesen ist.

Santa Claus!

Story

Michelle nimmt Reißaus. Sie sitzt in ihrem Wagen, fährt davon von ihrem Freund Ben, ihrem alten Leben, vielleicht auch vor ihrer Verantwortung. Dann plötzlich bringt irgendwas das Fahrzeug ins Schleudern und Michelle verunfallt.
Als sie aufwacht, ist sie an ein Bett gekettet. Der kaum einzuschätzende Howard begrüßt sie und erwartet ihren Dank, weil er sie am Unfallort aufgefunden habe und in seinen Bunker brachte, kurz bevor draußen die große Katastrophe ausbrach. Aufgrund eines chemischen, biologischen oder atomaren Angriffs, erklärt er ihr geduldig, könne man den Bunker nicht verlassen, für mindestens zwei Jahre. Dritter im Bunde ist Emmett, ein etwas naiver junger Mann, der Howard damals bei der Konstruktion des Bunkers half und sich nun dankend einquartiert hat.
Doch vieles an Howard ist verdächtig. Ist er der Wohltäter, als den er sich ausgibt? Ist er einfach nur ein Spinner? Oder ist er ein gefährlicher Psychopath, der Wahnvorstellungen und üble Absichten vereint?

Kritik

Noch etwas ist besonders an 10 Cloverfield Lane: Es ist von Vorteil, wenn man den ersten Teil nicht gesehen hat. Denn ob und, falls ja, was da draußen vor sich geht, steht durch den Film von 2008 ja halbwegs fest. Wobei dem Team hinter dem Film zugutegehalten werden muss, dass es selbst ein Mysterium daraus macht, inwiefern die beiden Filme verknüpft sind. Ob das vorgebliche Sequel überhaupt im selben Universum spielt wie Cloverfield, wurde von den kreativen Hintermännern ähnlich oft bestätigt wie in Zweifel gestellt.
All dies ändert aber erst einmal nichts an der bedrohlichen Ambivalenz von Howard, gespielt von Schauspielschwergewicht John Goodman, den man hier endlich mal wieder in einer großen Hauptrolle bewundern darf und der auf so gekonnte Weise den unangenehmen Patriarch der unterirdischen Minifestung spielt, dass man schon nach der ersten Szene mit ihm sein Image als Schauspieler vergessen hat und nur noch Howard sieht, den bedrohlichen Howard mit der kurzen Lunte, dem negativen Charisma  und seiner Neigung  zu Verschwörungstheorien jeder Facion. Er ist das zementierte Zentrum des Filmes. Das weiß auch der Film, der primär die Geschichte erzählt, wie Michelle sich daran abarbeitet, sich dieser Naturgewalt anzupassen. Mary Elizabeth kann hier nun auch erstmals ein großes Zeichen, das es verdient hätte, in ihrer sehr bunten Filmographie zwischen Stirb Langsam – Ein guter Tag zum Sterben, Death Proof und Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt heraus zu leuchten. John Gallagher, Jr. als leicht einfältiger Emmett ist da eher das fünfte Rad am Wagen. Der Charakter wirkt in seinen Anlagen unentschlossen und teils fast widersprüchlich angelegt und vor allem neben den beiden starken Hauptfiguren blass und letztendlich verzichtbar. Abseits seiner Funktion als Informationsspender für Michelle hat er keine zwingende Daseinsberechtigung – und es darf gemutmaßt werden, dass 10 Cloverfield Lane ein noch einmal deutlich intensiverer Film geworden wäre, wenn das Duell zwischen Michelle und dem Bunkermonarchen ohne ein solches Anhängsel stattgefunden hätte.

Apropos intensiv. 10 Cloverfield Lane beginnt unerwartet kräftig mit dem wirkungsvollsten Anfang seit langem. Danach begeistert der Film für eine ganze Weile durch eine großartige Inszenierung. Scheinbar unwichtige Details kommen plötzlich in mehrfacher Weise sehr einfallsreich in den Fokus, indexikalische Zeichen werden kunstvoll als Mininarrationen in das Bild eingeflochten und was die Kamera aus mit Räumen macht, wie sie Winkel und Ecken nutzt, eigenständig Fluchten generiert oder die Enge mit betont nahen Einstellungen zugleich verstärkt und nimmt, ist auf einem Level mit den Monumenten der Kammerspielgeschichte – so muss man e sagen. Die Verunsicherung von Michelle, die Verunsicherung der gesamten Situation wird dadurch verstärkt, dass Komik und Terror in diesem Film Nachbarn sind, die sich gerne einmal besuchen. Mehrere Was-Wäre-Wenn-Gedankenspiele sorgen unterdessen dafür, dass die klaustrophobische Anspannung gehalten wird.
So klug, kunstvoll und ergreifend wie in der ersten Hälfte bleibt es aber nicht. Mit steigender Laufzeit nimmt die Dichte der zündenden Ideen und das Kunstvolle des Umgangs mit dem reduzierten Setting etwas ab. Zwar gibt es noch eine Handvoll Szenen, die dem irgendwann vorhersehbarem Fortgang Elan verleihen, dass das anfänglich außerordentlich hohe filmische Niveau im Fortlaufe stetig ein wenig abfällt, ist trotzdem nicht von der Hand zu weisen. Keinesfalls soll das aber heißen, der Film würde schlecht oder langweilig werden, er ist ab einem bestimmten Punkt einfach nur nicht mehr so perfekt und durchkomponiert. Was das gern gescholtene Ende anbelangt: Ja, hier findet ein erwartbarer Bruch statt, der an sich jedoch nicht wirklich schlecht ist, sondern der Geschichte wie auch der Charakterentwicklung eine logische Klimax verabreicht. Einzig einige konkrete Handlungen Michelles lassen stutzen, weil sie in ihrer Heftigkeit zum bisher etablierten Charakter wie auch Genre nicht passt – Entwicklung hin oder her.  Andererseits steht die sehr standardisierte Weise, wie dies passiert, aber auch fast schon bildlich dafür, dass der Film es am Ende eben nicht ehr mit seinem Anfang aufnehmen kann.

Fazit

10 Cloverfield Lane beginnt so stark, so mächtig, so eindrucks- und zugleich kunstvoll wie schon lange kein Genrefilm mehr. Narrativ und handwerklich spitzt sich die Situation weiter zu und John Goodman ist eine Naturgewalt. Die stimmige Dichte an Ideen kann leider nicht gehalten werden, weshalb der Film nach und nach in etwas durchschnittlichere Gefilde klettert – und in einem passend durchschnittlichen Schluss sein Ende findet. Bis dahin ist das unorthodoxe Sequel zum 8 Jahre alten Monsterfilm jedoch ein absolut sehenswertes Erlebnis, das sich auch im Ganzen nicht nur, aber fraglos auch wegen seines prächtigen Anfangs lohnt.

Extant

Seit der vollkommenen Annahme des Quality TVs warden immer häufiger Stars als Leitfiguren vielversprechender Serien gecastet, in der Hoffnung in Sachen Einspiel und Anerkennung ein neues Game of Thrones, The Walking Dead, House of Cards oder Akte X zu schaffen. In der CBS-Serie Extant ist es die Oscarpreisträgerin (aber auch zwei mal für die Goldene Himbeere nominierte) Halle Berry, die dort die Hauptrolle übernimmt.


Five dollars for the swear jar.

Story

Molly Woods verbrachte 13 Monate auf einer Raumstation. Zurück ließ sie ihren Ehemann John, der als führender Wissenschaftler auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz, vor einiger Zeit dafür sorgte, dass das Paar trotz der Unfruchtbarkeit Mollys einen Sohn haben kann. Ethan ist der Name dieses Sohnes und er ist ein Prototyp, der erste humanoide, menschenähnliche und lernfähige Roboter der Welt.
Nach der Rückkehr Mollys muss sie sich nicht nur wieder in die ungewöhnliche Familienkonstellation eingliedern, sondern auch feststellen, dass bei ihrem Arbeitgeber offenbar einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Viel drastischer ist aber die bald eintretende Erkenntnis, dass Molly schwanger ist. Und diese Schwangerschaft in der Zeit eingetreten sein muss, als sie sich mutterseelenallein in den Weiten des Alls befand.

Kritik

Es kann eigentlich nur ein Fluch sein, dass beinahe alle Science-Fiction-Serien am selben Problem leiden. Zu Beginn eine wahnsinnig fesselnde Inszenierung, geschickte Storyverwicklungen, eine spannende Geschichte und Charaktere mit großem Potenzial, das sich auch zügig zu entfalten scheint. Nach einer Weile wird die Story etwas dünner, die Inszenierung liebloser und die Figuren flachen ab. Denn irgendwann muss eine Erzählung, die bisher durch rätselhafte Andeutungen neugierig machte, die die Karten zeigen. Wenn sich dann herausstellt, dass sie über viele Episoden hinweg bluffte und eigentlich nur ein paar Vierten hat, fühlt man sich, anders als beim Poker, um seine Zeit und – noch schlimmer – um sein Vertrauen betrogen. Eines der besten Beispiele für einen solchen Verfall ist wohl The Event.
Und auch Extant verläuft nach diesem Muster, was aber nicht heißen soll, dass es sich nicht lohnen würde, die Serie zu schauen.
So beginnt es mehr als vielversprechend. Alle Elemente der Handlung sind zwar bereits hinlänglich vertraut, aber auf eine Weise miteinander verschaltet, die aufregend ist, zu dem es auch an allen Fronten brisant zu kriseln beginnt und wir nacheinander das Mysterium der Weltraumschwangeren erleben, um die Beziehung zu einem Androiden Bangen und eine klassische Regierungsverschwörung beobachten. Es brennt also an allen Orten des Science-Fiction-Campingplatzes. Da aber alle Stränge gut funktionieren und ebenbürtig fesselnd sind, ist diese Art von Schwerpunktvielfalt in eigentlich längst ausgeloteten Bereichen alles andere als verwerflich. Im Gegenteil, durch die diversen distinkten Merkmale aufgereihten Geschichten schafft die Serie clever arrangierte Konterpunkte für die jeweiligen Themen. Ja, es ist sogar stetig hochspannend, denn aufgrund der nebulösen Bedrohungssituation und der großen thematischen Abwechslung wirkt das sich zusammenbrauende Unheil auf sämtlichen Spielfeldern ausgesprochen gut in der ersten Handvoll Episoden.

Ganz ohne Klischees kommt die Geschichte bei solch altbekannter Themenwahl natürlich nicht aus. Gerade die tuschelnden, doppelzüngigen Regierungsbeamten aus der Chefetage entsprechen zu sehr dem Archetypen des konspirierenden Schlipsträgers. So ist die Serie interessant, weil es Geheimnisse gibt, doch nicht wegen ambivalenter Gegenspieler – diese werden von durchweg als skrupellose Widerlinge dargestellt. Und an der Plattitüde, dass Helden nur so gut und interessant wie ihre Widersacher sind, ist leider etwas dran. Auch die anderen Figuren sind kein Meisterstück in Sachen Schreibekunst, sondern alle so konstruiert, dass sie eindeutigen Lagern zugeordnet werden können. Hauptperson Molly hat es da anders, aber nicht besser getroffen. Sie ist das relativ blasse Zentrum der Geschichte. Während sich um sie herum zig übermenschliche Geheimnisse enttarnen lassen, bleibt sie eine genaugenommen sehr langweilige Person, bei der alle Vorhaben, die Initiative erfordern, entsprechend aufgesetzt wirken. Das liegt, wie gesagt, zuvorderst daran, dass die Figur einfach so konzipiert ist, aber eben auch daran, dass Frau Berry, Hand aufs Herz, einfach keine allzu begnadete Schauspielerin ist.
Neben den offensichtlichen Inhaltsmysterien lebt die Serie aber auch von der Frage, wie sich die beiden Stränge künstliche Intelligenz als Sohn, Weltraumembrio als Leibesfrucht – miteinander verbinden und ob es Extant gelingt, aus dieser Verbindung etwas Neues zu machen. Die Gefahr, dass sich die ganze Geheimniskrämerei und das lustvolle Spiel mit Verschwörungstheorien über anzugtragende Hintermänner in eine fade Staubwolke auflöst, ist natürlich gegeben, doch die Art und Weise, wie die Serie Spannung generiert und mit ihrem Personal umgeht, bewässert eine Hoffnung, die für einige Stunden hochkarätiger Unterhaltung sorgt. Skeptisch bleibt man dennoch, ist man doch von den Serien dieses Jahrzehnts oft eines Besseren belehrt worden, wenn es darum ging, große Versprechungen auf tolle Antworten zu machen. Extant hält sich aber lange sehr elegant über Wasser, auch wenn sich das Serienkonzept dazu entschließen muss, einige Wandlungen und Wendungen etwas zu abrupt darzustellen, um weiterhin ein hohes Entwicklungstempo zu garantieren.
Spätestens ab Episode 9 lässt sich ein spürbarer Regress nicht mehr übersehen und dann geht die Serie den Weg, den so viele Myster- und Science-Fiction-Serien der letzten Dekade gegangen sind. Nämlich jenen Weg, der bereits oben angekündigt wurde. Die Befürchtungen, dass sich alles nur aus faden Klischees zusammensetzt, bewahrheitet sich zusehends und in gleichem Maße sacken Potenzial und Hoffnung auf wagemutige Entwicklungen ab.
Peinliche Point-of-View-Einstellungen und generische Entwicklungen, dazu eine Überstrapazierung der alles andere als innovativen Halluzinationsevozierung des Alienbabies. Und plötzlich stellt man fest, dass die Serie, die anfangs noch so vielversprechend aussah und durch zackige Spannungskurven zur nächsten Folge drängte, in den letzten zwei Episoden qualitativ rapide abgesunken ist. Auch die anfangs noch so großzügig eingesetzten Twists lassen nach und wenn sie passieren, dann nur deshalb, weil Charaktere mit fadenscheinigen Motivationen einfach die Lager wechseln.

Im Umkehrschluss heißt das aber auch, dass die 1. Staffel von Extant weit mehr als über die erste Hälfte sehr gut unterhält, bis sie dann leider nachlässt. So negativ der letzte Absatz sich vielleicht auch liest, so schlimm ist es dann doch nicht. Auch in den wenig attraktiven Entwicklungen des letzten Staffeldrittels profitiert die Serie noch von ihrem vielversprechenden Anfang. Und wer weiß, vielleicht erhebt sich die Geschichte in Staffel 2 auch wieder in die Höhen, die die Serie zu Beginn noch für möglich halten lässt.

Kritik

Nach mitreißendem Start und der gekonnten Verschaltung diverser Storystränge verliert Extant in der ersten Staffel entschieden an Überzeugungskraft, weil sich viele Probleme höchst unelegant lösen, viele Fragen unbefriedigend beantwortet werden, die Figurenentwicklungen stetig unglaubwürdiger werden und die Serie – auch hinsichtlich der Inszenierung – in erschreckendem Tempo plumper wird.
Trotzdem bietet die erste Hälfte bis dahin perfekte Unterhaltung, die lediglich an der etwas zu blassen Protagonistin leidet.

Apollo 18

Apollo 18 vom Spanier Gonzalo López-Gallego war kurz vor Kinostart relative gut beworben und nahm auch einige Leinwände mit. Ganz im Gegenteil zu dem zuvor gedrehten Survival-Thriller The King of the Mountain oder dem nachfolgenden Zombiestandard Open Grave.
Warum gerade der Mondhorror so viel Aufmerksamkeit bekam, kann nur das halbwegs frische Setting erklären, nicht aber der Film als Gesamtpaket.

I can’t believe you haven’t heard that story.

Story

Strenggeheime stille Post im Dezember des Jahres 1974: Das US-Verteidigungsministerium sagt der NASA, sie sollen ein paar Astronauten auf einer Party anrufen und ihnen mitteilen, dass eine Mondlandung mit ihnen bevorstünde. Verraten werden dürfe das aber keinem.
So machen sich Captain Ben Anderson, Commander Nathan Walker und Lieutenant Colonel John Grey also auf in ihre Rakete und auf die Mondoberfläche. Im Gepäck sind allerhand Kameras.
Auf dem Trabanten angekommen, häufen sich die unheimlichen Vorfälle und es drängt sich die Frage auf, warum die ganze Geheimnistuerei Seitens der guten alten Regierung eigentlich notwendig ist. Und dann stellen die patriotischen Mondmänner fest, dass sie dort oben nicht alleine sind.

Kritik

Es ist ein nettes Mittel, Personen über eine Charakterisierung in Form eines Voice-Over-Rückblicks zu etablieren, ohne sie dabei gleich als minderbemittelt vorzuführen, weil sie versteckte Vorstellungsmonologe aufsagen. Das gilt auch und insbesondere in einem vermeintlichen Found-Footage-Film. Wenn die Figuren aber einerseits trotzdem vollkommen (auch untereinander) austauschbar bleiben und der FOund-Footage-Film genaugenommen nur ein Footage-Film ist, der sich aus beliebigen Kameraaufnahmen bedient, darf man kurz skeptisch werden.
Letzteres macht der Apollo 18 dann auch geschickt zu einem riesigen Problem für den Film; nicht wegen der fraglichen Logik, wieso überhaupt so eine Collage über einen so tragischen wie geheim zu haltenden Einsatz angefertigt und nachträglich auch eindeutig verändert wurde, sondern weil die vielen verrauschten Bilder mit teils arg heterogenem Bild unzusammenhängend, wahllos und viel zu schnell aufeinanderfolgen und so besonders die ersten Minuten zu einem Stresstest werden lassen. Die Handlung selbst straft die Inszenierung Lügen, denn zu sehen gibt es lange Zeit gar nichts Spannendes außer eingeübte Astronautenroutine im Zeitraffer. Wenn jemand „No words can describe how it feels to be here.“ keucht, und der Zuschauer grelle Milchigkeit aus einer alles verdeckenden – gäbe es denn was zu verdecken – Perspektive aufgetischt bekommt, fühlt man sich um mehr als nur den Ausblick betrogen.
Doch muss man dem Prinzip zugutehalten, dass es einen nicht uninteressanten Effekt auf den Zuschauer ausübt, wenn die Hektik nicht durch die – unspektakulären – Geschehnisse, sondern den Wechsel der Perspektiven erzeugt wird. Das Gewitter an Perspektivwechseln ist mit normalem Schnitt nämlich kaum zu vergleichen.

Ein wenig spannend, oder besser: stimmungsvoll, wird es dann trotzdem nach einer Weile, und das ausgerechnet, weil man beginnt, das eh schon fragwürdige Footage-Konzept immer fahrlässiger umzusetzen, indem Aufnahmen gemacht werden, für die ein Kameraführender keinerlei Anlass gehabt hätte. Hier wird nicht für einen fiktionalen Adressaten in der Filmwelt, sondern für uns, den Zuschauer gefilmt. Und damit entlarvt sich dann vollends, dass es keine dramaturgischen Gründe für das gerade wieder abebbende Subgenre gab, sondern nur finanzielle und manipulative– plus die Tatsache, dass man beliebig viel mit der Kamera wackeln darf. Dass trotzdem versucht wird weiszumachen, das alles wäre authentisches Material, ist ein kleiner Akt an Frechheit gegenüber der Wahrnehmungsfähigkeit des Zuschauers.
Die Story läuft dabei aber nach klassischem Muster ab, nur dass man dieses rapide beschnitt und die meist Zeit einfach nichts passiert, was sich doch sehr auf den grundsätzlichen Unterhaltungswert auswirkt. Zwischen all dem Leerlauf zählt das Weltraumfahrer-Duo (Nummer drei wartet im Orbit) dann kurz das allen bekannte Sci-Fi-Horror-Alphabet auf, lässt die Sache beim Buchstaben D aber wieder sein und begnügt sich damit, noch ein bisschen auf der Stelle zu stehen.

Viele Dinge sind nicht etwa vorhanden, weil sie Nützlich für die Narration wären, sondern um andere, später auftauchende Filmelemente zu rechtfertigen: Der erwähnte figureneinführende Zusammenschnitt zu Beginn, der Grund des Ausflugs, sogar der Abspann. Der will nämlich die Laufzeit des Filmes rechtfertigen, drückt er sie doch um fast 9 Minuten nach oben, sodass vertuscht wird, dass der Film äußerst kurz geraten ist. Dass er sich zudem äußerst lang anfühlt, ist allerdings eine weit erfolgreichere Vertuschungsaktion.

Fazit

Die Stimmung geht in Ordnung und das beendende Gefühl dort oben in der Finsternis unter der Erde wird anständig transportiert. Auch spannende Momente sind vorhanden, im Vergleich zu den langen Phasen, in denen gar nichts passiert, aber immer noch zu rar.
Das Schlimmste (neben dem beliebigen Ritt auf der stinkenden Found-Footage-Welle) ist aber schlicht, dass der Film überhaupt keine eigenen oder gar halbwegs neuen Ideen aufzuweisen hat, sondern einfach nur ein paar altbekannte Sci-Fi-Horror-Stationen besucht, um dann sehr früh zu enden.

Die Innere Zone

Fosco Dubini macht mit teils großen Zeitabständen in erster Linie Dokumentarfilme mit ganz eigenen Themen. Seit 1978. Mit Die Innere Zone liegt nun sein zweiter Spielfilm vor, nachdem er mit 2001 mit Die Reise nach Kafiristan einen ersten Erfolg im Raum des Fiktionalen einfahren durfte.

Wo ist Walter?

Story

Seit die Psychologin Marta vor zwei Jahren – im Jahr 2024 – bei einem Biosphärenexperiment eine Hirnschädigung davontrug, leidet sie unter Erinnerungslücken und Halluzinationen, ein Phänomen, das sie Echos tauft.
Als sie zu einer Tunnelbaustelle in die Schweizer Alpen gerufen wird, beschleicht sie die Ahnung, dass die Experimente von früher genau dort wieder aufgenommen wurden.
Sie trifft auf einen verwirrten Ingenieur und eine russische Krankenschwester. Gemeinsam müssen sie die labyrinthischen Tunnels nach vermissten Wissenschaftlern durchforsten und herausfinden, ob die sich häufenden seltsamen Vorkommnisse von radioaktiver Strahlung aus den Tiefen rührt, von klimaverändernden Luftgemischen ausgelöst werden oder aus ganz anderer Quelle stammen.

Kritik

Es wogt eine rätselhafte Stimmung durch die Bilder, die gleichsam ruhig und unruhig erscheinen, weil eine eigenständige Kameraführung natürliche Blickbewegungen imitiert, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. So erinnert der Blick auf das Geschehen häufig wie der eines stillen Beobachters, der oftmals schon am Ort des Geschehens wartet, bevor die Akteure eintreffen. Und irgendwie passt dies auch, ist der Zuschauer doch der Inspekteur von Martas Seelenzustand, um sich mittels Interpretationen eine Analyse anzumaßen. Bereits von Anfang an, wenn eine betörende Cellointerpretation von Nothing Else Matters eine Kamerafahrt durch die Alpen steuert, generiert Die Innere Zone eine sehr eigene Atmosphäre aus sich heraus, die vor allem von der gut abgemischten Geräuschkulisse profitiert, die die Bilder aufwühlt und dem Film einiges an Tiefe verleiht. Die Regie und auch die Produktionsmittel sind definitiv keine Mankos des Science-Fiction-Filmes aus schweizer Landen.

Gerade zu Beginn ist ein wohlartikulierter Offtexte des Zuschauers Begleiter, der aber etwas zu wohlartikuliert wirkt, als wäre er von einer Bühne herunter gesprochen und nicht ein Gedankenmonolog. Die Assoziation mit Theater kommt nicht nur hier hervor – auch viele Darsteller agieren nicht so natürlich, wie man es sich wünscht. Und „viele“ bedeutet hier, dass jeder vom wahrhaft schmalen Cast ein bisschen neben der Spur spielt – von der Hauptdarstellerin Jeannette Hain mit ihrem charakterstarken Gesicht abgesehen, die ihre Sache wirklich gut macht. Dietmar Mössmer als schräger Ingenieur im Paranoiataumel, Nikolai Kinski als in Melancholie und Gestein vergrabener Forscher und Lilli Fichtner als engelsgleiche Krankenschwester mit Kindergesicht und völlig übertriebenen russischen Akzent sind sämtlich überzeichnet und stimmen ihr Spiel auch darauf ab. Den Dialogen fehlt es gleichfalls an Natürlichkeit. Hier kommt eine Last zum Vorschein, die einigen deutschsprachigen Produktionen eigen ist und einen immer wieder aus der Welt herausholt.

Das schlichte, eine große Ruhe ausstrahlende Setting ist dafür aber stimmig eingefangen, meist hält man sich in den Räumen eines leerstehenden Krankenhauses auf, später dann in lichtfernen Tunnels. Tatsächlich ist es gerade diese reduzierte Kulisse, eingefangen durch die erwähnt gute Regie, die den Film seine Anziehungskraft verleiht. Trotz der einzelnen Szenen mit den nicht immer nachvollziehbaren Dialogen mit ihrem nicht immer alltagstauglichen Aufbau, die nicht immer verständlich aneinandergereiht werden, verkommt das Schauen nie zum zähen Ärgernis. Und dann sind da auch noch die wirklich guten Ideen, die in regelmäßigen Abständen das Geschehen auflockern und dem gesamten Streifen eine eigene Note geben, weil sie mit einer nicht erwartbaren Einstellung oder einem nicht erwartbaren Musikeinsatz eine Überraschung servieren, die schlicht Spaß macht und darüber hinaus dafür sorgt, dass Die Innere Zone ein in sich schlüssiges Ästhetikkonzept für sich beanspruchen darf.

Vielfach hört man den Vorwurf, in einigen Szenen sei unklar, ob der Film lustig sein wolle oder nicht. Doch warum muss dies ein Makel sein? Wenn plötzlich zwei eindeutig labile Charaktere anfangen miteinander zu tanzen, ist das natürlich irritierend, aber keineswegs schlecht. Und dass man andernorts gar von slapstickhaften Ausflügen zu berichten weiß, ist das Resultat plumper Übertreibungslust, die Die Innere Zone Unrecht tut.
Keineswegs tut man dem Film aber Unrecht, wenn man ihm 10 Minuten vor Schluss ausmacht. Am Ende möchte die ganze Chose nämlich möglichst gut erklärt werden, weswegen man folgerichtig einen auf denkbar künstliche Weise einen Erklärbären in den letzten Akt pfropft, der den Film mit jedem gesprochenen Wort schlimmer macht. Hier wird einer ordentlich erzählten Geschichte nachträglich Komplexität genommen und ein vernünftiges Drehbuch zum Schluss als ein leeres Versprechen entlarvt. Weniger wäre hier definitiv mehr gewesen. Zudem das auch nichts daran ändert, dass die vorherige Verklettung von pythagoreischer Kosmologie, Verschwörungstheorie und blasigen Andeutungen hin ins Jahr 1969 mit seiner Schweizer Reaktorkatastrophe trotzdem keinen Sinn machen.

Fazit

Regie, Kameraarbeit und natürlich das Setting machen aus Die innere Zone einen eigenständigen, eigentlich guten Film. Schade, dass die Dialoge und das hölzerne Spiel von allen außer Jeannette Hain das positive Gesamtbild immer wieder trüben.
Trotzdem darf man dem Film von Fosco Dubini eine Chance geben – auch wenn man am Ende nicht und zugleich viel zu genau weiß, um was genau es eigentlich ging, ist das Schauen ganz bestimmt keine Zeitverschwendung.

The Event

Drei Jahre lang lagerte das Script von Nick Wauters in irgendeiner Schreibtischschublade, bis es NBC vorgelegt wurde. Der Sender zeigte sich überraschend optimistisch und bestellt in einem Schwung 22 Serienfolgen. Doch The Event ging den Weg der meisten neuen Serien dieses Jahrtausends. War der Zuspruch der Zuschauer während der ersten Folgen noch immens, interessierte sich bald schon niemand mehr, sodass eine zweite Staffel nie bestellt wurde und die Geschichte für immer unvollendet bleibt.
In Deutschland wurde die Ausstrahlung gar nach gerade einmal 6 Folgen aufgegeben. Eigenglich keine üble Entscheidung, denn damit hatte das hiesige TV-Publikum bereits das Beste gesehen.


Honestly, it’s kind of a relief. Want a beer?

Story

Eigentlich wollte Sean seiner Freundin Leila während des gemeinsamen Urlaubs einen Antrag machen. Obwohl die Turteltauben ein ziemlich schräges Pärchen treffen, das ihnen nicht mehr von der Pelle rückt, läuft alles bestens. Bis Leila eines Morgens verschleppt und Sean plötzlich wegen Mordes gesucht wird. Ohne Identität, ohne Zeugen und vor allem ohne Freundin versucht er auf eigene Faust, sich aus der ausweglos scheinenden Situation zu winden und Leila aufzuspüren.
Währenddessen sitzt ausgerechnet Leilas Vater am Steuer eines Flugzeuges, das seinen Kurs ändert und direkt auf das Weiße Haus zuhält.
The Event folgt unter anderem den Geschicken von Sean, Leila und dem US-Präsidenten, die einem großen Geheimnis auf die Spur kommen müssen, das irgendwie mit einer Gruppe von Aliens zusammenhängt, die vor 66 Jahren auf der Erde landeten und von den Vereinigten Staaten in einem Hochsicherheitsgefängnis eingeschlossen wurden.

Kritik

Die Serie startet mit einem fesselnden Einstieg, der mit vielen parallel zueinander verlaufende Handlungssträngen und jeder Menge intelligent platzierten Rückblinden beeindruckt. Das Ganze erinnert zwar sehr an die bekannte 24-Mechanik und macht die Sache deutlich verworrener, als sie in chronologischer Reihenfolge wäre, erfüllt seinen Zweck aber bravourös. Auch in den weiteren Folgen schaffen es eine ökonomische Inszenierung und sich ständig neu überschlagende Ereignisse, Längen zu vermeiden und unangenehme Logikfragen zu unterbinden. Dabei ist die Thriller-Serie mit Science-Fiction-Elementen durchweg professionell und sehr souverän.
Die Fehler, die später immer schwerer wiegen werden, fallen zwar schon im ersten Staffeldrittel auf, werden dort aber von dem zügigen Fortschreiten und der atemlosen Aneinanderreihung knallharter Twists mundtot gemacht.  Dass die ganze Packung auch noch mitreißend ist, obwohl der Zuschauer lange Zeit komplett im Dunkeln darüber bleibt, was überhaupt Sache ist, ist einzig der tollen Regiearbeit zu verdanken. Cliffhanger stapeln sich, wirken aber nie so, als könnte man ohne erzählerische Akrobatik nie wieder aus ihnen herauskommen, wie es LOST ja warnend vorgemacht hat.
Sean Walker als verzweifelter und an seine psychischen Grenzen Getriebener, der nichts mehr zu verlieren hat, wird von Jason Ritter, der hier seine erste bemerkenswerte Rolle hat, gut gespielt und gibt sich alle Mühe, mehr zu sein, als ein Schönling mit Dreitagebart. Sarah Roemer, die seine Freundin Leila gibt, wirkt dagegen häufig etwas überfordert, was aber auch an der Figur liegen könnte, die für ihre komplizierten Verhältnisse einfach zu simpel angelegt ist.
Dass sich die Protagonisten manchmal etwas blöd verhalten, verwehrt der Serie die Cleverness, um die sie sich so offensichtlich bemüht, macht sie – zumindest für den Rezensenten – aber auch zu glaubwürdigen Identifikationsfiguren. Einzig der Präsident ist oftmals zu kurzsichtig, passiv, begriffsstutzig und ahnungslos, um tatsächlich als vermeintlich mächtigster Mann der Welt durchzugehen, obwohl Blair Underwoods Performance durchaus respektabel ist. Er und einige andere machen im Laufe er Handlung allerdings Wandlungen durch, die zweifelsohne notwendig, in ihrer Radikalität aber auch nicht immer nachvollziehbar wirken und teils sogar sehr fragwürdig sind.
Schade, denn durch etwas vorsichtigere Charakterentwicklung hätte man wirklich gute und taugliche Figuren aus ihnen machen können. Besonders bedauernswert ist dies bei Sophia, die als undurchsichtige Anführerin der Aliens lange Zeit eine bemerkenswerte Gratwanderung vollzieht und nie durchscheinen lässt, wie es tatsächlich um ihre Sympathien und Motive bestellt ist.

Sauer mag einem schon früh aufstoßen, dass der nackte Plot eigentlich herzlich simpel ist und nur durch Vorenthaltungen, falsche Fährten und künstliche Hindernisse wirklich interessant wird. Anfangs werden diese Elementel so sorgfältig in die Episoden geimpft, dass die Angelegenheit trotzdem fesselnd ist. Dass dies einzig und allein der Inszenierung und nicht der eigentlich erzählten Story zu verdanken ist, kann man berechtigterweise als Augenwischerei bezeichnen. Aber es ist eben auch eine verdammt spannend erzählte, irre rasante Achterbahnfahrt.
Das Konstruierte und auch der schamlose Diebstahl aus diversen anderen Mystery- und Verschwörungsgeschichten nehmen im Fortgang der Serie noch zu – zwar bleibt es immer spannend, doch tritt die Handlung irgendwann immer weiter in den Hintergrund und lässt etwas actionlastigeren Episoden den Vortritt.
Spätestens dann kann nicht mehr vertuscht werden, dass Tempo und Vielfalt dadurch erkauft werden, dass wirklich jeder nur erdenkliche Sci-Fi-Thriller-Erzählbaustein Verwendung findet. Wie ein heterogenes Flickwerk wirkt die Serie zwar zu keiner Minute, aber eben doch wie das Diebesgut, das sie ist.
Irgendwann im letzten Drittel fangen die Charaktere dann an, vollkommen am Rad zu drehen. Kurzzeitig ist das noch interessant, wenn auch nicht sonderlich originell. Aber auch das hält nur kurz an und schließlich verfliegt all die Arbeit, mehrschichtige Persönlichkeiten aufzubauen, mit einem Windstoß, sobald die zuvor noch angenehm unklaren Fronten und Absichten offenliegen. Um die Handlung voranzubringen werden viele Charaktere, deren Hintergründe zwar nicht komplex, aber doch alles andere als uninteressant sind, mit einem Mal zu stumpfen Plotwerkzeugen ohne nennenswertes Profil. Zusammen mit ihrer Glaubwürdigkeit geht dann auch das Interesse des Zuschauers größtenteils baden. Dialoge, Handlung und selbst die bisher so anstandslose Inszenierung fallen merklich ab. Das liegt keinesfalls nur, aber zu gewissen Teilen eben auch daran, dass die Serie das Mysteriöse verloren hat. Die Ziele der Parteien sind klar, offene Fragen gibt es keine mehr. Am Ende wird dann schließlich ganz auf Logik gepfiffen, so lange im Gegenzug ein halbgarer Überraschungseffekt entsteht.
So ist die Sci-Fi-Serie ein weiteres Ereignis, das unabgeschlossen bleiben wird. Und obwohl der obligatorische Riesen-Cliffhanger am Schluss von Episode 22 ein paar gewaltige Änderungen ankündigt, die verlockend danach klingen, dass die Serie sich in der niemals kommenden Staffel 2 von ihrem Epigonentum lossagt, ist der Zuschauer doch froh, dass es Staffel 2 nie geben wird.
Das Ende ist übrigens ganz schick inszeniert, aber in keiner Weise überraschend. Netterweise sind die einzelnen Handlungsstränge weitestgehend abgeschlossen, sodass man trotz grundsätzlicher Unvollständigkeit seinen Frieden mit The Event machen kann.

Fazit

The Event ist überraschend lange sehr unterhaltsam, fällt dann aber ab und ist schließlich nur noch ein Bruchteil von dem, was es anfangs war. Ein paar Folgen weniger, mehr eigene Ideen und weniger Schwarzweiß-Denken im letzten Drittel hätten aus The Event eine tolle Serie gemacht. So bleibt leider nur routinierte Inszenierung und viel verschenktes Potenzial. Eine Serie, die fantastisch beginnt, sich im späteren Verlauf aber immer mehr wie die späte Phase von Prison Break anfühlt, weil sich herausstellt, dass die Antworten viel uninteressanter sind, als die Fragen klingen.