Die Zeitmaschine

Zur Winterzeit ein Klassiker. Die nachlässig gepflegte Tradition (sofern man bei drei bisher vergangenen Wintern mit einem Traditionsbruch von Tradition sprechen kann) soll auch dieses Jahr fortgeführt werden – und zwar mit George Pals (Endstation Mond) Die Zeitmaschine von 1960.

One cannot choose but wonder.

Story

George ist ein Wissenschaftler mit edlen Motiven und von visionärem Geist, der sich in seiner Zeit ausgesprochen fehl am Platze fühlt. 1899 versammelt er seine Freunde am Neujahrsabend bei sich zuhause, um ihnen zu eröffnen, dass er eine Zeitmaschine gebaut habe. Der Wissenschaftler wird von seinen intellektuellen Gefährten belächelt, seine Offenbarung als ausgeklügelter Scherz abgetan.
Im Anschluss an das Zusammenkommen setzt er sich in seine Zeitmaschine. Er durchzieht die Jahre, rast in die Zukunft hinein und passiert mehrere Kriege, erlebt den Niedergang und das erneute Erstarken der Zivilisation bis er sich schließlich im Jahre 802.701 entschließt, die Reise für eine längere Zeit zu unterbrechen, da er sich in einer paradiesisch anmutenden Umwelt befindet.

Kritik

Die erste 24 Minuten eines Filmes über Zeit, dessen durchschlagendste These es ist, dass Zeit Raum verändert, in einem einzigen Raum abspielen zu lassen, ist die mit Abstand klügste Idee von Die Zeitmaschine. So lange nicht gereist wird, bleibt der Raum starr. Erst, wenn das Neujahr naht, kann der Raum gewechselt werden. Ab dann wird der Film sukzessive schneller. Das erste, noch zurückhaltende Vorauseilen in der Zeit wird begleitet von nachdenklichem Off-Text. Hier setzt sich fort, was bereits den kammerspielartigen Anfang mit seinem prunkvollen Interieur ausmachte. George Pal brilliert in seiner Paradedisziplin, der fließenden Kombination verschiedener Tricktechniken, die ihm im Laufe seiner Karriere mehrere Oscars einbrachte; unter anderem auch für Die Zeitmaschine. Die Liebe zum Detail ist überall sichtbar. Sei es das viktorianische Design der Maschine mit ihren Schneckenverzierungen an einem ehemaligen Friseurstuhl, der penibel gestalteten Drehscheibe und einer Energiequelle aus Kristall – was zur Entstehungszeit des Filmes tatsächlicher Forschungsgegenstand war -, oder die verschwenderisch ausgestatteten Szenenbilder, deren Gestaltung vor allem im letzten Drittel mit einer gänzlich fremden, aber trotzdem natürlich wirkenden Flora imponiert.
Schön anzusehen sind die animierten Aufnahmen, mittels derer das rasche Vergehen von Zeit kenntlich gemacht wird. Dahinschmelzende Kerzen, Huschende Schnecken, Faulende Ungeheuer und eilende Gestirne die 750.000 Dollar teure Produktion überrascht regelmäßig mit ausgefeilten Effekten, die auch heute keineswegs lächerlich, sondern hochgradig charmant wirken. Hervorzuheben ist die pfiffige Idee, das Vergehen der Zeit anhand der sich in Sekundenschnelle wandelnden Mode am alterslosen Leibe einer Schaufensterpuppe zu illustrieren. Da verzeiht man auch die ausführlichen Erläuterungen der vier Dimensionen zu Beginn, die ein Publikum voraussetzen, das von Physik noch nie etwas gehört hat. Doch dies bleibt nicht das einzige Eingeständnis, das ein Zuschauer von heute in Kauf zu nehmen hat.

Inhaltlich gibt man sich anfangs noch offen und erkundungsbereit, reißt Determinismusfragen an, thematisiert Hybris und Naivität, Sinn-, Genügsamkeits- und Verantwortungsfragen gleichermaßen und ohne viel Pathos. Darf man vor Verantwortung fliehen? Welche Gründe für einen Fluchtwunsch könnte es geben und können diese überhaupt von Bedeutung sein? Ist es möglich, dass sie nicht relevant sind?
Leider genügt es dem Sci-Fi-Klassiker nicht, diese Fragen zu stellen und mit ihnen zu spielen, sondern er versucht sich an eindeutigen Antworten.

Der Reisende stolpert mit seiner unzerstörbaren Frisur naiv und blauäugig durch die Zeiten, zieht grundlos Schlüsse und ist ein Meister der Kurzsichtigkeit und blühender Arroganz, dabei voller Vorurteile, um dem Film mit seiner simplen Moraldoktrin gerecht zu werden. Der Stolz auf die Moral und Richtigkeit der frühen 60er in Amerika ist es, die dem Film und seinen Protagonisten plötzlich vom freien Erkunder zum Apostel werden lassen.
Besonders in der eigentlich sehr interessanten Zeit der Morlocks und der Eloi, deren Geheimnis es zu entschlüsseln gilt, kommt dies mit Penetranz zum Vorschein. Damit gibt der Film schädlich präzise Antworten auf die eingangs geäußerten Fragen und versündigt sich gegen die Maxime der Bescheidenheit, die er zuvor selbst noch zur Diskussion stellte.
George entpuppt sich immer stärker als ein vor Eitelkeit strotzender Starrkopf, der mit erhobenem Zeigefinger durch die Fremde läuft und denselben Fehler macht wie jene, die die angeprangerten Kriege und das resultierende Unheil verursachten – er sieht sich als etwas Besseres, fühlt sich überlegen und seine Sicht von Richtig und Falsch als allgemeingültig. Die Zeitmaschine muss sich heutzutage den Vorwurf gefallen lassen, dass sie auf eine schlechte Weise mehr als nur launige Unterhaltung ist. Sie ist ein Film mit einer reaktionären Botschaft, die besagt, dass Arbeit und Obrigkeitshörigkeit gut sind, Müßiggang aber gleichzusetzen ist mit Niedergang und Sittenverfall.
Trotzdem macht Die Zeitmaschine über die volle Dauer Spaß, beherrscht seine fantasievoll erzählte, fesselnde Geschichte mit ruhiger Hand und ist damals wie heute ein unterhaltsames Sehvergnügen, das Abenteuerlust entfacht. Die fragwürdige Moral hinter den Handlungen des vermeintlichen Helden wird vom Film jedoch nicht als solche erkannt, sondern als vorzuziehendes Weltbild verkauft.
Somit fungiert gerade dieser Zeitreisefilm als Zeitkapsel, die eine ungebrochen strahlende Erzähldynamik hat, aber Wertvorstellungen konserviert, die – gemessen an aktuellen, sich selbst als absolute Wahrheit verstehenden Wertvorstellungen – nicht mehr tragbar sind. Und damit wird mit Die Zeitmaschine in heutiger Sicht eine Geschichte über Zeit erzählt, die zur Entstehung des Werks so noch nicht lesbar gewesen ist. An der Romanvorlage von H. G. Wells mag das auch, aber keinesfalls ausschließlich liegen.

Fazit

Vom von Dialogen gesteuerten Anfang über das unruhige Brodeln durch die Äonen hin zu dem formal klassischen Formale in berauschender Kulisse. George Pals Die Zeitmaschine ist selbst eine Reise, die auch heute noch ihr Erlebnis wert ist. Wie ausschlaggebend Zeit ist, zeigt aber auch das fragwürdige Weltbild, das der Hauptcharakter hat und die noch weitaus fragwürdige Handlungsanweisung die der Film im Stillen formuliert. Wer sich dessen bewusst ist und dies vom bloßen Unterhaltungswert zu abstrahieren weiß, kann der Wertung guten Gewissens einen Punkt hinzuaddieren. Wer dies nicht möchte, wird den Film womöglich als latent ärgerlich empfinden – und sollte vielleicht denselben Punkt von der Wertung subtrahieren.

Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All

1969 schrieb Bestseller-Autor Michael Crichton (der auch als Cameo in Andromeda einmal zwischen Weißkitteln stehen darf) den ersten Roman unter eigenem Namen. Zwei Jahre darauf diente dieser als Vorlage für einen Film, der nicht nur als allererster „Bio-Katastrophenfilm“ gehandelt wird, sondern auch zum ersten Mal überhaupt richtige Computeranimationen auf die Leinwände brachte. Und das, obwohl es keine Monster oder ähnliches gibt.

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Story

In der Nähe eines kleinen Dorfes mitten in der Wüste stürzt eine Militärsonde ab. Eine Aufklärungseinheit berichtet von tot auf den Straßen liegenden Dorfbewohner, ehe auch zu ihr der Kontakt verloren wird.
Eilig wird im Geheimen ein Team aus Spezialisten zusammengestellt, um die Lage unter Kontrolle zu bringen und eventuelle außerirdische Erreger sofort einzudämmen und so die gefürchtete Epidemie zu verhindern. Vorort stellen der Trupp jedoch fest, dass die Umstände noch deutlich komplizierter liegen, als man befürchtete. Das Blut in den Leichen ist vollkommen geronnen und ein 6 Monate altes Kind sowie ein 69 Jahre alter Mann haben überlebt.
Man sucht die strenggeheime Forschungsbasis Wildfire auf, um die geborgene Sonde mit den neusten Methoden der Wissenschaft zu untersuchen. Ein Rennen gegen die Zeit, da die tödliche Infektion jederzeit um sich greifen könnte.

Kritik

Der Film verdankt die Geschichte natürlich Chrichtons literarischer Vorlage. Doch ist es nicht die Story, die Andromeda zu einem Erlebnis macht, sondern die ausgezeichnete Regie unter Sci-Fi-Ikone Robert Wise, dem wir auch weitere Klassiker wie Der Tag, an dem die Erde stillstand, West Side Story, Bis das Blut gefriert und nicht zuletzt Star Trek: Der Film zu verdanken haben.
Seinen Status als exzellenter Filmemacher untermauert er in Andromeda mit einer Fülle spannender Regieeinfälle. Das beginnt ganz am Anfang mit der Entdeckung des ersten Toten, dem der Zuschauer nur mittels einer Beschreibung über Funk begegnet, während die Verunsicherung im Gesicht des Funkers abzulesen ist. Das ist weit beunruhigender als so manches Bild eines toten Körpers und dazu ein ungemein effektives Mittel, schon früh die Spannung anzukurbeln.
Fortgesetzt wird dies mit der straff inszenierten Zusammentreibung des Spezialistenteams, die gleichermaßen amüsant und ungeheuer spannend gehalten ist, weil niemand, der zu sehen ist, mit Sicherheit sagen kann, wie die Dinge liegen.
Zwischendurch wird man mit bedrückenden Aufnahmen der Verstorbenen konfrontiert, die mit vollen Einkaufsbeuteln, auf dem Friseurstuhl und am Tiefkühlregal zusammenbrachen. Gezeigt wird dies in einer Splitscreen-Szene, sodass die suchenden Erkunder und deren markerschütternden Funde auf eigene Weise gezeigt werden können. Diese clevere Art der Montage ist prägendes Stilmittel des Filmes. Immer wieder teilt sich das Bild auf und mehrere Impressionen erscheinen. Vor schwarzem Hintergrund spielen sich dann unterschiedliche Dinge ab, die aber ein Ganzes bebildern. Damit bringt der Sci-Fi-Film den enormen Zeitdruck, die Isolation der Hauptfiguren zugleich deren absolute Hilflosigkeit perfekt auf den Punkt.
Auch sonst steckt Andromeda voller guter Ideen, die das Gezeigte fortwährend interessant gestalten. Besonders die mit Überraschungen gespickte Wildfire-Zentrale strotzt vor bemerkenswerten Details. Obwohl die High-Tech-Elemente niemals so abgehoben sind, dass sie völlig aus der Luft gegriffen wirken, macht der unterirdische Stützpunkt oftmals fast den Eindruck eines verwunschenen Zauberschlosses – was sicherlich auch an den Fantasien der 70er-Jahre liegt.
Glücklicherweise belässt man es nicht dabei, den „tödlichen Staub“ – wie der Untertitel es plump auf den Punkt bringt – wie einen x-beliebigen Erreger zu behandeln, sondern sinniert immer mal wieder über mögliche Intentionen von Außerirdischen oder auch die Frage, ob es sich bei ihm um die Aliens selbst handelt, denen es fernlag, die Menschheit zu bedrohen, deren Erscheinungsform aber tragischerweise völlig inkompatibel mit dem menschlichen Organismus ist. So wird nie aus den Augen verloren, wie fremdartig und gefährlich das Objekt der Untersuchungen wirklich ist und auch der Science-Fiction-Hintergrund bleibt fortwährend präsent.

Das wirklich Besondere an Andromeda: Der Film spielt sich fast ausschließlich in dem unterirdischen Labor ab. Gute 90 Minuten beobachten wir die Wissenschaftler dabei, wie sie versuchen, den außerirdischen Fremdkörper zu analysieren. Und somit handelt es sich nicht nur um den ersten Bio-Katastrophenfilm, sondern auch um eines der seltenen Kammerspiele unter den Science-Fiction-Filmen. Die Action findet unter dem Mikroskop statt und trotzdem überschlagen sich die Ereignisse. Das funktioniert besonders deshalb, weil man sich mit den Figuren ebenso viel Mühe gemacht hat, wie mit dem Rest des Filmes. Die Hauptpersonen sind überraschend vielfältige und lebensechte Persönlichkeiten, die mit markanten Verhaltensweisen dafür sorgen, dass das Geschehen nie trocken wird.
Sogar für ein paar gelungene Witze ist der Film sich trotz ernsthafter Thematik nicht zu schade.
Und somit gibt es kaum etwas auszusetzen an Andromeda, außer vielleicht die Tatsache, dass eingangs ein paar Mal zu oft angesprochen wird, dass im Ernstfall eine Selbstzerstörungsfunktion der Anlage ihr atomares Grab schaufelt, weshalb dem Zuschauer viel zu früh und mehr als nur vorbereitet das Finale entlüftet wird. Jenes wird zudem von einigen automatischen Lasergewehren verschärft, die leider Gottes völliger Humbug und damit das einzige nicht durchdachte Element des Filmes sind, der sich ansonsten so abmüht, glaubwürdig zu wirken.
Die kleinen Kratzer können aber nicht verhindern, dass der Schluss ein ungeheuer intensives Finale bietet, das dazu in einen ungewöhnlichen Epilog mündet.

Fazit

Andromeda – Tödlicher Staub aus dem All ist kein bisschen ergraut. Die zeitlose Regie macht den kammerspielartigen Science-Fiction-Film mittels ausgefeilter Kameratechnik, klaustrophobischem Sound und bemerkenswertem Schnitt zu einem wahren Nägelkauer, der die Neuverfilmung vom Science-Fiction Channel aus dem Jahre 2008 in ausnahmslos jeder Hinsicht übertrifft