Unknown Town

Japan-Filmfest Hamburg 2015 Special 4


Maybe

Story

Als Yuji nach Hause kommt und feststellen muss, dass sich ein mit ihm befreundeter Tagedieb bei ihm auf einer eigens mitgebrachten Couch eingenistet hat, ahnt er noch nicht, dass dies noch das mildeste Ereignis der nun kommenden Tage sein wird.
Er, der eigentlich Besuch von einem Familienmitglied erwartet, trifft die unbekannte und sich leicht sonderbar verhaltende Frau Ryoko an seiner Tür. Sie habe, erzählt sie ihm, früher in seiner Wohnung gelebt und erwartet, ihren damaligen Lebensgefährten Goto dort anzutreffen.
Später am Abend glaubt sein ungebetener Gast einen Geist zu sehen. Und damit beginnt eine Verkettung von Ereignissen, in der sich Yuji sehr schnell verliert.

Kritik

Wer bei der Inhaltsangabe einen spröden Geisterfilm nach Schema-F erwartet, wird anfangs schon eines Besseren belehrt – und dabei doch auf eine ganz andere Weise vom Film genarrt. Wir begegnen zwei verschrobenen Charakteren, die mit ihrem gesunden Humor, knackigen Dialogen und ihrer flapsigen, miteinander vertrauten Art eine überraschend lockere und launige Atmosphäre schaffen.
Schon früh gibt Unknown Town seine Stärken preis. Die Gespräche sind ausnahmslos toll geschrieben, bestehen aus treffsicheren, sehr präzisen Alltagsbeobachtungen mit einem Bewusstsein für den Kern von Dingen, wie man es nur in sehr guter Literatur vorfindet, und punkten mit einem feinsinnigen Gespür für Natürlichkeit. Bebildert wird dies von einfallsreichen Collagen einer Kamera, die genau wie die Dialoge ein enormes Talent dafür besitzt, die richtigen Dinge in der richtigen Einstellung zu zeigen. Unknown Town ist ein wahres Stilungeheuer, dabei aber so unaufdringlich, dass einem die Herkunft des Zaubers, den der Film ausstrahlt, erst beim genaueren Nachdenken offenbar wird.

Immer wieder springt die Geschichte hin und her zwischen der Perspektive Yujis und der Ryokos, ohne dass der konkrete Zusammenhang zwischen den beiden Handlungsebenen zur Gänze erkennbar ist. Dadurch wirkt der stilistisch so homogene Film nach einer Weile seltsam zerrissen zwischen der fesselndem Machart und der sehr freien Geschichte. Das jedoch ist nur die Vorbereitung für einen immer größer werdenden Bruch, bis die zu Beginn noch lockere Stimmung ganz in den Hintergrund gerückt ist und einem mit einem Schlag gewahr wird, dass hier etwas ganz anderes, viel Größeres im Gange ist, das nur schwer zu fassen ist. Irgendwann im Verlaufe dieser Metamorphose wird Unknown Town zu einer beunruhigenden, teils David Lynch-artigen Erfahrung, die den Zuschauer so alleine lässt, wie der Protagonist es ist. Das Geschehen wird immer rätselhafter, vermeintliche Tatsachen lösen sich vollends auf und zurück bleibt das Gefühl, das Geschehene nur mit Mühe und trotzdem nur beinahe fassen zu können – wie einen Geist.
Seiner ergreifenden, völlig unprätentiösen Machart bleibt dieser mysteriöse Sonderling aber bis zum Schluss treu. All das ist gleich noch viel erstaunlicher, bedenkt man, dass es sich um das Erstlingswerk einer bisher in der Filmlandschaft überhaupt nicht in Erscheinung getretenen Person handelt.

Fazit

Nach einem lockeren Start erfährt Unknown Town eine Spaltung und wird unterwegs selbst zu einem engimatischen Gespenst. Ein Gespenst jedoch, das voll ist mit aufmerksamen Beobachtungen und einer einzigartigen Liebe zum Detail, inhaltlich und audiovisuell.
Was am Ende bleibt, ist, neben den nachhallenden Eindrücken, der Wunsch, den Film ein zweites Mal zu schauen, um ihm sein Geheimnis abzuringen.

Bedauerlich ist es nur, dass dies einer jener Filme ist, die rasch in der Versenkung verschwinden werden (ein Schicksal, das z.B. auch der Geniestreich Slum-Polis erlitt – der Film hat nicht einmal einen IMDB-Eintrag)… selbst die Recherche nach einem Poster bleibt erfolglos.

Fantasy-Filmfest-Special: Haunter

Wenn man ganz ehrlich ist, sollte man Vincenzo Natali eigentlich als tragisch-klassisches One-Hit-Wonder abtun. 1997 ging Dank Cube ein Raunen durch die Kinowelt. Dann geschah Übliches: Hohe Erwartungen und keine praktische Entsprechung. Cypher war da noch das ambitionierteste Projekt, aber viel zu unausgereift, Splice – Das Genexperiment generisch und ebenfalls nur Durchschnitt, Nothing ein definitiver Tiefpunkt und sein Paris, je t’aime-Beitrag nicht schlecht, aber eben auch nur kurz. Und dann geht’s plötzlich wieder zurück zum Horror – wenn auch ohne Sci-Fi-Elemente und auf völlig anderer Ebene als sein Würfel-Durchbruch, allerdings wieder auf engstem Raum.

Story

Lisa ist ein ganz normales Mädchen in den 80ern. Ihre Familie nervt, ist aber in Ordnung und Musikgeschmack und Kleidung haben die Tendenz zu Dunkel. Außerdem wird sie in einem Tag 16 – und das seit gut einer Woche. Denn derselbe Tag scheint sich wieder und wieder zu wiederholen, was aber nur sie merkt. Im Haus läuft die gleiche Routine immer aufs Neue ab und kann nicht gebrochen werden, und drinnen wogt dicker Nebel mit der Konsistenz von Sahne, der Lisas Handlungsspielraum weiter einschränkt. Als wäre das nicht genug, entdeckt der Teenager immer größere Seltsamkeiten im Haus – und des nachts schleicht etwas Grausiges durch die Flure, während unheimliche Stimmen aus dem Dachboden hallen.
Als Lisa versucht, den Merkwürdigkeiten auf eigene Faust auf den Grund zu gehen, sucht sie ein furchteinflößender Herr heim, der ihr unmissverständlich klarmacht, dass ihr und ihrer Familie schreckliches Leid wiederführe, wenn sie die Dinge nicht sofort auf sich beruhen ließe.
Aber welches 15-jährige Mädchen lässt schon Dinge auf sich beruhen?

Kritik

Man mag es gar nicht glauben, aber Herrn Natali ist doch tatsächlich wieder ein patentes Filmchen gelungen. Kein Überflieger, aber ein solider Genrebeitrag mit großer Freude am Hakenschlagen und bodenständigem Budenzauber.
Anfangs scheint Haunter das Und täglich grüßt das Murmeltier-Rezept um ein paar Haunted House-Zutaten zu bereichern und der aus Little Miss Sunshine bekannten Abigail Breslin ein neues Image verpassen zu wollen. Leider halten sich die Inhaltsangaben dieser Welt nicht zurück und geben unverblümt den ersten großen Twist preis, was das anfängliche Viertel des Filmes ein wenig seines Reizes beraubt. Ganz sicher kann man Haunter attestieren, dass er genau das schafft, was er erreichen will. Es schauert wohlig, man rätselt, wie die Sache wohl aufgelöst wird (und hofft dabei, dass jene Auflösung nicht allzu platt daherkommt) und schaut das ein oder andere Mal vielleicht sogar ein bisschen gespannt aus der Wäsche, weil der Film sich bemüht, stets etwas freaky und unberechenbar zu sein. Auch wenn eigentlich nur altbekannte Spuk-Elemente neu arrangiert werden: Gruselige Kinder, knarrende Dielen und unheilvolle Männer mit grinsender Fratze – Natali scheint in den letzten Jahren recht viel Zeit in diesem Genre verbracht zu haben.
Eine gesonderte Erwähnung verdient Stephen McHattie (Lexx) als ‚Pale Man‘, dessen böse Erscheinung mit starrem Grienen einem tatsächlich Schauer über den Rücken jagt. Aber auch der Rest des Casts glänzt mit überdurchschnittlicher Performance.
Wenn die Katze kurz nach der Mitte dann endgültig aus dem Sack ist, ist der Film aber noch nicht zu Ende, sondern bemüht sich, seine Geschichte schlüssig bis zum Schluss zu erzählen. Und eigentlich ist diese Geschichte natürlich gar nichts Dolles. Was den Film so angenehm spannend und schauderhaft macht, das ist das gute Drehbuch und die Regie, welche viel Fingerspitzengefühl in Gruselszenen beweist und den Alltag umgekehrt sehr beunruhigend darzustellen weiß.

Fazit

Eine schöne Schauermär, die ohne viel Krach und Aufwand eine wohlige Atmosphäre generiert und bis zum Ende gut unterhält. Dass der Plot an sich eine typische B-Movie-Idee ist, macht überhaupt nichts, weil die Sache so geschickt zusammengebaut wurde, dass der Film dort sympathisch wirkt, wo andere des Genres einfältig sind.