15. Japan-Filmfest Special 4
Inagaki Taruho Bücher gelten als unverfilmbar. Wohl auch deswegen, weil der Autor es Zeit seines Lebens jedem Anfragenden untersagte, seine Erzählungen in Film zu stricken. Kaizo Hayashi trat nach dessen Ableben dennoch an seine Tochter heran und bat um Erlaubnis, sein Zweitwerk Miroku zu verfilmen. Nun, 12 Jahre später und 38 Jahre nach dem Ableben des preisgekrönten Autors, ist seine Interpretation des Stoffes zu bestaunen.
Planes are carryieng the seeds of crashes inside them.
Story
Emiru ist ein Junge, der im Japan des frühen 20. Jahrhunderts aufwächst. Sein großer Traum ist es, Schriftsteller zu werden, doch stehen ihm viele Wege offen.
Viele Jahre später ist er tatsächlich Schreiberling, doch ist dieses Dasein nicht annähernd so schillernd, wie der Knabe sich es erträumt hatte. Ein in den Tag hineinlebender Trinker, der alle Hoffnung fahren lassen hat, ist Emiru geworden.
Eines Nachts begegnet ihm ein Dämon und mit dieser Begegnung könnte eine Wende kommen. Ist er Miroku-bosatsu, der Buddha, der in Zehntausenden Jahren die Menschen erlösen soll?
Kritik
Miroku ist durch und durch verkünstlelt. Die Bilder Schwarzweiß, optische Spielereien wohin das Auge sich auch richtet. Die Filmwelt, in die diese Buchwelt umverlegt wurde, ist ein gewaltiger Pool von Details. Im Hintergrund mühsam pumpende Ölbohrtürme, manchmal Pappaufsteller anstatt von Personen, weibliche Pinguine, Scherenschnitt, Stop-Motion und noch mehr. Fortwährend begegnet einem eine Vielzahl hinreißend schöner, mindestens aber beschaulicher Einfälle. Es lässt sich nur erahnen, wieviel von der ganzen stilistischen Verspieltheit reiner Selbstzweck ist – ein Interview, das der Regisseur nach dem Film gab, ließ durchschimmern, dass das auf vieles zutreffen mag. Doch wichtig ist das nicht, es kommt schließlich darauf an, wie sich die Einzelheiten im Gesamtbild machen und wie die individuelle Filmerfahrung ausfällt; nicht darauf, was die Intention des Künstlers war. Und hierzu lässt sich sagen: In seiner Masse mag der inszenatorische Übermut manchmal etwas ermüden, denn die Geschichte dazu ist sehr langsam erzählt und zugleich nicht sonderlich zugänglich, trotzdem aber stets nett anzuschauen und eindeutig das Erlebnis wert. Dass der Film über seine gesamte Lauflänge dann doch etwas zu selbstverliebt daherkommt und sich zudem manchmal in seinem eigenen Stilfanatismus zu verlieren scheint, ist aber nicht von der Hand zu weisen.
Dazu steckt der Film voller Referenzen. Es beginnt mit einer Hommage an Georges Méliès Reise zum Mond, passiert eine liebevolle Nosferatu-Anspielung und endet in der Tatsache, dass das gesamte Werk inszenatorisch ein wenig so tut, als wäre es ein Stummfilm – ohne je einer zu sein.
Diese sich türmenden Zitate, aus denen die Diegese sich Schritt um Schritt und Schnitt um Schnitt zusammensetzt, harmoniert aus sich heraus mit dem großen Spiel mit filmischen Realitäten, an dem Miroku sich versucht. Immer wieder wird man aus der Welt des Filmes rausgeworfen, weil sie so offensichtlich irreal ist, aber genau dies ist es schließlich, woraus diese Welt wiederum entsteht. Sie ist das, was jedes literarische Universum ist, nur viel deutlicher: Ein Flickwerk aus vielem Externen, das durch die Kompilationsarbeit aber etwas eigenes wird. Letztlich das Rezept zum Bau eines Individuums.
In der zweiten Hälfte, wo die Kindheit endet und die Existenz des gebrochenen Ex-Kindes beginnt, vollzieht sich erst einmal ein Bruch. Eine leichte Film Noir-Atmosphäre, dazu passend aus dem Off gesprochene Monologe des trinkenden Tunichtguts, der aus dem Knaben geworden ist.
Dann aber bewegt sich der Film rasch wieder in seine gewohnten Muster zurück und macht weiter, wo er aufgehört hat, um sich immer mehr in einem Aufmerksamkeit fordernden und für westliche Zuschauer nicht leicht zu durchschauenden Geflecht aus westlicher Philosophie, östlicher Mythologie und mundaner Religion zu vergnügen.
Und immer wieder all überall das neckische Spiel mit der filmischen Realität.
Fazit
Miroku ist eine Geschichte mit philosophischen Ambitionen, schleppend und mit einem Bilderreigen erzählt, dem in Sachen verkünstlelter Einfallsreichtum kaum ein Film das Wasser reichen dürfte.
Ob man die Verfilmung der komplexen Literaturvorlage mag oder nicht, hängt davon ab, wie viel geduldige Interpretationswillen, wie viel Offenheit und nicht zuletzt wie viel Schaulust man mitbringt. Neben einer Vielzahl interessanter Aspekte hat sich nämlich die ein oder andere Länge eingeschlichen, zudem ist die Materie in Unkenntnis japanischer Mythologie noch unzugänglicher als sowieso schon.