Es werden zwei DVDs zum Film verlost beim SciFiFilme.net-Gewinnspiel.
Der ecuadorianische Festival-Günstling Sebastián Cordero drehte mit Europa Report seinen fünften und erfolgreichsten Film. Trotzdem darf das Werk nur die Leinwände einiger Festivals besuchen, während ihm eine reguläre Kinoauswertung verwehrt bleibt. Völlig zu Unrecht.
So little space in here. And so much space out there.
Story
Im Jahr 2061 macht sich die Europa One, besetzt mit einer sechsköpfigen internationalen Crew, auf den langen Weg zum Jupitermond Europa, um endlich die Frage zu klären, ob das Wasser, welches unter der Oberfläche des Mondes vermutet wird, vielleicht Leben in sich trägt.
Die Pioniere um den Piloten Willam Xu sind aufgeregt und voller Erwartung. Noch nie hat ein Mensch den Weltraum jenseits des Mondumfeldes bereist.
Weder der monatelange Flug noch die anschließende Landung auf dem Jupiter-Trabanten verlaufen ohne Turbulenzen. Der Funkkontakt zur Erde bricht ab und die Landezone wird um knapp 100 Meter verpasst.
Um die Mission durchführen zu können muss das Schiff außerplanmäßig verlassen werden. Hinzu kommt, dass seit der Landung einiges nicht mit rechen Dingen zuzugehen scheint.
Kritik
Die von Europa Report gewählte Erzählform ist ein ungewöhnlicher Hybrid. Man hat sich auf das (mittlerweile muss man wohl sagen ‚klassische‘) Found-Footage-Verfahren eingelassen, zeigt das Material aber nicht in chronologischer Reihenfolge, verzichtet weder auf musikalische Untermalung noch auf stimmungsgebende Schnitte und fährt sogar Kommentatoren auf. Zu sehen gibt es nicht das rohe Filmmaterial direkt von der Kamera, sondern eine im Nachhinein aufbereitete Version im Stile eines Doku-Dramas.
Das wirkt erst einmal inkonsequent, entpuppt sich im Fall von Europa Report aber als kleiner Geniestreich, denn der Film profitiert von den Vorzügen der ‚Echte-Aufnahmen-Prämisse‘ und umschifft durch den Nachbearbeitungskniff gleichzeitig einige ihrer Probleme.
Dass der Zuschauer das Geschehen nur über die (zahlreichen) Kameras im und am Schiff sowie über die Helme zu sehen bekommt, drückt die Intensität des Gezeigten gewaltig nach oben, während man auf der anderen Seite aber nie das Gefühl hat, Entscheidendes zu versäumen.
Zirka in der Mitte gibt es einen plötzlichen Rückblick ausgerechnet dann, wenn es auf der Mondoberfläche richtig spannend wird. Erste Befürchtungen, der Film nähme damit eine falsche Richtung und drossele die Anspannung im falschen Moment, stellen sich aber bald als verkehrt heraus. Stattdessen gibt es eine der intensivsten und tragischsten Szenen der jungen Sci-Fi-Geschichte. Wegen ihr allein lohnt sich Europa Report schon.
Die Spielzeit beläuft sich auf 87 Minuten, was für einen Film, der sich mit dem Aufspüren außerirdischen Lebens beschäftigt und seinen zudem Figuren viel Platz einräumt, wenig Zeit ist. Dementsprechend hält sich der Science-Fiction-Film nicht mit einer langen Einführung auf und startet direkt mit dem Verbindungsabbruch zur Erde, um dann in ähnlichem schnellem Tempo fortzufahren. Der durchdachten Regie Sebastián Corderos ist es zu verdanken, dass der Film nie gehetzt wirkt und jede Szene schlüssig aus der vorangegangen hervorgeht.
Trotzdem wünscht man sich, dass der Regisseur sich im ersten Drittel doch noch ein paar weitere Minuten genommen hätte, um das Gefühl der Isolation und Ungewissheit der Crew, die ohne Kontakt zur Erde im schwarzen Nichts ins Ungewisse reist, noch stärker wirken zu lassen. Diese Momente kommen wunderbar zur Geltung und hätten gerne vertiert werden dürfen. Opressiv, wie man es vielleicht 2001: Odyssee im Weltraum wohlwollen dunterstellen könnte, wird Europa Report jedoch nie. Von Beginn an kreiert er eine mustergütige Spannung, in der man sich ohne Umschweife tief verliert. Diese wird bis zum intensiven Ende gehalten ist in erster Linie der großartigen Sounduntermalung zu verdanken, die omnipräsent ist, dabei aber kaum auffällt, so harmonisch und natürlich fügt sie sich ins Gesamterlebnis, während sie es eigentlich streng diktiert.
Daneben lebt der Film vor allem von seiner Bodenständigkeit. Europa Report ist Sci-Fi mit hohem Authentizitätsanspruch. Geerdete Charaktere, Technik auf heutigem Stand und eine Geschichte, die auf aktuellen Daten basiert – nämlich der Vermutung von Ozeanen unter der eisigen Kruste auf Europa. Zwei oder drei wissenschaftliche Ungenauigkeiten gibt es trotzdem, doch fallen die erstens nur auf, wenn man mir pedantischen Argusaugen hinsieht, und zweitens nicht ins Gewicht. Weil die Geschehnisse so gekonnt realitätstreu aufgezogen sind, gerät der Moment, in dem die Kapsel auf Europa landet und sich der Brocken erstmalig direkt menschlichen Augen zeigt, fast schon magisch. Auch und weil der Film auf pompöse Inszenierung gänzlich verzichtet.
Es sind viele Andeutungen, die zu Spekulationen einladen, und die guten Schauspieler, die diese Spekulationen aufregend werden lassen. So werden kleine Bilder plötzlich zu etwas viel Größerem. Mehr als einmal erwischt man sich selbst dabei, offenen Mundes zu staunen und gleichzeitig auf ein Anhalten der aktuellen wie auf das rasche Zustandekommen der nachfolgenden Szene zu hoffen. Mit sehr reduzierten Mitteln gelingt es Europa Report, das Gefühl zu transportieren, auf einer gänzlich unbekannten Welt zu sein, die so wundervoll wie unheimlich ist. Tatsächlich stellt sich der Eindruck ein, gemeinsam mit den Astronauten diesen fernen Ort zu erforschen, der plötzlich nicht nur ein wissenschaftlich interessanter Mond in der direkten Nachbarschaft ist, sondern gleichzeitig auch Unvorstellbares und Märchenhaftes, ja schlicht und ergreifend alles bereithalten könnte.
Fazit
Europa Report ist nicht nur ein Film über Mut, Einsamkeit und Verhältnismäßigkeit, sondern auch einer über Träume, Sinn und die Kraft des menschlichen Pioniergeistes. Kleines Spannungskino mit kleiner Geschichte, aber groß erzählt.
Wie so oft ist die Erfahrung umso wirksamer, je weniger der Zuschauer am Anfang weiß. Wer ohne Ahnung und Erwartung an das Sci-Fi-Abenteuer herangeht, dem schenkt es eine der kräftigsten Filmerfahrungen jüngerer Genregeschichte.