Drei Jahre lang lagerte das Script von Nick Wauters in irgendeiner Schreibtischschublade, bis es NBC vorgelegt wurde. Der Sender zeigte sich überraschend optimistisch und bestellt in einem Schwung 22 Serienfolgen. Doch The Event ging den Weg der meisten neuen Serien dieses Jahrtausends. War der Zuspruch der Zuschauer während der ersten Folgen noch immens, interessierte sich bald schon niemand mehr, sodass eine zweite Staffel nie bestellt wurde und die Geschichte für immer unvollendet bleibt.
In Deutschland wurde die Ausstrahlung gar nach gerade einmal 6 Folgen aufgegeben. Eigenglich keine üble Entscheidung, denn damit hatte das hiesige TV-Publikum bereits das Beste gesehen.
Honestly, it’s kind of a relief. Want a beer?
Story
Eigentlich wollte Sean seiner Freundin Leila während des gemeinsamen Urlaubs einen Antrag machen. Obwohl die Turteltauben ein ziemlich schräges Pärchen treffen, das ihnen nicht mehr von der Pelle rückt, läuft alles bestens. Bis Leila eines Morgens verschleppt und Sean plötzlich wegen Mordes gesucht wird. Ohne Identität, ohne Zeugen und vor allem ohne Freundin versucht er auf eigene Faust, sich aus der ausweglos scheinenden Situation zu winden und Leila aufzuspüren.
Währenddessen sitzt ausgerechnet Leilas Vater am Steuer eines Flugzeuges, das seinen Kurs ändert und direkt auf das Weiße Haus zuhält.
The Event folgt unter anderem den Geschicken von Sean, Leila und dem US-Präsidenten, die einem großen Geheimnis auf die Spur kommen müssen, das irgendwie mit einer Gruppe von Aliens zusammenhängt, die vor 66 Jahren auf der Erde landeten und von den Vereinigten Staaten in einem Hochsicherheitsgefängnis eingeschlossen wurden.
Kritik
Die Serie startet mit einem fesselnden Einstieg, der mit vielen parallel zueinander verlaufende Handlungssträngen und jeder Menge intelligent platzierten Rückblinden beeindruckt. Das Ganze erinnert zwar sehr an die bekannte 24-Mechanik und macht die Sache deutlich verworrener, als sie in chronologischer Reihenfolge wäre, erfüllt seinen Zweck aber bravourös. Auch in den weiteren Folgen schaffen es eine ökonomische Inszenierung und sich ständig neu überschlagende Ereignisse, Längen zu vermeiden und unangenehme Logikfragen zu unterbinden. Dabei ist die Thriller-Serie mit Science-Fiction-Elementen durchweg professionell und sehr souverän.
Die Fehler, die später immer schwerer wiegen werden, fallen zwar schon im ersten Staffeldrittel auf, werden dort aber von dem zügigen Fortschreiten und der atemlosen Aneinanderreihung knallharter Twists mundtot gemacht. Dass die ganze Packung auch noch mitreißend ist, obwohl der Zuschauer lange Zeit komplett im Dunkeln darüber bleibt, was überhaupt Sache ist, ist einzig der tollen Regiearbeit zu verdanken. Cliffhanger stapeln sich, wirken aber nie so, als könnte man ohne erzählerische Akrobatik nie wieder aus ihnen herauskommen, wie es LOST ja warnend vorgemacht hat.
Sean Walker als verzweifelter und an seine psychischen Grenzen Getriebener, der nichts mehr zu verlieren hat, wird von Jason Ritter, der hier seine erste bemerkenswerte Rolle hat, gut gespielt und gibt sich alle Mühe, mehr zu sein, als ein Schönling mit Dreitagebart. Sarah Roemer, die seine Freundin Leila gibt, wirkt dagegen häufig etwas überfordert, was aber auch an der Figur liegen könnte, die für ihre komplizierten Verhältnisse einfach zu simpel angelegt ist.
Dass sich die Protagonisten manchmal etwas blöd verhalten, verwehrt der Serie die Cleverness, um die sie sich so offensichtlich bemüht, macht sie – zumindest für den Rezensenten – aber auch zu glaubwürdigen Identifikationsfiguren. Einzig der Präsident ist oftmals zu kurzsichtig, passiv, begriffsstutzig und ahnungslos, um tatsächlich als vermeintlich mächtigster Mann der Welt durchzugehen, obwohl Blair Underwoods Performance durchaus respektabel ist. Er und einige andere machen im Laufe er Handlung allerdings Wandlungen durch, die zweifelsohne notwendig, in ihrer Radikalität aber auch nicht immer nachvollziehbar wirken und teils sogar sehr fragwürdig sind.
Schade, denn durch etwas vorsichtigere Charakterentwicklung hätte man wirklich gute und taugliche Figuren aus ihnen machen können. Besonders bedauernswert ist dies bei Sophia, die als undurchsichtige Anführerin der Aliens lange Zeit eine bemerkenswerte Gratwanderung vollzieht und nie durchscheinen lässt, wie es tatsächlich um ihre Sympathien und Motive bestellt ist.
Sauer mag einem schon früh aufstoßen, dass der nackte Plot eigentlich herzlich simpel ist und nur durch Vorenthaltungen, falsche Fährten und künstliche Hindernisse wirklich interessant wird. Anfangs werden diese Elementel so sorgfältig in die Episoden geimpft, dass die Angelegenheit trotzdem fesselnd ist. Dass dies einzig und allein der Inszenierung und nicht der eigentlich erzählten Story zu verdanken ist, kann man berechtigterweise als Augenwischerei bezeichnen. Aber es ist eben auch eine verdammt spannend erzählte, irre rasante Achterbahnfahrt.
Das Konstruierte und auch der schamlose Diebstahl aus diversen anderen Mystery- und Verschwörungsgeschichten nehmen im Fortgang der Serie noch zu – zwar bleibt es immer spannend, doch tritt die Handlung irgendwann immer weiter in den Hintergrund und lässt etwas actionlastigeren Episoden den Vortritt.
Spätestens dann kann nicht mehr vertuscht werden, dass Tempo und Vielfalt dadurch erkauft werden, dass wirklich jeder nur erdenkliche Sci-Fi-Thriller-Erzählbaustein Verwendung findet. Wie ein heterogenes Flickwerk wirkt die Serie zwar zu keiner Minute, aber eben doch wie das Diebesgut, das sie ist.
Irgendwann im letzten Drittel fangen die Charaktere dann an, vollkommen am Rad zu drehen. Kurzzeitig ist das noch interessant, wenn auch nicht sonderlich originell. Aber auch das hält nur kurz an und schließlich verfliegt all die Arbeit, mehrschichtige Persönlichkeiten aufzubauen, mit einem Windstoß, sobald die zuvor noch angenehm unklaren Fronten und Absichten offenliegen. Um die Handlung voranzubringen werden viele Charaktere, deren Hintergründe zwar nicht komplex, aber doch alles andere als uninteressant sind, mit einem Mal zu stumpfen Plotwerkzeugen ohne nennenswertes Profil. Zusammen mit ihrer Glaubwürdigkeit geht dann auch das Interesse des Zuschauers größtenteils baden. Dialoge, Handlung und selbst die bisher so anstandslose Inszenierung fallen merklich ab. Das liegt keinesfalls nur, aber zu gewissen Teilen eben auch daran, dass die Serie das Mysteriöse verloren hat. Die Ziele der Parteien sind klar, offene Fragen gibt es keine mehr. Am Ende wird dann schließlich ganz auf Logik gepfiffen, so lange im Gegenzug ein halbgarer Überraschungseffekt entsteht.
So ist die Sci-Fi-Serie ein weiteres Ereignis, das unabgeschlossen bleiben wird. Und obwohl der obligatorische Riesen-Cliffhanger am Schluss von Episode 22 ein paar gewaltige Änderungen ankündigt, die verlockend danach klingen, dass die Serie sich in der niemals kommenden Staffel 2 von ihrem Epigonentum lossagt, ist der Zuschauer doch froh, dass es Staffel 2 nie geben wird.
Das Ende ist übrigens ganz schick inszeniert, aber in keiner Weise überraschend. Netterweise sind die einzelnen Handlungsstränge weitestgehend abgeschlossen, sodass man trotz grundsätzlicher Unvollständigkeit seinen Frieden mit The Event machen kann.
Fazit
The Event ist überraschend lange sehr unterhaltsam, fällt dann aber ab und ist schließlich nur noch ein Bruchteil von dem, was es anfangs war. Ein paar Folgen weniger, mehr eigene Ideen und weniger Schwarzweiß-Denken im letzten Drittel hätten aus The Event eine tolle Serie gemacht. So bleibt leider nur routinierte Inszenierung und viel verschenktes Potenzial. Eine Serie, die fantastisch beginnt, sich im späteren Verlauf aber immer mehr wie die späte Phase von Prison Break anfühlt, weil sich herausstellt, dass die Antworten viel uninteressanter sind, als die Fragen klingen.