Die unglaubliche Geschichte des Mister C.

Jack Arnold ist der Mann hinter einer Reihe von Klassikern. Dazu zählt die Arachnophobie-Fantasie Tarantula (übrigens mit Clint Eastwood in seiner ersten Rolle), der in vieler Hinsicht außergewöhnliche Sci-Fi-Klassiker Gefahr aus dem Weltall und manches mehr.
Die unglaubliche Geschichte des Mister C. wird gemeinhin besonders hoch gehandelt.


We’ll go back to the doctor tomorrow. I’m sure he’s got a pill for it.

Story

Vorzeigeehepaar Carey lässt sich während einer Bootstour die Sonne auf den Bauch scheinen, als plötzlich eine seltsame Nebelwand mit hoher Geschwindigkeit anrückt. Die unbescholtenen Durchschnittsamerikaner messen dem Vorfall keine Bedeutung bei, bis Ehemann Scott eines Tages mit Verwunderung feststellen muss, dass Hemd und Hose nicht mehr passen.
Was Gattin, Arzt und auch er selber nicht wahrhaben wollen, lässt sich bald nicht mehr leugnen: Scott schrumpft langsam aber unaufhaltsam.
Zuerst sorgt das Phänomen für Aufregung in Medizinerkreisen, mit Fortschreiten des Prozesses werden aber auch die sensationslüsternen Medien auf ihn Aufmerksam.
Mit jedem verlorenen Zentimeter wird Scott verbitterter. Hilfsmittel des Alltags werden zu Fallen und die niedliche Hauskatze zum kreischenden Monstrum, wenn man, groß wie eine Maus, die Welt so sieht, wie einst Gulliver im Lande Brobdingnag. Das wahre Abenteuer des Mr. Carey beginnt aber, als er – mittlerweile kaum größer als ein Fingerglied – durch einen Unfall im Keller landet. Während alle ihn für Tod halten, muss er in der widrigen Kellerwelt um sein Überleben kämpfen.

Kritik

Der Film ist porentief klassisch. Das fängt bereits an mit dem angenehm abstrakt aufgezogenen Vorspann an, der daran erinnert, was für ein Verlust der sich immer weiter etablierende Verzicht auf ebendiesen in unserer Zeit ist. Ebenso klassisch ist die Überblende auf das Meer, der entspannte Ich-Erzähler wie der erste goldige Special-Effect des Filmes, der in Minute 3 als sich rasch nähernde Wolke klarmacht, wieso das vormals so entspannte Wellenrauschen plötzlich von bedrohlicher Musik überlagert wird.
Die manchmal an gute Stummfilme erinnernde Musik ist klassisch. Der Aufbau ist klassisch. Sobald die gewiefte, aber im Grunde treu ergebene Ehefrau das Deck verlassen hat und der namensgebende Mister C. alleine ist, ist Platz für das Mysterium. Und ja, der letzte Satz nimmt es vorweg, auch die Geschlechterrollen sind klassisch. Die Frau führt das Ruder im Hause, der Mann auf dem Boot. Dennoch ist die Dame alles andere als passiv und durchaus schlagfertig.
Machen wir uns nichts vor, die ganze Geschichte ist ebenso klassisch.
Kunst ist ein Merkmal ihrer Zeit – und gerade ein technisch fundiertes Medium wie Film kriegt über die Dekaden rasch einige hässliche Falten, wird lahm, grau, langweilig und kramt die gleichen alten Kamellen wieder und wieder hervor. Dass Die unglaubliche Geschichte des Mister C. mehr als ein halbes Jahrhundert hinter sich hat, merkt man seinem Plot natürlich an. Die – von eben diesem Film losgetretene – Welle der Protagonisten, deren Körpern Seltsames widerfährt, hielt erstaunlich lange an, irgendwann hatte sich das Publikum aber auch daran sattgesehen. Im selben Jahr drehte B-Film-Fetischist Bert I. Gordon die Prämisse übrigens einfach um und ließ seinen Protagonisten in Der Koloß durch Radioaktivität zum Giganten werden.

Was den Science-Fiction-Oldie so zeitlos macht, sind die inneren Werte und die zackige Inszenierung. Man wundert sich nicht darüber, dass Mister C. eine unglaubliche Geschichte erlebt, sondern darüber, wie viel neues jede Szene besonders in der ersten Hälfte zu bieten hat und mit welch hohem Tempo sich die Veränderung des Protagonisten vollzieht. Fast schon atemlos ist der Film, obwohl der sich stets die nötige Zeit für die wichtigen Details nimmt. Die Kunst ist aber, dass Entwicklung und glaubwürdiges Detail sich nicht abwechseln, sondern dass sie simultan gezeigt werden. So flutschen die 81 Minuten über den heimischen Bildschirm und man fühlt sich die ganze Zeit über bestens unterhalten.
Dabei lässt sich der Film nicht dazu hinreißen, permanent große Objekte neben der kleinen Hauptperson aufzustapeln, um zu zeigen, wie überzeugend man doch tricksen kann. Stattdessen, werden psychischen Folgen des Prozesses beleuchtet. Scott ist frustriert und verzweifelt, da er ohne eigenes Verschulden diesem Prozess ausgesetzt wurde, auf den er nur mit Trotz und Wut reagieren kann. Beachtenswert ist nicht nur, wie notwendige Kleinigkeiten unverkrampft in die Handlung gelegt werden, sondern auch, wie geschickt und ökonomisch einem die Figuren nahegebracht werden. Wenn in Minute 20 die häusliche Krise in einem Weinkrampf von Ehefrau Lou endet, wirkt das authentisch und bedrückend. Schön auch, wie der Zuschauer die Welt nicht nur optisch, sondern auch akustisch wahrnimmt.
Der ungewohnt nachdenklicher Kommentar aus dem Off, der augenscheinlich seinen Memoiren entstammt, trägt sein Übriges dazu bei, neigt an einigen Stellen aber auch zu Redundanz – die typische Krankheit dieses Stilmittels. Unnötig ist es aber nicht, zum einen lockert es den langen Kelleraufenthalt auf, der gänzlich ohne Dialoge auskommen muss, zum anderen rückt das Ende den Ich-Kommentar in ein sehr interessantes Licht.
Wer möchte, kann aus Jack Arnolds Adaption natürlich eine politische Botschaft herauslesen, schließlich handelt es sich um einen Science-Fiction-Film der 50er, in dem Amerikas Angstneurose zwangsläufig Platz finden muss. Der radioaktive Nebel, der das makellose Pärchen auf einer idyllischen Bootstour überrascht und auf fantastische Weise mit einem Insektizid wechselwirkt, spricht eine Deutliche Sprache. Aber auch der unangenehme Medienrummel, der dem Protagonisten die Privatsphäre fast vollständig nimmt, ist purer Zeitgeist.

Obwohl die Größenrelationen nicht immer ganz stimmen und der Film ab und zu ein wenig schummelt – wenn Scott (bereits stark verkleinert) zum Beispiel in der Lage ist, eine große Lampe zu Fall zu bringen, aber nur mit Mühe einen Nagel heben kann – ist er doch sehr bemüht, alles richtig zu machen und die riesige Welt der Menschen authentisch darzustellen. Trotzdem verliert der Film merkwürdigerweise gerade dann etwas an Spannung, wenn Scott auf sich allein gestellt in der gefahrvollen Kellerwelt zurechtkommen muss. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Bilder zwangsläufig statischer sind, damit man den Däumling möglichst unauffällig hineinkopieren konnte. Andererseits passt die Art der Darstellung hervorragend zum Gemütszustand des Helden. Die Tatsache, dass die soziale Komponente und die damit einhergehenden Probleme wegfallen und dem reinen und einsamen Abenteuer weichen, ist aber auch nicht ganz unschuldig. Dieses ist weiterhin ausgezeichnet inszeniert, trotzdem wirkt der Film in seiner zweiten Hälfte an manchen Stellen beinahe wie ein Stummfilm.
Dem und dem etwas zu melodramatischen Monolog während der Präparierung zum Trotz hat der finale Kampf gegen das monströse Spinnenbiest aber in sich. Auch sonst kann man sich vor der technischen Leistung in fast allen Fällen auch heute noch verneigen. Das gelungene Spiel mit der Perspektive und die riesenhaften Requisiten schaffen eine Welt, die man dem Film nur zu gerne abnimmt. Und zu sehen, wie die Umgebung des Alltags plötzlich zur tödlichen Abenteuerlandschaft wird, ist damals wie heute faszinierend aufregend.
Das Ende kommt schnell, ist konsequent, für einen Film, der auf den ersten Blick von seinen Effekten von sich reden machen will, von ungewöhnlich philosophischer Färbung und wirkt vor allem nach. Hier macht sich am ehesten bemerkbar, dass es sich bei Die unglaubliche Geschichte des Mister C. um eine Literaturverfilmung handelt, für deren Drehbuch der Autor des Originalstoffes verantwortlich war.
Klassisch ist übrigens ebenfalls, dass die Darsteller auf einer Tafel im Abspann Erwähnung finden, nicht aber diejenigen, die sich für die Umsetzung des Ganzen verantwortlich zeichnen. Und weil es so schön ist: in bester klassischer Gesellschaft ist natürlich auch der ellenlange deutsche Titel des Filmes, der im Original The Incredible Shrinking Man genannt wird. Aber diese deutsche Eigenheit war war Jack Arnold dank Metaluna IV antwortet nicht ja schon gewohnt, wobei zugestanden werden muss, dass auch die englischen Originalnamen des Herren keine Sternstunden der Titelgebung waren.

Fazit

Die unglaubliche Geschichte des Mister C. wird nicht zu Unrecht von vielen als das wegweisende Werk von Jack Arnold gehandelt. Die Mischung aus Drama und fantastischen Elementen in der ersten Hälfte ist famos, der Abenteuerpart in der zweiten vielleicht ein wenig angestaubt, aber fraglos immer noch sehr sehenswert.
An der Kinokasse gescheitert, wurde die Geschichte vom werdenden Winzling nachträglich eine Berühmtheit und wer den Film heute sieht, der weiß auch warum.

Der Omega-Mann

Richard Mathersons Roman I Am Legend (im Deutschen: Ich bin Legende) kappte erstmals die okkult-mystischen Wurzeln des Vampirismus und stellte ihn als gewöhnliche Krankheit mit außergewöhnlichen Folgen dar. Ganze viermal wurde das Buch bis heute verfilmt. Zuerst 1964 unter dem Namen The Last Man on Earth mit Vincent Price in der Hauptrolle, das letzte (erwähnenswerte) Mal 2007 mit Will Smith als getriebener Wissenschaftler. Die wohl populärste Umsetzung des Stoffes aber dürfte Der Omega-Mann von Boris Sagal sein.

Story

Ein verheerender Krieg zwischen China und der UDSSR macht der Menschheit quasi ein Ende. Biologische Kampfstoffe haben die Mutation eines Bakterienstammes bewirkt, der beinahe alle hingerafft hat. Nur Robert Neville, ein ehemaliger Wissenschaftler im Militärdienst, überstand den großen Reset unbeschadet, da er sich rechtzeitig ein Antiserum injizierten konnte.
Alle weiteren Menschen, die nicht ihren Tod durch die Epidemie fanden, mutierten langsam zu lichtscheuen Wahnsinnigen, deren postzivilisatorische Gesellschaft nachts marodierend durch die Stadt zieht und die neue Weltordnung preist, während gebrandschatzt wird, was das Zeug hält. Die sektenartige Gruppierung, die sich selbst „Die Familie“ nennt, hegt tiefen Groll gegen sämtliche moderne Technik als Auslöser der Zeitenwende und hat den letzten Überlebenden als ihre Nemesis auserkiesen.
In den dunklen Stunden verschanzt sich Neville daher in seinem von Licht durchfluteten Appartement und gibt sich Mühe, nicht gelyncht zu werden.
Am Tage streift er ziellos durch die Stadt. Die meiste Zeit sitzt er in einer der vielen herrenlosen Luxuskarossen und braust mit Höchstgeschwindigkeit durch verwaiste Straßenschluchten. Er plündert, trinkt, schaut in leeren Kinos Filme, die er lange schon mitsprechen kann, und debattiert mit imaginierten Mitmenschen, um so etwas wie Alltag zu erschaffen. Der Überlebenskampf ist längst schon Routine und die größte Gefahr liegt in der Einsamkeit, die ihn langsam aber unaufhaltsam um den Verstand zu bringen scheint.

Kritik

Da die jüngste Interpretation mit Will Smith den meisten vermutlich am deutlichsten im Gedächtnis ist, bietet sich ein Vergleich natürlich an. Statt Smith, der seinerzeit mit entblößter Rückansicht für Furore sorgte, ist es nun der in die Jahre gekommene Charlton Heston, der weniger durch Coolness und mehr durch seinen abgeklärten Zynismus auffällt. Hestons Spiel ist ein wenig extrovertierter, was den in ihm keimenden Wahnsinn aufgrund der Desozialisation effektiv zur Geltung bringt.
Auch sind die nächtlichen Schrecken keine auf ihre Instinkte reduzierten Zombies, sondern weiterhin Menschen mit einer stark an Albinismus erinnernden Krankheit, die in erster Linie aufgrund ihrer kollektiven Psychose als Bedrohung wahrgenommen werden. Ihre Art, sich zu bewegen, und die Kutten, in die sie sich hüllen, erinnern aber recht schnell daran, dass es sich in der Vorlage um Vampire handelt. Ebenfalls wurde dem Buch der charismatische Anführer entliehen, der die ewig kichernde Meute der Mutierten koordiniert und von Lincoln Kilpatrick mit herrlich diabolischer Attitüde verkörpert wird.
Der größte Unterschied ist aber schlicht und ergreifend die Erzählweise selbst. Ist Francis Lawrences I Am Legend mehr Stimmungsbild und Momentaufnahme, so bemüht sich Der Omega-Mann, in seinen 98 Minuten neben der Charakterstudie Nevilles möglichst viel Geschichte unterzubringen. Eingestreute Medienberichte und Rückblenden klären den Zuschauer zudem über die Hintergründe und den Verlauf der Katastrophe auf und bringen ihm zugleich die Hauptperson näher.
Die verschiedenen Charaktere wurden passend besetzt und schaffen es auch in kurzen Szenen, durch ausdrucksstarkes, aber nie übertriebenes Spiel, das Notwendige zu vermitteln. Ein gesondertes Lob haben sich die sehr pointierten Dialoge verdient. Überhaupt gibt es handwerklich genauso wenig zu bemängeln wie auf inhaltlicher Seite. Wenige Schwenks und viele Zooms, insbesondere von Großaufnahmen zu Totalen, unterstreichen gerade am Anfang des Filmes die zersetzende Einsamkeit, die den Wissenschaftler Tag für Tag umgibt.

Einer der interessantesten Aspekte ist die musikalische Untermalung.
Seien es die verfremdeten Orgelklänge, die eine angenehm schaurig-morbide Atmosphäre kreieren, oder die treibenden, jedoch keineswegs aufdringlichen Synthesizermelodien, die eine ganz eigene Beschwingtheit hervorrufen, welche aber anstandslos mit dem apokalyptischen Bild harmoniert. Irgendwie rufen der gesamte Score und die von ihm verursachte Stimmung Erinnerungen an die Arbeit von Sergio Leones Stammkomponisten Ennio Morricone wach, der zuvorderst durch seine Arbeit an der unvergesslichen Dollar-Trilogie unsterblich wurde. Ron Grainer, der Komponist von Der Omega-Mann, stellte hier unter Beweis, welch außerordentliches Geschick und hervorragendes Gespür er dafür besitzt, den richtigen Ton zur richtigen Zeit erklingen zu lassen.

Fazit:

Der Omega-Mann ist die kurzweilige und äußerst stilsichere Geschichte einer Welt, die in den 1970ern ihr Ende fand. Dabei ist der Scifi-Film trotz Aktualität nicht vollends zeitlos, aber gerade wegen der spürbaren Verhaftung in seiner Ära absolut sehenswert.
Typisch für das Datum seiner Herstellung sind die sozialkritischen Kommentare, die steife Kameraführung und natürlich die Frisuren sowie die Tatsache, dass auch die schlimmsten Dinge mit der richtigen Musik groovy sein können. Dass der Film fraglos Kind seiner Zeit ist, kann und will er nicht verbergen. Dessen ungeachtet ist das Kultwerk ausgezeichnet gealtert und auch heute noch völlig beschwerdefrei zu genießen. Einzig die actionhaltigeren Abschnitte wirken aus heutiger Sicht ein klein wenig unbeholfen.