Eolomea

Erstaunlich ist es, was unter der Schirmherrschaft der DEFA alles entstanden ist. Neben famosen Dokumentationen wie Rangierer, Bergmänner oder Wer fürchtet sich vor’m schwarzen Mann gab es auch immer wieder Spielfilme aus dem Filmland DDR, die so überraschend, frisch, wagemutig und schlicht gut waren, dass man meinen könnte, all die Probleme dieses diktatorisch regierten realsozialistischen Staates irgendwo in Mitteleuropa hätten, wenn die Möglichkeit zum künstlerischen Ausgleich gegeben war, die Energien für großes künstlerisches Schaffen freisetzen können.
Unter diesen bemerkenswerten Filmen gibt es (gottseidank) auch Science-Fiction. Einer dieser Handvoll an Genreausflügen ist der poetische Eolomea von Regisseur Herrmann Zschoche.

Anmerkung: Es existiert im Augenblick leider kein angemessener Trailer im Internet, sondern nur eine mäßige Schwarzweiß-Version. Stattdessen gibt es hier die Anfangsszene zu bestaunen.
Er hat noch nie die Flüsse gesehen. Und die Wälder.

Story

Im direkten Umfeld der Raumstation Margot gehen Raumschiffe verschollen. Wieder und wieder. Als das achte Schiff in kürzester Zeit seinen Kontakt zur Erde abbricht, tritt ein Rat zusammen und erteilt ein Startverbot für sämtlichen interstellaren Verkehr. Interessengemeinschaften beharken sich gegenseitig, Theorien werden geboren und direkt wieder verworfen. Niemand hat eine Idee, was hinter dem mysteriösen Abhandenkommen der Schiffe samt Crew stecken könnte.
Dann bricht auch noch der Funkkontakt zur selbst Margot ab. Die Wissenschaftlerin Maria Scholl versucht, das intrigante Durcheinander zu durchschauen und macht sich auf die Suche nach Wahrheit.
Unterdessen, weit entfernt, schlagen sich Kapitän Danial Lagny und sein Lotse Olo Tal auf ihrem Raumschiff in der Nähe eines mit persönlichen Quälereien, Dienst nach Vorschrift und Regelverstößen rum.

Kritik

„Und nie wieder Kosmos! Nie wieder!“, johlt ein Mann und lässt sich rückwärts in die Wellen des Meeres fallen. Schnitt in den Vorspann: Sternennebel und ein Soundgewand, das sich irgendwo zwischen träumerischer Lounge.-Musik, Free Jazz und ein wenig Synthiegedudel austobt.
Was geschieht da? Die DEFA geschieht.

Eolomea fällt, abseits des zu lallenden und trotzdem schlecht einprägsamen Namens, weniger durch Einzeldinge auf als vielmehr durch deren geschickte Kombination. Weltraumfahrt ist an der Tagesordnung, fast täglich scheinen Schiffe jeder Art in die weite, aber auch schrecklich leere Schwärze des Alls aufzubrechen. Die Erde hat einfach nur den Bereich ausweiten können, in dem repetitive Arbeit unter fragwürdigen Bedingungen ausgeführt wird. Wecker stehen auf den Tischen dieser Schiffe und misslingender Funkverkehr quittiert sein eigenes Scheitern mit einem analogen Besetztzeichen. Die Szenenbilder sind teils putzig, die Ausstattung immer überzeugend, bisweilen aber nur gerade so noch glaubwürdig. Dass man nicht aus einem endlosen Geldfüllhorn schöpfen konnte, um den Film zu verwirklichen, ist ohne größere Mühe zu erkennen, aber keinesfalls ein Problem. Denn die Geschichte entspinnt sich nicht in üppigen Prachtbildern, sondern ganz natürlich aus vielen Gesprächen, die in tollen langen Einstellungen fotografiert sind und in erster Linie fantastisch geschrieben sind. Man hängt den Figuren schon in kürzester Zeit gebannt an den Lippen, wenn sie allesamt auf ihre charakteristische Weise Zynismus, Grübelei und Alltagsgeplänkel verbinden und mit philosophischen Exkursen versehen. Auf diese Weise vermittelt Eolomea immer mehr Details über den Zustand der Welt dieser Zukunft, sodass sich nach und nach ein erstaunlich klares Bild von Gesellschaft und politischer Situation ergibt, obwohl man von beidem nur Bruchstücke zu sehen bekam. Das mag trocken oder sogar aufgesetzt klingen, ist aber nichts davon, sondern einfach nur unaufdringliches, sehr angenehmes Konversationskino, das einen nach den ersten Sätzen mitzunehmen weiß.
Dabei springt die Erzählung hin und her zwischen den beiden Freunden Daniel und Olo an Bord ihres Raumschiffs, die eine sehr milde Form von Obrigkeitszweifel praktizieren, und der Erdprotagonistin Professor Maria Scholl, die dem Geheimnis auf den Grund zu gehen versucht. Aber nicht nur räumlich wird ein Spagat vollzogen, auch zwischen Gegenwart und Vergangenheit springt der Film immer wieder hin und her. Damit wird neben weiteren Einblicken in den Alltag und Zustand der Zukunft außerdem auch etwas Urlaubs- und sogar Agentenatmosphäre geliefert, die sich ebenso harmonisch ins Ganze fügt wie der Rest.

Sowohl an der Soundkulisse als auch an der Kameraführung von Günter Jaeuthes entzünden sich hie und da fantastische Ideen und immer wieder blitzen feine inszenatorische Einfälle durch, die das sowieso schon lockere Geschehen mit ästhetischem Fingerspitzengefühl noch weiter auflockern und manchmal sogar ein andächtiges Schaudern hervorrufen.
Das heimliche Highlight des Filmes ist aber ein Kurzauftritt des Roboters Nr. 0560, der nicht nur ein hinreißend provisorisches Aussehen vorzuweisen hat, sondern vor allem auch den insgeheimen Gipfel der sowieso schon alles andere als ironiebefreiten Dialoge erklimmt und darüber hinaus wohlig an Robby aus Alarm im Weltall erinnert.

Fazit

Stimmungsvolle Bilder, spannende Charaktere mit Profil, eine sich schlüssig entfaltende Geschichte und vor allem fantastisch geschriebene Gespräche, die all das zusammenhalte, sorgen auch heute noch für großes Sehvergnügen. . Eolomea ist also  dialoglastiger, aber nicht geschwätziger Science-Fiction-Film mit mutigen Ansätzen in einer gewieft erdachter Welt spielend – das ist tatsächlich etwas, das heute nur schwer vorstellbar ist.

Apollo 18

Apollo 18 vom Spanier Gonzalo López-Gallego war kurz vor Kinostart relative gut beworben und nahm auch einige Leinwände mit. Ganz im Gegenteil zu dem zuvor gedrehten Survival-Thriller The King of the Mountain oder dem nachfolgenden Zombiestandard Open Grave.
Warum gerade der Mondhorror so viel Aufmerksamkeit bekam, kann nur das halbwegs frische Setting erklären, nicht aber der Film als Gesamtpaket.

I can’t believe you haven’t heard that story.

Story

Strenggeheime stille Post im Dezember des Jahres 1974: Das US-Verteidigungsministerium sagt der NASA, sie sollen ein paar Astronauten auf einer Party anrufen und ihnen mitteilen, dass eine Mondlandung mit ihnen bevorstünde. Verraten werden dürfe das aber keinem.
So machen sich Captain Ben Anderson, Commander Nathan Walker und Lieutenant Colonel John Grey also auf in ihre Rakete und auf die Mondoberfläche. Im Gepäck sind allerhand Kameras.
Auf dem Trabanten angekommen, häufen sich die unheimlichen Vorfälle und es drängt sich die Frage auf, warum die ganze Geheimnistuerei Seitens der guten alten Regierung eigentlich notwendig ist. Und dann stellen die patriotischen Mondmänner fest, dass sie dort oben nicht alleine sind.

Kritik

Es ist ein nettes Mittel, Personen über eine Charakterisierung in Form eines Voice-Over-Rückblicks zu etablieren, ohne sie dabei gleich als minderbemittelt vorzuführen, weil sie versteckte Vorstellungsmonologe aufsagen. Das gilt auch und insbesondere in einem vermeintlichen Found-Footage-Film. Wenn die Figuren aber einerseits trotzdem vollkommen (auch untereinander) austauschbar bleiben und der FOund-Footage-Film genaugenommen nur ein Footage-Film ist, der sich aus beliebigen Kameraaufnahmen bedient, darf man kurz skeptisch werden.
Letzteres macht der Apollo 18 dann auch geschickt zu einem riesigen Problem für den Film; nicht wegen der fraglichen Logik, wieso überhaupt so eine Collage über einen so tragischen wie geheim zu haltenden Einsatz angefertigt und nachträglich auch eindeutig verändert wurde, sondern weil die vielen verrauschten Bilder mit teils arg heterogenem Bild unzusammenhängend, wahllos und viel zu schnell aufeinanderfolgen und so besonders die ersten Minuten zu einem Stresstest werden lassen. Die Handlung selbst straft die Inszenierung Lügen, denn zu sehen gibt es lange Zeit gar nichts Spannendes außer eingeübte Astronautenroutine im Zeitraffer. Wenn jemand „No words can describe how it feels to be here.“ keucht, und der Zuschauer grelle Milchigkeit aus einer alles verdeckenden – gäbe es denn was zu verdecken – Perspektive aufgetischt bekommt, fühlt man sich um mehr als nur den Ausblick betrogen.
Doch muss man dem Prinzip zugutehalten, dass es einen nicht uninteressanten Effekt auf den Zuschauer ausübt, wenn die Hektik nicht durch die – unspektakulären – Geschehnisse, sondern den Wechsel der Perspektiven erzeugt wird. Das Gewitter an Perspektivwechseln ist mit normalem Schnitt nämlich kaum zu vergleichen.

Ein wenig spannend, oder besser: stimmungsvoll, wird es dann trotzdem nach einer Weile, und das ausgerechnet, weil man beginnt, das eh schon fragwürdige Footage-Konzept immer fahrlässiger umzusetzen, indem Aufnahmen gemacht werden, für die ein Kameraführender keinerlei Anlass gehabt hätte. Hier wird nicht für einen fiktionalen Adressaten in der Filmwelt, sondern für uns, den Zuschauer gefilmt. Und damit entlarvt sich dann vollends, dass es keine dramaturgischen Gründe für das gerade wieder abebbende Subgenre gab, sondern nur finanzielle und manipulative– plus die Tatsache, dass man beliebig viel mit der Kamera wackeln darf. Dass trotzdem versucht wird weiszumachen, das alles wäre authentisches Material, ist ein kleiner Akt an Frechheit gegenüber der Wahrnehmungsfähigkeit des Zuschauers.
Die Story läuft dabei aber nach klassischem Muster ab, nur dass man dieses rapide beschnitt und die meist Zeit einfach nichts passiert, was sich doch sehr auf den grundsätzlichen Unterhaltungswert auswirkt. Zwischen all dem Leerlauf zählt das Weltraumfahrer-Duo (Nummer drei wartet im Orbit) dann kurz das allen bekannte Sci-Fi-Horror-Alphabet auf, lässt die Sache beim Buchstaben D aber wieder sein und begnügt sich damit, noch ein bisschen auf der Stelle zu stehen.

Viele Dinge sind nicht etwa vorhanden, weil sie Nützlich für die Narration wären, sondern um andere, später auftauchende Filmelemente zu rechtfertigen: Der erwähnte figureneinführende Zusammenschnitt zu Beginn, der Grund des Ausflugs, sogar der Abspann. Der will nämlich die Laufzeit des Filmes rechtfertigen, drückt er sie doch um fast 9 Minuten nach oben, sodass vertuscht wird, dass der Film äußerst kurz geraten ist. Dass er sich zudem äußerst lang anfühlt, ist allerdings eine weit erfolgreichere Vertuschungsaktion.

Fazit

Die Stimmung geht in Ordnung und das beendende Gefühl dort oben in der Finsternis unter der Erde wird anständig transportiert. Auch spannende Momente sind vorhanden, im Vergleich zu den langen Phasen, in denen gar nichts passiert, aber immer noch zu rar.
Das Schlimmste (neben dem beliebigen Ritt auf der stinkenden Found-Footage-Welle) ist aber schlicht, dass der Film überhaupt keine eigenen oder gar halbwegs neuen Ideen aufzuweisen hat, sondern einfach nur ein paar altbekannte Sci-Fi-Horror-Stationen besucht, um dann sehr früh zu enden.

Endstation Mond

Der gut gealterte Sci-Fi-Film von 1950 wurde auf der Berlinale mit dem Goldenen Bären prämiert. 11 Jahre bevor der erste Mensch den Mond betrat, nimmt Irving Pichels Fantasie dieses Ereignis vorweg – und das in gar nicht so abwegiger Weise. Rockets do not employ propellers.

Story

Da die staatliche Raumfahrt in Stocken gerät, liegt es in der Hand von Privatmänner, den Menschen aus dem Schoß der Erde zu katapultieren. Weil man den Russen nicht den Vortritt lassen kann – schließlich könnten sich auf dem Mond ja Raketen stationieren lassen – nimmt ein Großindustrieller den Bau und Start einer Rakete zum Erdtrabanten in die Hand. Nach dem Beseitigen einiger Stolpersteine steht dem ersten Trip auf einen anderen Himmelskörper nichts mehr im Wege. Doch die Reise ins Unbekannte birgt ihre ganz eigenen Gefahren.

Kritik

Genau wie jüngst auch Gagarin handelt Endstation Mond von einem interstellaren Wettlauf. Dieses Mal aber nicht nur in den Weltraum, sondern gleich hin zu dessen erster und bisher – für menschliche Präsenz – auch letzte Station. Ein Wettlauf auf unseren innig geliebten Mond. Zwar schwingt die ganze Zeit ein deutlich patriotischer Grundton mit, Regisseur Irving Pichel war aber weitsichtig genug, diesen im ausreichenden Maße zu ironisieren, sodass man sich beim Schauen nicht allzu penetrant missioniert oder rekrutiert fühlt. Dass man sich ganz individuell trotzdem am zurückhaltend blühenden Nationalstolz des Films stoßen kann, steht außer Frage. Dieser Tage ist man aber auch entschieden Propagandistischeres und vor allem entschieden Schlimmeres gewohnt. All das ist Interessant, da der Wettkampfcharakter der Mission kaum Raum einnimmt. Feinde und Konkurrenten werden im Vorbeistreifen erwähnt, einen tatsächlichen Auftritt bekommen sie aber nicht. Das hingegen ist gut, denn so kann sich der Film in seiner ersten Hälfte auf seine große Stärke konzentrieren. Endstation Mond besticht durch eine stringente Erzählart mit pfiffigem Aufbau und stets der richtigen Gewichtung von Ernst und Beschwingtheit. Das wohl auffälligste Phänomen ist ein mittlerweile zu kleinem Kultstatus gelangter Film im Film, in dem Comicfigur Woody Woodpecker sowohl den skeptischen Figuren, die als Financiers gewonnen werden sollen, wie auch dem skeptischen Zuschauer der 50er das Prinzip Raumfahrt beibringt. Auch hier ist der Spaß nicht frei von politischem Subtext. Das Rückstoßprinzip wird beispielhaft an einem Gewehr vorgeführt. Ein Gewehr, mit dem man, schießt man nach unten, in der Theorie auch wie mit einer Rakete abheben kann. Die Gleichsetzung von Waffe (in diesem Fall dem Lieblingsexemplar Selbstschutz-Amerikas) und Allgeschoss unterstreicht noch einmal fett, dass es eben nicht nur um die Freude am Entdecken geht.
Einnehmend ist das Seherlebnis deshalb, weil Wert auf die Figuren gelegt wird – und das nicht in einer Form, die sich nach bloßer Pflichtübung anfühlt. Spannung entsteht durch diese sympathischen Protagonisten in ihrer Ausnahmesituation, welche sich aus vielen netten Ideen zusammensetzt. Die G-Kräfte beim Raketenstart, Einige Vorstellungen bemannter Raumfahrt sind freilich grober Unfug, viel mehr aber ist in beachtlichem Maß visionär und nahm vorweg, was später eintreffen sollte –sowohl in Sachen technischer Durchführung als auch hinsichtlich unvorhersehbarer Ereignisse. In gewisser Hinsicht ist Endstation Mond eine kleine Kristallkugel der damals noch ausstehenden Pionierzeit des erdnahen Weltraums. Frappant ist, dass der Film nicht besser wird, wenn es ab circa der Hälfte endlich in den Weltraum geht. Stattdessen wird das zügige, leichtfüßige Vorgehen der Vorbereitungsphase sogar ein wenig vermisst. Im luftleeren Raum verlässt sich das Drehbuch zu sehr auf die erstaunlichen Wunder des Kosmos, die aus heutiger Sicht natürlich nicht mehr ganz so beeindruckend sind. Der launige Grundton bleibt zwar auch hier bestehen, insgesamt schwächelt Endstation Mond  an dieser Stelle aber ein wenig. Die Probleme, mit denen die Kosmonauten zu kämpfen haben, wirken zu sehr an den Haaren herbeigezogen und aneinandergereiht. Bemerkenswerterweise ist auch eine Szene vorhanden, die quasi in Zeitlupe vorwegnimmt, was Gravity zur Prämisse nimmt. Nicht mehr ganz ernstzunehmen wird das Treiben ab dem Zeitpunkt, wo klar wird, dass die tapferen Astronauten keinerlei Wissen über das haben, was sie erwartet. Die basalsten Grundlagen waren damals auch dem durchschnittlichen Erdenmenschen bekannt – und von den ersten Himmelsstürmern der Menschheitsgeschichte dürfte dies auch erwartet werden, wenn man dem eigenen geliebten Land keine Nachlässigkeit und Auswahl und Ausbildung seiner Spezialisten unterstellen möchte.

Fazit

Endstation Mond überzeugt nach wie vor mit geschliffenen Dialogen, einer durchdacht eingesetzten Kamera, seinem beschwingt-humorvoller Grundton und dem straffen Tempo. Die leichten Drehbuchschwächen in der zweiten Hälfte sind bedauerlich, bereiten dem Vergnügen aber keinen nennenswerten Abbruch.

Repo Men

Ein Regieneuling schnappt sich Oscargewinner Forest Whitaker und den immerhin zweifach nominierten Jude Law, um einen Science-Fiction-Film zu drehen. Die Namen lassen an Filme wie Species, A.I. – Künstliche Intelligenz, eXistenZ und Gattaca denken. Und vielleicht auch an Sky Captain and the World of Tomorrow, hat man diesen Film nicht erfolgreich verdrängt.
Trotz der qualitativen wie thematischen Bandbreite dieser Assoziationskette weiß Repo Men aber noch zu überraschen.

He’s gone to get more meat.

Story

2025 sind Organtransplantate ein riesiger Markt. Lahmt die Lunge, Leber oder Niere, schaut man kurz bei den zuvorkommenden Vertretern von The Union vorbei, führt ein lockeres Verkaufsgespräch und kriegt ein neues Exemplar, Garantie inklusive. Wirklich günstig ist das Ganze zwar nicht und vor allem die Zinssätze machen dem Normalbürger zu schaffen, aber irgendetwas ist ja immer.
Problematisch wird es dann, wenn ein Käufer mit den Raten in Rückstand gerät. Dann wird ein Vertreter geschickt, der sich das Eigentum der Firma auf unglimpfliche Weise zurückholt.
Repo Men werden diese Außendienstler genannt. Remy und Jake sind solche Repo Men und gehören zu den Besten der Besten. Davon abgesehen, dass Remys Ehefrau ihn drängt, einen weniger aufregenden Job zu wählen, läuft alles bestens. Der alltägliche Sprung von eiskaltem Todesengel zum fürsorglichen Familienvater klappt problemlos.
Bis Remy nach dem Kontakt mit einem defekten Defibrillator eines Tages im Krankenhaus aufwacht und feststellen muss, dass er nun selbst ein künstliches Organ seiner Firma im Körper hat.
Von der Familie verlassen und erschüttert in seinen Überzeugungen, gerät er in eine tiefe Sinnkrise, die dazu führt, dass die Raten nicht bezahlen kann.

Kritik

Dem Futurismus der Welt von Morgen sieht man zwar an, dass das Budget ruhig noch eine Schippe mehr Finanzen vertragen hätte, trotzdem ist die Welt insgesamt sehr stimmig. Atmosphärischer Lichtwurf, technische Details und interessante Überlegungen schaffen eine dichte und ungemütliche Atmosphäre. Auch die grundsätzlich gelungen Figuren tragen mit ihren fragwürdigen Moralvorstellungen und Handlungen dazu bei.
Leider sind sie es auch die Figuren, genaugenommen deren Entwicklung, woran es dann in erster Instanz ein wenig hapert.
Die Gestalt des Remy, der kaltblütiger Organeintreiber und warmherziger Ehemann und Vater zugleich sein muss, ist spannend angelegt und mit Jude Law strategisch durchdacht besetzt. Dass dieser Konflikt mehr gezeigt als ausformuliert wird, ist darüber hinaus eine ausgezeichnete Entscheidung. So wirksam der Status quo der Figur sich aber darstellt, so wenig nachvollziehbar gestalten sich Remys Veränderungen. Dass er ein unsympathischer Zeitgenosse ist, mit dem sich zu identifizieren kaum möglich ist, ist eine Sache, die durchaus beabsichtigt sein mag. Dass seine Handlungen einer kaum zu erahnenden Logik folgen, wird wohl weniger der Wille der beiden Drehbuchschreiber gewesen sein, was dazu führt, dass die grundsätzlich sehr möglichkeitsoffene und tragische Figur ein wenig anstrengend und ärgerlich wird, weil der Zuschauer sich einfach nicht auf sie verlassen kann. Sie tut, was sie tut, damit die Geschichte vorangeht. Nicht aber handelt sie aus eigenen, natürlichen Motivationen heraus. Vor allem der obligatorische Gesinnungsumschwung des Repo Man mag auf dem Papier gerade so funktionieren, wirkt direkt an Charakter und Schauspieler gekoppelt, aber unverständlich. Und das, obwohl der Prozess ausführlich über Off-Texte erläutert wird.
Der guten Ausgangslage nicht gerecht werden kann man auch bei einem weiteren flexiblen Element des Filmes nicht. So sorgsam der Anfang und der Startpunkt der Charaktere ausgeleuchtet sind, so vorhersehbar verhält sich das Weitere. Repo Men ist durchaus spannend, immer nett anzusehen und langweilt nicht, das sei festgehalten. Aber die Geschichte um den Organjäger, der geläutert wird, indem er selbst zum Gejagten wird und unterwegs seine große Liebe findet, ist faules Malen nach Zahlen im Lehrbuch für schematische Charaktergrundlagen.

In der düsteren Welt von Repo Men ist man nicht sehr sauber, aber akkurat. Akkuratesse kann in diesem Zusammenhang auch mal bedeuten, dass jemandem mit einer Schreibmaschine der Kopf zerdellt wird. Wie man an den künstlichen Organen und Körperteilen rumfingert, sie nach Herzenslust rein- und rausoperiert und dabei nach Laune Körper öffnet, grenzt an Splatter und ist nichts für schwache Mägen. Kein Vergleich zu Laws Auftritt im modernen Sci-Fi-Klassiker Gattaca, der im gegen das hier geradezu steril und prüde wirkt. An diesem Punkt wird auch noch einmal die Doppelmoral des Charakters in der Handlung und der Charakterentwicklung des Drehbuchsdeutlich. Zwar wechselt Remy die Seiten, doch seine Methoden bleiben die gleichen. Nur dass jetzt eben die Menschenleben des gegenüberliegenden Ufers ihr Existenzrecht in seinen Augen verwirkt haben. Menschen, wie er selbst vor ein paar Tagen noch einer war. Die, die ihm in Ausführung ihrer Arbeit – und wenn es nur Polizisten sind – im Weg stehen, werden nicht nur gewissenlos niedergemäht, sondern regelrecht hingerichtet. Der Kampf gegen die eigenen Arbeitskollegen zum Ende hin schlägt mit seiner menschenverachtenden Ästhetik dann eindeutig dem Fass den Boden aus und hat außerdem mit dem bisherigen Grundton des Filmes überhaupt nichts mehr gemein.
Ein Mann, dessen Motive irrational erscheinen, der nach der Trennung von seiner Gattin die nächstbeste Frau an seine Seite zerrt und blindlinks Freund wie Feind mordet, kann nur schwerlich als tauglicher Filmprotagonist herhalten. Hauptfiguren müssen natürlich nicht immer sympathisch und können sogar gerne, wenn es denn richtig angegangen wird, hassenswerte Unholde sein. Doch muss man sich fratgen, ob dies bei Repo Men in der vorliegenden Form beabsichtigt war. Das verleiht dem Film besonders in der zweiten Hälfte einen sehr unbequemen Beigeschmack. Sollte dies Plan von Regisseur und Drehbuchautor gewesen sein, darf man aber verhalten gratulieren. Denn die Botschaft des Filmes wäre dann eine ganz andere, in Anbetracht der mauen Grundgeschichte vielleicht sogar deutlich erzählenswertere. Einen ähnlich vor den Kopf stoßenden Zwist gab es schon mal bei Equilibrium.
Wenn man so möchte, wird das Ganze durch einen Dreh am Ende vollkommen relativiert, ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen. Ob – und wenn ja, in welchem Maße – das die Botschaft beeinflusst, mag jeder für sich selbst entscheiden. Vielleicht ist aber auch gerade das die Stärke von Repo Men: Dass er es dem Zuschauer nicht leicht macht und erst recht nicht abnimmt, sich selbst für eine Seite zu entscheiden und moralische Fragen für sich tatsächlich beantworten zu müssen. So gesehen ist dieses Werk nicht unbedingt besser, tatsächlich aber in mancher Hinsicht wertvoller als die meisten anderen Filme.
Die Handvoll Kampfeinlagen wird demgemäß ausgiebig gezeigt. Dank dem dynamischen Schnitt sind diese auch nett anzusehen und aufgrund ihrer intensiven Körperlichkeit keineswegs unspannend.

Dass das Szenario so unglaubwürdig ist wie bösartig ist, darüber muss hinweggesehen werden. Angesichts der souveränen Inszenierung und dem guten Score ist das auch keine unlösbare Aufgabe. Nimmt man hin, dass der Protagonist ein ziemlicher Schuft ist, und sieht man über grobe Schnitzer in der Charakterentwicklung hinweg, bleibt dem altbekannten Grundplot zum Trotz ein sauber gedrehter, sehr atmosphärischer Sci-Fi-Thriller mit viel Abwechslung und einem wirklich dreckigen Jude Law.

Fazit

Ein seltsamer Mischling ist Repo Men. Ganz ohne Vorwissen würde man nicht erahnen, dass der Sci-Fi-Film mit Jude Law eine knallharte, an vielen Strecken unangenehm brutal bebilderte Geschichte ohne wirkliche Identifikationsfigur ist.
Schwächen in eigentlich essenziellen Punkten werten den Film ab, die gekonnte Inszenierung und die unangenehme Stimmung machen ihn dennoch zu einem immerhin nicht uninteressanten und grundsätzlich auch sehenswerten Genrebeitrag.