Ghettogangz 2: Ultimatum

Ghettogangz – Die Hölle vor Paris war trotz des jämmerlichen deutschen Namens eine nette Sache. Da das nicht nur scififilme.net, sondern auch überraschend viele zahlungswillige Kunden so sahen, kam, was kommen musste.

– Was geht denn da fürn Scheiß ab?
– Keine Ahnung. Film’s einfach.

Story

Ein paar Jahre nach den Geschehnissen des ersten Teils hat sich nichts getan. Die Versprechen der Polizei blieben unerfüllt. Statt eine Reintegration des gemiedenen, von Banden kontrollierten Distrikts B13 ist dieser weiterhin von einer hohen Mauer umgeben, während die Gewalt im Innern brodelt.
Captain Damien Tomaso fungiert weiterhin als Trumpf der Polizei und bringt im Alleingang ganze Banden hinter Schloss und Riegel. Leito streift wieder durch das abgeriegelte Ghetto, liebt die eigene Coolness und rennt spektakulär vor hausgemachten Problemen davon.
Als die Polizeieinheit DISS einen Mord inszeniert und es so aussehen lässt, als würden die Bewohner des selbstorganisierten Distrikts B13 Jagd auf Gesetzeshüter machen, schließen sich Leito und Damien wieder zusammen. Denn die Pariser Politiker beratschlagen sich bereits in ihren Sesseln, mit wie vielen Raketen man es den Eingepferchten heimzahlen sollte.

Kritik

Es ist schwer möglich, die Geschichte von Ghettogangz so nachzuerzählen, dass sie nicht holprig klingt. Das liegt daran, dass die Geschichte wirklich ziemlich holprig ist.

Fortsetzungen sind entweder geplant oder kalkuliert. Im ersteren Fall bedeutet das, es soll von vornherein eine größere Geschichte mit mehreren Filmen erzählt werden. Im anderen Fall wird ebenfalls meist die Ursprungsgeschichte weitergesponnen, nur dass dies nie geplant gewesen ist. Gerechtfertigt werden können Sequels durch ein Mehr an Qualität oder Quantität – oder natürlich auch beides, was erfahrungsgemäß aber nur selten eintritt. Das geplante Sequel versucht sich in der Regel an qualitativem Zuwachs, während das kalkulierte Pendant sich häufig auf ein „Mehr von allem“-Schema verlässt.
Wenn ein Parkour-Actionfilm 5 Jahre später aufgrund seines unerwarteten Erfolgs einen zweiten Teil spendiert bekommt, sind die Dinge für gewöhnlich offensichtlich. Verstärkt trifft das im Falle von Ghettogangz zu, bei dem „qualitativer Mehrwert“ nicht viel zu bedeuten hätte, da ja schon der erste Teil überwiegend durch Quantität von sich Reden machte. Dass das nichts per se Schlechtes ist, liegt auf der Hand. Immerhin handelte es sich bei dem Vorgänger um solides Actionkino, das zufriedenstellend vor sich hin pulsierte und im richtigen Augenblick den richtigen Stunt zeigte, woraus sich eine angenehm kurzweilige Mischung ergab.

Ghettogangz 2 zeigt die Symptome einer fatalen Krankheit, an der kalkulierte Sequels manchmal akut erkranken. Sie versuchen aller Wahrscheinlichkeit zu trotzen, indem sie ihren Vorgänger in Sachen Inhalt übertrumpfen wollen. Die Action muss dran glauben und was sie ersetzt, ist ein fadenscheiniges Ereigniskonstrukt, das weder glaubwürdig noch spannend ist.
Es dauert ganze 45 Minuten, bis die erste Parkour-Einlage kommt – und die beginnt auch noch mit eindeutigem Seil-Einsatz. Davor gibt es lediglich eine leidlich interessante Kampfsequenz und ansonsten die Bemühung, eine normale Thrillerhandlung aufzubauen, die natürlich wie zufällig genau bei den Partnern des ersten Teils zusammenläuft. Wenn die Action dann mal am Laufen ist, macht sie wieder Spaß. Immer noch spuckt die Welt aus dem Nichts Feinde aus, die nur dafür da sind, abgehängt oder niedergeknüppelt zu werden.
Wenn es sehenswert wird, kopiert der Film allerdings auch einfach nur den ersten Teil. Und damit es nicht 1:1 dasselbe ist, versucht er sich letztlich doch an der Größer-Weiter-Schneller-Formel. Die Folge: Gebäuderennerei findet nicht mehr auf Höhe des vierten, sondern auf Höhe des achtzehnten Stockwerks statt. Sprünge sind nicht mehr drei, sondern sieben Meter tief. Noch weiter, noch quatschiger, alles over the top. Das heißt: Die behauptete Akrobatik ist so unwahrscheinlich, dass sie an Intensität einbüßt, da sie nicht mehr glaubwürdig wirkt. Sie ist dennoch nett anzusehen und unterhält, doch schweißtreibende Stunts wie noch im ersten Teil sind hier Mangelware. Nicht, weil es an Spektakel fehlt, sondern weil das Spektakel, so selten es ist, zu stark ausufert.

Fazit

Die Stärke von Ghettogangz – Die Hölle von Paris war – Überraschung! – nicht die überzeugende Handlung, sondern das atemlose Spektakel. Weshalb sich das obligatorische Sequel nun ausgerechnet daran versucht, die Schwächen des ersten Teils auszubauen und das, was ihn groß machte, zu verringern, das weiß wohl nur Luc Besson.

Chrysalis – Tödliche Erinnerung

Die genreprägende Horrormär Augen ohne Gesicht ist hierzulande ziemlich in Vergessenheit geraten. Der von der Traditionsschmiede Gaumont produzierte Sci-Fi-Thriller aus Frankreich Chrysalis – Tödliche Erinnerung hat sich den Klassiker zum Vorbild genommen, aber nur am Rande etwas mit ihm gemein. Uninteressant ist er deswegen aber keineswegs.


Aber das ist doch nur dein Körper!

Story

Prof. Brügen, eine Ärztin für Telechirurgie, und ihre 18-jährige Tochter Manon werden in einen Autounfall verwickelt. Die Tochter liegt im Koma, während Brügen wie besessen versucht, ihr Kind durch ein medizinisches Wunder wieder in den Alltag zurückzuholen.
Unterdessen kriegt der raue Cop-mit-Cowboy-Allüren David einen Jungspund an die Seite gestellt. Marie ist eine junge Ermittlerin, der nachgesagt wird, nur durch ihren berühmten Vater in diese Position gekommen zu sein. Einige Opfer weisen seltsame Male an den Augenlidern auf, doch abgesehen davon tappt das ungleiche Dou vollkommen im Dunkeln.

Kritik

Französische Science Fiction, bei der kein Luc Besson seine Finger im Topf hat. Das ist zumindest einen Blick wert und klingt vielversprechend.
Die Geschichte von Chrysalis ist – und das ist auch der große Kritikpunkt des Filmes – über lange Strecken eine sehr partikuläre, wenig verständliche, obwohl sie an sich alles andere als umfangreich oder sonderlich komplex ist.
Sehr lange weiß man nicht, was geschieht. Handlungsbausteine werden blinzelkurz durchs Bild geschoben, von anderen abgelöst und bleiben vorerst unerklärt. Leute treffen sich in Parkhäusern und mit Pistolenschüssen oder werden getroffen, von Lastwagen zum Beispiel. Mehrere Schicksale und kein Hinweis, wie diese zusammenhängen. Man erkennt nur schwer, wo, was und mit wem hier etwas geschieht. Da einem alles, aber auch wirklich alles fehlt, ist es leider auch nicht ganz so leicht, sich emotional auf die kurzen Ausschnitte einzulassen.
Als roter Faden kristallisieren sich aber die Ermittlungsarbeiten von David und seinem ungewollten Sidekick Marie heraus, bei denen man sich wünscht würde, dass die einzelnen Ermittlungsschritte etwas ausgiebiger vorgestellt würden.
Die Figuren bleiben ausnahmslos weit vom Zuschauer entfernt. Die Polizisten lassen sich dabei betrachten, wie sie seltsam lustlos in ihrem Fall herumstochern und verwirren mit plötzlichen Gefühlsausbrüchen. Kaum kennengelernt, so ungleich wie sonst kaum ein Ermittlerpaar und trotzdem braucht es nur eine Festnahme, bei der sich beide im selben Raum aufhalten, und der Grünling Marie entwickelt leidenschaftliche Gefühle für ihren Kollegen mit der starren Miene.

Eine nur dezent dynamische, nicht stillstehende, aber verstohlen schleichende Kamera liefert kahle Bilder hinter einem blauen, kühlen Farbfilter. Kühle Franzosen mit kühlen Gesichtern arbeiten hinter diesem Filter an einem Fall und erleben dabei alles andere als kühle Dinge.
Zu den groben Faustkämpfen und Keilereien passt das ausgesprochen gut, für den Rest des Filmes, der leider kaum Faustkämpfe und Keilereien beinhaltet, sorgt der stark unterkühlte Look aber in erster Linie für Distanz und hemmt die Spannung.
Die Science-Fiction wird überall reinzustecken versucht, indem Alltagsgegenstände einfach ein wenig aufgemotzt werden und heute als dekadent geltendes im Frankreich der Zukunft ein alter Hut ist. Schade aber, dass ausgerechnet eine der ganz zentralen futuristischen Gerätschaften undurchdachter Humbug ist.

Kurz zum Thema Faustkampf zurück: Ja, es gibt eigentlich nicht viel körperlichen Zoff in Chrysalis, aber dieser eine ausufernde Schlagabtausch im Badezimmer geht durch Mark und Bein. Man erlebt es selten, dass man tatsächlich in der Mitte des Films um das Überleben der Hauptperson bangt. Hier ist es der Fall. Dies findet ziemlich genau zur Hälfte des Filmes statt.
Die tatsächliche Krux ist, dass danach alles Sinn zu ergeben scheint, die Motivation der Figuren wird mit einem Schlag klar und man erhält endlich eine präzise Antwort auf die Frage, worum es eigentlich geht. Von ein paar unglücklichen Dialogen abgesehen, nimmt der Film von hier an stark an Fahrt auf, wird interessanter und wirkt selbst in der Regie plötzlich viel zielsicherer. Nur leider ist die Sache dann auch ziemlich schnell beendet, obwohl es sich anfühlt, als wäre die Story erst zur Hälfte erzählt. Der Schluss kommt schnell und abrupt.

Fazit

Viele eigentlich gute Elemente werden irgendwie planlos zusammengesteckt, sodass etwas entsteht, das im Detail sehr sehenswert ist, im Ganzen betrachtet jedoch einfach nicht ausbalanciert und seltsam willkürlich wirkt.
Trotzdem ist der Sci-Fi-Thriller, dessen verzwicktes Getue sich bald als Einfachheit herausstellt, mit seinen hübsche Einfällen auf der Präsentationsoberfläche und einer herrlich schmierigen Feel-Bad-Ausrichtung keine Zeitverschwendung. Europäische Science-Fiction ist einfach viel zu selten.