Fantasy-Filmfest-Special: Frankenstein’s Army

Frankensteins Monster – nun auch im Plural. Richard Raaphorst lässt in seinem ersten Langfilm handgemachten Wahnsinn posieren, pfeift auf Charakterarbeit und Story und konzentriert sich ganz auf seine unikalen Fleisch-Maschine-Perversionen. Mit Erfolg.
http://www.youtube.com/watch?v=dOF8GiIXtGY
Things the Doctor makes.

Story

Der zweite Weltkrieg ist am Toben und Dimitri ein Filmstudent mit großem Engagement. Er und seine 16mm-Kamera begleiten einen kleinen Stoßtrupp der russischen Armee, um ein paar werbewirksame Propagandaaufnahmen einzufangen.
Als sie einen Hilferuf über Funk empfangen, folgen sie dem Signal und erreichen ein kleines Dorf, das wie ausgestorben scheint. Dass es dort nicht mit rechten Dingen zugeht, kündigt sich schon auf dem Hinweg an, wo höchst eigenwillige Kadaver von Kriegsgreuel zeugen, die jenseits des Vorstellbaren liegen. Die toten Körper werden entstellt durch merkwürdige Mutationen und mechanische Modifikationen.
Im Gangsystem unter einer zum Labor umfunktionierten Kirche stößt man schnell auf die Quelle dieser entmenschlichten Wesen: Wütende Kreaturen, von einem irren Doktor wiederbelebt. Von einem Nazi-Frankenstein der sich mit lascher Wiedererweckung nicht zufrieden gab, denn derartiges ist bekanntlich für Amateure. Stattdessen stattete er seine Geschöpfe mit dem Besten aus, was der gut sortierte Werkzeugschrank so hergab. Leiber mit viel Metall und noch mehr Waffen streifen durch die klaustrophobisch engen Gänge und machen Jagd auf die Eindringlinge. Frisches Baumaterial wird schließlich immer gebraucht.
Doch auch untereinander herrschen Spannungen, die durch die Extremsituation nur noch geschürt werden, bis Dimitri, nur mit seiner Kamera bewaffnet, sich plötzlich alleine in einem Strudel aus Körperteilen und Motoröl wiederfindet

Kritik

Wenn die Filmwelt von Heute eines ganz gewiss nicht braucht, ist es ein weiterer Found-Footage-Streifen. Nun sehen wir uns also das – offenbar gefundene – Material des Kameramannes Dimitri an und merken schnell, dass sich das Konzept mit seinem Authentizitätsanspruch selbst ad absurdum führt, weil die vermeintlich echten Aufnahmen andauernd mit atmosphärischer Hintergrundmusik untermalt sind. Auch sonst wirkt es so, als wäre die Wahl dieses Präsentationsstils keine dramaturgisch, sondern eine finanziell motivierte gewesen. Wirre Kameraführung und wahllose Schnitte sind dadurch entschuldigt. Aber trotzdem gelingt Frankenstein‘s Army genau das, woran die meisten Handkamerafilme kläglich scheitern: Es stellt sich ein starkes Mittendrin-Gefühl ein. Selbst die Laiendarsteller, die in mindestens zwei Fällen auch viel zu jung für ihre Rollen aussehen, verhindern nicht, dass man sich als Zuschauer direkt im Geschehen wähnt. Neben erwähnter Musik und den toll gewählten Schauplätzen, auch vor und auf dem Weg zu der Kirche, ist das vor allem vielen Schummeleien der Regie zu verdanken: Der filmende Hauptdarsteller neigt dazu, in den gefahrvollsten Situationen einfach tatenlos stehenzubleiben und seine Kamera zudem so zu drehen, wie man den Kopf drehen würde – nur viel, viel langsamer. Wenn aus drei von vier Gängen grässlich grunzende Abscheulichkeiten anstürmen und das Kameraauge zwar zittrig, aber trotzdem ohne Eile erst einmal in alle drei Gänge reinfilmt, bevor sich der gute Dimitri dann vielleicht mal entschließt, in den einzig freiliegenden Schacht zu türmen, nimmt man den Protagonisten mit seinen geistigen Kapazitäten und auch dessen Überlebenstrieb zwar nicht mehr für voll, kann die aufkeimende Panik aber auch sehr gut nachempfinden. Ein ähnlicher Effekt tritt ein, wenn die Waffenarme der Scheusale niedersausen und es wegen der Kameraperspektive so aussieht, als müssten sie das Würstchen von einem Helden eigentlich zweiteilen. Doch stattdessen gibt es noch ein paar weitere Hiebe ins vorgebliche Nichts und der ambitionierte Filmstudent setzt seinen Weg fort. Wie gesagt, Manipulation sehr hohen Grades, aber es funktioniert, wenn man sich drauf einlässt.
Und der Rest? Ein Haufen trunksüchtiger Schandmäuler, denen das Leben der Genossen wenig und das aller anderen gar nichts wert ist. Kriegsverbrechen sind keine Ausnahme. Ein sonderbares Protagonistenpack ist es, das Frankenstein’s Army uns da vorsetzt. Und da man auch nicht davor zurückschreckt, den eigenen Kameraden bei nächstbester Gelegenheit schamlos in den Rücken zu fallen, fällt eine Identifikation nicht leicht. Aber so ist der Krieg nun mal, möchte uns der Film der Niederländer uns wohl sagen. Vor allem in Russland. Liebgewinnen sollte man eh niemanden der Herrschaften, denn die Soldaten fallen den in den Schächten lauernden Wiedererweckten schneller zum Opfer als man ihre Namen auswendig kann. Und die wahren Hauptdarsteller sind auch gar nicht die nichtsahnenden Militärs oder Kameramann Dimitri, sondern die schaurigen Gestalten, deren Körper Waffe ist. Das Geld, das eigentlich für Schauspieler und Drehbuch ausgegeben wird, floss hier zur Gänze in Kreaturendesign und Maske. Was Frankenstein’s Army auszeichnet und zu dem Spaß macht, der der Film ist, ist die unglaubliche Liebe zum Detail. Über 30 Biester wurden erdacht und in Handarbeit zusammengeklebt, -geschraubt und -genäht. Und sämtlich sehen sie zu niederknien gut aus. Von der mordenden Tauchglocke und der Schnapp-Kopf-Ab-Falle auf den Schultern bis hin zum Propeller als Kopfersatz hat man nichts ausgelassen, um den Freund altmodischer Effekte selig zu stimmen. Und das mit enormem Erfolg: Die Kuriositätenschau scheint kein Ende zu nehmen, jedes neue Ungeheuer überrascht mit seiner einfallsreichen Aufmachung und jede kommende Idee ist noch ein wenig irrer und abgefahrener als die vorangegangene. Bis zum Kochtopf auf Beinen. Doch nicht nur hier, auch an allen anderen Stellen zeugt jede Einstellung von liebevoll entworfener Ausstattung. Es werden Räume durchquert, die man nur für wenige Sekunden zu Gesicht bekommt, an deren verschwenderischer Steampunk-Einrichtung man sich aber gar nicht sattsehen kann. Dabei nimmt sich der Film ernst genug, um oben erwähnte Intensität zu wahren, aber weißt auch immer, dass er eigentlich großen Unfug darstellt. Die Spitze dieses augenzwinkernden Eingeständnisses ist fraglos das herrlich dämliche Vorhaben des für die Misere verantwortlichen Doktors, den Konflikt zwischen Nazis und Kommunisten auf ewig beizulegen.
Im Großen und Ganzen spiegelt der Film auf seine eigene bizarre Weise ein wenig den Wahnsinn wider, der in einem fanatischen Dr. Frankenstein wüten könnte. Und das Ganze bezeichnenderweise in und unter einer Kirche. Welcher Ort könnte passender sein, um einem Menschen das Feld zu bieten, sich als Gott aufzuspielen?
Am Ende gibt es zur Abrundung noch eine fies-schöne Reminiszenz an Mary Shelleys Roman.

Fazit

Frankenstein’s Army wirkt wie ein schelmischer Abgesang auf das Zeitalter digitaler Effekte. Alles ist handgemacht und alles sieht superb aus. Wer sich damit arrangieren kann, dass nicht irgendwelche inneren Werte wie eine Story zählen, sondern das furiose Schaulaufen eines obskuren Monsterkabinetts des Filmes Herzstück darstellt, erlebt eine 84-minütige Geisterbahnfahrt, wie es sie schon lange nicht mehr gab. Inklusive einem von Sinnen seienden Doktor, Bloßstellung von Naziideologie und herzhaftem Splatter.

Iron Sky – Wir kommen in Frieden!

Es ist schon einige Jahre her, da hatte ein junger Filmemacher die Idee, die alte Verschwörungstheorie von den Nazis auf dem Mond und ihren Reichsflugscheiben, die mit überlegener Nazi-Technologie über die Erde schwirren, in einen Film zu packen, der so albern sein sollte, wie die Grundidee klingt. Erste Filmszenen wurden im Trailer-Stil auf das Internet losgelassen und huschten im Nu im die Welt – die flink anschwellende Fangemeinde wurde durch ein Crowdfunding-Projekt nie dagewesenen Ausmaßes mobilisiert. Mit Spendengeldern und Merchandise-Einnahmen nahm Regisseur Timo Vuorensola umgerechnet 7,5 Millionen Euro ein. So wurde aus einer launigen Drehbuchidee ein finnisch-deutsche Großproduktion. Fans aus aller Welt konnten sich am Entstehungsprozess beteiligen und ihre Ideen beisteuern. Ähnlich hoch wie das Etat waren am Ende auch die Erwartungen, die der finale Film durchgängig enttäuscht.

Story

Amerikanischer Wahlkampf im Jahre 2018. Die amtierende US-Präsidentin braucht dringend ein paar gute Argumente für ihre Wiederwahl. Da der Mond schon ein paar Jährchen vernachlässigt wurde, ruft sie ein Programm ins Leben, den guten alten Erdtrabanten mal wieder anzureisen. Ihr Mann hierfür ist James Washington – nicht, weil er ein guter Raumfahrer ist, sondern weil seine dunkle Hautfarbe medienwirksam dafür sorgen soll, dass man der Präsidenten ihre großmütige Toleranz abkauft.
Als Washington den Mond betritt, stößt er nach ein paar Metern auf eine gewaltige Basis in Hakenkreuzform: Die Nazis wohnen hier. 1945 türmten sie aus Neuschwabenland und errichteten auf dem Weltraumgestein ihre Kolonie. Fortan wird die Ideologie an die heranwachsenden Generationen weitergegeben und man rüstet sich, zur Erdheimat zurückzukehren und sie mit einer ganz eigenen Interpretation von Frieden zu beglücken.
Washingtons Smartphone scheint die perfekte Energiequelle zu sein, um die von langer Hand geplante Invasion zu starten. Nur mehr braucht man von diesen wundersamen Taschencomputern, viel mehr. Also wird ein kleiner Stoßtrupp Richtung Erde geschickt, um die Offensive einzuleiten. Mit von der Partie ist nicht nur der inzwischen gebleichte Washington, sondern auch Renate Richter, Liebchen des angehenden Führers, deren Überzeugung, dass die Nazis die großen Friedensbringer sein werden, aber zusehends bröckelt.

Kritik

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Iron Sky ist beträchtlicher Murks, und das auf allen Ebenen. So herrlich debil die Prämisse ist, so desillusionierend fällt die Umsetzung aus. Bei unzähligen kreativen Köpfen, die jahrelang aus purer Leidenschaft heraus über diesem Projekt gebrütet haben, um abstruse Plottwists und pointierte Witze zu ersinnen, war vielleicht nicht die komödiantische Offenbarung, sicherlich aber eine spaßige Satire zu erwarten, die mit allerhand Aberwitz und schelmischer Provokation unterhält. Und doch ist Vuorensolas Herzensprojekt eigentlich nur als filmische Katastrophe zu bezeichnen.
Zwar gibt es Gags am laufenden Band, doch sind diese allesamt ausgelutscht, schal und rundweg uninspiriert. Über ein traniges Wiederverwerten uralter Klischees kommt Iron Sky humoristisch nie hinaus. Auch der einzig passable Gag, dass die Nazis Charlie Chaplins Der große Diktator vollkommen missverstehen, da sie nur Bruchstücke von ihm kennen, kann im Rahmen des Filmes kaum bestehen.

Gemeinsam mit dem Humor pendelt auch die Handlung zwischen albern und banal. Als sich die Nazischergen nach der noch halbwegs tragfähigen Einführung auf den Weg zur Erde machen, verkommt der Rest des Filmes zu einem Vehikel für Unnötigkeiten, bis die aufgeplusterte Schlacht am Ende deutlich macht, wohin das ganze Geld geflossen ist. Die langen 92 Minuten wirken die meiste Zeit, als dienten sie nur dafür, die konstruierten Slapstikeinlagen miteinander zu verbinden.
Gut sieht er aus, der Film über die Mondfaschisten, und kann sich an so mancher Stelle im Effektbereich mit deutlich kostspieligeren Großproduktionen messen – doch ist er nun mal weder interessant noch witzig. Und abseits der Optik bekleckert sich die formale Seite ebenfalls nicht mit Ruhm. Die Szenenübergänge sind teilweise katastrophal, das Schauspiel befindet sich trotz und wegen gewolltem Overacting stets an der Grenze zur Peinlichkeit und selbst die musikalischen Referenzen wollen nicht so recht zünden, weil sie einfach viel zu plump eingebunden wurden.
Beachtenswert ist, wie sehr die deutsche Synchro sich bemüht, das Filmerlebnis zusätzlich zu sabotieren. Iron Sky findet sich selbst am Komischsten, wenn die braunen Seleniten Deutsch sprechen und englischsprachige Erdbewohner darauf reagieren. In der deutschen Synchro geht die gesamte Ebene des Filmes natürlich flöten. Das kann man ihr schwerlich vorwerfen, schließlich muss der Film ja irgendwie ins Deutsche übersetzt werden, trotzdem wird Iron Sky damit auch der letzte Rest Daseinsberechtigung gemaust.
Das einzig Geglückte sind ein paar subtil eingebaute Referenzen an namenhafte Science Fiction-Klassiker, die dem Zuschauer nicht sofort aufs Auge gedrückt werden und deshalb bei Erkennen durchaus ein anerkennendes Nicken verursachen. Wenn die einzige Stärke eines Filmes das Zitieren fremder Stärken ist, spricht das aber nicht unbedingt für ihn.

Fazit

Dieses deutsch-finnische Spezialwerk erhebt den Anspruch auf Kultstatus und scheitert kolossal. Iron Sky vereint das Schlimmste aus defizitärem deutschen Gleichformkino und seelenloser US-Massenware. Einen Hauch von Kult umgab das Projekt während der Produktionsjahre – im tatsächlichen Ergebnis ist davon rein gar nichts zu finden. Der Film über die Mondnazis ist ein zotiges Nichts, das nicht nur stellenweise, sondern absolut hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Umso ernüchternder, dass Pre- und Sequels bereits in Planung sind.