Der Horror-Alligator

Mit Der Horror-Alligator kreierte eine Reihe großer Namen einen Film, der sich wohl zu den besten des Tierhorror-Genres zählen lässt und welchem seinerzeit ein bis dato ungekannter Erfolg im noch jungen Video-Markt zuteil wurde.

Anyone younger’n me’s a kid.

Story

Dafür, dass sich das Mädchen Maris ein possierliches Alligatorenbaby als Haustier anschafft, kann der Papa nicht viel Verständnis erübrigen. Das fleuchende Tierchen wird ohne viel Aufhebens die Toilette runtergespült. Die nächsten Jahre ernährt es sich von Hundekadavern, die dubiose Wissenschaftler fahrlässig in der Kanalisation entsorgten, nachdem man den Tieren so große wie experimentelle Hormonladungen unter die Haut gespritzt hat, was sie in kürzester Zeit um ein vielfaches ihrer ursprünglichen Größe anwachsen ließ.
Zwölf Jahre Jahre nach der Alligator-Entsorgung werden vermehrt menschliche Körperteile aus der Kanalisation zur Stadtoberfläche gespült. Die Behörden vermuten einen Serienmörder und beauftragt den eigensinnigen Polizisten mit den Ermittlungen. Als dieser zusammen mit seinem neuen Partner in der Kanalisation auf einen enormen Alligator mit gleichsam enormem Appetit stoßen, glaubt ihm zunächst keiner

Kritik

Mitten in den anhaltenden Strom aus Animal-Horrorfilmen fallend, traf Der Horror-Alligator auf recht gediegene Erwartungen einer lange schon gesättigten Zielgruppe, die hierzulande mit dem typisch reißerischen Titel, der zum originalen Alligator einfach noch ein starkes, leeres Wort hinzufüge, bereits im Voraus bestätigt wurden.
All das wusste aber auch Lewis Teague äußerst gut, der zu einem Zeitpunkt zu diesem Projekt stieß, an welchem die Gelder bereits geflossen waren, er aber absolut freie Hand beim Drehbuch hatte. Eine Anekdote besagt, dass man auf seine Frage, was denn an der Filmidee, wie sie vor seiner Einflussnahme vorlag, gefiele, erwiderte: „Das Konzept. Und der Titel“. Entsprechend freie Hand hatte der Regisseur, welcher nach der erfreulich klugen Devise handelte, dass es keinen Sinn hätte, immer nur zu versuchen, an die Erfolge großer Filme anzuknüpfen. Sprich: Er wollte keinen Der weiße Hai mit Alligator drehen. Und das hat er auch nicht. Stattdessen kombinierte der damals erst 30-jährige Autor John Sayles gewieft und augenzwinkernd den modernernen Großstadtmythos des von der Kanalisation vergrößerten Alligators mit etwas Polizei- und Charakterdrama und einer kleinen Dosis Katastrophenfilm. Diese drei Richtungen werden auf eine Linie gebracht, sodass sich die Reise als Gesamtpaket anfühlt wie ein lupenreiner Thriller der besten Sorte, wie sie mit dieser Struktur schon eine ganze Weile nicht mehr produziert worden sind. Dabei folgt der Film eigentlich einem der klassischsten Grundmuster, indem er die Charaktere sorgsam einführt und die Bedrohung gleichzeitig immer weiter steigert. Theoretisch bietet Der Horror-Alligator daher nichts neues, auch damals nicht, vermag es aber mit eindrucksvoller Leichtigkeit, alle Standardformeln in einer weise zu perfektionieren und zu einem perfekt funktionierenden Film zu verschweißen, der in großem Maße unterhält. Auch Kamera und Montage (man beachte alleine die Kanalisationssequenz, in der Madison und Partner erstmalig dem Biest gegenüberstehen) tragen viel zur Intensität bei.
Der mehr als ansehnliche Cast aus Robert Forster, Robin Riker, Jack Carter, Dean Jagger und Michael V. Gozzo bringt eine Menge Figuren mit sich, die teils auch ihre eigenen Subplots bekommen, doch wirkt der Film in keiner Sekunde überfrachtet oder überkonstruiert, sondern erhält seine fabelhafte Dynamik gerade erst durch das Zusammenspiel der zueinander komplementärer Handlungstragenden. Lediglich der von Henry Silva verkörperte Großwildjäger Brock wirkt ein wenig zu unabhängig vom Rest der Geschichte, sorgt dafür aber auch für einen ganz eigenen Zusatzton.
Das Herzstück des Figureninventars bildet aber Robert Forster, der als schnellzüngiger und autonom agierender Polizist, welcher zugleich aber immer kurz vor dem Kollaps zu stehen scheint, so gut aufgelegt wie nie über die Leinwand wandert und nicht nur mit seiner guten Laune ansteckt, sondern auch mit großer Coolness beeindruckt. Dass dem Schauspieler zu diesem Zeitpunkt langsam das Haupthaar auszugehen drohte, bewog den selbstironischen Star dazu, von Regisseur Teague zu fordern, diese Unannehmlicheit in der Handlung zu thematisieren. Das Ergebnis ist einer grandioser Running-Gag, der in seiner entwaffnenden Ehrlichkeit durchaus ein Unikat der Filmgeschichte darstellt.
Zusätzlich zur Alligatorjagd vollführt der Film einen eleganten Rundumschlag gegen jede denkbare Großstadtsünde, vom raffgierigen Tycoon bis zum skrupellosen Wissenschaftler, gegen die routineverliebe Polizeimentalität und wider den blinden Umgang mit und gegen Umwelt. Auch hier ist das Drehbuch schlicht vorbildlich und schafft eine Art von subtiler und einleuchtender Kritik, die die allermeisten Öko-Horrorfilme weit hinter sich lässt.
Dazu gibt es erfreulich wenig Gummi-Alligator und dafür meist eine formidabel gelungene animatronische Riesenechse zu bewundern. Das pompöse Ungeheuer ist eine ehrfurchtgebietende Augenweide und ein weiterer Beweis dafür, dass Handgemachtes seinen digitalen Nachahmer in der Regel übertrifft. Wie bei Der weiße Hai ging auch hier inmitten der Dreharbeiten die Maschine kaputt – der fertige Film vermag dies aber mustergütig zu kaschieren, indem er dann und wann tatsächliche Alligatoren durch Miniaturlandschaften trampeln ließ. Dies ist aber so geschickt gemacht, dass es nie auffällt.

Fazit

Lewis Teagues Der Horror-Alligator ist viel mehr als bloßer Tierhorror. Durch sein ausgefeiltes Drehbuch, zündenden Humor und die Perfektionierung gängiger Erfolgsformeln gelingt es dem Film, sich über jeden Durchschnitt hinwegzusetzen. Robert Forster liefert dazu die wenn nicht beste, zumindest aber entspannteste Leistung seiner Laufbahn ab und bringt eine ganz eigene Bissigkeit in den Alligator-Streifen. Dass eben dieser dazu auch noch alterlos schick ist, setzt dem Streifen nur noch das I-Tüpfelchen auf.
Und all das in knackigen 87 Minuten.

Squirm – Invasion der Bestien

Squirm – Invasion der Bestien brachte es als B-Horrorfilm zu bescheidenem Ruhm in der goldenen Ära des Tierhorrors. Es handelt sich um den ersten abendfüllenden Spielfilm des Amerikaners Jeff Liebermann, der später mit Blue Sunshine und Just Before Dawn seinen Hang zu speziellen Prämissen und Lokalitäten nachdrücklich unterstrich. Nach einer langen Pause war sein letzter Beitrag zum Horrorgenre das Späßchen Satan’s Little Helper. Wie die meisten seiner Filme brachte auch dieser es nur zu einer kleinen, aber umso überzeugteren Anhängerschaft.

There’s a lot of spaghetti here.

Story

Das begehrte Kleinstadt-Mädchen Geri Sanders hat sich ihren neuen Freund Mick ausgerechnet in der großen Stadt gesucht. Als dieser zu Besuch kommt, eckt er mit seiner Manier sofort bei einigen der weniger toleranten Bewohner des Kaffes Fly Creek an. Das wurmt Mick, der sich neben ignoranten Gesetzeshütern und Dorfklischees verkörpernden Nebenbuhlern zusätzlich mit einer Invasion von Menschenfleisch liebenden Würmern rumschlagen muss, welche die Stadt in Schrecken versetzen, nachdem ein schweres Unwetter dazu führte, dass einige Hochspannungsmasten ihre zu transportierende Energie in die Erde umleiteten.

Kritik

Hauptdarsteller Don Scardino spielt einen Horror-Protagonisten der besonderen Art, welcher nicht durch (männlich-starke oder weiblich-blickfangende) Körperlichkeit auffällt, sondern viel eher in die Klasse des durchschnittlichen Nerds fällt, der ein wenig weltfremd, keineswegs auf gewohnte Wiese attraktiv und noch weniger heroisch daherkommt. Dies ist besonders bemerkenswert, da das Bild des Strebers in den 70ern bekanntermaßen keinesfalls so gut war, wie es heute der Fall ist. Sein irgendwie befangenes Spiel passt zu dieser unkonventionellen Figur, sorgt aber auch für eine unüberbrückbare Distanz zwischen ihm und Zuschaue. Den Part größerer Körperpräsenz übernehmen der wie ein bockiger Collegestudent aussehende und agierende Redneck-Sheriff, welcher in der Geschichte lediglich die Aufgabe hat, sehr aufbrausend zu sein, und der mit ihm um die Herzensdame buhlende Roger Grimes, dessen Spiel mit Abstand am deutlichsten in Erinnerung bleiben dürfte. Mit Liebe zum Stumpfsinn mimt er den tumben Hinterwäldler, der Frauen mit seinem sorgsam geformten Oberkörper um den groben Finger wickelt, dabei aber weder denken noch vernünftig sprechen kann. Auf sein Konto gehen die meisten Lacher und er ist – neben den Würmern, versteht sich – auch der beste Grund, sich Squirm zu Gemüte zu führen. Dies war die einzige Rolle, die R.A. Dow je innehatte, und womöglich ist hier ein kleines Talent verschüttgegangen. Patricia Pearcy als das zu erobernde Mädchen fällt erwartungsgemäß gar nicht auf, was aber auch an ihrer Rolle liegen wird, die sich vornehmlich dadurch auszeichnet, ausgesprochen leicht eroberbar zu sein.
Die Würmer selbst sind, wenn sie denn mal auftauchen, ein ordentlicher Blickfang, der für das ein oder andere Ekelgefühl sorgen mag. In der breiten Masse sind sie ein fast schon surreal anmutender Teppich aus wabernden Schnüren, der wie ein ganz eigenes großes Wesen wirkt, das mehr ist, als seine kleinen Leiber. Das sind einprägende, effektive Bilder, doch haben die schmierigen Fleischfresser ihren ganz großen Auftritt erst ganz zum Schluss. Von einer anderen Szene abgesehen, tauchen sie sonst fast nur einzeln und darüber hinaus sehr selten auf. Als singuläre Fressmaschinen wirken die Tiere aber nur mäßig beängstigend und führen so eher die Figuren mit ihren teils etwas willkürlich anmutenden Handlungsdrängen vor. Erwähnenswert ist aber die Inszenierung der wirbellosen Gesellen, denn es handelt sich bei ihnen um unerklärlich geräuschvolle Würmer, die bisweilen käferartige Laute beim Bewegen von sich geben, ab und an aber auch einfach mal mit großer Bedrohlichkeit im Chor kreischen.
Damit ist Squirm eigentlich mehr skurriles Drama zwischen wunderlichen Menschen als Tier- oder Natur-Horrorfilm.
Auch die musikalischen Qualitäten sind ein Wechselbad, das einem in dieser Art nur selten widerfährt. Mal tölpelt ein Lied völlig unpassend über eine Szene und sorgt für eine Befremdung, die nur mit sehr viel Anstand und Wohlwollen noch als positiv zu werten ist, an anderen Stellen funktioniert die nicht immer nachvollziehbare Wahl der Musiktitel aber auch ganz gut. Ihren Höhepunkt erreicht diese Eigenart zweifelsohne mit dem Abspannlied, das – selbst wenn man auf durch diesen Text vorbereitet ist – einen gar nicht anders als völlig kalt erwischen kann.
Technisch gibt sich der Film eigentlich keine Blöße – die wenigen Effekte funktionieren gut und das erwähnte Finale beeindruckt gar mit ungeahnt dichtem Masse-Terror (in Ermangelung eines Äquivalents zu ‚Schwarm‘). Liebermans Regie ist gut, verträgt sich aber nicht immer mit dem ebenfalls von Lieberman geschriebenen Drehbuch.

Fazit

Die kuriose Figurenkonstellation und das eigenwillige Kleinstadt-Drama sind nicht leicht zu mögen, auch wenn man dem Konzept eine gewisse Liebenswürdigkeit nicht absprechen kann. Neben ein paar gelungenen Lachern spricht vor allem das hypnotische Finale für Squirm, dessen Prämisse etwas in die Irre führt.