Jupiter Ascending

Seit Matrix umweht die Wachowskis ein seltsamer Wind. Immer wieder packen sie was an und scheitern damit, manchmal aber kommt auch Gold dabei heraus. Die Aura, ein Meilenstein wie Matrix geschaffen zu haben, werden sie verdientermaßen nie verlieren und aufgrunddessen auch immer eine gewisse Narrenfreiheit genießen. Den Vorwurf, sich immer nur zu kopieren, müssen sich die Geschwister jedenfalls nicht gefallen lassen. Jupiter Ascending allerdings ist ihr bisher schlechtestes, lieblosestes, unbeholfenstes Werk – von dem sie sich mit der gerade laufenden Netflix-Serie Sense8 gerade ein wenig rehabilitieren.

We need a plan.
We need firepower.

Story

Der Vater von Jupiter Jones war begeistert vom Sternenhimmel und diese Begeisterung kostete ihn das Leben, als Einbrecher sein Teleskop mitnehmen wollten. Als die schwangere Mutter nach Amerika übersetzt, wird das Mädchen unter einem vielversprechenden Sternzeichen geboren, muss im gelobten Land die nächsten Jahre aber erst einmal Toiletten schrubben und Kaffee für die Mutter kochen.
Bis eines Tages extreterrestrische Kopfgeldjäger, ein intergalaktisches Imperium und der smarte Abtrünnige Caine mit seinen schnittigen Licht-Rollschuhen an ihre Tür klopfen und sie in einen Krieg verwickeln, der größer ist, als sie je zu denken gewagt hätte.

Fazit

Oh man. Immer wieder zeigen die Wachowski-Geschwister, dass sie kleine Genies sind. Der erste Matrix, V wie Vendetta und zuletzt Cloud Atlas. Und dann sind da noch die anderen Filme… und zu denen gehört leider auch Jupiter Ascending.
Dabei hätte es so gut werden können. Ein inbrünstiges Märchen in kolossaler Optik, nicht tief, aber episch und teuflisch unterhaltsam. Die Anlagen hierfür sind vorhanden, werden dann aber geschwind erstickt von einem wirrem Durcheinander aus Nichts, Entscheidungsproblemen, überkandideltem Designterrorisms und ganz viel kitschigem Standard anstelle von Einfallsreichtum.
Das Mädchen, das vaterlos auf dem Ozeam im Nirgendwo geboren wird und damit heimatlos in sämtlichen belangen ist, ist eigentlich eine dankbare Heldenfigur. Doch bereits zu Beginn macht skeptisch, dass der Film einem dies nicht nur zeigt, sondern auch meint, es zusätzlich detailliert durch die Münder der Figuren erklären zu müssen, was dazu führt, dass die Figuren stumpf wirken, der Film plump und der Zuschauer sich nicht für voll genommen fühlt.
Anstatt dann eine kohärentes Abenteuer in Form einer kunterbunten Weltraumodyssee zu erzählen, wo Jäger und Gejagte einander die ganze Zeit umkreisen, wie es wohl eigentlich der Plan war, stopften die Wachowskis einfach alles in ihr Herzensprojekt, was sie finden konnten.
Klassische graue Aliens? Aber sicher! Elfenohrige Vagabunden? Warum nicht! Und ein runzeliger Elefant als Pilot? Null Problemo. Aristokratische Mistkerle, die auf ihrem Luxusplaneten darüber schwadronieren, dass sie die Herrenrasse sind? Rein da! Schillernde Cyber-Kopfgeldjäger mit Dreadlocks? Logo! Echsengargoyles? Pff…! Hartherzige Kinder auf Thronen, die einen Sklavenstaat anführen und sich in ihrem Harem ausruhen? Wir haben zwar keinen Platz mehr, aber: Komm in meinen Film!
Und die zu verstreichende Zeit, bis Erdbewohnerin Jupiter verarbeitet, dass sie nicht halluziniert, sondern all das tatsächlich sieht? Keine zwei Sekunden.

Als Gleitmittel gibt es tolle Bilder fantasievoll gestalteter Raumschiffe in wogenden Weltraumnebeln, auf denen sich alles tummelt, was die Wachowski-Geschwister nur mit verschiedenen Ohr-Variationen, knalligen Farben und hübschen Gesichtern in ihren Köpfen versehen konnten. Das ist in der Regel ein Augenschmaus, aber auch furchtbar bedeutungslos. Bedeutungslos und hübsch ist aber immer noch besser als bedeutungslos, langweilig und hässlich – oder, anders gesagt, besser als die Actioneinlagen, in denen einzelne Personen beteiligt sind, die emotionsarm vor expoplodierenden CGI-Hintergründen Dinge tun, die auf dem Papier sicher irgendwann mal cool waren, in der Umsetzung aber nur das sind, was sie nun mal sind: Typen, die vor einm Greenscreen rumhampeln, was manchmal okay und manchmal gar nicht gut aussieht.
Hinzu kommt eine der großen Action-Sünden der letzten Jahrzehnte zum Tragen, die hier mit einer Beiläufigkeit zur Vorllendung gebracht wird, dass man gar nicht glauben will, dass dieselben Personen für Choreographien wie einst in Matrix zuständig waren. Es gibt Bewegung, aber das, was sich bewegt und durch was sich bewegt wird, bleibt ein Schemen. Man weiß schlicht nicht, was die Figuren tun, wenn sie in Gefahr sind. Ein Gleiter rast durch bunten Brei, von dem zuvor behauptet wurde, er wäre eine „Warhammer-Formation“, ab und an wird geschrien, der Gleiter wälzt sich bisweilen zur Seite und der Film tut so, als spiele sich eine pfiffige Dynamik ab, die fortwährend spannender wird, während man tatsächlich aber absolut nichts erkennt und keine Ahnung hat, was genau da passiert und warum die Charaktere tun, was sie tun.
Die erste lange Actioneinlage, nachdem sich Jupiter und Caine über den Weg gelaufen sind, setzt da das Maß. Wenig lässt sich erkennen, wenig nachvollziehen, hauptsache etwas bewegt sich, während die beiden Figuren die ganze Zeit so schauen, als wären sie gar nicht richtig involviert. Jupiter schluckt all das problemlos und klebt fortan dem Weltraumhelden an den Fersen, als hätte sie nicht von der Existenz eines interstellaren Krieges, der sie persönlich zum Mittelpunkt hat, sondern von einer neuen Eis-Sorte erfahren.

Vollkommen langweilig oder auch so richtig, richtig schlecht ist Jupiter Ascending keineswegs, dafür waren auch zu talentierte Profis am Werk. Immer wieder gibt es Ansätze, die gefallen, weil sie eben nicht ganz so plump sind, wie vieles andere des Filmes. Aliens, die Maisfelder verunstalten, Man in Black-Anspielungen und die schon erwähnten coolen Designeinfälle Wenn aber selbst die guten Eigenschaften offensichtlich nur Leihgaben von anderen Geschichten sind, kann der Film seine Probleme kaum verhehlen. Hier wurde sich alles irgendwie zusammengeklaut, um es dann zusammenzuklumpen. Herausgekommen ist ein Brei aus 1000 Elementen, die eigentlich gar nicht zusammenpassen, sodass er am Ende nach allem und nichts schmeckt. Wahnsinnige Klopper, die an Mad Max erinnern, dann wieder Figuren, die auch aus Ghost in the Shell kommen könnten, natürlich allerhand Star Wars-Anbiederungen und jede Menge pseud-kluges Technikgeplapper in einem Muß aus Esoterik, Religionsanspielungen und klassischen Fantasy-Strukturen.
Selbst das könnte ja noch funktionieren und dafür sorgen, dass Jupiter Ascending nicht nur nicht richtig, richtig schlecht ist, sondern auch nicht richtig schlecht. Allzu weit entfernt von richtig schlecht ist der Film immer dann nicht, wenn das Drehbuch mal wieder versagt, indem es nicht nur mühsam einzelne Etappen aneinanderheftet, sondern diese auch noch sehr undurchdacht und lieblos abspult. Wieso nimmt man einen gefährlichen Krieger gefangen, lässt ihm aber seine mächtigste Ausrüstung? Wieso handelt die Protagonistin regelmäßig völlig unnachvollziehbar und naiv, während sie zugleich als Intelligenzbestie, die jede fremde Kultur sofort versteht, und als Dummerchen, das auf alles reinfällt und Offensichtlichkeiten übersieht, inszeniert?
Irgendwie scheint das Elaborat auch um seine Probleme zu wissen, weshalb gar nicht erst so getan wird, als seien Actioneinlagen gefährlich oder brenzliche Situationen… brenzlich. Da schwebt jemand mutterseelenallein im All und hat (woher auch immer) einen Raumanzug mit Restluft für gerade mal 37 Minuten? Stoff für einen dramatischen Überlebenskampf, könnte man meinen. Jupiter Ascending überspringt die interessanten Stellen und zeigt in der nächsten Szene, wie die Person an Bord eines Raumschiffes aufwacht, das sie augenscheinlich gerettet hat. Nervenzerfetzend geht anders. Und das ist keine Ausnahme, sondern die Regel, wie das Wachowski-Abenteuer mit Konflikten umgeht.

Fazit

Die Figur der Jupiter ist konzentriert das, was auf den gesamten Film zutrifft: Ein inkohärentes Flickwerk, in das man viel zu viel hineingesteckt hat, von dem aber nichts richtig aufgeht oder Tiefe besitzt. Das Ergebnis ist eine in alle Richtungen zugleich gezogen werdende Hülle, der man ihre Bausteinnatur jederzeit anmerkt. Während Jupiter aber stets darauf zählen kann, dass ein stattlicher Mann mit Inlineskates sie rettet, muss der Film scheitern. Großteils scheitert er zwar hübsch und effektbeladen, gegen frühe Ermüdungserscheinungen im Laufe der zweistündigen Laufzeit vermag das aber rein gar nichts auszurichten.
Man kann aber auch Folgendes als Metapher für den Film hernehmen: Damit Channing Tatum so ein unsympathisch verformtes Gesicht haben kann, benötigte er eine Prothese. Diese war derart störend, dass sie es ihm nicht gestattete, den Mund zu schließen und sich vernünftig zu artikulieren. Das sieht man der Figur nicht nur an, es sagt auch jede Menge über den Film aus.

The Book of Eli

Obwohl The Book of Eli das erste gemeinsame Filmprojekt der  Hughes-Brüder seit From Hell gewesen ist, war die Aufmerksamkeit nicht sonderlich groß. Die große Begeisterung für Endzeitwüste blieb gemeinsam mit Mad Max in den 80ern zurück. The Book of Eli schickte sich 2010 an, sie wieder zu entflammen.

I walk by faith, not by sight.

Story

Die Welt ist ein sandiger Scherbenhaufen. Jeder ist jedem der schlimmste Feind, Mitgefühl wich Kannibalismus und Wegelagerei. Eli wandert durch diesen Haufen und geht seiner Mission nach. Ein ganz bestimmtes Buch will er zu einem ganz bestimmten Ort bringen und niemand darf sich ihm entgegenstellen.
Dieses ganz bestimmte Buch will Carnegie in seinem Besitz wissen, der hundsgemeine Bürgermeister seiner neugegründeten Stadt. Da Eli sich seinem Rabaukentrupp nicht anschließen und ihm erst recht nicht die Lektüre überlassen möchte, fackelt er nicht lange und erklärt den Reisenden mach den Reisenden, den eine geheimnisvolle Kraft zu beschützen scheint, zu Freiwild.

Kritik

Um gleich auf den Punkt zu kommen, es fehlt an originellen Einfällen, die an sich hübsche Endzeitwelt mit Pepp füllen. Toll gefilmt ist das Ganze und dazu in einen atmosphärischen Hauch von Sepia getaucht, doch die zündenden Ideen bleiben einfach aus. Stattdessen trifft ein Reisender auf die typischen Gefahren der unzähligen postapokalyptischen Welten. Die einen wollen Deine Schuhe, die anderen den darin befindlichen Fuß in ihrem Magen, aber kaum jemand will dir was Gutes. Und wenn doch, ist er entweder ein hübsches Mädchen oder ein freundlicher Greis.
Das trägt ein wenig dazu bei, dass man sich an 80er-Oldies, als Endzeit noch en vogue war, erinnert fühlt. Trotzdem ist nicht alles Mus im Glas, denn ab und an gibt es dann doch ein paar stimmungsvolle Ausreißer.

Gary Oldman spielt seine diabolische Rolle, die ansonsten die Tiefe eines Groschens hat, standesgemäß engagiert. Wweswegen man aber auch sogleich darüber informiert ist, welche Funktion der Ehrenwerte hat wird und wen er verkörpern soll. Denzel Washington ist eine eindrucksvolle Erscheinung und wirkt mit seinem grauen Bart ziemlich verkleidet. Gut sieht es aus, wenn er seiner Vagabundentracht rabiat wie ein Pürierstab durch eine Übermacht an Prügelknaben wirbelt. Vor allem die Gefechtskamera mit ihren durchkomponierten Fahrten verdient Lob und wertet die Angelegenheit kurzfristig sehr auf. Auch der Rest des Filmes hat einen durchweg ansprechenden Look und Kameramann Don Burgess (Priest, Source Code, Spider-Man) kriegt ein paar wunderschöne Bilder auf Film gebannt. Doch die völlig überladene Musik verrät schon, was der Inhalt einlöst: The Book of Eli malt Moral und Geschichte mit dickem Filzstift und schnörkelhaften Initialen.

In dieser Tradition steht auch die Figurenzeichnung, denn alle außer Eli sind schrecklich matte Strichzeichnungen der Stereotypen-Schablone. Und Eli selbst ist ein Christ, dem sein Glaube Superkräfte verleiht, der nie schläft, viele fromme Sprüche auf Lager hat und dessen einzig hervorstechend Eigenschaft ist, dass er trotzdem so stoisch und gnadenlos ist, dass er auf den ersten Blick gar nicht zu seiner Figur beziehungsweise dem Neuen Testament passen will.
Da gut inszenierte Gewöhnlichkeit aber trotzdem nicht langweilig sein muss, sorgt The Book of Eli eben doch für ein bisschen für Unterhaltung, wenn auch nicht übermäßig viel.
Das Ende, man mag es gar nicht glauben, legt dafür ein paar Schippen drauf, basiert auf einer durchaus schnieken Grundidee und lässt es noch bedauernswerter erscheinen, dass der ganze Rest des Filmes keine weiteren guten Einfälle aufweist. Die Moral, die das Gesamtwerk transportiert ist allerdings in jedem Fall höchst fragwürdig.

Fazit

Schön gefilmte und halbwegs unterhaltsame One-Man-Show Denzel Washingtons, der sich durch hübsche Bilder und ein einfallsloses Drehbuch kämpft, um am Ende für eine höchst zweifelhafte Moral zu werben.