Gantz – Die ultimative Antwort

Dass Gantz – Spiel um dein Leben für eine achtbare Dauer die japanischen Kinocharts anführte, hatte keinen Einfluss darauf, dass ein zweiter Film erschien. Dieser war bereits im Vorfeld geplant und wurde von den eingefleischten Fans der Vorlage(n) fast ebenso misstrauisch beäugt wie Teil 1. Das Ergebnis war dennoch – trotz kleinflächigerer Auswertung – erfolgreich und ließ die meisten Gantz-Gläubiger ein zweites Mal zufrieden zurück.

Der Typ hat mich umgebracht.

Story

Ein knappes halbes Jahr verstrich seit den Geschehnissen der schicksalshaften Abenteuerkette, die im Tod von Kato ihr vorläufiges Finale fand. Kei hat zwischenzeitlich weiter fleißig die vorgegebenen Ziele der schwarzen Kugel eliminiert und einen beachtlichen Erfahrungs- und natürlich auch Punktestand angesammelt. Sein erklärtes Ziel ist es, Freund Kei in die Welt der Lebenden  zurückzuholen. Bekanntlich ist dies bei 100 erreichten Punkten eine Option.
Parallel zu den Geschehnissen wird dem Mädchen Eriko eine Miniversion von Gantz zugespielt und mit ihr die Instruktionen, ebenfalls bestimmte Zielpersonen auszulöschen. Nur dass  diese in der alltäglichen Realität existieren und offensichtlich nicht außerirdischer Herkunft sind. Die Nächste auf ihrer Abschussliste: Keis Freundin Tae.
Unterdessen kommt der Privatschnüffler Masamitsu Shigeta dem verdeckten Treiben von Gantz auf die Schliche und ermittelt immer verbissener auf eigene Faust.

Kritik

Die grundsätzlichen Schwächen aus Teil 1 sind natürlich nicht einfach verschwunden. Konnten Anime und Manga noch damit punkten, dass die profane Umwelt, aus der die Figuren in das abgehobene Science-Fiction-Elitekiller-Computerspiel-Szenario geworfen werden, glaubwürdig fahl und authentisch wirkt, hat die schnöde Menschenwelt in Gantz 2 immer noch das Problem, zwar ebenfalls fahl aber nicht sehr glaubwürdig zu sein. Die Szenen, die sich um die Aufträge herumlegen, wirken in ihrer leichten Überflüssigkeit aber nicht mehr ganz so erdrückend wie noch im Vorgänger.
Was zum Beispiel der Protagonist an der unheimlichen Stalkerin findet, die ihn im Geheimen beobachtet, analysiert und mit irrem Blick zeichnet, ist weiterhin nicht ersichtlich – davon abgesehen, dass sie nun einmal ganz hübsch ist. Trotzdem findet er ihre offensichtliche Besessenheit reizend und macht sie zur Leitfigur seines Lebens. Merkwürdig.
Schwülstig und pathetisch ist es ebenfalls immer noch und auch in der zweiten Runde lässt sich Gantz nicht davon abhalten, die betroffenen Szenen mit klebrigen Streichern- oder Pianoklängen zuzukleistern.
Wird sich den Behufen und dem Seelenleben der Figuren zugewendet, wird’s platt, gekünstelt und schlichtweg dilettantisch.
Die Grundkonstellation mit der pechschwarzen Richtermurmel und ihrem hageren Insassen ist immer noch dieselbe. Leicht an Sklaverei erinnernd, wird dem fragwürdigen Konzept gefolgt, dem Tode Geweihte zu retten, woraufhin ihr vermeintlicher Retter das wieder- oder neugewonnene Leben nach Gutdünken verwenden kann.

Doch um all das mundane Rahmengefüge geht es natürlich nur oberflächlich. Im Kern will Gantz: Die ultimative Antwort seine Auseinandersetzungen gegen die wunderlichen Aliens zeigen und genau das will der Zuschauer auch aufgetischt bekommen. Hier wartet auch gleich eine mächtige Enttäuschung: Anstatt die bekannten überdrehten Gegnertypen noch einmal zu toppen, werden den Protagonisten plötzlich stinknormale Menschen vorgesetzt. Zwar verfügen diese wenigstens über übermenschliche Zerstörungskräfte, doch erinnern sie in ihrer wenig befriedigenden Erscheinung ein wenig an die guten alten Akte X-Kopfgeldjäger und sehen neben den überspitzten Weltraumgeschöpfen aus Teil 1 reichlich blass aus. Doch sei’s drum, denn damit sind die Nachteile des Sci-Fi-Filmes auch schon aufgezählt.

Shinsuke Sato Hat aus den 120 Minuten des Vorgängers gelernt und ist trotz des kaum nennenswerten zeitlichen Abstands zwischenzeitlich ein merklich versierterer Regisseur geworden, was sich zuallererst in ausgefalleneren und besser getimten optischen Sperenzchen äußert.
Die Kämpfe sind deutlich spektakulärer, allerdings dauert es auch, bis die Sache Fahrt aufnimmt. Erst nach einer Dreiviertelstunde, die deutlich gemächlicher ausfällt, als man es erwarten würde, gibt es das erste Scharmützel zu sehen, das dafür aber auch alles in Teil 1 Präsentierte mit Paukenschlag in den Schatten stellt.

Gantz 2 weiß sehr wohl, dass es seinen ersten Teil nicht einfach wiederholen sollte, und setzt sich einen komplett anderen Fokus. Die starre Missionsstruktur wird durchbrochen und dafür geht es in erster Linie um die Entschlüsselung des Kugel-Geheimnisses. Der Film versucht demnach zu halten, was sein Titel verspricht – die Klärung offener Fragen. Wirklich spektakulär fallen die Antworten allerdings nicht aus. Eigentlich bestätigt Gantz 2 brav das, was man sich nach Teil 1 sowieso schon gedacht hat.
Aufgrund genannter Punkte sieht Gantz 2 an manchen Stellen aus wie ein besseres G.I. Joe. In Szene gesetzt wird das Gerangel mit jeder Menge Stilraub aus so gut wie jedem prägenden Sci-Fi-Kampf dieser Generation. Aber wenigstens bereichert man sich erlesen und an den Richtigen Quellen, sodass all das Diebesgut am Ende doch so etwas wie eine eigene Note erhält. Und diese Note macht Spaß –  was letztlich ist, worauf es unterm Strich ankommt. Auch wenn  die Schwerpunktverlagerung nicht nur Gutes mit sich bringt. Zwar sieht der Film über weite Strecken nett aus, vertuschen, dass er kein riesen Budget hatte, kann er aber nicht. Außerdem legt man den gesteigerten Wert auf Dramatik und Pathos auch in den Kämpfen, was nicht immer zur Gänze gelingt, wo wir wieder bei den oben beklagten Überspitzungen in Sachen Musik und Kamera wären.
Der zweieinhalbstündige Sci-Fi-Film hält sich darüber hinaus selbst für deutlich größer als er ist. Die lange Vorlaufzeit wird vom abstrusen Abschluss nur zum Teil gerechtfertigt, die eigentliche Geschichte wartet letzten Endes mir nur sehr wenigen und keineswegs spektakulären Antworten auf und so stellt sich immer mal wieder Leerlauf ein. Etwa wenn sich der Film in einer schmalzigen Drama-Szene verliert oder die eigentlich hübschen Ballereien so zäh und ideenarm geraten, dass man sich fast wieder zurück in die dröge Welt der Menschen sehnt.
Und dann ist da auch noch der Storyfaden mit dem Ermittler, der versucht, hinter das Geheimnis der zerstörten Stadtregionen und den Gerüchten von der merkwürdigen schwarzen Kugel zu kommen. Ein Faden, der beginnt, als hätte er enorme Relevanz, und bei dem sich früh herausstellt, dass er vollkommen sinnlos ist und ebenso auch endet. Der Privatdetektiv bringt die Geschichte kein Stück weiter, bereichert sie um überhaupt gar nichts und wirkt paradoxer Weise trotzdem wie der interessanteste Charakter, weil sein klischeehaft verbissenes Hard Boiled-Gebaren immer noch angenehmer ist als die leichtfertig umrissenen Abziehbilder der Gantz-Rekruten.

Fazit

Klar, herausragendes Kino ist auch der zweite Teil der Manga-Verfilmung nicht. Aber das ist auch gar nicht das Ziel. Allen inhaltlichen Mängeln – die im Einzelnen nie gravierend, dafür aber umso zahlreicher sind – zum Trotz macht die Hatz sogar noch etwas mehr Spaß als im Vorgänger, weil die Gefechte direkter und actionreicher inszeniert sind und einen deutlich größeren Teil des Filmes einnehmen.
Die versprochenen Antworten sind weder ultimativ noch im Ansatz überraschend. Aber das dürfte auch niemand ernsthaft erwartet haben.

Cloud Atlas

Die Verfilmung des verschachtelten Romans Cloud Atlas stammt von dem Deutschen Tom Tykwer (Das Parfum) zusammen mit den Wachowski-Geschwistern (Matrix) und ist die mit großem Abstand kostspieligste Produktion aus deutschem Lande, überwiegend finanziert durch diverse Fördergelder.
Überraschender und gewiss auch erfreulicher Weise sieht das Ergebnis weder deutsch aus noch wie ein Werk der Wachowskis. Macht man sich die Mühe, es zu sezieren, stellt sich sogar schnell heraus, dass Cloud Atlas im Kern eigentlich klassisches Hollywood-Kino ist. Im besten Sinne.

That’s it, the music from my dream.

Story

Im Jahre 1849 freundet sich ein junger Mann während einer Schiffsreise mit einem entflohenen Sklaven an. Er  hadert mit sich, ob er den blinden Passagier verraten oder beschützen sollte, und sein körperlicher Zustand verschlechtert  sich zusehends. Nur ein zweifelhafter Herr mit noch zweifelhafterer Medizin verspricht Rettung.
Im Jahre 1936 quartiert sich ein junges Talent bei einem alten Talent ein, um endlich erfolgreicher Komponist zu werden.
Im Jahre 1973 muss eine Journalistin Courage beweisen, als sie einer Verschwörung auf die Spur kommt.
Im Jahre 2012 landet ein raffgieriger Verleger ohne sein Wissen im Altersheim und plant die Flucht.
Im Jahre 2144 wird unbequeme Arbeit von Klonen ausgeführt. Sonmi 451 ist ein solcher Klon, der über sich hinauswächst und aufbegehrt.
Im Jahre 2346 ist die Zivilisation zerfallen. Die Menschen leben in Stämmen und müssen sich vor Kannibalen schützen. Eine Fremde mit wunderlicher Technik sorgt für Staunen in der Gemeinde und für Skepsis bei einem Hirten.

Kritik

Begrüßt wird man von der Antwort auf die Frage, was eigentlich so teuer an diesem Projekt gewesen ist. Umwerfend schöne Bilder, die manchmal an die verspielte Pracht eines Tarsem Singh (The Fall) denken lassen. Gedreht wurde an imposanten Orten, die mit technischen Kniffen noch an Imposanz gewannen. Ebenfalls nicht geknausert wurde mit der Ausstattung, und das sieht man. Jedem der sechs Erzählstränge nimmt man seine spezielle Epochenzugehörigkeit ab. Unzählige kleine Details bewirken, dass der Zuschauer sich in Sekundenbruchteilen in der richtigen Zeit weiß. Nicht zuletzt diesem verschwendungssüchtigen Kunststück ist es zu verdanken, dass man in den dreistündigen Weiten von Cloud Atlas nie in Gefahr läuft, die Orientierung zu verlieren. Gleiches lässt sich über die Masken sagen. Wüsste man nicht, dass Tom Hanks, Halle Berry und der Rest des prominenten Casts in jedem Zeitabschnitt mit variierender Relevanz auftauchen, würde man sie in manchen Fällen schlicht nicht erkennen. Sechsmal sieht ausnahmslos jeder wichtige Darsteller vollkommen anders aus, sechsmal ist die Illusion perfekt. Die Verwandlungen sind teils so gut gelungen, dass es nicht nur beeindruckend ist, sondern fast schon ein wenig gespenstisch.
Die Handlungsbögen en détail aufzudröseln, ist hier nicht der richtige Ort. Deswegen sei in aller gebotenen Knappheit versichert, dass das Konzept überall aufgeht. Jede Geschichte interessiert und betört auf ihre Weise, die Darsteller wurden hervorragend besetzt und an den entsprechenden Leistungen lässt sich nicht einmal im Kleinen Kritik üben. Der Kontrast zwischen den mit Unrat befüllten Gassen des 19. Jahrhunderts und der dystopischen Zukunftsvision der Wachowskis, die hier eine Variation ihres Matrix-Helden Neo durch die Klonwelt jagen, ist maßgeblich und trägt einerseits dazu bei, dass jedes große Genre vertreten ist und zeigt andererseits in fast schon nüchterner Ergebenheit auf, dass alles nur ein großer Kreislauf ist.
Stück für Stück auf die sechs Ebenen einzugehen, ist aber auch deshalb nicht notwendig, weil sie letztlich einer einzigen Sache dienen und eine gemeinsame Aussage haben. Es sind, wenn man so möchte, sechs Belege für eine Behauptung. Cloud Atlas handelt von den großen menschlichen Fragen, die bereits unzählige Male thematisiert wurden, bei denen eigentlich ein vollkommener Konsens herrscht, wenn man „den gesunden Menschenverstand“ befragt, und die nichtsdestotrotz ständig aktuell sind – weil gesunder Menschenverstand und tatsächliche Praxis allem Anschein nach nur selten übereinstimmen.
Die Themen sind Verantwortung, Gerechtigkeit, Freiheit, Mut und Menschlichkeit – was immer man darunter für sich verstehen mag. Alle werden sie in jeder Geschichte auf ihre, oft auch auf gleiche Weise angeschnitten und zum Hauptmotiv der Geschichte gemacht. Mal ernst vorgetragen und mal heiter, mal schnell und mal langsam. Und vergessen wir nicht, es sind diese elementaren Reflexe, die – wenn von einem Film auf geschickte Weise ausgelöst – diesen zu einem wirklich guten Kinoerlebnis machen.
Tom Hanks hat hiermit einen Film mitgeschaffen, der in vielerlei Hinsicht direkt an Forrest Gump anschließt. Große, eigentlich jedem evidente Fragen mit Herz und einfallsreicher Naivität präsentiert. Nur, dass hier im Gegensatz zum „Life was like a box of chocolates“-Klassiker auch vor Sex und zerplatzenden Körpern nicht zurückgeschreckt wird, wenn es der Geschichte hilft.
Und Hanks zeigt endlich mal wieder, was für ein enormes Talent er besitzt, wenn man ihm nur herausfordernde Rollen anbietet.

Man könnte dem Werk vorwerfen, dass es mit langem Atem Botschaften predigt, die letztendlich flach und simpel sind. Und läge damit sicherlich auch gar nicht so falsch. Entscheidend ist hier aber die Art, wie das Anliegen vorgetragen wird. Und die ist eben packend und den Atem verschlagend, sodass die 172 Minuten lange schon vergangen sind, bevor man den Drang verspürt, das erste Mal auf die Uhr zu blicken.
Das liegt vornehmlich an dem Trick, dass der Film aus hunderten kleinen Cliffhangern besteht. Immer dann, wenn von einer Geschichte in die nächste gewechselt wird – und dies passiert sehr, sehr oft – steht mindestens ein großer ungelöster Konflikt im Raum. Das ist im höchsten Grade manipulativ, funktioniert aber hervorragend.
Für sich gesehen sind die Einzelerzählungen bestenfalls durchschnittlich. Die Art und Weise, wie sie vorgetragen werden und die gewaltige Masse an Reizen, die durch die Vielfalt der Szenarien geboten werden, macht die Angelegenheit trotzdem zu einem enormen Vergnügen. Sicher, prinzipiell handelt es sich um faulen Zauber. Dazu gehört auch der Fakt, dass viele Informationen nicht durch Dialoge vermittelt werden, sondern eine Erzählerstimme aus dem Off dies erledigt.
Aber es ist nun einmal verdammt guter Zauber und wie bei jedem guten Zauber ist man gerne bereit, sich widerstandslos hinzugeben.

Nicht immer, aber doch sehr häufig hat man sich für die Szenenübergänge nette bis brillante Spielereien überlegt. Bei den kunstvollen Zeitsprüngen – die manchmal nur für Sekunden währen, ehe ein weiterer Sprung bereits ansteht – werden Rösser zu Zügen, Worte zu Schiffen und die Naturelemente greifen ineinander. Diese ständige, sich über 15000 Jahre ziehende Verbundenheit wird nicht bloß durch die Montage angedeutet, sondern auch auf inhaltlicher Ebene. Ständig gibt es subtile oder offenkundige Querverweise auf Zukünftiges und Vergangenes, die immer wieder mit sanftem Druck bestätigen: Alles hängt zusammen.

Fazit

Technisch perfekt und inhaltlich stilvoll schlicht. Keine Minute unnötig und ein stetes Vergnügen. Das Mammutwerk erreicht alles, was es sich vorgenommen hat – nur die Besucher sind nicht ganz so zahlreich, wie erhofft. Spätestens auf Blu-Ray wird sich der Film aber seinen Kultstatus verdienen.
Trotzdem – oder gerade deswegen – sollte man versuchen, Cloud Atlas im Kino zu erleben. Denn die Farbenpracht und Bildgewalt wirkt auf der großen Leinwand einfach am intensivsten.

Es lohnt sich übrigens, beim Einsetzen des Abspanns auch noch die letzten Minuten auszuharren. Denn dann entlüftet eine kurze Galerie, welche Darsteller sich hinter den Masken verborgen haben und welche teils grotesken Verwandlungen sie durchmachten.