Das Mini-Genre des U-Bahn-Horrors ist eigentlich immer gern gesehen. Egal, wie der Film denn nun eigentlich ist – Klaustrophobie und eine ordentliche Atmosphäre im finsteren Gedärm einer Stadt gibt es eigentlich inklusive. Dass daraus aber nicht zwangsläufig ein netter Film entstehen muss, beweist Stag Night nachdrücklich.
We went on the wrong tunnel.
Story
Dass sich unterhalb von New York ein zweites New York befindet, ist hinlänglich bekannt. Ein unüberschaubares, teilweise aufgegebenes Netzwerk aus U-Bahn-Tunneln zieht sich hunderte Kilometer lang durch den Untergrund, lockt Aussätzige an und fungiert als Garten Eden für Ratten. Als sich ein klassisch aus dem Ruder laufender Junggesellen-Verabschiedungs-Verband in die verlassenen Tunnel verirrt, macht dieser schnell Bekanntschaft mit ein paar mordlüsternen Mutanten.
Kritik
Irgendwann musste es mal soweit sein. Stag Night von Peter A. Dowling (der bisher vorrangig als Autor des Langweilers Flightplan bekannt war und hiermit sein Regieudebüt abgibt) steht auf dieser Seite ohne richtigen Grund, denn Science-Fiction ist das weder im engeren noch im weiteren Sinne. In der Inhaltsangabe auf dem DVD-Rücken wird irgendwas von Mutanten gefaselt, doch eigentlich werden hier nur ein paar Dumpfbacken von mundfaulen Obdachlosen zerstückelt.
Aber tun wir mal so, als handele es sich um Mutanten, und besprechen den Film. In der dritten Person.
Die vorgeblichen Mutanten, wegen denen man sich das alles antut, sind allzu oft gar nicht zu sehen, sondern huschen in unglaubwürdigen Bahnen als blamabelste Kamera-Ego-Perspektive der jüngeren DVD-Geschichte durch die Kammern und Tunnel. Sie sehen aus wie der durchschnittliche Vagant und klingen wie der unterdurchschnittliche Ork.
Begleitet wird der Unsinn von billig produzierter, viel zu verrauschter Gitarrenmusik, die manchmal in Ordnung geht, manchmal aber auch jede Möglichkeit auf Atmosphäre zunichtemacht, weil sie rücksichtslos in das Geschehen hämmert. Die Kamera agiert wie im Zeitraffer, zuckt ständig hektisch umher und scheint keinerlei Fokus zu kennen. Man kennt die Klage bei diversen Filmen, seit Handkamera en vogue geworden ist, Stag Night treibt dies mühelos auf ein gänzlich neues Level.
Gefilmt ist das Ganze wie ein Amateurfilm der Mittelklasse. So hektisch die Schnitte auch sind, wirken sie doch alle etwas neben der Spur, als hätte der Cutter nicht gewusst, wie das alles eigentlich funktioniert. – Oder eben, als hätte der desorientierte Kameramann auch gleich den Schnitt vorgenommen. Die Introduktion der Charaktere fällt gleichsam hilflos aus. Der Versuch, ihnen Tiefe zu verleihen, ist so unbeholfen wie plump, die Dialoge streckenweise kaum zu ertragen und sorgen bestenfalls dafür, dass die Protagonisten als gestelzt redende Streitsucher erscheinen und sich im Laufe der Handlung auch einzig dahingehend entwickeln, dass sie zusätzlich auch noch reichlich dämlich sind und so einen hässlichen U-Bahn-Tunnel-Mord schon irgendwie verdient haben. Zum Glück wird das Körbchen mit all den Faulen Äpfeln schnell geleert.
Dass die Handlung voller Logikfehler ist, gehört bei allem anderen dann auch zum guten Ton. Da schlendern die vom Drehbuch verurteilten seelenruhig einen U-Bahn-Tunnel hindurch, während sie nicht wissen, wie weit die Stationen voneinander entfernt sind, ihnen durchaus aber bewusst ist, dass jede Stunde ein Zug durch die Tunnel rattert. Auch dass man unentdeckt plappern darf, der blutrünstige Untergrundbewohner aber sofort aufschaut, wenn der Fuß etwas berührt, ist ein Naturgesetz in Stag NIght. Das Grüppchen ist immer unnötig laut und quasselt sorglos vor sich hin, während es sich vor den nur wenige Schritte entfernten Jägern versteckt. Trotzdem wundert man sich immer wieder aufs Neue über den Tod. Wer sich, während er von Killern durch einen scheußlichen Irrgarten getrieben wird, darüber streiten will, ob er Trauzeuge irgendeiner Hochzeit ist, oder nicht, ist ohne Wenn und Aber von einem immensen Lebensüberduss befallen.
In einigen Momenten kommt dann doch kurz so etwas wie Spannung auf, so eine Untergrundwelt, die nur wenige Meter vom menschlichen Alltag entfernt liegt, aber doch kaum begreiflich fremd und fern ist, hat einfach Potenzial. Doch die stümperhafte Regie ist in diesen Momenten immer relativ schnell zur Stelle, um den Film wieder in sein Gebiet zurückzuholen.
Nun, man mag sagen, dass das alles schon zu billigen wäre, so lange die adretten Frauen auch nach einer Terror-Hetzjagd im Zentrum des New Yorker Drecks noch wie frisch aus den Ei gepellt aussehen und die Gore-Effekte stimmen. Diese sind aber im besten Fall Mittelmaß und auch alles andere als kreativ umgesetzt. Einen Blumentopf gewinnt der Film auch damit nicht.
Da das alles ziemlich blöde daherkommt und der Streifen nicht zulässt, dass man die ‚Guten‘ mag und die Bösen ernstnimmt, lässt Stag Night einen die volle Laufzeit über herzlich kalt. Man ist nicht gelangweilt, aber so leidlich unterhalten, dass man ebenso gut abschalten und über Eis nachdenken könnte. Zu allem Überfluss zeichnet der Film auch noch ein hässliches, feindseliges Bild von der ganz unteren Bevölkerungsschicht, sodass dieses Machtwerk am Ende nicht nur an seiner bedeutungslosen Mangelhaftigkeit krankt, sondern auch noch ein fragwürdiges Weltbild transportiert.
Fazit
Stag Night ist ein hilflos inszeniertes B-Movie mit einem völlig gleichgültigen Drehbuch, in dem ein vertrottelter Trupp von Arschlöchern sich gegen verlotterte Grobiane zu Wehr setzen muss. Logik und Erklärungen bleibt der Film bis zum Ende schuldig. Allerdings ist er sich nicht zu schade, sich herablassend über Obdachlose, Frauen und den Zuschauer zu äußern.
Wer einen modernen U-Bahn-Schocker mit einem Hauch Science-Fiction, dafür aber auch in psychologisch kluger Ausführung und mit saftigem Splatter sucht, ist mit Midnight Meat Train definitiv besser bedient. Aber auch der Klassiker Tunnel der lebenden Leichen oder die kanadische Kleinstproduktion End of the Line bieten entschieden besseren U-Bahn-Horror als er hier geboten wird.