Der visionäre Regisseur William Cameron Menzies (Things to Come) drehte 1953 einen sehr modernen Sci-Fi-Jugend-Film. Dass ausgerechnet Tobe Hooper (The Texas Chain Saw Massacre, Poltergeist) sich 33 Jahre später am Höhepunkt seiner Karriere an einer Neuverfilmung versuchte, wirkte nur auf den ersten Blick sonderbar.
Well, maybe a penny will do it!
Story
Als David eines Nachts aus dem Fenster seines Kinderzimmers sieht, traut er seinen Augen nicht. Nicht weit entfernt landet ein UFO hinter einer Anhöhe. Natürlich schenkt der Geschichte des aufgebrachten Jungen niemand so richtig Glauben. Bereits am nächste morgen aber fällt sein Vater durch ausgesprochen merkwürdiges Verhalten auf.
Auch in der Schule agieren viele Menschen plötzlich auffallend. Sie sind emotionslos und führen Alltagstätigkeiten auf teils recht affektierte Weise aus. David entdeckt, dass ihnen ein Implantat in den Nacken gesetzt wurde, ihr Willen ist gebrochen von Aliens.
Ihm bleibt nichts anderes übrig, als auf eigene Faust zu handeln, während sein Umfeld unaufhaltsam von den Außerirdischen infiltriert wird.
Kritik
Wenn schon der Vorspann auditiv und grafisch mit einer hauchend-rauschenden Wucht die Credits in großem Bogen durch das Bild sausen lässt, dies weiße Streifen hinter sich herziehen, welche mehr an Spinnenweben als an Space-High-Speed erinnern, sodass die eigentlich mitzuteilenden Namen mit dieser Verzierung absolut gar nicht mehr lesbar sind, wird klar, dass Hoopers kulissen- und farbverliebter Stil hier wie die Faust aufs Auge passt. Hier wird all das, was seinen grandiosen Eaten Alive ausmachte, dafür genutzt, eine Jugendfantasie zu bebildern.
Erst einmal geht es um eine rissfreie Familienidylle der 80er vor kaum versteckter Kulisse, als hätte Spielberg persönlich Pate gestanden. Was er mit E.T. – Der Außerirdische zweifelsohne auch getan hat.
Prompt fällt die Hooper-typische Wunderlichkeit in den Film ein. Die Musik und auch die immer bewegte und ihre Objekte fast schon zärtlich umschmiegende Kamera bewahren zwar den Anschein von Vorstadtheimeligkeit und Familienfreuden, spooky Soundeffekte, schräge Figuren und andere beunruhigende Kleinigkeiten lassen nicht nur keinen Zweifel daran, dass etwas Fremdes eindringen wird, sondern kreieren vor allem einen rigorosen Kontrast.
Nach nachvollziehbaren Handlungen darf und soll man nicht suchen. Invasion vom Mars geht es im Grunde um den Effekt. Die Wirkung von Sonderbarem, Fremden, von unerwarteten Taten und überzogenen Entwicklungen, um Einstellungen, Sounds und Schreckeffekte. Im Gegensatz zu heutigen Filmen mit dieser Ausrichtung ist hier vor allem aber auch Seele anzutreffen. Vieles davon kennt man z.B. aus Eaten Alive, nur geschieht es hier eben im Schatten jugendfreundlicher Abenteuerfilme. Absolut sehenswert und ebenso eklig sind die Spezialeffekte. Das Getier vom Mars ist so herrlich widerlich deformiert, voller Zähne, Drüsen und Fleisch, dass man sich gar nicht daran sattsehen kann und mag. Insbesondere der Anführer mit seiner optischen Mischung aus Kobra, Gehirn und Klitoris kann einige Szenen für sich beanspruchen.
Neben den sorgfältig platzierten, dafür aber umso fantastischeren Effekten ist die Kamera zweifelsfrei das Highlight des Filmes. Verspielt und zügellos reiht sich eine ausgelassene Fahrt an die andere. Dass die Geschichte aus der Sicht eines Kindes erlebt wird, gewinnt hier eine ganz neue Bedeutung hinzu. Daniel Pearl, der auch schon Hoopers The Texas Chain Saw Massacre filmte, war hier am Werk und lieferte nach diesem Film nie wieder eine so markante Leistung ab.
Später gibt es einen schrägen Dreh, der den Horror erst einmal verschwinden lässt und Grundschüler David Gardener quasi zum Kommandeur der Armee werden lässt und eine ganz eigenartige Wandlung der Stimmung bedingt. Es ist schwer zu sagen – und wohl nur von jedem selbst zu entscheiden -, ob das dem Film gut tut, außer Frage steht hingegen, dass es auf eine merkwürdige Weise unterhaltsam, in dieser letzten Phase aber zu lange verharrt. Spätestens hier verliert der Film aber jede klare Zielgruppe. Für Kinder erst zu unheimlich und brutal, für Erwachsene zu kindlich und so richtet sich dieses wunderliche Produkt vorrangig an Liebhaber des Merkwürdigen und vieler Überraschungen, während Logik vom Drehbuch völlig bewusst gänzlich auf der Strecke gelassen wird. Anspielungen auf andere Perlen des Genres, allem voran natürlich Ed Woods Kreationen, bleiben natürlich nicht aus.
Zu lesen ist Hoopers Version von Invasion vom Mars ebenso wie Menzies Originalstoff am besten als die Fantasie eines Jungen, der sich abends im Bett ein Abenteuer mit sich als Helden ausmalt. Sich höchst eigenartig verhaltene Erwachsene, die alle ein großes Geheimnis zu teilen scheinen, während man als Kind doch eigentlich besser weiß, wo es lang geht, einem aber keiner Glauben schenken will. Im Alleingang Klettereien bestehen und geheime Nachforschungen anstellen. Und Mut. Jede Menge Mut, den all die Bewährungsproben einfordern. So wie wir Jungen eben sind, ausdauernde Kämpfernaturen, leidenschaftlich und ehrlich gesagt auch ziemlich drollig.
Vor diesem Hintergrund ist es besonders schade, dass Kinderschauspieler Hunter Carson häufig etwas zu steif spielt und schlichtweg nicht sehr überzeugend spielt, während seine Stimme überraschender Weise sehr gut zum Geschehen passt.
Tatsächlich funktioniert der Film auch nur mit dieser Sichtweise, denn bei jeder anderen wäre das Drehbuch unannehmbar. Das weiß auch Hooper. Und vielleicht kann man Invasion vom Mars als größten Kritikpunkt vorwerfen, dass er wohl sorge hatte, das Publikum könne dies nicht verstehen, weshalb er ein Ende wählte, das die einzig vernünftige Lesart zu etwas werden lässt, das sich narrativ aufdrängt.
Fazit
Invasion vom Mars ist das Abenteuer eines Kindes, das sich nicht nur, aber überwiegend an Erwachsene richtet. Wer sein Faible für das Wunderliche und Fantastische nicht verloren hat, wer Film als Entdeckungsreise, Eskapismus und Wunderkiste begreifen kann, der wird sich in Tobe Hoopers Remake pudelwohl fühlen. Trotz einer Entwicklung, die dem letzten Akt der Geschichte den Charme abspricht, den sie bis dahin hatte, funktioniert der Film auch heute noch anstandslos, um kurz ein paar Schritte zurück in die eigene Kindheit zu machen.