Pacific Rim

Eigentlich sollte ein halbes Jahrzehnt nach dem Comicspaß Hellboy – Die goldene Armee das zweite Wolverine-Spin-Off von Guillermo del Toro inszeniert werden. Doch da ihm das alles zu viel Zeit in Anspruch nahm, beförderte er sich selbst von der Liste der Kandidaten und drehte stattdessen das Monster-gegen-Roboter-Spektakel Pacific Rim.


Where is my GODDAMN shoe?

Story

Bereits Ende 2013 klafft ein Dimensionstor im Pazifik auf, das in immer höherem Takt riesige Bestien ausspuckt, die direkt auf unsere Großstädte zuhalten, um sie dem Erdboden gleichzumachen. Kaijūs werden sie getauft. Als alle Waffen versagen, legen die Völker der Erde ihre Streitigkeiten bei und erschaffen in Gemeinschaftsarbeit die sogenannten Jaeger – humanoide Kampfroboter, die ihren echsenartigen Gegnern in Kraft und Größe in nichts nachstehen. Gesteuert werden diese von zwei Piloten, die mental erst miteinander und zu zweit dann mit dem Korpus des Jaegers verschmelzen. Menschen können etwas Fantastisches bekämpfen, weil sie selbst etwas Fantastisches geleistet haben: Die Aufweichung der Grenze zwischen Mensch und Maschine.
Raleigh und Diego sind Brüder und die weltweit fähigsten Jaeger-Piloten.
Doch eines Tages unterliegen sie einem der Ungetüme und Raleighs Bruder stirbt, während er selbst noch mit ihm verbunden ist. Da die Kampfmaschinen der immer größer werdenden Bedrohung der immer größer werdenden Kaijūs nicht gewachsen sind, wendet die Menschheit die Strategie an, die sie schon immer wählte, wenn sie einem Problem nicht gewachsen war: Sie baut eine große Mauer.
Das Jaeger-Projekt wirde eingestampft und wirkt fortan nun nur noch als selbstständige Widerstandsbewegung.
Als die Dämme brechen, wird 4 Jahre später Raleigh wieder ins Boot geholt, der seit dem miterlebten Tod seines Bruders keine Roboterkapsel mehr betreten hat.
Zusammen mit einem kleinen Team und den verbliebenen Jaegern bildet er die letzte Bastion der Menschheit.

Kritik

Ziemlich viel Storytext für einen Monsterfilm. Auch wenn die Geschichte nicht die innovativste ist, hat Pacific Rim aber auch überraschend viel Substanz für sein traditionell handlungsarmes Subgenre. Alles beginnt mit einem großartig zynischen Prolog mit großartigen Bildern, die ganz nebenbei die Großartigkeit der Promotionstrategie unterstreichen: Die allgegenwärtige Befürchtung, bereits alles durch die Trailer gesehen zu haben, erweist sich als nichtig. Was es zu sehen gab, stammt überwiegend aus den ersten Minuten, bevor der Film richtig startet.

Die Bilder strotzen vor liebevollen Details, die Dialoge sind schnittig und gewitzt, wenn auch manchmal nicht ganz von Redundanz befreit. Dafür werden sie von durchweg sympathischen, teils herrlich schrulligen Figuren verzapft – exemplarisch seien die verschrobenen Wissenschaftler Dr. Hermann und Dr. Newton genannt, zwischen denen eine feurige Nerd-Rivalität besteht, die sie dazu treibt, einander ständig wie streitlustige Kinder zu triezen. Klingt abgegriffen, funktioniert aber. Wer an comichafter Überzeichnung alle toppt, ist Ron-Hellboy-Perlman als Kaijū-Organhändler mit Metallschuhwerk und Klappmesser.

Nach etwa 20 Sekunden hat man jede Bay’sche Transformers-Variation bereits meilenweit hinter sich gelassen, weil man etwas schuf, dass die infantil-patriotische Spielzeugverfilmung niemals war und sein wird: Überlegtes Kino mit Seele.
Während Bay und auch die meisten Monsterfilme meist im Makrokosmos verharren, wodurch die Prügeleien der Kolosse folgenfrei bleiben, verschmelzen nicht nur auf Handlungs-, sondern auch auf Filmebene die einzelnen Menschen mit den gigantischen Schlägern. Das Resultat eines jeden verfehlten Schlags und jeden als Waffe zweckentfremdeten Objekts ist klar spür- und sichtbar. Das reicht von herabstürzenden Robotergliedern, die zwischen Menschen aufprallen, bis hin zur Problematik, was mit den Exkrementen der haushohen Tiefseealiens geschieht. Hier ist das Giganten-Konzept nicht nur eine Ausrede, um spektakuläre Materialschlachten zu filmen und das Auge zu beschwipsen, sondern tatsächlich durchdachte Idee mit ernstzunehmender Mythologie und berechtigtem Authentizitätsanspruch. Die Folge: Pacific Rim reduziert sich selbst nicht zur herzlosen Materialschlacht, bei der große Explosionen zählen, einem die Handelnden aber gleichgültig sind, sondern schafft von Anbeginn an warme Besorgnis um seine Figuren – ganz einfach deshalb, weil sie von der Geschichte ernstgenommen werden und in der Inszenierung nicht hinter Blechkameraden, Godzilla-Sippe untergehen.
Und das macht den Unterschied aus zwischen einem zweistündigen Spezialeffekt und einem guten Film.
Das alles soll nicht heißen, Pacific Rim wäre frei von Bombast, Schauwerten und knalliger Zerstörungsfreude, im Gegenteil: Die Kämpfe in Ozeanen und Häuserschluchten sehen ausnahmslos atemberaubend aus. Die Animationen sind mustergütig, die Ausführung berauschend und die Kreaturendesigns ehrfurchtgebietend. Die treibende Musik vervollkommnet die mitreißenden Bilder und ein preisverdächtigen Schnitt sorgt für die notwendige Rasanz. Auch, wenn das Treiben bisweilen etwas unübersichtlich wirkt. Zum Glück verharrt der Monsterfilm nie zu lange in seinen Schlachtenbildern, sodass sie auch beim finalen Schlag noch aufregend und frisch sind.
Dass der Film trotzdem eine gewöhnliche Geschichte mit ebenso gewöhnliche Struktur erzählt, verhindert zwar, dass er zum endgültigen Ausnahmestreifen wird, doch entscheidend ist wie so oft das „wie“. Dass das Drehbuch gelungen ist, der Plot aber ein paar ärgerliche Knicke hat, kommt außerdem hinzu, kann am hohen Unterhaltungsfaktor aber de facto nichts ändern.

Fazit

Guillermo, Schutzpatron des Fantastischen, gibt uns den Glauben an Ungetüme zurück. Und daran, dass Opulenz – speziell in der Science-Fiction – nicht gleichbedeuten sein muss mit hirnlosem Schund. Moderne Monsterfilme müssen sein wie Pacific Rim – und man kann nur hoffen, dass das geplante Sequel seinen Weg zur Produktion findet, denn mit ein wenig Mut lässt sich der Faden um die Mythologie der Kaijūs hervorragenden weiterspannen – vielleicht sogar direkt bis in ihre Heimatwelt hinein.

Wer noch die Gelegenheit dazu hat: Unbedingt im Kino erleben.