Lifepod

Ron Silver ist einer dieser Regisseure, die insgesamt deutlich mehr, aber auch deutlich weniger hochwertige Filme gemacht haben, als man annehmen würde.
Die Terrorkapsel – der deutsche Titel soll nach dieser pflichtbewussten ersten Nennung nie wieder erwähnt und durch den beinahe schon antonymischen Oritinalnamen Lifepod ersetzt sein – ist ein loses Remake von Alfred Hitchcocks Lifeboat.

I believe the term is ‚explicit‘, Director.

Story

Es ist Heiligabend des Jahres 2168 an Bord eines großen Raumschiffes, als plötzlich eine mysteriöse Fehlfunktion zu dessen Explosion und dem Ableben unzähliger Passagiere führt – nur 8 von ihnen konnten in letzter Sekunde in einer Rettungskapsel entwischen und treiben nun, auf Rettung hoffend und den gegenseitigen Verdächtigungen und Anfeindungen ausgesetzt, durch den lebensfeindlichen Raum. Nach und nach wir die Stimmung toxischer, Luft und Rationen werden knapper und die Aussichten auf Rettung geringer. Und ein roboterarmiger kleinwüchsiger Cheftechniker sowie die von allen anderen abgeschottete Pilotin haben es zunehmend schwerer, die explosive Gruppe unter Kontrolle zu halten und Hoffnung zu vermitteln.

Kritik

Die Konzeption lässt wenig erwarten – Anfang der 90er, ein SF-Film mit TV-Budget und einer Prämisse, die allem voran uninspirierte Stangenware anzukündigen scheint. Doch Lifepod vermag zu überraschen, liefert er doch mehr und besser als man anfangs zu hoffen wagt.
Nach einem etwas holprig-zähem Einstieg beginnt ein Kammerspiel, das sich inszenatorisch wie inhaltlich nie vom B-Bereich lösen kann, im Rahmen seiner Möglichkeiten aber eine kohärente Stimmung der Bedrohung und des Verlorenseins heraufbeschwört und im Laufe der Handlung konstant anzuziehen weiß. Die Figuren gewinnen die Art von Profil, die man im Fernsehen der 90er schätzen gelernt hat – das Profil einer Welt, die ganz anders, meist schlicht, in ihrer Eigenlogik aber auch auf naiv-schöne Weise funktional und letztlich mitnehmend ist. Nach und nach öffnen sich die einzelnen Charaktere, offenbaren weitaus interessantere Fähigkeiten als zu erwarten war und erfreuen mit einer Dynamik, die zum unheilschwangeren Setting bestens passt.
Dabei wird Lifepod besser und interessanter, je weiter er sich vom Originalstoff entfernt, den Weltraum mehr als nur ein schwarzes Meer mit weißen Punkten sein lässt und Einblicke in eine dystopische, aber auch angedeutet-fantasievolle Zukunft gewährt.
Schön ist zudem, hier Schauspielschwergewichte wie Stan Shaw (Scarface, Independence Day, Lost Highway), vor allem aber C. C. H. Pounder (Avatar, Face/Off, RoboCop 3) als abgekapselte Pilotin anzutreffen. Auch ist es interessant, die – überwiegend visuellen – Metaphern, auszumachen, weil sich so tatsächlich weitreichende Vorausdeutungen hervortun, die dem Film um eine weitere Facette ergänzen, wenn auch Ron Silver hier am Anfang mit der doppelten Geburt am Weihnachtstag doch eine Spur zu dick aufträgt.
Mit seinen knapp 89 Minuten ist der Film nicht wirklich zu lang, eine Straffung runter auf 80 hätte ihm aber sicher gut getan, denn einige der finalen Konflikte bereichern nur die Laufzeit, während das eigentliche Finale überhastet und holprig hereinbricht und dann auch schon wieder vorbei ist.

Fazit

Auch wenn vieles unbestritten käsig ist, kann Lifepod über weite Strecken unterhalten und in den richtigen Abständen neue Konflikte und Offenbarungen liefern.  Das Ganze geschieht zwar routiniert und auf TV-Niveau, aber eben auch mit unbestreitbarem Charme.

The Divide – Die Hölle sind die anderen

Der Franzose Xavier Gens ist – wieder einmal auch dank Tausendsasser Luc Besson im Hintergrund – vor allem für seinen ersten Langfrilm Frontier(s) bekannt, stolperte er mit dem Schocker doch genau richtig in die Zeit der Euphorie über das neue harte französische Horror-Kino zwischen High Tension und Martyrs. Nur so richtig gut war sein Film nicht – was ebenso auf seine kurze Stippvisite nach Hollywood in Form der Videospielverfilmung Hitman – Jeder stirbt allein zutrifft. Mit The Divide – Die Hölle sind die anderen brachte Gens dann aber einen Film hervor, der sich in jeder Hinsicht positiv von seinen Vorgängerwerken abhob. Nur wollte ihm da schon kaum noch jemand Beachtung schenken – und die wenige Beachtung, die der Film erhielt, ist ob seiner Lust an Grenzauslotung überwiegend ablehnender Natur. Und das ist schade.

There is something in the storageroom you don’t know about.

Story

Als grelle Blitze, Explosionen und Beben New York überziehen, bleiben einer neunköpfigen Truppe nur Sekunden, um sich in dem Keller eines Hochhauses zu verbarrikadieren, welcher von Hausmeister Mickey für ebensolche Notfälle präpariert wurde. Die einander weitestgehend unbekannten Menschen sitzen auf engstem Raum in diesem unterirdischen Komplex, während sie nicht wissen, was draußen vor sich geht – ob die Gefahr gebannt oder gestiegen ist, ob die Stadt Opfer eines Unfalles oder eines Angriffes wurde.
Sorge bereiten außerdem nicht nur von Draußen eindringen wollende Männer in weißen Schutzanzügen und mit voller Bewaffnung, sondern auch die sich aufstauenden Energien innerhalb der Gruppe. Was anfangs noch normale Wortgefechte sind, steigert sich für die Dauer des Aufenthalts und unter dem Mantel der Verzweiflung immer weiter, bis die Grenze des Normalen weit überschritten wird.

Kritik

Als ich The Divide 2011 damals lange vor seiner offiziellen Veröffentlichung in einem Kinosaal sehen durfte, dauerte es nicht lange, bis das Publikum auf eine außergewöhnliche Weise reagierte. Einige verließen den Saal, weit mehr jedoch – alles abgebrühte Genrefans – saßen mit vor den Mund gedrückten Händen auf ihren Plätzen und starrten regungslos und mit vor Schreck geweiteten Augen auf die Leinwand.
The Divide bewegt die richtigen Hebel und hat die richtigen Pläne. Ein Höchstmaß an Beklemmung, an vollkommener Anspannung, an Annäherung an die Eskalation. Mit den Worten „Let there be light.“ aus Michael Beans Mund beginnt eine neue Welt, deren Anfang nicht die Schöpfung, sondern die Zerstörung der vorherigen war. Fortan beginnt ein mitleidloser Schraubstock sich immer weiter zuzudrehen, um erst die äußeren Wände der menschlichen Exklave  einzudrücken und sich mit fast schon fatalistischer Unaufhaltsamkeit seinem Kern anzunähern. Serviert wird dies mit einer sehr durchdachten, ausgefeilten, aber ungemein schmutzigen Ästhetik. Wie ein Musikvideo, mit all den oberflächlichen Perversionen, die mit diesem Inszenierungsgestus einhergehen, spielt sich das Grauen über zwei Stunden hinweg ab. Und Hossa, ist das wirkungsvoll.
The Divide mutet sich und dem Zuschauer eine haarige Gratwanderung zu, indem es zwischen Panik-Psychogram Einzelner, Dynamiken eines gesellschaftlichen Querschnitts im Stile eines King’schen Mikrokosmos und der neuen französischen Hardcore-Horror-Welle angesiedelt werden möchte. Naturgemäß klappt dies nicht immer tadellos. Die Figuren werden nicht ausgiebig ausgeleuchtet, Konflikthergänge werden um des Tempos willen beschleunigt dargestellt und sehr viele Handlungen sind schlicht kaum nachvollziehbar. Andererseits liegt gerade hier der spezielle Reiz des Filmes: Es ist gerade dieser Zwischenraum, diese kaputte Heterotopie eines Kellers, der plötzlich zum Zentrum der Welt degeneriert und alle Räume zugleich zu sein hat, in dem alle bisherigen Regeln und jede normal nachvollziehbare Folgerichtigkeit außer Kraft gesetzt zu sein scheint, die grausige Faszination ausstrahlt. Wenn alles im Niedergang befindlich ist, warum, so lässt sich der Film lesen, sollte dann irgendetwas noch bekannten Bahnen folgen?
Nicht auf allem liegt ein schmutziger Staub, sondern er scheint in allem zu liegen.

Was The Divide perfekt beherrscht und was Regisseur Xavier Gens weder davor noch danach auch nur im Ansatz so gekonnt vollzogen hat, ist die Generierung immens intensiver Situationen. Die Momente, in denen die sowieso schon permanent hohe Spannung nicht mehr gehalten werden kann und irgendwo etwas unvermeidlich explodiert. In einer Heftigkeit, in einer Unfassbarkeit, die nur schwer auszuhalten ist.
Auffällig sind die immer gleich verlaufenden Kamerabewegungen, die mit einer Nahaufnahme beginnen und in einer Parabel bis zu einer Totalen zurückfahren. Der Film nähert sich den Personen nicht an, sondern entfernt sich mit ihnen im gleichen Tempo, wie sie von der Situation und sich selbst entmenschlicht werden. In diesem Extrem ist nicht jeder dem anderen Wolf, sondern etwas viel Schlimmeres.
An anderen Stellen wiederum ist die Kamera  zu bewegungsfreudig und der Schnitt zu hochfrequentiert. Viele von der Montage verstümmelte Rundfahrten um die Personengruppen wären als durchgängige Bewegungen weit intensiver gewesen. Hier stört die Musikvideo-Ästhetik dann doch das Konzept.
Ebenso übertrieben ist der Einsatz der Pianomusik, die manchmal etwas zu laut und eine Spur zu dramatisch die Tasten klingen lässt. Auch hier wäre nicht weniger, sondern einfach gar nichts mehr gewesen. Diese Augenblicke fehlender Stille kosten den Film in seiner ersten Hälfte einige Möglichkeiten, was ob der Tatsache, dass die Veranlagungen dafür vorhanden sind, doch etwas schade ist.

Was The Divide außergewöhnlich, in seinem gebiet einzigartig und in vielen Augen auch ziemlich schlimm macht, ist seine Wandlung, die er nach der Hälfte der Laufzeit durchläuft. Es ist nicht direkt ein Plottwist, es ist nicht direkt ein Bruch oder eine Wendung der Geschichte – und eigentlich ist es all das doch. In ungeahnter, ungekannter und wohl auch ungewollter Weise. Denn die klassische Intensivität, die bisher aufgebaut wurde und auch einen ebenso klassischen Gipfel erklomm, weicht einer, die in dieser Richtung nicht erwartet und in dieser Form noch nicht oft vorgekommen ist. Und diese Intensität wird gesteigert, überdreht und einfach weiter gesteigert. Über alle Konventionen, Regeln und Erwartungen hinweg. Über jede Form von Geschmack und auch über die Formen des Zumutbaren hinaus.
Und hier fallen die Vorhänge. Denn so wie die Personen ihre unnatürliche Schönheit verlieren, verliert sie auch der Film. Das Piano schwärmt seltener, Die Montage beruhigt sich.  Und auch die Kamerafahrten kehren sich um – nun wird von der Totalen zur Nahen gezoomt. Hinein in das Grauen, das nicht mehr Mensch ist.

Fazit

Es hätte ein unvergleichliches Manifest des Grauens und der filmischen Gnadenlosigkeit werden können. Dass The Divide fast überall abgelehnt und belächelt wird, liegt in der Natur extremer Filme. Unnötige, weil aussagelose Schaumschlägerei der Inszenierung gerade in der ersten Hälfte spielen den Kritikern aber in die Hände und verwehren Xavier Gens‘ einzig guten Film auch hier widerspruchsfreie Würdigung. Denn dafür vertraut der Film letztlich zu wenig auf seine inhärente Effektivität und verwässert sie mit effekthascherischem Geplänkel. Dessen ungeachtet ist der SF-Terror aber mehr als nur einen Blick wert, setzt er doch auf seine Weise Maßstäbe und besitzt eine Wucht und Eindringlichkeit, der man sich unmöglich widersetzen kann.

ARQ

ARQ ist eine Netzflix-Produktion, die Tony Elliott schrieb und inszenierte – sein erstes großes Regieprojekt. Bekannt ist der Filmemacher besonders durch sein fleißiges Mitwirken an Orphan Black.

I don’t know.

Story

Die Welt wird von einer kapitalistischen Gruppierung mit Krieg und Elend überzogen. Die Luft ist verpestet, viele Städte liegen in Trümmern. Renton lebt in seiner großen Wohnung und ist halbwegs wohlhabend – und außerdem ein Dieb, der die Kriegstreiber bestahl. In seiner Garage lagert eine Maschine, die das Energieproblem der Welt lösen könnte.
Um 06:16 Uhr liegen er und Hannah im Bett, als drei maskierte Männer den Schlafraum stürmen, die beiden überwältigen und anfangen, das Haus zu plündern. Renton und Hannah können sich zwar befreien, doch endet ihr Versuch, den Einbrechern die Stirn zu bieten böse.
Um  06:16 Uhr liegen er und Hannah im Bett, als drei maskierte Männer den Schlafraum stürmen – es wiederholt sich, wieder und wieder. Der rottierende Zylinder in Rentons Garage ist weit mehr als eine Energiequelle, er hat eine Zeitschleife geschaffen. Was folgt, ist eine Art blutiges Schach, bei dem Hannah und Renton nicht nur gegen die Invasoren bestehen müssen, sondern sich Schritt um Schritt auch brenzlige Geheimnisse offenbaren.

Kritik

ARQ spielt geschickt seine Karten aus – wenn man sich zuvor nicht über Gebühr informierte. Zu Beginn ist der Zuschauer im Ungewissen darüber, wer die Protagonisten sind, in was für einer Welt sie leben und was überhaupt wirklich geschieht. Dafür kündigt der Film gleich als allererstes an, dass man sich besser nicht auf das zu Sehende verlassen sollte. Denn: Inszenatorisch – und inszenatorischen Traditionen folgend –, könnten all die Zeitsprünge auch Träume sein. Renton und Hannah wachen jedes Mal erneut auf.
Ein günstiger Film, dessen Prämisse es erlaubt, eine Art Sci-Fi-Kammerspiel zu sein, da wie eine Matrjoschka funktioniert: Mit jeder neuen Zeitschleife wird weiter zum Kern vorgedrungen. Der Film ist nicht übermäßig clever, aber clever genug, um bei der Stange zu halten. Geschickt platzierte Perspektivwechsel und Ellipsen sorgen gekonnt dafür, dass das Interesse nicht abflaut. Der repetitive Elektrosoundtrack sorgt für Hektik und generiert seine ganz eigene Stimmung, ist auf der anderen Seite aber auch fernab von originell und manchmal nah dran, dem Zuschauer auf die Nerven zu steigen.
Das Gute ist: ARQ hat auch etwas zu sagen und schafft es außerdem, nicht mit Wiederholungen zu langweilen.
Der wahre Pluspunkt aber ist der Mut, kantige, schroffe Charaktere ins Drehbuch geschrieben zu haben. Mit jedem erneuten Durchlaufen der Zeitschleife erfährt man primär mehr über Hannah, Renton und die drei Einbrecher, ohne dass anstehende Offenbarungen zu gekünstelt und konstruiert wirken. ARQ ist ein kesser kleiner Indie-Thriller ohne Effekte, dessen futuristisches Setting überwiegend als Backstory erzählt, aber kaum gezeigt wird – gut so, bleibt so doch genügend Raum für die Figuren, um die sich alles dreht.
Da ist es fast schon schade, dass der Film sein Tempo manchmal durch unglaubwürdige Handlungen der Figuren erkauft – gleich mehrmals werden Personen in kürzester Zeit die unglaublichsten Informationen verklickert und diese schauen zwar skeptisch, schlucken aber, was man ihnen sagt. Dadurch wirken die spannenden Figuren letztlich ein wenig dümmer als sie sein müssten. Das ist aber nur eine Randnotiz. Im Internet wird über ein paar Plot Holes gemosert, aber einige davon sind keine, wenn man sich vor Augen führt, nach welcher Logik die Maschine in der Garage funktioniert. Es bleibt am Ende aber trotzdem eine Ungereimtheit – basierend auf einer Drehbuchentscheidung, die darüber hinaus auch noch vollkommen überflüssig zu sein scheint. Sei’s drum: Wie es sich für gute Zeitreisefilme gehört – auch wenn dies hier eigentlich eine Art Und täglich grüßt das Murmeltier ist, wie es zuletzt erst Edge of Tomorrow gewesen ist –, wird auch in ARQ noch eine kleine Geschichte hinter der Geschichte erzählt, die man für die Freude am Schauen nicht mitbekommen muss, die es aber durchaus wert ist, sich am Ende noch ein paar Minuten Gedanken über die Geschehnisse und die vonstattengehenden Prozesse zu machen. Trotzdem ist ARQ nicht großartig verkopft und verworren, was ihn von einigen Genrekollegen unterscheidet, für die eine verwirrende Erzählstruktur bei Zeitreisen zum guten Ton zu gehören scheint.

Fazit

Ein kleiner, feiner, düsterer Thriller, bei dem die Science-Fiction eher im Hintergrund ist und als Aufhänger für die schachartige Struktur des Filmes dient. Ordentlich gespielt und anständig geschrieben, sorgt ARQ für ein kurzweiliges, bisweilen recht spannendes Sehvergnügen mit gut ausgearbeiteten Figuren und cleverer Reduktion.

10 Cloverfield Lane

Cloverfield von 2008, der dank der starken Präsenz von Bad Robot Productions einzig J. J. Abrams zugeschrieben wird, obwohl Matt Reeves inszenierte und Drew Goddard das Buch beisteuerte, war vor allem dank der großen viralen Kampagne ein enormer Erfolg.
Vom Sequel 10 Cloverfield Lane darf man endlich mal zurecht behaupten, dass es wirklich alles anders macht: Quasi keinerlei Werbung, eine Ankündigung kurz vor Filmstart, ein anderes Genre, kein Erfolg und besser als sein Vorgänger, der im Herzen eigentlich nur ein verwackelter Monsterfilm gewesen ist.

Santa Claus!

Story

Michelle nimmt Reißaus. Sie sitzt in ihrem Wagen, fährt davon von ihrem Freund Ben, ihrem alten Leben, vielleicht auch vor ihrer Verantwortung. Dann plötzlich bringt irgendwas das Fahrzeug ins Schleudern und Michelle verunfallt.
Als sie aufwacht, ist sie an ein Bett gekettet. Der kaum einzuschätzende Howard begrüßt sie und erwartet ihren Dank, weil er sie am Unfallort aufgefunden habe und in seinen Bunker brachte, kurz bevor draußen die große Katastrophe ausbrach. Aufgrund eines chemischen, biologischen oder atomaren Angriffs, erklärt er ihr geduldig, könne man den Bunker nicht verlassen, für mindestens zwei Jahre. Dritter im Bunde ist Emmett, ein etwas naiver junger Mann, der Howard damals bei der Konstruktion des Bunkers half und sich nun dankend einquartiert hat.
Doch vieles an Howard ist verdächtig. Ist er der Wohltäter, als den er sich ausgibt? Ist er einfach nur ein Spinner? Oder ist er ein gefährlicher Psychopath, der Wahnvorstellungen und üble Absichten vereint?

Kritik

Noch etwas ist besonders an 10 Cloverfield Lane: Es ist von Vorteil, wenn man den ersten Teil nicht gesehen hat. Denn ob und, falls ja, was da draußen vor sich geht, steht durch den Film von 2008 ja halbwegs fest. Wobei dem Team hinter dem Film zugutegehalten werden muss, dass es selbst ein Mysterium daraus macht, inwiefern die beiden Filme verknüpft sind. Ob das vorgebliche Sequel überhaupt im selben Universum spielt wie Cloverfield, wurde von den kreativen Hintermännern ähnlich oft bestätigt wie in Zweifel gestellt.
All dies ändert aber erst einmal nichts an der bedrohlichen Ambivalenz von Howard, gespielt von Schauspielschwergewicht John Goodman, den man hier endlich mal wieder in einer großen Hauptrolle bewundern darf und der auf so gekonnte Weise den unangenehmen Patriarch der unterirdischen Minifestung spielt, dass man schon nach der ersten Szene mit ihm sein Image als Schauspieler vergessen hat und nur noch Howard sieht, den bedrohlichen Howard mit der kurzen Lunte, dem negativen Charisma  und seiner Neigung  zu Verschwörungstheorien jeder Facion. Er ist das zementierte Zentrum des Filmes. Das weiß auch der Film, der primär die Geschichte erzählt, wie Michelle sich daran abarbeitet, sich dieser Naturgewalt anzupassen. Mary Elizabeth kann hier nun auch erstmals ein großes Zeichen, das es verdient hätte, in ihrer sehr bunten Filmographie zwischen Stirb Langsam – Ein guter Tag zum Sterben, Death Proof und Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt heraus zu leuchten. John Gallagher, Jr. als leicht einfältiger Emmett ist da eher das fünfte Rad am Wagen. Der Charakter wirkt in seinen Anlagen unentschlossen und teils fast widersprüchlich angelegt und vor allem neben den beiden starken Hauptfiguren blass und letztendlich verzichtbar. Abseits seiner Funktion als Informationsspender für Michelle hat er keine zwingende Daseinsberechtigung – und es darf gemutmaßt werden, dass 10 Cloverfield Lane ein noch einmal deutlich intensiverer Film geworden wäre, wenn das Duell zwischen Michelle und dem Bunkermonarchen ohne ein solches Anhängsel stattgefunden hätte.

Apropos intensiv. 10 Cloverfield Lane beginnt unerwartet kräftig mit dem wirkungsvollsten Anfang seit langem. Danach begeistert der Film für eine ganze Weile durch eine großartige Inszenierung. Scheinbar unwichtige Details kommen plötzlich in mehrfacher Weise sehr einfallsreich in den Fokus, indexikalische Zeichen werden kunstvoll als Mininarrationen in das Bild eingeflochten und was die Kamera aus mit Räumen macht, wie sie Winkel und Ecken nutzt, eigenständig Fluchten generiert oder die Enge mit betont nahen Einstellungen zugleich verstärkt und nimmt, ist auf einem Level mit den Monumenten der Kammerspielgeschichte – so muss man e sagen. Die Verunsicherung von Michelle, die Verunsicherung der gesamten Situation wird dadurch verstärkt, dass Komik und Terror in diesem Film Nachbarn sind, die sich gerne einmal besuchen. Mehrere Was-Wäre-Wenn-Gedankenspiele sorgen unterdessen dafür, dass die klaustrophobische Anspannung gehalten wird.
So klug, kunstvoll und ergreifend wie in der ersten Hälfte bleibt es aber nicht. Mit steigender Laufzeit nimmt die Dichte der zündenden Ideen und das Kunstvolle des Umgangs mit dem reduzierten Setting etwas ab. Zwar gibt es noch eine Handvoll Szenen, die dem irgendwann vorhersehbarem Fortgang Elan verleihen, dass das anfänglich außerordentlich hohe filmische Niveau im Fortlaufe stetig ein wenig abfällt, ist trotzdem nicht von der Hand zu weisen. Keinesfalls soll das aber heißen, der Film würde schlecht oder langweilig werden, er ist ab einem bestimmten Punkt einfach nur nicht mehr so perfekt und durchkomponiert. Was das gern gescholtene Ende anbelangt: Ja, hier findet ein erwartbarer Bruch statt, der an sich jedoch nicht wirklich schlecht ist, sondern der Geschichte wie auch der Charakterentwicklung eine logische Klimax verabreicht. Einzig einige konkrete Handlungen Michelles lassen stutzen, weil sie in ihrer Heftigkeit zum bisher etablierten Charakter wie auch Genre nicht passt – Entwicklung hin oder her.  Andererseits steht die sehr standardisierte Weise, wie dies passiert, aber auch fast schon bildlich dafür, dass der Film es am Ende eben nicht ehr mit seinem Anfang aufnehmen kann.

Fazit

10 Cloverfield Lane beginnt so stark, so mächtig, so eindrucks- und zugleich kunstvoll wie schon lange kein Genrefilm mehr. Narrativ und handwerklich spitzt sich die Situation weiter zu und John Goodman ist eine Naturgewalt. Die stimmige Dichte an Ideen kann leider nicht gehalten werden, weshalb der Film nach und nach in etwas durchschnittlichere Gefilde klettert – und in einem passend durchschnittlichen Schluss sein Ende findet. Bis dahin ist das unorthodoxe Sequel zum 8 Jahre alten Monsterfilm jedoch ein absolut sehenswertes Erlebnis, das sich auch im Ganzen nicht nur, aber fraglos auch wegen seines prächtigen Anfangs lohnt.

M.A.R.K. 13 – Hardware

Richard Stanley war nicht mal 25 Jahre alt, als er 1990 M.A.R.K. 13 – Hardware und drei Jahre später das staubige Horror-Road-Movie Dust Devil drehte. Danach war es, abgesehen von ein paar exzentrischen Dokumentationen über Gralsodyssen der SS, fantastische Orte und Voodoo-Erbe, ruhig um den Britten. Warum das mehr als schade ist, darum geht es in den folgenden Zeilen.
Außerdem hat der kürzlich verstorbene Motörhead-Frontmann Lemmy Kilmister einen Auftritt. Und die Stimme Iggy Pops.

It’s horrible. I love it.

Story

Verstrahlt, giftig, ganz schön angedellt und viel zu heiß ist es nach der nuklearen Katastrophe. Das Leben konzentriert sich auf bescheidene Weise in gewaltigen urbanen Zentren und aufgrund der Nahrungsmittelknappheit ordnet die Regierung eine umfassende Sterilisatio der Bevölkerung an.
Der ehemalige Soldat Moses Baxter, kurz Mo, haut mit seinem Begleiter Shades an Heiligabend einen Sammler übers Ohr und kommt so in den Besitz zweier merkwürdiger Teile eines unbekannten Roboters. Da ihm sein Stammhändler keinen angemessenen Preis dafür zahlen will, nimmt er seine Errungenschaft kurzerhand mit und schenkt sie seiner Freundin Jill, die in ihrer Stadtwohnung Skulpturen aus Schrott bastelt und dem unzuverlässigen Mo einen kühlen Empfang bereitet.
Das Beziehungsproblem wird in den daran anschließenden Stunden aber schnell davon überschattet, dass das Roboterfragment sich selbst einen neuen Körper konstruiert und aggressiv gegen alles Lebendige vorzugehen beginnt.

Kritik

Der anfänglich durch die flirrende Wüstenluft streichende Sammler wirkt mit seiner Kombination aus Mantel und Maske inmitten des rotstichtigen Bildes wir direkt vom Wave-Gothik-Treffens kommend. Auch dort gibt es beeindruckende Lumpen – und beeindruckende Lumpen ist überhaupt eine erfreulich passende Bezeichnung für dieses Sci-Fi-Kleinod namens M.A.R.K. 13 – Hardware, und das durchaus im besten Sinne.
Der Anfang ist noch unverhohlen inspiriert vom Mad-Max-Rausch. Mühe gab man sich bei der Ausgestaltung des Szenarios. Nicht nur gibt es auf den Straßen, Basaren und Wüsten-Vorposten allerhand staubiges Endzeitvolk zu bewundern, die Figuren erzählen auch mit Freuden immer wieder detailliert, wie es an anderen Orten der Welt aussieht, wie die Lebensumstände sich entwickelten und was sonst Wichtiges vorgeht. Das sorgt für eine lebendige, außerordentlich interessante Welt, die nichtg einfach nur kaputt und dysfunktional ist, sondern auch lebendig und voller Überlebenswillen. Diese Ambivalenz aus Pessimismus und Hoffnung ist der Stoff, aus dem diese ganz bestimmte Sorte Märchen gestrickt ist, zu der auch Hardware gern gehören möchte.
Recht bald wird klar, dass Mad Max keinesfalls als einziger Film Pate stehen musste, sondern das Szenario ebenso von Terminator speist, während die Ästhetische Gestaltung mit ihrer Neo-Noir-Haften chiaroscuro-Ausleuchtung und der unheilvollen Stadtarchitektur deutlich an Blade Runner angelehnt ist und der Film inszenatorisch immer mal wieder Alien-Erinnerungen wachrüttelt.

Einzigartig an Hardware ist die Genre- und Stimmungsverwirbelung Abefuckt, verrückt, augenzwinkernd, lakonisch, manchmal trashig, manchmal mit Kunstfilm-Allüren und zugleich lustig ist der Mix aus Gefühlen, der evoziert und dann seiner ganz eigenen Dynamik überlassen wird. Untermalt wird das spleenige Krisengebiet-Abenteuer mal mit Western-Gitarren, mal mit leiser Keyboard-Nostalgie und genaugenommen auch mit Musik aus so ziemlich jedem anderen Genre. Während viel über die Welt erzählt wird und auch so manches gezeigt wird, spielt sich doch ein beträchtlicher Teil der Geschichte innerhalb eines einzigen, in seiner Größe gar nicht so leicht einschätzbaren Appartements ab, das sich auf bemerkenswerte Weise im Laufe des Filmes immer weiter verwandelt. Vom persönlichen Stock hin zu einem Festplatz des Märtyrertums der Figuren, in dem jeder Zentimeter fast schon infernalisch aufgeladen ist.

Richard Stanleys Hommage an so ziemlich alles, was 1990 in Sachen Science-Fiction beeindruckend war, will sehr viel auf einmal sein, Und schafft es. Zieht man in Betracht, dass sich der Film teilweise auf ziemlich exotische Ausflüge begibt, ist das eine definitiv achtbare Leistung.
Stop-Motion-Effekte werden verfolgt von einer fast schon surrealen Szenencollage, während sich die Kamera mütterlich ums immer wiederkehrende Zentrum dreht und dabei im Vorbeigehen ein kleines feministisches Manifest abliefert.
Hardware ist schon reichlich sonderbar und scheint vor allem keine große Rücksicht darauf zu nehmen, ob dadurch ein gewisses Publikum ausgeschlossen werden könnte. Das Finale ist an Seltsamkeit kaum zu toppen, die ganze Zeit vibriert der Fokus nervös durch das Narrativ. Es gibt sowohl sexuell äußerst explizite Sprache als auch ein paar Splattermomente, die für offene Münder sorgen, und immer wieder ein epilepsiefreundliches Flackern der Beleuchtung, die die Seherfahrung manchmal an die Grenzen des Psychedelischen treiben. Aber, noch einmal: All das funktioniert, so konfus die Auflistung auch klingen mag.
Die stimmungsvolle Ausleuchtung und unübliche, teils erfreulich experimentierfreudige Kamera bauen an dieser Welt und der eigenständigen Erfahrung von ihr ebenso mit wie das hakenschlagende Drehbuch, das voller Überraschungen steckt und nicht einmal die basale Sicherheit bietet, zu wissen, wer gerade die Hauptperson ist.
Die Summe aus den zahlreichen Bausteinen ergibt einen stark unterhaltsamen Film, der seine eigene, eigenständige Message hat, der stilistisch eigenständig ist, furchtbar mutig inszeniert wurde, nie anstrengend wirkt und zugleich keinen Hehl aus seinen Vorbildern macht.
Denn zum Schluss ist Hardware nicht einfach nur die Summe seiner Zitate und Inspirationen, sondern meistert elegant den notwendigen Schritt, daraus etwas zu kompilieren, das weitaus mehr und sehr anderes ist.

Fazit

M.A.R.K. 13 – Hardware ist ein schwer zu beschreibender Film, weil ihm das Kunststück gelingt, eine riesige Menge gewaltiger Einflüsse aufzugreifen, ungeschminkt weiterzuverwenden und doch etwas durch und durch Eigenständiges zu erschaffen. Effektvoll, inszenatorisch völlig ausgelassen und von einer großen Menge Mut beseelt, bündelt der Sci-Fi-Film eine gewaltige Ideenfülle zu einem vielfältig deutbarem Kuriosum, das immer wieder kontrolliert eskaliert, hochgradig seltsam ist, aber großen Spaß bereitet und keinen Tag gealtert zu sein scheint.

2007 wurde das 15 Jahre alte Drehbuch eines angedachten Teiles verworfen und durch ein neues ersetzt. Doch bis auf ein Poster gab es von dem Sequel Hardware II: Ground Zero nichts zu sehen.

Time Lapse

Regelmäßige Leser des Blogs wissen, dass Zeitreisefilme so ziemlich das Beste sind, was es gibt. Auch für junge Filmemacher, denn so werden spektakuläre Geschichten erzählbar, ohne dass ein großer materieller Aufwand für ihre Realisation betrieben werden müsste. Ein motiviertes Team und ein tolles Drehbuch ersetzen hohe Produktionswerte, denn die Zeitreise liefert auch auf der bloßen Behauptungsebene bei geschickter Verpackung eine wundervolle Erklärung für so ziemlich alles. Bradley Kings Langfilmdebut Time Laps lockt darüber hinaus mit einer reichlich interessanten Umkehrung des altbekannten Zeitsprungsystems.

You don’t fuck with time.

Story

Finn ist Hausmeister aus Notwendigkeit und Maler aus Leidenschaft. Letzteres jedoch schon seit Längerem ohne einen Funken Inspiration. Jasper ist sein bester Kumpel, der in erster Linie Wetten mit Sport und Videospiele mit Finn mag. Callie ist Finns Freundin und pragmatisch genug verurteilt, um die Wohngemeinschaft dieser drei Menschen in ihren Zwanzigern am Funktionieren zu halten.
Da einer der Mieter des – sehr kleinen und umzäunten – Wohnbezirks bereits zwei Monate mit seiner Miete im Rückstand ist, schaut Finn dort nach dem Rechten.
Tatsächlich: Mr. Bezzerides, der schuldige Mieter, scheint verschwunden, vielleicht sogar tot. Was die Drei anstatt seiner in der Wohnung entdecken, ist eine riesige Kamerakonstruktion, die direkt auf ihr eigenes Wohnzimmerfenster ausgerichtet ist und alle 24 Stunden ein Bild schießt. Doch Mr. Bezzerides war kein Spanner, sondern Wissenschaftler. Und das Bild, das die Kamera ausgibt, ist kein normales. Fotografiert wurde das Wohnzimmer, wie es am Folgetag, genau 24 Stunden in der Zukunft aussieht.

Kritik

Es fühlt sich an nach frischem Wind im Zeitreise-Subgenre, das immer wieder toll, dessen ungeachtet aber auch immer nach demselben Prinzip funktioniert. Time Lapse lockt mit einer knackigen Umkehrung. Dieses Mal wird nicht von der Gegenwart in die Vergangenheit gereist, um zu verhindern, dass die Gegenwart aufgrund von weiteren Reisen in die Vergangenheit gestört wird, sondern es ist ein täglicher Blick in die Zukunft, der nun die Gegenwart diktiert. Und drei junge Menschen stecken plötzlich in einem eisern zugeschnürten Handlungskorsett, weil sie sich an die Vorgaben aus der Zukunft halten müssen, die sie einen Tag später selbst machen – nicht aus logischer Motivation heraus, sondern schlicht, weil sie vom Gestern wissen, dass das Heute so auszusehen hat. Denn: Don’t fuck with time.
Das klingt nicht weniger, sondern eher verstärkt kompliziert. Time Lapse kann seine Ausgangssituation allerdings in guter Zeit verständlich einführen und dann darauf aufbauen. Das klappt anfangs auch sehr gut. Der Film geht forsch voran und das Übergewicht auf dem Deterministischen forciert ein starkes Gefühl des Unwohlseins. Immerhin wissen die Personen, die sich selbst aus der Zukunft lenken, die ganze Zeit nicht so recht, warum sie das überhaupt tun. Hinzu kommt natürlich das wie üblich schwere Los der eigenen Verführbarkeit. Als triefe die Miesere nicht schon bedrohlich genug in den Alltag, verleitet die Gier auch noch dazu, die Situation zum größtmöglichen eigenen Vorteil auszuschöpfen und damit selbstredend eine Kettenreaktion in Gang zu setzen, die nicht nur Schlimmes zur Folge hat, sondern aller Wahrscheinlichkeit nach auch der letztgültige Auslöser der ganzen mysteriösen Handlungskette ist. Denn diese Time-Travel-Film-Tradition – so viel sei verraten – wird dann doch beibehalten. Ganz so innovativ ist die Idee der Autoren King und Cooper auch nicht. Denn in der zweiten Staffel von The Twilight Zone aus dem Jahre 1960 bediente sich die Episode A Most Unusual Camera eines ganz ähnlichen Prinzips. Nur dass die Kamera nicht einen ganzen Tag, sondern fünf Minuten in die Zukunft fotografierte. Da die Idee aber bestens für einen Spielfilm geeignet ist, sei ihr die Originalität in Time Lapse daher nicht abgesprochen.
Callie, Finn und Jasper sind anfangs noch nette Teilzeitnerds, die in ihrer etwas konstruiert wirkenden, trotzdem aber sympathischen Wohngemeinschaft vom Film als Personen eingeführt werden, die mit ihren Träumen und Angewohnheiten recht nah am Klischee, deswegen aber nicht unsympathisch sind. Ebenso wie die Geschichte geht das lange Zeit gut. Und über die Hälfte der Laufzeit ist Time Lapse ein in gutem Sinne sehr unangenehmer Film. Und während man die Figuren offenen Auges gen Katastrophe gehen sieht, sieht man auch gerne über kleinere Schwächen in Drehbuch und Regie hinweg – und ebenso über die zu hölzerne Charakterentwicklung.

Letzteres fällt nach der Halbzeit dann aber verstärkt ins Gewicht. Figuren verhalten sich teilweise etwas arg unnachvollziehbar bis irrational und gerade die Wandlung eines bestimmten Charakters hin zum völligen Wahn ist deutlich zu überzeichnet, während die anderen beiden dieser Wendung unerklärlich gelassen beiwohnen. Unstimmig ist auch die Filmarchitektur. Die geheimnisvolle Kamera im Fenster auf der anderen Seite ist problemlos zu erkennen und die zahlreichen intimen Handlungen im Wohnzimmer würde niemand vollziehen, der ein ähnliches Riesenfenster direkt zur gaffenden Welt hat.
Deutlich schwerer ins Gewicht fällt aber die Tatsache, dass sich Time Laps am Ende als ein nicht sonderlich geschickter Schwindel herausstellt. Fast alle Punkte, die anfangs noch offen und ungeklärt sind und damit die Neugierde befeuern, werden nicht befriedigend aufgelöst, sondern am Ende stattdessen einfach faul als Plotwerkzeug gebraucht, um die Geschichte schlüssig zum Ende zu bringen. Vermeintliche Kernmysterien verkommen damit zu einer langen Nase, die der Film dem Zuschauer dreht. Hier warten keine spannenden Antworten und Wendungen, sondern nur faules Gleitmittel für eine noch faulere Geschichte.
Nachträglich bekommt die kammerspielartige Sci-Fi-Story dadurch einen leicht faden Beigeschmack. Denn aus dem tollen Versprechen, eine gänzlich neue, quasi umgekehrte Idee für das Zeitreisefeld anzuwenden, sitzt man einer netten Flunkerei auf, die etwas interessanter klingt als sie es schlussendlich ist.

Fazit

Die letzten Zeilen klingen vernichtend „Flunkerei, die etwas interessanter klingt als sie es schlussendlich ist“. Der Punkt ist, dass die Idee hinter Time Lapse ziemlich verheißungsvoll ist. Dass im Schlusspart verstärkt offenbart wird, dass Bradley D. Kings Film ein paar Krücken zu viel braucht, um aus dem selbstgegrabenen Loch wieder herauszukommen, ist sehr schade. Umgekehrt macht es den Film aber auch nicht schlecht oder langweilig. Das Gefühl des Unangenehmen ist sorgt für eine intensive Seherfahrung, das Design der „Zeitreisemaschine“ für Atmosphäre und die interessante Prämisse funktioniert auch mit großen Abzügen immer noch gut genug, um die in den Film gesteckte Zeit keinesfalls als vergeudet bewerten zu müssen.

Ex Machina

Ex Machina ist der erste Film von Drehbuchautor Alex Garland. Zusammen mit einem kleinen, aber spannend zusammengestellten Cast wurde der 11 Millionen teure Film binnen 6 Wochen (udn mit anschließenden 6 Monaten Postproduktion) in Norwegen und London gedreht. Das Ergebnis ist ein großartig inszeniertes Kammerspiel, dessen technische Ausführung ebenso klug ist wie die inhaltlichen Ansätze.

If I did, would that be cheating?

Story

Caleb ist 26 Jahre jung, begnadeter Programmierer auf Rechnung der führenden Suchmaschine Blue Book und Gewinner einer betriebsinternen Ausschreibung. Er darf eine Woche auf dem abgelegenen Anwesen des exzentrischen Konzernchefs Nathan mit eben diesem verbringen.
Dort angekommen trifft er auf einen trinkfreudigen Sonderling, der in seinem luxuriösen High-Tech-Bunker mitten im sattesten Grün der Welt einen Vorschlag zu machen hat. Caleb wurde aufgrund seiner Fähigkeiten ausgewählt. Er soll die Zeit nutzen, um Ava, einer humanoiden, weiblichen künstlichen Intelligenz im mechanischen Frauenkörper, einem ganz besonderen Turing-Test unterziehen.
Aufgeregt, aber auch ein wenig skeptisch willigt der junge Programmierer ein und erlebt 7 Tage, in denen stetig unklarer wird, wer wem etwas vormacht und verschweigt, wer den benutzt und was es heißt, Gefühle zu haben.

Kritik

So wie sein Protagonist Caleb war auch Alex Garland 26 Jahre alt, als er seinen Durchbruchsroman The Beach schrieb, welcher bekanntlich die Grundlage eines viel besprochenen Filmes wurde. Danach blieb Danny Boyle dem Talent treu und verpflichtete Garland als Drehbuchautoren für seinen eigenen riesigen Erfolg: 28 Days Later und drei Jahre später Sunshine. Seine dritte Autorenarbeit fürs Science-Fiction-Genre im Kino war dann schließlich Dredd.
Trotzdem blieb er erfolgsverwöhnte Brite immer im Hintergrund. Nun, 19 Jahre nach The Beach, inszeniert er seinen ersten eigenen Film. Natürlich ist es Science-Fiction nach selbstverfasstem Drehbuch.
Nicht ganz so natürlich ist die Perfektion und Zurückhaltung, die bei diesem Regiedebut an den Tag gelegt wird. Zwar ist die Benennung seiner Figuren Caleb, Nathan und Ava mit eindeutigem Bibelbezug und sprechender Bedeutung etwas plump, abgesehen davon aber beweist Alex Garland großes Fingerspitzengefühl und Stilbewusstsein, um aus seinem Film über die eventuelle Menschlichkeit einer Künstlichen Intelligenz etwas ganz Besonderes zu machen, das sich von ähnlichen Filmen mühelos abhebt. Seine größte Hilfe dürfte Kameramann Rob Hardy gewesen sein, der selbst bisher nur mit wenigen, kaum bekannten Filmen in Erscheinung trat, unter der Leitung von Garland jedoch Bilder kreiert, die nicht etwa die Figuren, sondern vor allem die Architektur des Handlungsortes in den Vordergrund rücken. Das verwinkelte, abgeschiedene und ebenso abgeschottete Fort, in das Nathan sich zurückgezogen hat, ist ein grell-futuristischer Symmetriewahn, dessen Räume von viel kaltem Licht, strenger, steriler Gemütlichkeit und zahllosen klar definierenden Linien geprägt werden. In diesem technokratischen Klaustrophobie-Palast spielt sich 95% des kammerspielartigen Filmes ab. Die Art, wie die Kamera seine Figuren darin zeigt, wie sie, obwohl sie organische Fremdkörper sind, fast in den verschachtelten Gemächern versinken, verweist immer wieder eindeutig auf Stanley Kubricks größtes Genre-Werk – und das mit vollem Erfolg.

Die Figuren, die in diesem Käfig agieren, sind gleichsam verschlossen. Über die gesamte Spieldauer hält sich die mulmige Gewissheit, einem kalkulierten Macht- und Täuschungsspiel beizuwohnen. Das joviale Gebaren des jungen Internetmilliardärs Nathan, der Caleb gleich zu Beginn auf eine konstruierte, verlogen erscheinende Augenhöhe drängt und dabei von einer inneren Getriebenheit und Unruhe durchschüttelt wird, wird so gut gespielt, dass Oscar Isaac hinter seinem vollbärtigen und glatzköpfigen Charakter vollkommen verschwindet. Domhnall Gleeson als Caleb wirkt neben ihm naturgemäß etwas blasser, schafft es aber, den Zwiespalt seiner Figur gekonnt auszuspielen, muss sie sich doch unentwegt und vielfach zwischen zwei entgegengesetzten Richtungen entscheiden. Und damit wären wir bei Ava, der von „Geburt“ an in den Forschungsräumen Nathans eingeschlossenen Maschine, die sich wie eine Prinzessin danach sehnt, aus ihrem goldenen Käfig ausbrechen zu können, um die wahrhaftige Welt zu erfahren. Alicia Vikander mimt sie mit einer Mischung aus Unschuld, bewusst verführerischem Grundton und bedrohlich-faszinierender Unberechenbarkeit.
Dabei befinden sich die drei Figuren niemals zusammen in einem Raum – Ex Machina wird ausschließlich in Zwiegesprächen entwickelt. Vor allem hier kommt das Talent Garlands als Autor zum Vorschein, wenn er die Königsdisziplin, natürlich wirkende Gespräche zwischen einander Näherkommenden zu entwerfen, makellos in seinen Film integriert.
In den 108 Minuten wächst die beunruhigende Vorahnung, dass das Psychoduell zwischen den Figuren auf eine große Eskalation und eine ebenso große Enthüllung zusteuert, rasant an. Das maskenhafte Spiel zwischen gegenseitiger Überwachung, Kontrollsucht, permanenter Angespanntheit und der halbgaren Vermutung, dass sich alle gegeneinander ausspielen, während sie sich vorspielen, dass alles in bester Ordnung sei, während niemand um die Motive des Gegenübers weiß, bleibt bis zum Ende gerissen, angespannt und frei von Substanzlosigkeit.
Thematisch im Zentrum steht dabei natürlich der Diskurs über die Autonomie und Verantwortung einer und die Autonomiegewährung und Verantwortung gegenüber einer künstlich geschaffenen Lebensform, deren Komplexität zu Resultaten führt, die die Vorhersagemöglichkeiten ihres Erschaffers überschatten. Dabei begeht der Film nicht den Fehler, sich in plumpen Phrasen zu verfangen oder hundertfach Gesagtes stilbewusst wiederzukäuen. In Ex Machina werden Themen durch geschicktes Andeuten behandelt; der Film brüstet sich nicht damit, einfache Antworten auf schwierige Fragen zu haben, sondern genügt sich im richtigen Maß darin, diese Fragen erst zu stellen und dann höchstens eine von vielen Antworten zu geben. Trotzdem gelingt dem Film damit ein Beitrag zum Diskurs über Maschinenethik, wie er im filmischen Bereich bisher ausschließlich von Her geleistet wurde. Auch Überlegungen, was es überhaupt für einen Unterschied macht, eine Künstliche Intelligenz als Frau und nicht als Mann – oder gleich vollends geschlechtslos – zu konstruieren, wie sich das Frauenbild des Internets, das des Unterbewusstseins des Einzelnen und das in der Gesellschaft hochgetragene voneinander unterscheiden und ob es einen Punkt geben könnte, an dem mit menschlichen Kategorien nichts mehr zu erreichen ist, werden erwähnt und auf ihre ganz eigene Weise abgehandelt, ohne dabei einen Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit erheben zu wollen.
Damit all das gelingt, muss das Drehbuch von vornherein etwas zurechtgebogen werden. Um nichts zu verraten, sei hier exemplarisch nur erwähnt, dass es natürlich eigentlich quatsch ist, dass die Zugangsberechtigungen in Nathans Anwesen mit Karten geregelt werden und nicht etwa auf Stimm- oder/und Gesichtserkennung zurückgreifen, was viel sicherer, naheliegender und einfacher wäre. Solche Kniffe erlaubt sich das Drehbuch, damit es das größtmögliche Spannungspotenzial aus seiner Geschichte schöpfen kann. Und man kann es ihm eigentlich nicht übelnehmen, denn Ex Machina ist eben nicht nur ein kluger und ungemein atmosphärischer Film, sondern darüber hinaus auch ein enorm spannender. Das Finale, das man in dieser Form noch nicht gesehen haben dürfte, stimmt dem zu.

Fazit

Auf Alex Garlands ersten selbstgedrehten Film musste man lange warten. Das Ergebnis rechtfertigt diese Wartezeit absolut. Ex Machina ist ein makellos komponierter, stilbewusster und atmosphärisch dichter Dialogthriller in einem so beunruhigenden wie fesselnden Science-Fiction-Rahmen geworden, der kluge Fragen auf ebenso kluge Weise stellt. Gewissermaßen könnte man sagen, Spike Jonzes Her und Alex Garlands Ex Machina sind zwei Seiten derselben Münze.
Der Umstand, dass beide Filme gerade jetzt herauskommen, spricht eigentlich für sich, was die Dringlichkeit, die Relevanz, besonders aber das nur schwer fassbare Irritationspotenzial ihrer Thematik anbelangt.

Rain for the Dead

Japan Filmfest Hamburg Special 9

Story

Nur durch Zufall findet Yōjirō heraus, dass Zombies nicht auf Menschen reagieren, wenn es regnet. So kann er sich bei schlechtem Wetter gefahrlos durch die tote Stadt bewegen und Besorgungen tätigen. In seiner Wohnung wartet, angekettet in einer Ecke, seine Freundin Mami. Nachdem sie von ihrem Vater infiziert wurde, versorgt Yōjirō sie mit Fleisch und hofft wider alle Wahrscheinlichkeit darauf, dass sich seine Lebenspartnerin wieder in einen Menschen verwandelt.

Kritik

Thematische Trends sind so eine Sache. Häufig sind ihre Vorgaben recht eng, die Art und Weise, wie man sie umsetzen kann, nicht allzu variabel. Wenn inhaltlich Variationen ohne Weiteres nicht mehr möglich sind, ohne den Gegenstand zu sehr zu verfremden, sucht man nach Änderungsmöglichkeiten in der Form.
Auch in Rain for the Dead hat die Oberhand der Stil, wenn auch nur ein klein wenig. Man huscht nicht durch die strolchenden Zombies, man schreitet. Eingerahmt wird dies von Kameraperspektiven, die mal einsam und traurig, mal eigentümlich majestätisch scheinen, immer aber den Ehrgeiz versprühen, irgendetwas ausdrücken zu wollen. Rain for the Dead ist ein Film des Ausdrucks über das Eindringen. Das Eindringen von gesammeltem Regen in Gebäude, von abgebrühten Kämpfern in die biedere, aber glückliche Vergangenheit und von Baseballschlägern in Schädeldecken. Letzteres jedoch nur in der Theorie, de facto wird im gesamten Film kein einziger Zombie getötet.
Der ständige Regen ergießt sich in die Gassen, wo die Toten hilflos wie Stop-Motion-Figuren durch die Pfützen zuckeln, in ihrer Roboterhaftigkeit fast schon jämmerlich. Und zwischen ihnen hindurch spaziert Yôhirô, wie ein kindlicher König, dessen Land und Volk nur Hirngespinste sind. Zombies, die als entseelte Ungeheuer einstmals selbst für die Gefahr der Gleichgültigkeit standen, begegnet man nun mit eben dieser. Was um uns herum ist, das wird zur Normalität, zum Alltag, dies ist das Tragischste im Dasein des modernen Menschen.
Passender Weise ermöglicht dies der Regen, das Melancholischste, was Mutter Natur zu bieten hat. So ist es nur folgerichtig, dass die Wiedergänger mehr Automaten als Monster sind, die immer noch alte Routinen in rudimentärer Struktur in sich tragen, Arbeitswege abschreiten, schunkelnd vor ihrer Haustür verharren oder sich zu vertrauten Werkzeugen hingezogen fühlen. Der Mensch ist vollends zur Maschine geworden, die nur dann unter Fehlfunktionen leidet, wenn der animalische Kern zum Vorschein kommt.
Diese Symbolik zieht sich auch durch die anderen Bereiche des Filmes, wo sie noch viel subtiler zum Tragen kommt. Tatsächlich sind Zombies in Rain for the Dead eher arme, bemitleidenswerte Kreaturen, hilflos und tragisch. Und so mag auch der Titel zu verstehen sein, der Regen für die Zombies fordert, wie man einst auf Regen für die Ernte hoffte, um Leben in das tote Korn zu bringen. Damit darf der Film noch stärker als viele andere Zombiefilme gesehen werden als ein zynischer Abgesang auf die (japanische) Gesellschaft entseelter Funktionsträger, die lange schon nicht mehr der Moderne mit ihrem Aufruf, sich und seinem Tun eine normative Funktion zu geben, überein zu bringen sind, sondern ganz vom Kapitalismus gefressen wurden.

Wie in den meisten aktuellen Genrebeiträgen sind die Masken über die meisten Zweifel erhaben, man fährt hier nicht mit Horden von Entstellten auf, sondern gewährt stattdessen immer mal wieder vereinzelte Blicke auf die verstümmelten Geschöpfe und ihre Opfer. Die so gesetzten kleinen Spitzen sind nicht nur effektvoller, sondern bringen häufig auch ein paar nette Ausschmückungen mit sich. Mit effekthascherischem Gestus wird aber gar nichts gezeigt, die Kamera ist nahezu gleichgültig bei ihrer Musterung des Status quo.

All das funktioniert in seinen Feinheiten anstandslos, wird aber immer wieder enorm von gerade den emotional aufgeladenen Szenen getrübt, auf die es zusteuert. Der verklärte Blick des in der postapokalyptischen Gegenwart Gefangenen auf die rosige Vergangenheit ist immer begleitet von schwermütigem Kitsch, ohne den die eigentliche Botschaft und die Last der Gefühle jedoch viel wirksamer zur Geltung kommen würden.
Vor allem die Rückblenden stehen nicht nur im krassen, sondern im viel zu krassen Kontrast dagegen. Die aufgedrehte Art der Freunde, die spießbürgerliche Alltagsidylle zwischen ihm und seiner Freundin Mami. Hier findet Kontrast nur um des Kontrasts willen statt.
Doch ist die Epidemie erst einmal im Gange, lässt auch die rührige Verklärung nach und die zunehmenden Flashbacks gleichen sich der nihilistischen Stimmung der Gegenwart an. All das strahlt eine bedrückende Tristesse und Hoffnungslosigkeit aus, die den Film sehr erdrückend und trostlos wirken, obwohl er in optischer Hinsicht immer mal wieder kurze Schönheit zulässt. Zum Ende hin kommt dann in den gerade mal 68 Minuten Laufzeit doch etwas Leerlauf zustande, wenn der Film sich nur noch darauf beschränkt, Yôhirô dabei zu zeigen, wie er seiner Liebe Mami nachtrauert. Auch, dass er eingangs noch Text über die Szenen sprach, dieses Stilmittel nach der Einführung aber nie wieder Verwendung findet, wirkt unüberlegt und so ziellos wie die Handlung selbst.
Das Zombie-Malheur als deprimierendes Kammerspiel, das gab es auch schon in Portrait of a Zombie. Rain for the Dead hätte es aber gut getan, mehr von dem Draußen, mehr von den stillen Wanderungen des Protagonisten und mehr von den armen Kreaturen und ihrem schlimmem Schicksal zu zeigen. So aber formuliert der Film weder die Welt des Außen noch die Welt des Innen ausreichend gut aus, weshalb man sich in beiden nur wie ein Besucher fühlt, der einen kurzen Blick auf die Oberfläche erhaschen kann, dann aber sofort in den Abspann weiterziehen muss, bevor man sich so richtig mit dem Geschehen vertraut machen kann.

Fazit

Die Mangaverfilmung Rain for the Dead steuert inhaltlich zwar nichts Neues zum Zombiethema bei, besticht aber durch einen eigenen Stil und seine tief trostlose Stimmung. Leider kann der Film in der kurzen Spielzeit nicht das erreichen, was er sich vornimmt, zudem er sich zu sehr mit kitschigen Rückblenden aufhält.
Trotzdem lohnt sich ein Blick dank der gut umgesetzten Ansätze und dem beklemmenden Gefühl, das dieser Film auslöst.

Space Station 76

Jack Plotnick hat in seinem Leben ausgiebige Erfahrung als Darsteller in allerhand renommierten Serien gesammelt. So nimmt es nicht wunder, dass sein erster eigener Langfilm Space Station 76, zu dem er auch das Drehbuch beisteuerte, nicht nur eine Verbeugung vor den Siebzigern, sondern auch eine vor dem Erzählformat Serie selbst ist.

I’ve always been amazed that asteroids can fly in groups for millions of years and never touch each other or connect.

Story

Jessica Marlowe ist eine aufgeweckte Aufsteigerin, die als Co-Chefin an Bord der Raumstation 76 beordert wird. Die aufgeweckte Dame stößt dort aber nicht auf das erwartete professionelle Team, sondern auf einen festgefahrenen Mikrokosmos sich aneinander reibender Charaktere, die ihre zwischenmenschlichen Alltagsprobleme nicht zu bezwingen wissen und sich allesamt in ihre ganz persönlichen Ersatzbefriedigungen flüchtete, die sich auf der großen Skala zwischen Autoaggression und Valiumabhängigkeit ansiedeln.

Kritik

Space Station 76 wirkt – beinahe – gänzlich so, als sei es aus einem längst verstrichenen Jahrzehnt gepurzelt. Mit Charakteren und Ideen aus den 80ern, mit Mode aus den 70ern – und mit Effekten und einem Satiververständnis aus den 90ern. Letzteres dient dazu, sich über die 70er zu belustigen.

Bereits der Titel schein t an die Namen vertrauter wie ergrauter Science-Fiction-Serien angelehnt und die Geschichte geht im Gleichschritt, ist doch auch sie inszeniert und erzählt wie eine Episode einer jener Serien; und das bis hin zum Schluss, der einfach die anschließende Folge erwarten lässt.
Dass man sich mitten im All befindet, spielt quasi keine Rolle (sieht man davon ab, dass die Isolation natürlich als für sich selbst sprechendes Motiv herhalten darf), denn für die Story relevante Entdeckungen außerhalb der Raumstation gibt es nicht zu machen. Die gesamte Handlung spielt sich in Fluren und Räumen ab, wo die Crewmitglieder mit-, gegen- und übereinander in bester Soap-Tradition schnattern, wettern, flöten und intrigieren. Erklärbar ist es vermutlich mit dem zugrundeliegenden Bühnenstück, das naturgemäß kammerspielartiger als ein Film daherkommt und für die vorliegende Adaption stilistisch auch nicht großartig abgeändert wurde.
Man braucht eine Weile, bis man in diese sonderbare Art von Universum geschlüpft ist und dort Orientierung gefunden hat. Nachdem man sich aber mit dem ungewöhnlichen Interieur, der vor sich hin groovenden Gitarrenmusik und der alles andere als üblichen Geschichte angefreundet hat, erfreuen schön ausdifferenzierte Charaktere und eine konsistente Ironie. Unterhaltsam ist der Film auch dann, wenn bei weitem nicht alle Witze zünden, zumal diese sowieso mehr zum Schmunzeln denn zum Lachen verleiten, und auch sonst nicht jede Szene mit Gold aufzuwiegen ist. Der Grundcharme der Idee und ihrer Umsetzung besitzt sein ganz eigenes Gewicht und Volumen.
Die anfangs noch befremdliche Kombination ist nach einer Weile in Fleisch und Blut übergegangen, in ihrer eisernen Konsequenz bewundernswert und Basis für eine völlig ungewohnte Art der Komödienerfahrung. Denn die Witze beziehen sich nicht auf die Optik und nicht direkt und herablassend auf die Kuriositäten und Verirrungen der 60er. All das ist vollkommen selbstzweckhafte Grundfläche, aber nicht Ziel des Humors. Dadurch wirkt das komplette Setting wie eine merkwürdige Mischung aus Ernst und Nicht-Ernst.
Und dann sind da ab und an diese dramatischen, nur für ein paar kurze Sekunden gänzlich vom Augenzwinkern entmantelte Szenen, die einen merkwürdigen, aber auch reizvollen Bruch hervorrufen, der Space Station 76, so geringfügig sie auch auftreten, eine besondere Note verleihen.

Im Zentrum steht aber unangefochten der ganz normale Alltagswahnsinn ein paar neurotischer Durchschnittsamerikaner. Dass man sich dabei in einer Zukunft befindet, die der übereifrigen Fantasie des Jahres 1976 entsprungen ist, ist genaugenommen absolut nebensächlich.
Zusätzlich funktioniert der Film aber auch auf eine feine Art als Lehrstück dafür, dass der Mensch weit mehr als anthropomorph denkt, er denkt egopomorph. Er erblick überall nur ein Spiegelbild seiner Erfahrungen, kann mit seinen Erwartungen nicht über den ganz persönlichen, furchtbar engen Horizont hinauskommen und führt damit unbeabsichtigt einen Zaubertrick auf, dessen Pointe darstellt, dass, nach Abzug des mystischen Rauches, sich ein jeder selbst als kleingeistiger Egoist enttarnt. Dazu passt auch, dass Sachen, die wir, stolz vor Edelmut, für unsere Nachfahren schaffen, von diesen womöglich gar nicht gemocht und gebraucht werden, weil diese völlig anders ausgerichtete Menschen sein könnten – der Film liefert ein passendes Beispiel hierfür.
Erfreulich ist, dass das niedrig budgetierte Projekt es sich nicht nehmen lässt, nicht nur motivisch den ein oder anderen Klassiker anzupreisen, sondern auch das Genre-Idol wie Keir Dullea kurz mal vor die Kameralinse schickt, um die Liebe zum Stoff zu unterstreichen.

Fazit

Der Film ergibt ein erfrischend unverbrauchtes Gesamtbild, das völlig unaufgeregt und auf das Filmformat pfeifend seinen Blick einmal durch die Folge einer 70er-Jahre-Telelovela schweifen lässt und dann unbeschwert wieder davontänzelt.
Ein kleiner Scherz, mehr nicht. Und so fühlt sich Space Station 76 auch an, mit all seinen Vor- wie Nachteilen.

Coherence

Nach dem 2007er Independent-Erfolg The Man from Earth war es fast schon überraschend, dass weitere dialoglastige Kammerspiele mit Sci-Fi-Anwandlungen nicht in Scharen auf dem Markt gekommen sind. Vielleicht liegt es daran, dass gute Drehbücher schwer nachzuahmen sind. Mit Coherence ergänzt James Ward Byrkit – Ideenhaber, Schreiber, Regisseur und Produzent in einem – nun dieses rar besetzte Untergenre um einen weiteren Beitrag.

No, we’re not splitting up. We’re just gonna go in two different groups.

Story

Die Gruppe von Freunden, die sich in Zeiten regelmäßig traf, die lange schon Vergangenheit sind, findet sich mittlerweile nur noch selten zusammen. Man zog in verschiedene Städte, erneuerte die Vorstellung von Leben, wurde erwachsen, fremder füreinander. Als sich Emily, Kevin, Beth, Ami, Amir, Laurie, Hugh und Lee in Mikes Haus treffen, liegt das letzte Beisammensein schon wieder eine ganze Weile zurück. Man trinkt, übt sich darin, ausgelassen zu sein, und versucht, all die Distanz, die mittlerweile zwischen einander besteht, vergessen zu machen.
Doch dieses Mal ist es anders. Die Displays von Smartphones zerbrechen scheinbar grundlos und nach kurzer Zeit fällt im ganzen Viertel der Strom aus. Beleuchtet bleibt nur ein einziges Haus in der Nachbarschaft. Als an sich entschließt, dort vorbeizuschauen, geschehen seltsame Dinge.
Ein Komet, der in dieser Nacht die Umlaufbahn der Erste streift, könnte verantwortlich hierfür sein.

Kritik

Coherence ist eine dieser – eigentlich sehr häufig vorkommenden – Seherfahrungen, bei der vieles davon abhängt, ob man zuvor etwas über den Film weiß oder nicht. Geht man ohne vorheriges Wissen an den Film, der damit beginnt, dass ein paar alte Freunde sich nach langer Zeit treffen, um sich von einer Handkamera gefilmt zu betrinken, ist man ob der fehlenden Voreingenommenheit natürlich leichter durch den nachfolgenden Twist zu beeindrucken und die Filmerfahrung als Ganzes deutlich verlangender. Aber das ist natürlich ein alter Hut. Allein das Wissen um die Tatsache, dass überhaupt so etwas wie ein Twist existiert, kanalisiert die Erwartungen eigentlich schon in zu hohem Maße. Von daher seien alle, die den Film zufällig schauten und erst durch nachträgliches Suchmaschinen-Beackern auf diese Filmbesprechung gestoßen sind, beglückwünscht. Ihr habt es richtig gemacht. Aber – um bei den Hüten zu bleiben – das ist eine Weisheit, die keine ist.

Der Fallstrick des Konzeptes, die ganze Zeit verschiedene Menschen auf engem Raum zu zeigen, ist (spätestens hier entlarvt sich diese Rezension als Text reiner Redundanzen) die anspruchsvolle Forderung nach lebendigen, glaubhaften Charakteren, deren Handeln der Vorstellung von komplexen Figuren wie auch der Situation angemessen ist. Und Coherence schafft es mit beeindruckender Leichtigkeit, seine Figuren lebensnah darzustellen. Man meint tatsächlich, einer Zusammenkunft alter Freunde beizuwohnen, die sich bemühen, nicht so zu wirken, als hätte man aufgrund der unmöglich zu überbrückenden Zeit des Abstands einander kaum was zu sagen. Die Merkwürdigkeit, die entsteht, wenn man auf Menschen trifft, deren gegenwärtige Existenz einem völlig fremd ist, während man einstmals mit ihrer vergangenen Erscheinung bestens vertraut war, wird unaufdringlich schön eingefangen. Man nippt häufig an seinem Glas, überspielt das Offensichtliche, wird albern und alte Geschichten werden an die Oberfläche gespült. Es ist die einmalige Art von Situation, die schön und furchtbar zu gleichen Teilen ist. Es ist der Prozess des Verklärens in seiner massiver Gegenwärtigkeit.
In diese Pattsituation gesellschaftlicher Zwänge bricht nun ein Strom des Sonderbaren. Ein Komet, unerklärliche Vorkommnisse – und weiterhin die obskure und vollkommen natürlich wirkende Anforderung, das Gesicht und die Fassung voreinander zu bewahren. So wie die Menschen verwandelt sich auch die räumliche Situation in ein Panoptikum vertrauter Fremde, das vor allem anderen Irritation hervorruft.
Oberflächlich ist Coherence eine Art Science-Fiction-Film, in erster Linie handelt es aber um eine Lupe auf ein soziales Experiment, selbstverständlich in Form eines Kammerspiels.
Daher ist die Handkamera hier auch das Mittel der Wahl und dieser Film einer von wenigen, wo dies absolut angebracht ist. Sie zuckt und zittert beizeiten stärker als in so manchem Actionfilm, transportiert aber exakt jene Unsicherheit und die Furcht vor Kontrollverlust, die es benötigt.
Dass dies so exzellent funktioniert, liegt vorrangig an den unprätentiös spielenden Darstellern, die ihren Figuren eine gewisse Tiefe verleihen, in ihrem Spiel nicht übertreiben und das Haltlose der Situation und ihrer Entwicklungen meist angebracht auf den Punkt bringen.
Da ist es fast ein wenig schade, dass die Geschichte ungeheuer clever tut, aber gerade das nicht ist. Jedenfalls nicht in dieser Form. Sie ist schon auf ihre Weise im Kleinen innovativ und die meiste Zeit über auch mit Interesse zu verfolgen, macht es sich an manchen Stellen aber auch zu leicht mit Erklärungen und Wendungskausalitäten, was den Fluss zwar begünstigt, die Stimmung jedoch beizeiten etwas drückt. Letztlich ist das Erzählte lange nicht so intelligent, wie es verkauft wird, aber natürlich immer noch um Längen klüger als das meiste andere, was man heutzutage zu sehen bekommt.

Fazit

Ein Science-Fiction-Kammerspiel, ähnlich wie der bekanntere The Man from Earth, das durch seine gelungenen Figuren und die intensive, aber nie aufdringliche Handkameraarbeit überzeugt. Die Prmämisse selbst ist ohne Frage nett, aber genau wie der Plot selbst kein Geniestreich. Für eine intensive Erfahrung mit eigenständiger Atmosphäre ist das aber auch gar nicht nötig. Coherence bietet genau das.