Der erste Teil der VALIS-Trilogie, dem Autobiographischsten und damit auch Intimsten, was Philip K. Dick vielleicht je zu Papier gebracht hat, erhält seine filmische Umsetzung. Nur A Scanner Darkly darf hier noch auf Erwähnung pochen. Letzerer bekam dann auch eine mehr als würdige Verfilmung spendiert, die so nah an einem K. Dick-Werk war, wie keine andere zuvor.
If I’m going down, I’m going down with people i love.
Story
Wir schreiben das Jahr 1985. Ein 1985, das nicht exakt so ist, wie das unserer Vergangenheit, aber ihm doch sehr ähnlich. Nick Brady, passionierter Plattenverkäufer mit eigenem Eckgeschäft, wird plötzlich von Visionen heimgesucht. Zuverlässig morgens um drei sendet ihm ein nicht von der Erde stammendes Artefakt namens VALIS kryptische Botschaften. Während sein engster Freund Philip Gefallen an der inspirierenden Sache findet und ihm glaubt, bleibt die Gattin skeptisch.
Doch die Befolgung der unerklärlichen Anweisungen bringt Gutes mit sich, rettet seinen Sohn, kurbelt die Karriere an.
Doch dann werden Regierungsagenten auf Nick aufmerksam.
Kritik
Nun ist sie also da, die Verfilmung von VALIS – oder Radio Free Albermuth, wie der Film sich nennt, da das Werk vor seiner Eingliederung in die Trilogie so hieß. Und er hinterlässt einen so gespaltenen Eindruck, dass eine Bewertung schwerfällt.
Zuallererst fallen dann auch gleich die bemitleidenswerten Produktionswerte auf. Sowohl optisch als auch formal sieht der Film aus wie eine Serienfolge aus den 90ern.
Häufig eindimensionale Hintergrundgeräusche, dilettantische Keyboardsounds oder unpassende, schlecht abgestimmte und auch in sich schlechte Musikuntermalung lassen den ganzen Film in Verbindung mit seiner viel zu aufdringlichen Farbästhetik durchgehend billig wirken. Mehr als nur einmal vermutet man irgendein klingelndes Elektronikgerät in der eigenen Realität, weil das aktuelle Stück, das sich im Hintergrund penetrant hervortut, will so gar nicht mit dem Gezeigten übereinstimmen.
Die Visionen sind dafür aber auf eine nicht uninteressante Weise umgesetzt und das Setting hat ein gelungenes Mode-Upgrade enthalten, dessen 80er-Lemente mit Liebe zur Sache eingebaut wurden.
Kennt man das Ausgangsmaterial, weiß man, warum die Figuren so handeln, wie sie handeln, und ergänzt Intentionen. Kennt man es nicht, wird man mit ein paar Leuten konfrontiert, die zugleich wahnsinnig und dumm sind. Radio Free Albermuth krankt an einem Umstand, der die Krätze vieler Literaturverfilmungen ist – die Gedanken der Figuren sind dem Zuschauer verborgen, bestenfalls durch plumpe innere Monologe in Ausschnitten zugänglich gemacht. Damit aber bleiben auch die Motive der Figuren in all ihren wichtigen Feinheiten im Nebel der Behauptung. Dass das Medium Film sich für gewöhnlich gezwungen sieht, jede Geschichte, gleich welcher Art, in einem zeitlichen Rahmen von maximal 130 Minuten zu erzählen, komplettiert das Debakel. In unter zwei Stunden hastet man durch die verworrene Geschichte der verlorenen Seelen, die ihre Vorstellung von Realität von den Grundfesten an in Frage stellen müssen, begleitet sie auf ihren Reisen und baut in dieser Zeit keinerlei Beziehungen zu ihnen auf, weil der Film ihre Innenansichten unterschlägt und nicht weiß, wo er beschleunigen und wo kurz innehalten sollte, um die Geschichte für das neu, so viel reichere Format der bewegten Bilder angemessen um zu modellieren. So jedenfalls präsentiert sich der lange Anfang des Filmes.
Auch wirkt in dieser Zeitspanne die Entscheidung etwas wahllos, welche Vorgänge detailliert aus dem Grundstoff übernommen und welche gerafft oder übergangen werden. Viel im Film Redundantes kommt direkt aus der Vorlage, dafür spart man wichtige Elemente aus. Trotzdem wollte man aber auch möglichst viel aus dem Roman übernehmen und griff sich sogar ein paar Versatzstücke aus den Nachfolgern. In der Konsequenz passiert nun recht viel in kurzer Zeit – und da die Ideen immer noch von Philip k. Dick stammen, sind es durchweg Interessante Sachen, die passieren, weshalb es der etwas untalentierten Umsetzung zum Trotz nie langweilig wird. Die selbstverständliche Aneinanderreihung von anziehenden Verschwörungstheorien aus Mündern, die vielleicht irrig, aber eloquent tiefer in die undurchsichtige Paranoia-Welt Philip K Dicks dringen, entwickelt mit der Zeit eine eigene Logik und funktioniert nach einem ausgedehnten Befremdungssmoment auf seine eigene Weise ganz anständig.
Ab etwas mehr als der Hälfte entfernt sich die Geschichte immer weiter von der des Romans, um eine klassische Klimax zu gewährleisten, was jedoch erstaunlich gut funktioniert. Trotz des zunehmenden Anteils an Fremderzählung bleibt die Sache eine sich fast ausschließlich in Dialogen entwickelnde, es gibt einen gute gesetzten Überraschungsmoment, einen klugen Twist am Ende und sogar weitere sauber eingeflochtene Anspielungen auf Philip K. Dicks Biographie, während die Geschichte zu einem überraschend runden Ende gelangt. Auch die Veränderung Hauptperson macht im Rahmen des Filmes durchaus Sinn. Wie sicher das Drehbuch an nicht wenigen Stellen ist, ist überraschend und mit einer professionelleren Regie hätte etwas wirklich Gutes aus Radio Free Albermuth werden können.
Aber interessant ist die Adaption trotzdem allemal – man braucht nur Geduld, dann hat man sich auch mit der dilettantischen Musikuntermalung angefreundet und die gewöhnungsbedürftigen Kameraufnahmen notgedrungen in Atmosphäre umgesetzt.
Fazit
Radio Free Albermuth macht es dem Zuschauer keineswegs leicht. Kennt man die Vorlage nicht, wird man mit Idioten konfrontiert, deren Handlungen nachzuvollziehen ein ordentliches Stück Arbeit ist. Ist man mit dem Roman vertraut, lässt sich einiges leichter erschließen, man ärgert sich aber am Umgang mit dem Stoff. In beiden Fällen führt ein wenig Geduld und Nachsicht aber dazu, dass die Geschichte sich nach einer Weile doch noch entfalten kann und auf ihre Weise funktioniert. Auch deshalb, weil man sich nicht sklavisch an das Buch hält, sondern viel Eigenes einbaut, das für Kenner Überraschung bedeutet und dem Film im Allgemeinen gut tut. Am billigen Look, den mittelmäßigen Schauspielern und dem völlig irrigen Design auf akustischer Ebene ändert das aber nichts.
Bei Erfolg sollte übrigens eine Filmreihe folgen, die sich dem Rest des VALIS-Universum widment. Davon ist aber wohl nicht mehr auszugehen.