Avengers: Age of Ultron

Da ist er nun. Begleitet von einem Kinoboykott startet Avengers: Age of Ultron immer noch weiter über dem sich träge reckenden DC-Konkurrenten und stellt damit zwischen Guardians of Galaxy und den im Juli schrumpfenden Ant-Man den (irdischen) Höhepunkt von Marvels Phase 2 dar.
Dass sich die zweite Teamarbeit der heterogenen Heldenkumpel mit dem großartigen Vorgänger schmücken kann, ist für das Ergebnis erwartungsgemäß Fluch und Segen gleichermaßen.

No matter who wins or loses, trouble always comes around.

Story

Als Lokis Zepter aus den Händen Hydras entwendet werden konnte, sieht Tony Stark endlich die Gelegenheit gekommen, seine ganz persönliche Vision einer ‚sicheren Erde‘ in die Praxis umzusetzen. Mit einem mysteriösen Stein, der sich im eroberten Artefakt befindet, kann er Ultron erschaffen, eine künstliche Intelligenz, die dazu dienen soll, Krieg – vornehmlich durch außerirdische Invasoren – von der Menschenheimat fernzuhalten. Da das Zeitfenster, das zur Forschung offensteht, sehr knapp bemessen ist, überredet er Bruce Banner zur Komplizenschaft und lässt den Rest des Teams über sein Vorhaben im Dunkeln; Zeit für Diskussionen über Ethik sei nicht gegeben, findet der Playboy.
Als Ultron dann aber seine ersten Gehversuche wagt, manifestiert sich der Verdacht, dass der ein oder andere Disput der Sache vielleicht doch gut getan hätte. Die forsche KI schlussfolgert etwas übereifrig, dass eine befriedete Erde nur dann möglich ist, wenn die kriegslüsterne Spezies Mensch von ihr verschwunden ist.
Als Handlanger des amoklaufenden Programms fungieren ausgerechnet die von Hydra ausgebildeten Geschwister Pietro aka Quicksilver, flinker als das Auge (als Figur bekannt aus X-Men: Zukunft ist Vergangenheit), und  Wanda Maximoff aka Scarlet Witch, eine Adeptin der Chaos-Magie.

Kritik

Wir schreiben das Jahr 2012, Marvel’s The Avengers kommt in die Kinos und die Welt ist skeptisch. Der Konzern kann sich doch nur übernommen haben, denn dass man die rebellischen Charakterköpfe Thor, Hulk, Iron Man und Captain America mit all ihren Side-Kicks und noch zu etablierenden Zusatzfiguren in einer einzigen Geschichte vernünftig unter einen Hut bekommt, wo doch schon die Soloauftritte relativ knapp bemessen schienen für derartige Schwergewichte der Comickultur, schien einfach zu schön, um wahr zu sein – und damit schlicht nicht praktikabel. Dann kam Joss Whedon und hat sein feines Drehbuch mit seiner pointierten Regie zu etwas gemacht, was ohne Übertreibung die gigantischste Blockbuster-Überraschung des vergangenen Jahrzehnts war.
Drei Jahre später läuft der zweite Teil in den Kinos an, wieder ist Joss Whedon Kapitän und Steuermann in Personalunion und als jemand, in dem immer noch das drei Jahre zurückliegende Kinoereignis nachwirkt, wünscht sich der Zuschauer einfach nur mehr vom Gleichen.
Doch das „Gleiche“, nach welchem man sich sehnt, ist nicht eine inhaltliche Erweiterung oder gar Erweiterung – tatsächlich sehnt man sich nach einer Wiederholung des psychologischen Effekts, den die Rächer mit ihrem ersten Ensemble-Abenteuer bewirkten. Die unerwartete Neuheit, die freche Leichtigkeit, mit der Undenkbares geschaffen wird und vier Figuren, die für sich nicht immer isoliert funktionierten, plötzlich eine Allianz schmieden, die besser, unterhaltsamer und bisweilen sogar cleverer ist, als es die einzelnen Recken in ihren Solofilmen je waren. Das ist natürlich etwas, dass der Film nicht zu leisten vermag, denn das – überaus gelungene – Experiment, das Marvel mit seinem Cinematic Universe wagte, hatte seinen phänomenalen Moment naturgemäß am Tag seines Aufkommens.
Nun kann erst einmal nur mehr vom Gleichen auf Inhaltsebene geliefert werden, was ja keineswegs Schlechtes bedeutet. Doch leider wirkt die liebgewonnene Heldentruppe in Avengers: Age of Ultron ein wenig steif in der Hüfte, als wüssten sie genau, dass ihr erstes Abenteuer einen Maßstab generierte, dem gerecht zu werden ist. Der Humor, der im ersten Film in seltener Lockerheit und wie natürlich funktionierte, wirkt nun fahrig und bemüht. Der mehr als maue Running Gag, dass Captain America keine Schimpfworte mag, aber selbst mal ein loses Mundwerk hat, ist symptomatisch dafür. Auch die Schauspieler wirken müder – oder einfach nur weniger inspiriert, weil auch der Film als Ganzes weniger inspiriert wirkt und gerade am Anfang etwas orientierungslos wirkend Szenen aneinanderreiht, ohne dass diese mit natürlich-dramaturgischer Konsequenz auseinanderhervorgehen würden. Gerade die Kampfsequenzen wirken somit einige Male wie arg selbstzweckhaftes Geschepper und darüber hinaus nur mit zweitklassigen Ideen umgesetzt. Auch so etwas gab es in Teil 1 noch nicht. Dessen ungeachtet lässt sich eine gewisse betörende Dynamik aber keiner Szene absprechen und auch der grundsätzliche Charme dieser selbstironischen Heldenarmee ist immer spürbar, das lodernde Feuer jedoch, das den Motor von Teil 1 fast 2 ½ Stunden auf Hochtouren laufen ließ, ist längst nicht mehr so majestätisch.
Genau deshalb ist es an der Zeit, Avengers: Age of Ultron aus dem Schatten seines Vorgängers herauszuziehen. Denn für sich genommen ist die Comicverfilmung natürlich immer noch mustergütiges Unterhaltungskino, das keine merklichen Längen aufweist, bildhübsch daher geritten kommt, stets bei Laune hält und vor allem die gute alte Truppe wieder zusammenführt. Gerade an diesem, dem wohl wichtigsten Punkt, wiederholt sich einer der zentralsten Errungenschaften des ersten Teils. In der Zwischenzeit ist die Mannschaft weitergewachsen und stellt mittlerweile eine Anzahl an Figuren in die erste Reihe, die andere, menschenähnlichere Regisseure als Joss Whedon nie harmonisch in einen Film bekommen hätten. Ganz unbeirrt davon gewährt das Drehbuch sämtlichen Charakteren genügend Raum, ohne dies je unnatürlich wirken zu lassen (nun gut, über Hawkeyes zusätzliche Figurendimension kann man sicher verschiedener Meinung sein).  Jeder hat seine Funktion und Aufgabe, jeder stellt ein bestimmtes Teil dar, ohne das das Gesamtteam spürbar ärmer wäre. Und das ist für sich genommen ein kleines Wunder. Dass Bruce Banners innere Zerrissenheit eingehender zum Thema wird, ist ein dankenswerter Bonus, weil der Hulk als einzige Figur keinen Film im Kanon für sich beanspruchen kann. Weitere solcher Momente, die über die kurze Andeutung von Romanzen hinausgehen, wären wünschenswert und wohl auch eine bessere Wahl als so manche Actionminute gewesen.

Der wirkliche Dämpfer, den der Film neben seinem leider etwas bemühten Witz hat, ist daher nicht die banale Nichteinlösung der bizarren Forderung, noch einmal eine so plötzliche Revolution wie sein Vorgänger darzubieten. Das, was dem Film viel von seinen Möglichkeiten abzwackt, ist viel mehr die Geschichte, die er erzählt.
Dass sich der Rächerhaufen aus reinem Hochmut heraus die eigene Nemesis vor die Haustür setzt, ist fraglos eine attraktive Ausgangssituation, doch schon in der Comicvorlage bot die Geschichte um Handlung nur wenig Bemerkenswertes. Die Künstliche Intelligenz ist nicht etwa überlegen, weil sie dank ihrer bestechenden Logik entwaffnende Argumente anführt – tatsächlich verhält sich das Programm wie ein Dreijähriger –, sondern schlicht aus dem Grund, dass sie stark und, Internet sei Dank, allgegenwärtig ist. Weder der Antagonist noch der Weg, ihm das Handwerk zu legen, kann irgendwie überraschen. So unterbeleuchtet Loki seinerzeit war, hatte er doch einen großen Batzen Charisma und darüber hinaus ein fantastisches Reich in seinem Rücken. Ultron hat nichts davon und ist nur eine kurzsichtige Maschine mit im O-Ton eindrucksvoller Stimme.
Und nach den bisher bestandenen Prüfungen gönnt man den Helden eigentlich eine etwas angemessenere Herausforderung.
Zudem wirkt das Ende sonderbar gehetzt. Nach der Finalschlacht, die selbst etwas fragwürdiger Natur ist, werden alle offenen Enden innerhalb weniger Minuten provisorisch miteinander verknotet und dann zusammen in Richtung „Fortsetzung folgt“ geworfen. Gerade bei einem Film, der so viel Wert auf seine Figuren legt, ist das eine recht glanzlose Maßnahme. So zeigt sich dann zum Schluss in aller Deutlichkeit, dass die so oft verlachte Forderung, etwas vom Actiongewitter einzusparen und dafür mehr Raum für das Drama im Kleinen zu lassen, hier nicht ganz fehl am Platze ist.

Fazit

Avengers: Age of Ultron ist ein guter Film, der zu den fraglos besseren Marvel-Werken gehört, aber spürbar hinter The Avengers und vielleicht soger etwas hinter The Return of the First Avenger zurückbleibt.
Zwar sind Kämpfe dynamisch, das WG-Gefühl der Helden bleibt erhalten und beim Abspann drängt sich die Frage auf, ob der Film nicht viel kürzer war, als es die Laufzeitangabe prophezeite, aber man vermisst auch die unbekümmerte Ausgelassenheit des Vorgängers, seinen szenischen Einfallsreichtum und eine Einlösung des Versprechens, dass es in Sachen Größe und Wichtigkeit nun erst so richtig losgeht. Stattdessen macht Avengers: Age of Ultron einen zaghaften Schritt zurück und präsentiert eine Geschichte, die eher das Format eines Einzelabenteuers trägt, der geschichtsträchtigen Wiedervereinigung der Avengers aber nicht ganz gerecht werden kann. So scheitert der Film zwar am Unmöglichen, bietet aber immer noch Sommerkino der oberen Liga.

Außerdem: Die Sterne stehen gut, denn 2018 und 2019 steht mit dem Doppelabenteuer Avengers – Infinity Wars ein Projekt ins Haus, das viele Versprechen endlich einlösen kann.