Turbo Kid

Der so großartige wie großartig benannte Kurzfilm T for Turbo schlug verdient Wellen. Und so strickten die Macher prompt einen abendfüllenden Spielfilm aus dem Stoff.

For Christ’s sake! Will you just the fuck up and let’s fight!

Story

1997, Endzeit. Die Welt ist Wüste. Ein raffgieriger Baron tyrannisiert die wenigen Überlebenden, Wasser ist knapp. In dieser Zeit lebt ein Teenager, der davon träumt ein Superheld zu sein. Als eines Tages plötzlich das seltsam aufgedrehte Mädchen Apple in seinem Leben auftaucht, schließt er zum ersten Mal seit langem Freundschaft.
Als der Tyrann Zeus und seine Handlager Apple entführen, kann der junge Held sich nur behaupten, weil er einen Anzug mit mächtigen Kräften findet.

Fazit

Turbo Kid ist ein Film, der eine Verbeugung vor den 80er-Jahre-Science-Fiction-Filmen sein möchte, welche sich die 90er – also die Zeit zwischen damals und heute – als eine Zukunft gelöster Sozialstrukturen, entwurzelter Sicherheiten, jeder Menge pervertierten Anarchismus und von totaler Desertifikation verschlungener Architektur vorstellten. Diese Vorstellung wiederum adaptierten unzählige vornehmlich italienische Filmemacher im Anschluss an den Erfolg von Mad Max, um eben diesen Film mit Etwas vom immer noch zu wenig beachteten A Boy and his Dog zu mixen. Turbo Kid will all dem huldigen, zugleich Ehrerbietung und Persiflage sein, Liebevoll und spöttisch zurückschauend, ironisch distanziert und zugleich originell. Eine Mischung aus Scott Pilgrim vs. The World, Mad Max: Fury Road, Kung Fury und, seien wir ehrlich, mindestens 22 weiteren listbaren Namen.
Darüber hinaus spielt ein radelnder Teenager die Hauptrolle, was aber keineswegs ausschließen soll, dass Turbo Kid ein Splatterfilm ist. Weil das alles ganz schön viel ist, gibt es gleich 3 Regisseure – allesamt blutjung, allesamt unerfahren. Kann das gut gehen? Nein. Tut es aber. Jedenfalls so halb.
Zwar merkt man immer mal wieder, dass hier eben Amateure am Werk sind und die Inszenierung dann und wann ein bisschen ratlos wirkt und offensichtliche Schnittfehler sich die Klinke in die Hand geben, doch hält sich dies nicht nur in absolut vertretbaren Grenzen, sondern wird vor allem von einer immensen Liebe zum Detail wettgemacht. Dass die Macher ihre Endzeitfilme gesehen haben, merkt man ihrem Werk an seinen zahlreichen Reminiszenzen in jeder Szene an. Bei all dem darf auch nicht vergessen werden, dass hier eine kleine Gruppe von Leuten etwas für Fans gemacht hat. Gerade für solch ein semiprofessionelles Kleinstprojekt (als Vergleichsgröße könnte vielleicht Six-String Samurai fungieren) ist die Angelegenheit sehr rund geworden.
Die 80er werden mit all ihren poppig-obszönen Geschmacklosigkeiten portraitiert, ohne dass der Film zu überladen oder selbstzweckhaft wirkte. Er ist schelmisch-verspielt, während er vom Rubik’s Cube bis hin zum knöcheltiefen Disco-Soundtrack in den Relikten dieser Vergangenheit wühlt, dabei aber nie boshaft oder völlig selbstvergessen.
Der durch Knie- und Ellenbogenschützer wie einen Helm gegen die Umwelt gewappnete Held wird ebenfalls lächerlich dargestellt. Genau wie die vielen auf BMX-Rädern für Kinder stattfindenden Verfolgungsjagden schafft es Turbo Kid auch im Ganzen, das notwendige Verhältnis zwischen Ernst und Augenzwinkern zu wahren.

Das Drumherum stimmt also. Die Geschichte kommt zügig voran, die Figuren machen miteinander Sinn, die ganze Struktur macht Spaß. Im Detail hapert es dafür an gleich mehreren Punkten. Manchmal ist Turbo Kid bei seiner Gratwanderung zwischen spitzbübischem Humor und Albernheit wahnsinnig sympathisch, dann aber auch einfallslos, weil einer von vier Witzen dann doch zu unoriginell und vorhersehbar ist. Während Munro Chambers als Held wider Willen den nerdig-verträumten Heranwachsenden glaubwürdig und charmant verkörpert, neigt seine Partnerin Apple mit ihrer grenzdebilen, aufgesetzt wahnsinnigen Art schnell zum Nerven – auch wenn der Charakter dieses Verhalten in Maßen rechtfertigt. So liebeswürdig, wie sie trotzdem sein soll, ist sie nicht – was hauptsächlich die Schuld von Darstellerin Laurence Leboeuf ist, die deutlich mehr als nur eine Spur zu viel an Overacting in den Film bringt.
Punkten kann dafür der unverkennbar an Dennis Hopper angelegte Bösewicht, der der facettenreichen Stimme Michael Ironsides (Total Recall, Starship Troopers) und dem ausgewogenen Spiel aus Wahnsinn, Kalkül und Brutalität einen Ödlandherrscher zum Niederknien abgibt. Dass Er wie auch viele andere des Ensembles – und damit ganz im Gegensatz zu den Strippenziehern – kein unbeschriebenes Blatt ist, tut dem Film in Form von ein wenig Professionalität mehr als gut.
Doch leider erschöpft sich die Grundidee irgendwann. Der Plot ist in einem halben Satz gesagt, die Charakterentwicklung ist so knapp wie vorhersehbar und trotz erkennbarer Bemühungen ist auf Dauer leider nicht für große Abwechslung gesorgt. Langeweile macht sich keine breit, das Gefühl von Frische, das Turbo Kid in seinen ersten Zügen noch abgibt, ermattet nach der Hälfte aber zusehends.

Bezeichnenderweise hat Turbo Kid seine stärksten Augenblicke in den Szenen, wo sich der stets einfallsreiche Splatter auf dem Synthesizerteppich abspielt, Körper in rote Wolken zerplatzen, Kunstblutfontänen sprudeln und anorganische Dinge organische Dinge durchbohren. Etwas pointierter formuliert: Es ist immer dann am besten, wenn jemand stirbt. Ob das gegen den Film oder gegen den Geschmack des Rezensenten oder gegen alles andere oder gegen alles zusammen spricht, soll jeder für sich eruieren.

Fazit

Was in 5 Minuten begeistern kann, kann in 18-facher Länge schnell ermüden. So schlimm ist es nicht, doch wie zu erwarten, transportiert Turbo Kid nicht die Energie des zugrundeliegenden Kurzfilmes. Sehenswert ist diese Hommage an Kindheitsfantasien aber allemal, zumal die eigentümliche Mischung aus anachronistischem Schabernack, 80er-Soundtrack, Fun-Splatter und Comig-of-Age-Story alles andere als alltäglich ist.

Space Station 76

Jack Plotnick hat in seinem Leben ausgiebige Erfahrung als Darsteller in allerhand renommierten Serien gesammelt. So nimmt es nicht wunder, dass sein erster eigener Langfilm Space Station 76, zu dem er auch das Drehbuch beisteuerte, nicht nur eine Verbeugung vor den Siebzigern, sondern auch eine vor dem Erzählformat Serie selbst ist.

I’ve always been amazed that asteroids can fly in groups for millions of years and never touch each other or connect.

Story

Jessica Marlowe ist eine aufgeweckte Aufsteigerin, die als Co-Chefin an Bord der Raumstation 76 beordert wird. Die aufgeweckte Dame stößt dort aber nicht auf das erwartete professionelle Team, sondern auf einen festgefahrenen Mikrokosmos sich aneinander reibender Charaktere, die ihre zwischenmenschlichen Alltagsprobleme nicht zu bezwingen wissen und sich allesamt in ihre ganz persönlichen Ersatzbefriedigungen flüchtete, die sich auf der großen Skala zwischen Autoaggression und Valiumabhängigkeit ansiedeln.

Kritik

Space Station 76 wirkt – beinahe – gänzlich so, als sei es aus einem längst verstrichenen Jahrzehnt gepurzelt. Mit Charakteren und Ideen aus den 80ern, mit Mode aus den 70ern – und mit Effekten und einem Satiververständnis aus den 90ern. Letzteres dient dazu, sich über die 70er zu belustigen.

Bereits der Titel schein t an die Namen vertrauter wie ergrauter Science-Fiction-Serien angelehnt und die Geschichte geht im Gleichschritt, ist doch auch sie inszeniert und erzählt wie eine Episode einer jener Serien; und das bis hin zum Schluss, der einfach die anschließende Folge erwarten lässt.
Dass man sich mitten im All befindet, spielt quasi keine Rolle (sieht man davon ab, dass die Isolation natürlich als für sich selbst sprechendes Motiv herhalten darf), denn für die Story relevante Entdeckungen außerhalb der Raumstation gibt es nicht zu machen. Die gesamte Handlung spielt sich in Fluren und Räumen ab, wo die Crewmitglieder mit-, gegen- und übereinander in bester Soap-Tradition schnattern, wettern, flöten und intrigieren. Erklärbar ist es vermutlich mit dem zugrundeliegenden Bühnenstück, das naturgemäß kammerspielartiger als ein Film daherkommt und für die vorliegende Adaption stilistisch auch nicht großartig abgeändert wurde.
Man braucht eine Weile, bis man in diese sonderbare Art von Universum geschlüpft ist und dort Orientierung gefunden hat. Nachdem man sich aber mit dem ungewöhnlichen Interieur, der vor sich hin groovenden Gitarrenmusik und der alles andere als üblichen Geschichte angefreundet hat, erfreuen schön ausdifferenzierte Charaktere und eine konsistente Ironie. Unterhaltsam ist der Film auch dann, wenn bei weitem nicht alle Witze zünden, zumal diese sowieso mehr zum Schmunzeln denn zum Lachen verleiten, und auch sonst nicht jede Szene mit Gold aufzuwiegen ist. Der Grundcharme der Idee und ihrer Umsetzung besitzt sein ganz eigenes Gewicht und Volumen.
Die anfangs noch befremdliche Kombination ist nach einer Weile in Fleisch und Blut übergegangen, in ihrer eisernen Konsequenz bewundernswert und Basis für eine völlig ungewohnte Art der Komödienerfahrung. Denn die Witze beziehen sich nicht auf die Optik und nicht direkt und herablassend auf die Kuriositäten und Verirrungen der 60er. All das ist vollkommen selbstzweckhafte Grundfläche, aber nicht Ziel des Humors. Dadurch wirkt das komplette Setting wie eine merkwürdige Mischung aus Ernst und Nicht-Ernst.
Und dann sind da ab und an diese dramatischen, nur für ein paar kurze Sekunden gänzlich vom Augenzwinkern entmantelte Szenen, die einen merkwürdigen, aber auch reizvollen Bruch hervorrufen, der Space Station 76, so geringfügig sie auch auftreten, eine besondere Note verleihen.

Im Zentrum steht aber unangefochten der ganz normale Alltagswahnsinn ein paar neurotischer Durchschnittsamerikaner. Dass man sich dabei in einer Zukunft befindet, die der übereifrigen Fantasie des Jahres 1976 entsprungen ist, ist genaugenommen absolut nebensächlich.
Zusätzlich funktioniert der Film aber auch auf eine feine Art als Lehrstück dafür, dass der Mensch weit mehr als anthropomorph denkt, er denkt egopomorph. Er erblick überall nur ein Spiegelbild seiner Erfahrungen, kann mit seinen Erwartungen nicht über den ganz persönlichen, furchtbar engen Horizont hinauskommen und führt damit unbeabsichtigt einen Zaubertrick auf, dessen Pointe darstellt, dass, nach Abzug des mystischen Rauches, sich ein jeder selbst als kleingeistiger Egoist enttarnt. Dazu passt auch, dass Sachen, die wir, stolz vor Edelmut, für unsere Nachfahren schaffen, von diesen womöglich gar nicht gemocht und gebraucht werden, weil diese völlig anders ausgerichtete Menschen sein könnten – der Film liefert ein passendes Beispiel hierfür.
Erfreulich ist, dass das niedrig budgetierte Projekt es sich nicht nehmen lässt, nicht nur motivisch den ein oder anderen Klassiker anzupreisen, sondern auch das Genre-Idol wie Keir Dullea kurz mal vor die Kameralinse schickt, um die Liebe zum Stoff zu unterstreichen.

Fazit

Der Film ergibt ein erfrischend unverbrauchtes Gesamtbild, das völlig unaufgeregt und auf das Filmformat pfeifend seinen Blick einmal durch die Folge einer 70er-Jahre-Telelovela schweifen lässt und dann unbeschwert wieder davontänzelt.
Ein kleiner Scherz, mehr nicht. Und so fühlt sich Space Station 76 auch an, mit all seinen Vor- wie Nachteilen.