Der Große Japaner – Dainipponjin

Der Comedian Hitoshi Matsumoto hat gut 5 Jahre an seinem ersten Film gearbeitet. Der Große Japaner – Dainipponjin ist oberflächlich betrachtet eine Verballhornung japanischer Monsterfilme, sogenannter Tokusatsu-Sendungen, geworden, was bereits in seinen zahlreichen Sendungen sein Markenzeichen war. Wird man mit dem Film konfrontiert, präsentiert er sich schnell als einer der seltsamsten und keineswegs genießbarsten Filme des letzten Jahrzehnts.

Brustwarzen sind wichtig. Ja…

Story

Das Tolle an Regenschirmen ist, sie werden nur groß, wenn man sie braucht. Seegras ist aus ähnlichen Gründen ganz wunderbar. Fahrräder mag er eher weniger. Mit der achtjährigen Tochter läuft es dafür nicht so rund. Sie lebt bei ihrer Mutter, einmal im Monat gehen Masaru Daisato und sie ins Kino. Der schwermütige Tropf, der hier tagein tagaus von einem Kamerateam begleitet wird, ist in seinem Alltag ein ganz normaler Japaner. Zugleich ist er aber auch der Letzte einer langen Reihe von Menschen, die durch direkte Starkstromeinwirkung zu Hünen mutieren, um Japan wann immer es nötig ist vor haushohen Ungeheuern zu beschützen.
Doch brach die Heldenverehrung lange ab. Japan hat die Begeisterung für seinen kühnen Nationalhelden längst verloren und empfindet den Retter eher als Störenfried und Plage. Immerhin ist er ein Beschützer sechster Generation. Nun ist sein Leben armselig, sein Gehalt mickrig, die Einschaltquoten nicht nennenswert.

Kritik

20 Minuten lang sieht man Masaru Daisato atonal, verunsichert, etwas schusselig reden, gefilmt von einer amteuerhaft geführten Handkamera, inteviewt von einem nie zu sehenden Fragensteller, der nicht durchblicken lässt, ob seine Fragen gut überlegt oder unvorbereitet und ahnungslos improvisiert sind. Das Gespräch ist banal, seine Antworten sind laff.
Dann beginnt der erste Kampf gegen ein Ringmonster mit schütterem Haar und Seitenscheitel, das wie ein irre gewordener Wal klingt und wo es nur kann laicht. Vom Design her sind die Monstrositäten äußerst gelungen. Die riesigen Hybriden aus abstrakten Organismen mit menschlichen Gliedern und überproportional großen Köpfen, wie sie auf den Schultern eines jeden Bürgers nicht auffielen, sind zugleich bemitleidenswert und derart unästhetisch und vulgär, dass automatisch Unwohlsein auslösen. Dass die Animationen der Riesen fast schon laienhaft ausfallen, passt dafür erstaunlich gut ins Bild. Die Kämpfe sind bewusst träge, die absurde Bewaffnung unseres Hauptdarstellerhühnen in Form einer kurzen Eisenstange herrlich unangemessen – und seine knappe purpurne Unterhose genauso unangenehm wie jede anderfe Art von Körperlichkeit in Dainipponjin.

Der Humor ist sehr leise, ergibt sich nur aus der absonderlichen Situation und nicht aus direktem Witz. Der Film ist zum Glück diszipliniert genug, nicht albern zu werden und das zerbrechliche Gleichgewicht zwischen lakonischer Tristesse und bizarrer Parallelwelt zu gefährden.
Doch dabei ist es eigentlich nur selten wirklich komisch, mit fortschreitender Laufzeit, in der wir den einsamen, in sich gekehrten Melancholiker begleiten, erhält der Film erst eine Aura der Bedrohlichkeit, die sich im Hintergrund immer spürbarer auftut und wird dann plötzlich einfach nur noch leer und trostlos.

Das Problem des Filmes: Dainipponjin – Der große Japaner setzt sich zusammen aus sehr vielen ruhigen Interviewpassagen, die nur dann und wann von den skurrilen Monstermissionen abgelöst werden. Die einzelnen Geschehnisse sind vom Prinzip her groß, hängen aber in keiner Weise zusammen. Sobald klar ist, dass die Geschichte genaugenommen nur eine lose Kette unzusammenhängender Ereignisse darstellt, ist es schwer, den Film mit großer Aufmerksamkeit weiterzuverfolgen, da die Einzelheiten nicht interessant genug sind und im Kontext des Gesamten keine nennenswerten Verknüpfungen zueinander aufbauen.
Der Mockumentary-Stil entschuldigt in gewissem Maße zwar die sehr lieblos geführte Kamera, ganz vergessen machen kann er sie aber nicht.
Trotzdem lässt sich eine sonderbare Art der Anziehung nicht bestreiten. Es gibt witzige Momente, die davor bewahren, Langeweile entstehen zu lassen. Aber das ist nicht der ausschlaggebende Punkt. Bemerkenswert sind vielmehr die weitaus zahlreicheren Szenen, die höchst irritierend sind, ohne dabei wirklich verstörend zu werken. Sie sind einfach nur seltsam. Und sonst nichts. Irgendwo in der Schnittmenge aus Scham, Mitleid und peinlicher Berührtheit spielt sich der Film ab.
Das klingt eigenartig und das ist eigenartig. Dainipponjin baut eine ungeheuer eigene Atmosphäre auf, die definitiv keinen Spaß macht, aber fraglos was für sich hat und behaupten kann, höchst eigen zu sein.. Ob das genügt, sich auf den Film einzulassen, muss jeder für sich selbst entscheiden.
Die letzten 15 Minute sind dann urplötzlich ein Feuerwerk des Einfallsreichtums, wunderbar absurd, überdreht und spritzig. Dadurch entsteht ein Kontrast zum restlichen Film, der so enorm ist, dass es das Gesamtwerk fast schon rund macht. Doch das soll und kann nicht verheimlichen, dass bis zu diesem Zeitpunkt die Satire nicht saftig genug ist, die Komödie nicht ausreichend witzig, die Tragödie zu zerfahren und nicht zuletzt auch das Spiel von Hitoshi Matsumoto nicht ausdrucksstark genug.

Fazit

Japans Comedian Hitoshi Matsumoto in Personalunion als Regisseur, Autor, Produzent und Hauptdarsteller schafft mit seinem Regiedebut etwas einzigartig Spleeniges, das dennoch nicht zwangsläufig sehenswert ist, da über Dainiponjin bei besten Willen nicht gesagt werden kann, dass er Spaß macht. Die Tokusatsu-Filme werden durch die orientierungslose Dramatik in gewisser Weise zwar treffend aufs Korn genommen, das Bemerkenswerteste an diesem Kuriosum ist aber zweifelsohne seine kaum zu beschreibende Atmosphäre, die sich aus merkwürdig anstößig anmutenden Schlichtheiten selbst gebärt.

Godzilla

Dass Gareth Edwards, der zuvor lediglich den günstigen, aber ungemein erfolgreichen Film Monsters vorzuweisen hatte, zum Regisseur der neusten amerikanischen Godzilla-Verfilmung erhoben wurde, war eine mittelschwere Überraschung. Auf den zweiten Blick aber erschien die Wahl alles andere als abwegig, denn Monsters hatte gewissermaßen all das, was Emmerchs Godzilla aus dem Jahre 1998 fehlte, um kein furchtbar schlechter Film zu sein.

You have no idea what’s coming!

Story

Joe Brody glaubt nicht, dass der Tod seiner Frau während einer Atomkraftwerkkatastrophe durch ein Erdbeben ausgelöst wurde. Er glaubt an etwas Anderes. Etwas Größeres. Fünfzehn Jahre später sucht er wie besessen in Japan nach den Antworten und gerät in Konflikt mit den Behörden.
Was gemeinsam mit seinem entfremdeten Sohn Ford in einem Sperrgebiet findet, übertrifft seine kühnsten Erwartungen. Ein prähistorisches Monster – Muto genannt – erwacht und hinterlässt eine Schneise der Zerstörung.

Kritik

Mit dem Independentfilm Monsters aus dem Jahr 2010 bewies Gareth Edwards, dass er verstanden hat, was einen Monsterfilm – was überhaupt einen Film – ausmacht. Der Film nimmt seine Figuren ernst, räumt ihnen den nötigen Platz ein, macht sie notwendig, lebendig, glaubhaft, leidensfähig und nachvollziehbar. Dieser Regel bleibt er auch in Godzilla treu. Ein Monster ist nur dann zum Fürchten, wenn das Bedrohte es nicht verdient. Die Welt mag den grünen Götterkoloss verdient haben, die Protagonisten des Filmes jedoch nicht. Es sind tragische Wesen, deren Schicksal eng mit dem Ungeheuer verwoben ist. Dies ist phasenweise eine Spur zu dramatisch inszeniert, ist aber fortwährend bewegend. Auch deshalb, weil die Charaktermomente ebenso brillant fotografiert sind wie die große Destruktion und sich klug eingesetzte Point-of-View-Perspektiven durch den ganzen Film ziehen, um das Geschehen drastisch zu intensivieren.
Bis zum Auftritt der Giganten vergeht einiges an Zeit – und bis Godzilla höchstselbst die Bildfläche betritt, dauert es umso länger. Die Zeit davor ist aber kein ungeduldiges Warten, kein sinnloses Hinhalten, sondern Spannungsaufbau par excellence, der genauso hübsch, relevant und unterhaltsam ist, wie der eigentlich zentrale Akt. Das alles ist nicht nur Vorbereiten, sondern Essenz. Nur deswegen sind die folgenden Bilder der Zerstörung auch nicht imponierend, sondern ergreifend, und nur auf diese Weise können Katastrophenszenarien mehr bedienen als die bloße Schaulust.
Wenn es dann aber so weit ist und die Ungetüme ansetzten, die Welt in Schutt zu verwandeln, erwartet einen keine Emmerich-Zerstörung wie in seinen sich zu Tode leiernden Katastrophenschinken, sondern ein durchkomponiertes, durchdacht aufgebautes Zusammenfallen. Godzilla ist wie eine Oper, nur wird nicht gesungen, sondern Dekonstruiert, und das in biblischen Bildern. Unterstrichen wird dies von den wunderschönen Designs der Kreaturen, das, brachial insektoid, unendlich fremd, ehrfurchtgebietend und furchteinflößend zugleich wirkt.
Mit Zunahme der Wuchtigkeit und Erhöhung der Monsterpräsenz rund um den Globus im zweiten Teil des Filmes geht der Fokus zwangsläufig zurück, vergrößert sich und kann nicht mehr dauerhaft auf seinen singulären Figuren verharren. Die Untergangsimpressionen gehören zu dem Besten, was das Kino zu bieten hat. Es wird nie so laut und dynamisch wie bei Pacific Rim, dafür speisen die gezeigten Bilder aber von ihrem eindringlichen Realismusanspruch. Somit bleibt die Intensität erhalten, die Spannung fällt aber etwas ab, weil die Protagonisten sich das Bild plötzlich mit der Geißel der Welt und dem von ihr verursachten Leid teilen müssen. Um sie nicht vollends aus den Augen zu verlieren, kreuzen sich die Wege von Hauptfiguren und prähistorischen Amoktieren öfter, als der Zufall es gestatten würde. Etwas weniger Willkür beziehungsweise raffiniertere Erzählweise wäre wünschenswert gewesen, doch stört dieser Umstand nur auf formaler Ebene, während das Sehvergnügen nur marginal berührt wird.
An einem Godzilla-Film zu bemängeln, er wirke an wenigen Stellen einen Deut zu überdramatisiert und konstruiert, ist fast schon lachhaft. Dass es hier dennoch angebracht ist, beweist nur, mit wieviel Geschick und Eleganz der ikonische Rüpel seinen Thron nach vielen Jahren wieder erklommen hat. Puristen könnten bemängeln, dass Godzilla zu wenig Raum in seinem eigenen Film bekäme. Doch was ist schon zu viel und zu wenig, wenn ein Werk so gut funktioniert wie dieser. Zudem gerade Puristen dank der vielen Anspielungen und Zitate früherer Auftritte des Wüterichs besonders zufriedengestellt sein dürften.
An Roland Emmerichs beinahe geglückten Versuch des Jahres 1998, den Godzilla-Mythos für immer zu Grabe zu tragen, sollte hier wie sonst irgendwo eigentlich nicht erinnert werden. Trotzdem sei hier gesagt, dass ein Godzilla-Film wohl sich wohl kaum besser in die Gegenwart übersetzen lässt, als es hier geschehen ist. Vergessen Emmerich. Vorhang auf für Edwards.

Fazit

Ob nun im stadtgrößten Kinosaal oder der besten Heimkinoanlage des Bekanntenkreises – Godzilla ist groß, das Monstrum wie der Film; und sie wollen groß genossen werden. Senkrechtstarter Edwards formte den unzählige Male wiederverwerteten Godzilla-Stoff zu etwas Ernstem, Düsterem, Frischem, das sich verflucht unverbraucht anfühlt. Dass die Figuren ab der zweiten Hälfte nicht mehr ganz im Fokus gehalten werden können, ist verschmerzbar und wohl kaum zu vermeiden. Das ändert nichts daran, dass mit Godzilla feines Atmosphärekino geschaffen wurde, dem es gelingt, große Zerstörung auf ein neues Level zu heben, ohne dabei nur plump die Quantität hochzuschrauben.