Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel

Nach dem Überraschungs- und Achtungserfolg des ersten Mad Max folgte der bis heute in Sachen Endzeitszenario Maßstäbe setzende Mad Max II – Der Vollstrecker. Das Bindeglied zwischen diesem Kultfilm und dem gigantischen Mad Max: Fury Road ist Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel. Ein Film, der einerseits recht gut in die sich über die Filme entwickelnde Welt passt, andererseits ob seines überdrehten Gestus von vielen in die Zone des Vergessens verdrängt wurde.

But how the world turns. One day, cock of the walk. Next, a feather duster.

Story

Nach einer kurzen Auseinandersetzung mit Schergen der berühmt-berüchtigten Aunty Entity wird Max in die großgewachsene Wüstensiedlung Bartertown gebracht. Die angehende Matriarchin sieht in ihm schnell den richtigen Mann, um die Stadt endgültig unter ihre Kontrolle zu bringen. Denn sie braucht ein menschliches Werkzeug, das in einem Gladiatorenkampf gegen das lästige Duo Master und Blaster erfolgreich absolviert, damit ihrem Machtanspruch nichts mehr im Wege steht.
Die zu erzwingende Auseinandersetzung ist für Max Rockatansky aber erst der Anfang der Abenteuer in und um Bartertown.

Kritik

Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel hat verschiedenartige Stellenwerte inne, weil er so auffällig aus der Filmreihe herausfällt. Damit ist er natürlich nicht alleine, denn der erste Mad Max war natürlich mindestens ein ebensolcher „Ausreißer“, ist der Seriengrundstein doch mehr Drama bzw. tragischer Thriller denn tatsächlicher Endzeitfilm nach der Formel, die Mad Max eben zugeschrieben wird. Die große Auffälligkeit von Jenseits der Donnerkuppel ist aber nicht seine Ästhetik und auch nicht der Plot, sondern sein Tonfall. Bereits im zweiten Teil zeichnete sich eine neue, etwas grobschlächtig-komödiantische Ader ab, die sich primär aus dem Irrsinn einiger Figuren speiste. Die Geschichte um Tina Turners Donnerkuppel ist beileibe kein Schnellschuss, liegen doch immerhin 4 Jahre zwischen ihm und seinem Vorgänger – und somit doppelt so viele als zwischen Teil eins und Teil 2. Trotzdem wirkt alles an dem Film so, als sei es einer.

Erst einmal ist aber die erstaunlich gut gealterte, weil eben zeitlose Ästhetik zu loben. Bartertown ist, „klassisch Mad Max“. Der blanke Wahnsinn, der als Gerippe der Zivilisation übrig blieb, wird eindrucksvoll dargestellt. Die Stadt ist ein halbzivilisatorisches Provisorium, das tatsächlich so aussieht, als wäre diese Siedlung nach und nach durch immer neue Schrottanbauten zu dieser Wüstenmetropole erwachsen. Sie bietet viele architektonische Ideen und beachtenswerte Randdetails und verströmt generell eine wenig einladende, trotzdem aber faszinierende Atmosphäre – wie ein heruntergekommener, etwas unheimlicher Zirkus.
Zirkus ist in vielerlei Hinsicht auch das Stichwort, denn Figurentechnisch ist Mad Max III nun tatsächlich zur Freakshow verkommen. Schrille Körperbilder, aufgeblähte Bäuche, überproportionale Muskelgebilde bestimmen das  – im doppelten Sinne – Menschenbild des Films. Die comichafte Gestaltung macht nicht Halt bei der Architektur, sondern schwappt auch auf die Menschen über. Überzeichnung überall. Auch beim Titelhelden selbst.
Um glaubhaft zu machen, dass 15 Jahre seit den Ereignissen des zweiten Teiles vergangen sind, hat sich Mel Gibson eine wallende Mähne wachsen lassen, mit der er aussieht, als wäre er direkt aus einem Barbarenfilm gefallen. Tatsächlich scheint seine Figur eine passende Wandlung erlebt zu haben – vom Cowboy zum mythischen Barbaren mit clownesken Facetten, denn ein Teil der ursprünglichen Verbissenheit wurde gegen einen zappeligen Schalk im Nacken eingetauscht. Trotzdem scheint die Figur weiterhin Anspruch auf ihren Status als Antiheld zu erheben, bekommt zusätzlich zur neuen, weniger ernsten Seite aber spätestens durch die miterzählte Geschichte über traurige Endzeit-Waisen (später mehr dazu) ein übertrieben weiches Herz, sodass seine Figur gleich mehrfach zerrissen wirkt – und das ausnahmsweise im schlechten Sinne.
Tina Turner als machtversessene Despotin macht sich unterdessen ohne Rücksicht auf irgendwas zum Affen und es ist erstaunlich, dass sie in manchen Szenen tatsächlich so etwas wie Würde zum Ausdruck bringt.

Gerade das große Duell in der titelgebenden Donnerkuppel, bei dem die Kontrahenten  an schlabberigen Gummiseilen hängend durch die Arena springen, kann schwerlich ernstgenommen werden und stellt auch den Höhepunkt der Nähe zum Comic dar – auch wenn es zugleich natürlich eine ganz eigene Dramaturgie besitzt und so eindrucksvoll gefilmt ist, wie man so einen Kindergeburtstag eben filmen kann.
Der Film funktioniert wie eine Oper. Eine schlechte, aber opulente. Der Bombast, die Verschwendungssucht, die bizarren Comic-Reliefs, die durch den mageren Plot tanzen. Die Missgestalteten, Verkümmerten, Hässlichen und Aussätzigen sind Sensation. Fort ist die durch und durch ernste Welt des ersten Teiles und die sich mühsam an der Normalität festklammernde des zweiten Teils. Stattdessen hat man aufgegeben, erinnert sich aber noch an das, was man aufgab (zur Erinnerung: In Mad Max: Fury Road ist dann selbst das vergessen). Die Musik tölpelt vor sich hin, die Figuren quieken, Gesichter entgleisen in völligem Overacting, die Kamera hangelt sich von Actionstation zu Actionstation. Zusammen mit der bisweilen absolut grotesken Musikuntermalung ist es im Komplettpaket völlig überzogenes Theater.
Das große Spektakel  rechtfertigt aber eben nur so halb, dass Mad Max III oftmals ziemlich albern ist und sich in seiner Handlungslogik nicht selten auf das Niveau eines Kinderfilms begibt.

Immerhin: George Miller hat sich nie ausgeruht und das Mad Max-Universum stetig weiter ausgebaut, verändert, mit ihm gespielt und experimentiert. Das Ergebnis von Teil 3 ist dabei das Ergebnis das plumpste, bräsigste. Trotzdem ist dieser Teil rückblickend ein logischer Schritt zwischen zwei und vier.
Es gibt auch vereinzelte Szenen, die auf sehr positive Weise einprägsam sind. Zum Beispiel die Begegnung mit dem friedlichen Volk in der Mitte des Filmes, die auf markante Weise eine bestimmte Geschichte erzählt.
Leider stellt sich der sowieso schon sehr wackelige Film dadurch ein Bein, dass er sich selbst in zwei Teile schlägt, indem er ab der Hälfte vermeintlich endlich eine richtige Richtung einschlägt, damit aber eigentlich die bessere Richtung aufgibt. Und so wirkt der Film ähnlich zerrissen wie seine Hauptfigur.
Diese Zweiteilung ist rückblickend vielleicht das Schlimmste des Filmes, sie macht die gesamte Erzählung undynamisch und lässt sie fahriger wirken. Vielleicht ist sie integriert worden, damit der Film massentauglicher und nicht zu nihilistisch wirkt.

Unabhängig von einzelnen positiven Momenten und der unsterblichen Ästhetik: Man merkt Mad Max–  Jenseits der Donnerkuppel an, dass die Luft einfach raus war. Alles, was überdreht und irre sein mag und auch ist, ist eben auch schrecklich klamaukig und deswegen immer etwas störend. Vom Ernst vergangener Tage keine Spur mehr.
Auch die überlange Verfolgungsjagd des Finales bleibt ohne große Wirkung und  versucht einfach nur, den legendären Schluss des zweiten Teiles zu übertrumpfen, ohne aber je seine Dynamik und Intensität zu erreichen. Letztlich kann nur spekuliert werden, ob die vielen Unsauberkeiten des Filmes der Co-Regie von George Ogilviec geschuldet sind, welcher sich vornehmlich um die Storyszenen kümmerte, während Miller die Spektakelszenen zukamen. Definitiv trägt aber der Umstand Schuld, dass der dritte Mad Max niemals der dritte Mad Max werden sollte, sondern als unabhängige postapokalyptische Herr der Fliegen-Geschichte gedacht war. Mad Max als Protagonist wurde ungelenk hineingeschrieben.

Fazit

Man hat den dritten Teil der Mad MaxSaga in der Regel zwiespältig in Erinnerung. Eine erneute Sichtung bestätigt dies leider. Die Geschichte pendelt von einer spielshowartigen Situation zur nächsten und findet seine Mitte irgendwo zwischen Schlag den Raab, Takeshi’s Castle, Peter Pan, der Ewok-Serie und Herr der Fliegen. Das klingt abenteuerlich, ist in den meisten Momenten aber nur leidlich interessant, wirkt an vielen Stellen zu bemüht und bestätigt letztlich: Es war gut, dass so viele Jahre ins Land ginge, ehe George Miller zum Schlag ausholte, der Mad Max: Fury Road schließlich werden sollte.

Mad Max: Fury Road

Mad Max ist ein Film über einen Polizisten, der nicht nur angesichts des Kollapses der Gesellschaft, sondern auch seines persönlichen Lebens Ohnmacht empfindet. Mad Max – Der Vollstrecker erzählt die Geschichte eines Ritters, der in einer anarchisch geprägten Wüste die Vorstellung für immer etabliert, die wir heute vom Genre ‚Endzeitfilm‘ haben. Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel ist dann ein notwendiger Anhang aus Trash mit Tina Turner.
In Teil 1 war das „Mad“ Ausdruck der Verzweiflung. 36 Jahre später steht es nun endgültig für den in Film gegossenen vollkommenen Wahnsinn.

There’s no going back!

Story

Nach dem Verlust seiner Familie und dem anschließenden Verlust von Regeln und Welt ist aus dem ehemaligen Straßenpolizisten Max Rockatansky ein derangiertes Wrack geworden, das, gemartert von den Bildern der Vergangenheit, nur noch durch rohen Überlebenswillen mit seiner Umwelt interagiert.
Eines Tages entführen ihnen die Anhänger des Diktators Immortan Joe, der mit seinem Wasser-Monopol eine degenerierte Gesellschaft unterjocht und sich als Gottkaiser feiern lässt.
Max soll als mobiler Blutspender dafür sorgen, dass die kränklichen Krieger des Despoten fit bleiben, während sie mit ihren Buggys die Lande unsicher machen. Als Imperator Furiosa sich gegen Immortan Joe stellt und einen Tanklaster mit wichtiger Ladung samt Harem entführt, schließt sich der zerrüttete Straßenkrieger der kleinen unfreiwillig Gruppe an.

Kritik

Erst kam der Krieg dazwischen, dann stieg Mel Gibson aus. Als dann schließlich, nach ewigem Garen in der Hölle der Vorproduktion, die Dreharbeiten gestarteten werden sollten, verwandelten plötzliche Regenfälle Brocken Hill in einen zweiten Garten Eden. Erst 12 Jahre nach der Idee zu einem vierten Mad Max konnte diese 2011 in Namibia als Filmdreh verwirklicht werden. Und, Jesus, es ist ein Biest geworden.

Schon die vorfreudig brodelnde Entführungssequenz, bevor überhaupt die Titeleinblendung ihre Verheißung aussprechen kann, gibt eine Stoßrichtung vor, die so laut, durchchoreographiert, übertaktet und sich ständig aus sich selbst neu herausreißend ist, dass man nicht glauben möchte, dass der Film dies einlösen kann. Was folgt, ist in der Tat keine schlappe Einlösung, sondern ein gnadenloses Auftrumpfen von Mehr, Besser, Tiefer, Heißer.
Beschreiben lässt sich der Film in gewohntem Maße nur beschränkt. Man könnte sagen, er ist ein Tanz, eine Choreographie, bei der ein Höhepunkt den nächsten jagt, die keine Verschnaufpause lässt und mit immer Neuem das überbietet, was den Zuschauer zuvor noch mit offenem Mund und trockenen Augen staunen ließ. Man könnte aber auch sagen, Mad Max: Fury Road ist ein zweistündiges Finale Extravaganza, das unentwegt pulsiert und die Schleusen des Irrsinns weiter geöffnet hat, als es in dieser Form jemals jemand gewagt hat. Mad Max: Fury Road ist laufend am Explodieren und in seiner zelebrierten Verrücktheit grenzenlos kreativ; ein Film, der den Zeitraffer dort einsetzt, wo zur Zeitlupe griffen. Mad Max: Fury Road platzt 120 Minuten lang aus allen Nähten und ist dabei so besessen von Details, dass man beim Betrachten in diesem Sturm des Kinos jedes Gefühl für Zeit verliert. Mad Max: Fury Road ist ein artistisches Ungetüm, das in seinem Treiben völlig schamlos ist und jede gängige Erzählkonvention in seiner Rage ignoriert, ein Spiel mit Tabus, die dann gebrochen werden. Mad Max: Fury Road ist ein Walkürenritt und mit seinen glühenden Bildern und der hämmernden Symbolik das mit Abstand ästhetischste Erlebnis, das man im Kino für lange, lange Zeit haben können wird. Mad Max: Fury Road ist vor allem aber eine wortgetreue Umsetzung jedes einzelnen Wortes seines Titels.
Dass etwas so Unfassbares so unfassbar gut funktioniert, liegt zum einen natürlich an dem ineinandergreifenden Spiel zwischen seinen technischen Vermittlern. Der Film ist ein wahres Wunderwerk des Schnitts und hat ein atemberaubendes Gespür für Aufnahmen jeder Art – Nahaufnahmen wechseln sich mit Panorama Shots ab und münden dann in einer Totalen. Das ist auf der einen Seite eine perfekt getimte Bilddramaturgie, auf der anderen sind alle Einstellungen für sich aber bereits Gemälde, die vor präziser Wuchtigkeit nur so strotzen. Dann wäre da die Musik, die häufig nur kurz, aber absolut treffsicher angespielt wird, ehe sie wieder im Getöse des Hintergrunds verschwindet, sich über den Film hinweg aber immer weiter steigert, und zwischendurch auch nicht davor zurückscheut, in orchestraler Fiebrigkeit aus sämtlichen Boxen zu wummern. Vorhanden ist dieses Zusammenspiel in erster Linie, um das perfektionierte Endzeit-Design in Szene zu setzen, das seit Teil 2 und 3 seine absolute Mitte gefunden hat und selbstsicher das Kunststück meistert, kulturelles Flickwerk, abstoßende Krankhaftigkeit, Westernflair und planlose Improvisation auf einem Zentimeter zu vereinen, was in den wunderlichsten Selbstbauboliden und den abgedrehtesten Charakteren resultiert.
Die Action selbst ist in all ihrer verblüffenden Wahnhaftigkeit zugleich die ehrlichste, bodenständigste, die man in einem Spektakelfilm seit langem gesehen hat. Kaum CGI, so gut wie vollständig von Hand gestaltet. Ein gewaltiger Aufwand, der der Natur des Drehorts wohl auch einiges abverlangt hat, aber dafür auch ein Fest allererster Güte ist, das so ziemlich alles, was es tut, für den Rest der Welt neudefiniert.
Es gibt auch Augenblicke, in denen es der Koloss zu weit treibt. Nicht in der gnadenlosen Action, sondern wenn im letzten Drittel ein absehbarer Twist dazu führt, dass jemand in Platoon-Pose seiner Gram Ausdruck verleiht und ihn sämtliche filmischen Mittel dabei unterstützen. Von solchen Ausrutschern im Schlamm des Pathos gibt es nur sehr wenige und sie ändern nicht viel am Gesamtbild, erwähnt werden müssen sie aber.

Die wenigen Momente, in denen etwas Ruhe einkehrt, köcheln im Vergleich immer noch energischer, als die Finali vieler anderer Filme. Dennoch gelingt es, in ihnen viele Andeutungen über den Zustand der Welt, die Geschichte der Figuren und den Aufbau der Gesellschaft zu vermitteln. Dazu gehört auch das Wesen von Max, dessen Rolle fast überall als zu unterpräsent kritisiert wird. Doch ist gerade die Entscheidung, ihn als zurückhaltendes, innerlich zerfleischtes Tier zu zeigen, bei dem sich die Menschlichkeit verwundet soweit zurückgezogen hat, wie es nur möglich war, eine bemerkenswerte. Der Protagonist ist nicht mehr derselbe wie bei seinen ersten drei Auftritten, sondern deren Resultat. Ohne Glauben, ohne Hoffnung. Ein Sack aus Knochen, dem die Dämonen der Vergangenheit in jeder Zelle sitzen und von dort aus die versteckten Reste seines demontierten Wesens suchen. An einer so ikonischen Figur wie Mad Max die erschreckende Genese von Qual mit solcher Konsequenz aufzuzeigen und ihn damit folgerichtig zu einem Anderen werden zu lassen, ist ein Schritt, der großen Mut gekostet haben muss.
Aber auch sonst ist der Film unter der Oberfläche kein graues Gerippe, wie es den meisten Actionfilmen eigen ist.
Um nicht zu viel vorwegzunehmen, sei nur ein einziges Beispiel aus der oben schon kurz angerissenen Symbolik angerissen, mit der Mad Max: Fury Road unterschwellig spielt. Er hat die Filmreihe nun endgültig zu einer über Flüssigkeiten gemacht. Nach Wasser und Öl sind es nun Blut und Milch als liquide Träger von Hoffnung und Glauben, die als Symbol dafür sorgen, dass so etwas wie Zivilisation zumindest als Potenzial erhalten bleibt. Abhängig ist ihre Qualität nicht von ihrem Vorhandensein, denn das sind sie, sondern vom Umgang mit ihnen. Öl kann verbrennen, Wasser verdunsten, vereisen oder aber sinnlos in der Wüste versickern, Blut gerinnen und Milch, vielleicht die Königin der Flüssigkeiten, verderben – vor allem dann, wenn sie ohne Kühlung in einem Laster durch die Wüste kutschiert wird.

Fazit

Vor ein paar Tagen wurde George Miller 70 Jahre alt. Seinen Oscar erhielt er 2006 für den Animationsfilm Happy Feet. Nun hat er eine Formwerdung des Unfassbaren auf Leinwand gebannt. Mad Max: Fury Road ist eine einzige Choreographie, die in manchen Szenen sogar sehr offen an einen Tanz erinnert. Es ist ein Tanz, der Wahnsinn in bizarrer Formation zum Thema hat und mit seiner unglaublichen Energie, seiner Kreativität und Zügellosigkeit etwas geworden ist, an dem sich fortan alle Actionfilme messen lassen müssen.
Doch Mad Max: Fury Road ist vor allem auch eines: Ein Stück Filmgeschichte, das man sich auf gar keinen Fall im Kino entgehen lassen sollte. Denn dies ist sein angestammter Ort.

 

Mad Max II – Der Vollstrecker

War Mad Max noch ein – gutes – Drama, das die Postapokalypse, in der es spielt, nur andeutete, schuf George Miller mit dem zweiten Teil der Trilogie ein Werk, das ein ganzes Genre definierte und ganz nebenbei auch Kinostandards ins Wanken brachte. Jetzt, da der Trailer zum neusten Teil veröffentlicht wurde, ist es an der Zeit, einen Blick auf diesen Klassiker zu werfen.


Everybody is looking for something.

Story

Drei Jahre sind vergangen, seit Max Rockatansky Frau und Kind verlor. Seitdem rollt er mit seinem Ford Interceptor durch eine Welt, die mehr und mehr auseinanderfällt. Wasser und Benzin sind rarer dennje und das matte, damals schon ungesunde Grün wich ewiger Wüste. Max ist abgeklärter, aber auch gefasster.
Als er einen Tragschrauber inspiziert, wird er von dessen Besitzer überrumpelt, aber Max geht siegreich aus der Auseinandersetzung hervor. Um sein Leben zu retten, bietet der Pilot eine wertvolle Information im Austausch für seine Unversehrtheit an. Wenige Meilen entfernt soll eine zur Trutzburg umfunktionierte Raffinerie große Mengen an Treibstoff lagern.
Die Geschichte stellt sich als wahr heraus, doch befindet sich die kleine Siedlung in einem permanenten Belagerungszustand. Humungus und seine marodierenden Krieger wollen ebenso an das Benzin.

Kritik

Mad Max II – Der Vollstrecker ist ein rundes, ungemein unterhaltsames Stück Film. Das ist die Kritik in aller Kürze und das ist es, was unten im Fazit ein zweites Mal zu lesen sein wird.
Schon das clevere Intro, das aus entkontextualisierten Historienaufnahmen und – gleichwertig als Vergangenheit markiert – Sequenzen des ersten Mad Max verklebt ist, introduziert ohne Umschweife in die Diegese und gibt mit seiner scheinbar schwerelosen (was nicht bedeuten soll ‚unbekümmerten, im Gegenteil) Direktheit den Ton des ganzen Filmes an. Aus diesem Intro setzt sich der Werdegang der Welt und jener des Protagonisten zusammen, um dann direkt in eine Actionsequenz überzugehen, die alles bietet, was Ikonisch an der Mad-Max-Reihe ist. Nämlich aus Restfetzen der Zivilisation zusammengetrümmerte Selbstbauboliden, atemberaubende Verfolgungsjagden mit eben diesen, schrille Figuren mit grellen Irokesenschnitten und sandige Steam-Punk-Stimmung par excellence.
Es ist direkte, aber nie überladene, recht authentische Action, die – genau wie die schrägen Gestalten – von sämtlichen Figuren des Films ebenso wie von der Inszenierung selbst ernst und für voll genommen wird. All das vermag Dean Semler (der danach etwas auf Abwege geraten ist) mit einem angenehm beherrschten Kameraauge zu durchschweifen, angereichert mit gänzlich unverkranften Schnitten, die einen sonderbaren, aber perfekt sitzenden Kontrast zu dem Geschehen ergeben.
Die Action ist die ganze Laufzeit über einfach schlichtweg sehr gut und ganz besonders die perfekt eingebundenen Verfolgungssequenzen sind grandios inszeniert und bis heute einmalig unterhaltsam. Hier kommt auch der Soundtrack voll zur Geltung, der herrlich altmodisch aus den Boxen scheppert und den alles andere als altmodischen Szenen ein sehr spezielles Flair verpasst. Brian Mays (der ebenfalls im Anschluss keine Glanztaten mehr verbuchen konnte) Instrumentalisierung ist fast immer angemessen pompös, trägt in einer ganz bestimmten Szene dann aber doch merklich zu dick auf. In einer so kuriosen, nach außen hin abstrusen, nach innen hin durchgängig stimmigen Welt von „zu dick auftragen“ zu sprechen, ist eine sonderbare Formulierung. Doch genau das macht den Mittelteil der Trilogie aus. War Part 1 noch recht gediegen und klassisch – deswegen aber auch die intensivste Erfahrung von allen dreien – und trieb es Mad Max – Jenseits der Donnerkuppel in allen Belangen zu weit, besetzt Mad Max II die goldene Mitte, in der alle Zutaten perfekt abgemischt und im korrekten Zeitabstand zusammengetragen wurden. Kleine Makel machen sich bemerkbar, können das Gesamtbild aber nicht verschlechtern.
Es tut dem Film auch gut, bei seinem Protagonisten einen Schritt zurückzuweichen und Max zu einem Helden nach klassischerem Vorbild werden zu lassen, fort von dem gebrochenen, von Schmerz halb zersetzten Max, hin zu Mad Max, dem besonnenen, durchaus charismatischen Überhelden, einem Fremden mit solidem Ehrenkodex, der Tragik mit Dynamik ersetzt, aber trotzdem nicht ganz befreit von seiner Vergangenheit ist.
Alle Figuren neben der Hauptperson sind ziemlich einseitig und sämtlich auf eine einzige überspitzte Eigenschaft reduzierbar, doch dafür sind sie zahlreich und das Geschehen ist derart abwechslungsreich, dass man eine tiefere Charakterzeichnung gar nicht zu vermissen beginnt; auch deswegen, weil die komischen Wesen in ihrer Einseitigkeit doch irgendwie für sich und miteinander funktionieren können. Ein formaler Fehler, der in der Praxis nicht mehr als solcher zu erkennen ist.

Zur neuen Wüste kam die Westernausrichtung hinzu, die noch stärker als im ersten Teil zutage tritt. Mad Max II – Der Vollstrecker könnte auch als Town-Tamer-Geschichte im Italowestern-Gewand durchgehen. Fahrzeuge statt Pferde, Benzin statt Gold. Das sind die einzigen Elemente, mit denen das Genre verfremdet wurde. Der australische Outback als Kulisse, wodurch die postapokalyptische Welt nicht selten wie ein ganz anderer Planet wirkt, trägt seinen Teil dazu bei.
Wer zu lange draußen, jenseits der kargen Überbleibsel von Zivilisation, lebt, der wird Wahnsinnig – der endlos erscheinende Strom gieriger, barbarischer Punks und Wrestlern mit ihrem flatternden Blick und ihren wahnwitzigen Konstruktionen aus Rost und Nägeln, beweisen dies. Jene, die in der Stadt ausharren, sind noch halbwegs gefestigt, denn sie haben Strukturen und, wenn nicht eine Heimat, so doch einen Ort, für den es sich zu Kämpfen lohnt.
Bei den archaischen Glücksrittern des Ödlands regiert jener, der am skurrilsten, unberechenbarsten, mitleidslosesten und wunderlichsten ist. Zum Stammesanführer werden eingeölten Gladiatoren, die mit ihren Masken und mit ihren totalitären Neigungen wie besessen in die trockene Weite hineinbrüllen. Es gilt das Vorrecht der imposantesten Aura.
In der Siedlung waltet ein Anführer mit Verstand und einer absurd weißen Erscheinung, der seine Leute koordiniert zu administrieren weiß und sich mit Bedacht der Masse an Feinden zu widersetzen weiß. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Probleme auf ein Maß anschwellen, dem nur Mad Max gewachsen ist.
Während die Verstoßenen sich schon zu weit von der Zivilisation entfernt haben, um in einem zivilisierten System funktionieren zu können, sind Die Städter zu schreckhaft, naiv und regelverliebt, um den Gefahren der Wildnis zu trotzen. Fähig werden sie nur durch einen Helfer, der zu gleichen Teilen Wildnis und Zivilisation ist. Auch hier tritt wieder in aller Deutlichkeit der Western hervor, der eine Aufgabe zu erfüllen hat, zuvor und im Anschluss aber alleine mit der Feststellung bliebt, keiner der Fraktionen angehören zu können und deshalb ewig getrieben durch die Winde pilgern muss, unentwegt auf der Suche nach neuen Aufgaben.
Dass das einzige Kind im Film in der Siedlung lebt, zugleich auch das tierhafteste Wesen im gesamten Film ist, das nur aus purem, empathielosen Instinkt heraus zu handeln scheint, ergänzt dieses Bild um eine ungewöhnliche wie wertvolle Facette. Nicht mehr lange und auch die wenigen Reste der Kultur, die jetzt noch mühsam aneinandergehalten werden, werden vollkommen dekonstruiert und auf ein primitives Grundgerüst runtergebrochen sein.
In Anbetracht dieser Sichtweise hat es eine traurige Ironie, dass Max ein ehemaliger Polizist ist, bevor die Anarchie in ihrer nihilistischsten Form ihm alles entriss, was Wert für ihn besaß.

Fazit

Mad Max II – Der Vollstrecker machte die staubige Postapokalypse erst so richtig salonfähig. Damals wie heute ist der Film ein Highlight des Genres, hat keine einzige Länge und ist trotz seines speziellen Settings fast immer ernst zu nehmen. Mel Gibson verleiht dem gebrochenen Max eine neue, gefestigtere Identität und lässt den wüsten Ausflug des Road Warriors unter Millers Regie zum vielleicht effizientesten Western der 80er werden.
Mad Max II – Der Vollstrecker ist ein rundes, ungemein unterhaltsames Stück Film, ist Abenteuerlust mit ganz viel detailversessener Einfallsreichtum, noch mehr Passion und gesalzen mit einer ordentlichen Prise Irrsinn.