Lexx – The Dark Zone – Staffel 1

An Paul Donovans Anarcho-Serie Lexx – The Dark Zone schieden sich schon immer die Geister. Während den Fans regelmäßig die Superlative ausgehen, wenn sie das Feuerwerk an bizarren Spleens, aufmüpfigen Plots und Anzüglichkeiten zu beschreiben versuchen, schüttelt die Gegenfraktion den Kopf über unreifen Humor, durchwachsenes Schauspiel und wunderliche Charakterzeichnung.
Außer Zweifel dürfte stehen, dass die Gemeinschaftsproduktion aus Kanada, Deutschland und dem Vereinigten Königreich eine der ambitioniertesten Absurditäten ist, seit es Science-Fiction gibt.

Story

Die Prophezeiung besagt, dass nur ein Angehöriger der Brunnen G Seinem Göttlichen Schatten die Stirn bieten kann. In der entscheidenden Schlacht gelingt dem interstellaren Tyrannen jedoch der Vernichtungsschlag. Kai ist der letzte Überlebende der Brunnen G und dient nach seiner Niederlage Seinem Göttlichen Schatten als willen- und erinnerungsloser Assassine.
2008 Jahre später fürchtet der Wachmann vierter Klasse Stanley H. Tweedle um sein Leben. Seine fortgesetzte Unzuverlässigkeit soll mit Organentnahme bestraft werden. Der alternde Feigling entschließt sich zur Flucht.
Zur gleichen Zeit droht auch der beleibten Zev die Maßregelung des Regimes. Aufgrund vernachlässigter Ehepflichten soll sie zur ewig devoten Liebessklavin umfunktioniert werden. Doch die Maßnahme scheitert: Während sie den vorgesehenen Körper erhält, wird das dazu passende Gedankengut in den Roboterschädel 790 eingepflanzt, welcher sich auf der Stelle unsterblich in Zev verliebt. Doch nicht nur der Körper ist neu, die forsche Zev hat seit der Umwandlung auch noch Charakterzüge einer Clusterechse.
Stanley, Zev und der liebeskranke Metallschädel fliehen an Bord der Lexx, ein lebendiges, libellenförmiges Raumschiff und allgewaltige Vernichtungswaffe zugleich. Dort treffen sie auf Kai, der zwar sein Gedächtnis wiedererlangen konnte, aber nur noch wenige Tage existieren kann, wenn sein toter Körper kein neues Protoblut erhält.
Das ungleiche Quartett strandet mit der Lexx in der Dark Zone, das unerforschte Territorium außerhalb der Reichweite Seines Dunklen Schattens. Ohne zu wissen, was sie erwartet, machen sie sich auf die Suche nach einer neuen Heimat.

Kritik

Selbst die Struktur dieser ersten Staffel Lexx ist abnorm. Sie besteht nicht aus knapp vierzigminütigen Folgen, sondern setzt sich aus vier Spielfilmen zusammen. Die ersten beiden Streifen widmen sich vornehmlich der Rahmenhandlung, das Paket in der Mitte wartet mit zwei halbwegs abgeschlossenen Subplots auf.
Part eins sorgt hauptsächlich für die Etablierung der Welt. Dies geschieht in flottem Tempo und dem richtigen Maß an Akribie. Bereits die ersten zehn Minuten bringen zwei große Zeitsprünge mit sich – ohne Rücksicht auf Verluste wird der Zuschauer mit einem Ruck in das verquere Universum von Lexx gerissen.
Anfangs nimmt sich die Serie noch verhältnismäßig ernst und kann sowohl inhaltlich als auch optisch Bemerkenswertes vorweisen. In den besten Momenten wirkt Lexx wie die ketzerische Alptraumversion von Star Wars. Auch das minimalistische Sounddesign weiß mit seiner vorantreibenden Schlichtheit zu gefallen und trägt maßgeblich zur Stimmung bei.
Nach dem temperamentvollen Einstieg gerät der Pilot aber zunehmend ins Stolpern und offenbart frühzeitig all die Makel, an denen auch der Rest der Staffel leidet.
Sämtliche Filme haben mit den gleichen Tempoproblemen zu kämpfen, abseits der im Wesentlichen interessanten Haupthandlung regiert häufig Ideenarmut und die Protagonisten sind mehr hassens- denn liebenswert.
Und dann wäre da auch noch der Humor, auf dessen Kappe quasi alle diese Fehler gehen. Denn Lexx möchte witzig sein. Furchtbar witzig, furchtbar respektlos, furchtbar wild und ausgelassen.
Dass sich eine Science-Fiction-Serie, die von einem insektoiden Kampfpott erzählt, auf dem eine Vielzahl von Gehirnen und ein paar ziemlich abgehalfterte Flüchtlinge sich permanent in die Haare kriegen, nicht ganz für voll nimmt, ist nur recht und billig. Dass Lexx sich aber über weite Strecken nicht eine Sekunde lang ernst nehmen kann und jeden Anflug von Spannung sofort mit billigem Ulk kontert, bricht der Dramatik der Serie schlichtweg das Genick. Nur wer sich darüber amüsieren kann, wie ein schmieriger Egoist Mal um Mal bei einem blauhaarigen Püppchen abblitzt, findet vielleicht seinen Spaß.
Hier wäre weniger Selbstironie ausnahmsweise mal mehr gewesen.
Die per se schon unterdurchschnittlichen Dialoge sind gespickt mit einer Unzahl flacher Witze. Von einer Ausnahme abgesehen, sprudelt aus sämtlichen Protagonisten ohne Unterlasse eine Fontäne schlechten Humors. Besagte Ausnahme ist der Brunnen G-Besserwisser-Zombie Kai, der nicht nur optisch jedes Grufti-Klischee erfüllt, sondern auch ausnahmslos schwermütige Einzeiler zum Besten gibt, während sein Blick melancholisch in die Ferne schweift.
Am ärgerlichsten ist aber, dass die Charaktere ständig das Gleiche sagen und immer wieder dieselben Gespräche führen.
In Conclusio mag man mit kaum einem der kleinen Crew sympathisieren und so ist dem Zuschauer das Schicksal der Hauptfiguren im drastischsten Fall herzlich egal. Und da eben auch die eigentliche Geschichte schnell in den Hintergrund rückt, fehlt es der Serie ganz einfach an interessanten Elementen. Unter den grotesken Albernheiten liegt nur allzu oft die Langeweile.
Für Lichtblicke sorgen in der zweiten und dritten Folge in erster Linie die prominenten Gäste, die mit großer Spielfreude den Trash-Onkel raushängen lassen. Tim Curry als verschrobener Poet und Wächter einer Art Spiegelkabinett sorgt in Folge 2 für Pepp. Der Höhepunkt ist jedoch Rutger Hauer als abgehobener Paste-Guru, der von einer eigenen Hymne begrüßt wird. Gespielt von einer Schrottkapelle. Niemals sonst war Hauer derart plemplem wie in der Rolle des Bog.

Im Laufe des letzten Filmes gewinnt die eigentliche Geschichte wieder an Bedeutung. Mit ihr kehrt auch die notwendige Ration Ernsthaftigkeit zurück. Sobald es groß wird und die schräge Mythologie hinter Lexx in den Vordergrund rückt, wird es durchaus spannend. Leider geschieht das viel zu spät und viel zu selten.
Am Ende überschlagen sich die Wendungen und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Serie all die durch Nutzlosigkeiten verplemperte Zeit im Eiltempo wiedergutmachen möchte.

Wie das meiste, so sind auch die Effekte eine janusköpfige Angelegenheit. Die weiträumigen Planetenoberflächen sind sehr gelungen und überzeugen mit Detailverliebtheit. Sieht man die Lexx hingegen durch die Weiten des Alls schwirren, ist die Optik in aller Regel erbarmungswürdig. Die Kostüme erinnern phasenweise an einen Mittelaltermarkt, wirken aber nie störend.
Generell rangiert man aber auf ordentlichen Niveau. Die dem niedrigen Budget geschuldeten technischen Mängel werden ausgeglichen vom düsteren, konsequent eingehaltenen Gothic-Look, der fernab von poliertem Star Trek, aber auch ganz anders als das organische Farscape ist (für welches Lexx höchstwahrscheinlich in gewissem Maße Pate gestanden haben dürfte). Stattdessen ist der Stil schmutzig-urban gehalten, weist stellenweise leichte Ähnlichkeiten mit Dark City und The Crow auf und punktet mit charmanten Designideen.
Für eine Fernsehproduktion rollen übrigens recht viele Köpfe – die Kamera weidet sich aber nicht daran und belässt es bei kaum expliziter Berichterstattung. Überhaupt geht es in den meisten Fällen nicht sonderlich blutig zu. So haben die Waffen der dunklen Schergen zum Beispiel den Effekt, den Anvisierten einfach in Dampf aufzulösen. In den meisten Fällen, wohlgesagt.
Dies ist auch das Stichwort, um auf die deutsche Fassung von Lexx zu sprechen zu kommen. Neben den vielen, teils schwerwiegenden Szenen-Amputationen muss sich die Serie außerdem mit einer ganz besonderen Synchronisation rumschlagen.
Alles, was im O-Ton lästig ist, wird in der Übersetzung zur wahren Geduldsprobe. Stanley Tweedle, dessen Tollpatschigkeit im Englischen ein ertragbares Level hält, verkommt zum nervtötenden Clown, die eh schon beklagenswert spielende Eva Habermann ist maßlos damit überfordert, sich selbst zu synchronisieren, und prinzipiell ist jeder Satz mit kurioser Überbetonung geschlagen. Dem Fass dem Boden schlägt jedoch die Synchronisation von Lexx selbst aus. Das eigentlich männliche Schiff erfuhr im Deutschen nämlich einfach eine Geschlechtsumwandlung.

Fazit

Lexx – The Dark Zone befindet sich in einer seltsamen Klammer aus Qualität. Die erste Hälfte der ersten und die zweite Hälfte der letzten Folge sind gut. Der Rest versinkt in einem Durcheinander aus heillosem Overacting, infantilem Holzhammerhumor und erzählerischen Längen. Das ergibt in Summe ein Viertel sehenswerte TV-Kost.
Das ist schade, denn die Hintergrundgeschichte hat viel Potential und das von Seltsamkeiten geprägte Trash-Konzept aus Leder, Schatten und Libellen ist grundsätzlich ansprechend. Die wenigen Höhepunkte der ersten Staffel zeigen, dass Potenzial vorhanden ist.
Doch man orakelt, dass bessere Zeiten für diesen Freak unter den Science-Fiction-Serien kommen werden.

Farscape – Staffel 2

Nachdem die 1. Staffel der Ausnahmeserie ziemlich schwach begann und in der Mitte eine qualitative Kehrtwende vollzog, um mit einigen spritzigen wie originellen Einzelgeschichten und einem starken Finale inklusive großem Cliffhanger auszuklingen, durfte man gespannt sein, in welche Richtung sich die Serie nun entwickeln würde.
Und tatsächlich kann das hohe Niveau gehalten werden. Das zweite Viertel von Farscape bleibt so sympathisch und unverbraucht, wie es das Ende von Staffel 1 versprach, bereichert die schräge Mythologie um ein paar mutige Facetten und versteht es, die Emotionen des Zuschauers an den richtigen Stellen gekonnt in Wallung zu versetzen.

Story

Crais’ Entwicklung setzt sich beständig fort. War er anfangs noch der große Schrecken von Moyas Crew, dessen erklärtes Daseinsziel es war, Crichton das Leben auszuhauen, scheint er nun weitestgehend geläutert und von seiner Vergangenheit als Peacekeeper befreit. Der von Wut und Trauer verblende Racheengel beeindruckt mittlerweile mit einer abgeklärten, sehr pragmatischen Weisheit. Trotzdem bleibt das Verhältnis zu den Protagonisten angespannt, da er Moyas Baby Talyn unter seine Kontrolle bringt, um mit ihm einen Neuanfang in kontemplativer Einsamkeit zu wagen.
Fortan wird er hauptsächlich als eine Art hämische Deus ex machina auftreten und den Weg des liebenswerten Leviathans immer wieder kreuzen.
Der wahre Antagonist bleibt Scorpius, der alle Hebel in Bewegung setzt, um an Crichton zu kommen, damit er die tief in seinem Hirn versteckte Wurmlochtechnologie endlich aus seinem Schädel pellen kann. Diese Verfolgungsjagd, die hauptsächlich auf psychischer Eben stattfindet, formt den Hauptplot von Staffel 2 und hat so manche Überraschung in der Hinterhand.
Die Crew, die mit der fahlen Diebin Chiana nun um eine zusätzliche Person bereichert ist und im späteren Verlauf noch weitere Änderungen erfährt, wird durch die gemeinsam bestandenen Abenteuer stetig fester zusammengeschweißt,  muss aber auch die Prioritäten ihrer Mitglieder abwägen und einer Rangfolge unterwerfen. Soll die Verfolgung Talyns intensiviert werden, die Suche nach D’Argos versklavten Sohnemann endlich beginnen oder sich doch ganz auf die Flucht vor Scorpy konzentriert werden?
Dass Chrichton immer unzurechnungsfähiger und von wiederkehrenden Visionen seines ledergesichtigen Erzfeindes geplagt wird, macht  die Dinge nicht unbedingt einfacher.

Kritik

Grundsätzlich wird das Erfolgsrezept weiter genutzt und vorsichtig verfeinert. Die Mischung aus tollen Charaktermomenten, frischem Humor und dem richtigen Schuss Dramatik glückt anstandslos und macht den hauptsächlichen Reiz der Serie aus.
Wirkliche Kritikpunkte müssen mit der Lupe gesucht werden, sind aber vorhanden.

Die gute Eigenschaft, den Zuschauer gleich zu Beginn mitten in die Handlung zu schleudern, wurde beibehalten, nimmt bisweilen aber störende Züge an. Ein Charakter  fehlt zum Beispiel ohne Erklärung mehrere Folgen, um dann deutlich später und ähnlich erklärungsfaul einfach wieder aufzutauchen. Eine Begründung, wie dieses doch recht unstete Reiseverhalten in den unerforschten Gebieten des Alls zu bewerkstelligen ist, bleibt Farscape dem Zuschauer schuldig. Dass es sich hierbei um einen selten coolen Charakter handelt, dürfte mögliche Nörgler aber schnell wieder milde stimmen.
Ferner wird gleich zu Beginn ein Großteil der Dramatik, mit der die erste Season den Betrachter entlassen hatte, als fauler Zauber entlarvt. Durch diese Finte, auf die die Serie nicht zum letzten Mal zurückgreift, fühlt der Zuschauer sich schlimmstenfalls betrogen und vorgeführt.

Die Folgen, die sich ganz dem Fortgang des Hauptplots verschrieben haben, sind über jeden Zweifel erhaben und strotzen nur vor guten Drehbuchmomenten.
Auch den narrativ in sich geschlossenen Episoden wird häufig eine mehr oder minder große Bedeutung für das große Ganze zugestanden. Doch manchmal wirkt dieses Vorgehen etwas bemüht. So zum Beispiel gen Ende, wenn für die alles entscheidende Schlacht Figuren vergangener Abenteuer aus der Versenkung geholt und als widerspenstige Söldner angeheuert werden, die beinahe schon vergessen wurden. Aber auch diese etwas forcierte Kontextuierung geht letztlich mit dem eigentümlichen Charme der Außenseiterserie konform.
Gänzlich abstreiten lässt sich aber nicht, dass bei den kurzen Eskapaden der für sich stehenden Folgen eine gewisse Einfallslosigkeit das Zepter führt, verlaufen diese doch häufig nach recht ähnlichem Muster: Ein paar der hochgeschätzten Besatzungsmitglieder (in der Regel: alle oder nur einer) drehen am Rad, weil irgendein burleskes Weltraumphänomen Schindluder treibt. Und die verbliebene Vernunft hat den Tag zu retten. Dass trotzdem niemals Ermüdungserscheinungen auftreten, liegt an den erwähnten Ingredienzien von Farscape. Den humorigen Eskalationen und den einfallsreichen Variationen ist es zu verdanken, dass dieses Klonkonzept der Serie de facto in keiner Weise schadet. Inzwischen hat jeder Charakter so viel Profil und nicht zuletzt so viel Kredit beim Zuschauer, dass man die Pille lächelnd schluckt. Und obendrein birgt jede einzelne Verwicklung ein enormes komödiantisches Potential – je bizarrer die Probleme, desto heiterer das Resultat. Und da die Protagonisten sich oftmals auch selbst nicht allzu ernst nehmen, lacht man meist mit ihnen, nicht über sie.
Jede Folge hat außerdem dennoch ihre Alleinstellungsmerkmale, trägt einen relevanten Part zur Gesamtgeschichte bei und bringt die Charaktere schrittweise sich selber und dem Zuschauer näher. Genau das unterscheidet Farscape von vielen Serien deren Geburtsstunde vor der LOST-Ära liegt – am Ende einer Folge wird nicht alles zurück in den Ursprungszustand gezwungen. Jedwede Veränderung hat glaubwürdige Nachwehen und die wenigsten Prozesse enden mit der Episode, in der sie ihren Anfang nahmen.

Ein vorläufiger Staffelhöhepunkt findet mit der Folgen-Trilogie kurz nach der Halbzeit statt, die in einem Mix aus purem Aberwitz und selbstreflexiv-ironischem Trash kulminiert, der definitiv seines Gleichen sucht.
Dass Farscape auch anders als abgedreht und hektisch kann, zeigt die Episode „Das Bild in deinem Medaillon“ vorbildlich. Hier schafft es die Kultserie, innerhalb von knapp 10 Minuten die Tragik eines ganzen Lebens zu vermitteln, spricht eine gefühlvolle Liebeserklärung an die Geißel des Alters aus und ist bei all dem in jeder Sekunde entwaffnend aufrichtig. Ein Kunststück, das ansonsten nur Pixars Oben gelingen konnte. Aber auch das eigentliche Finale ist ein Lehrstück in Sachen Dramatik und bietet zudem ungewohnt opulente Schauwerte.

Fazit

Die zweite Staffel bietet von allem mehr. Mehr Aberwitz, mehr Skurrilitäten, mehr Dramatik und mehr Ebenmaß. Reifer ist die Serie geworden und funktioniert mittlerweile in den lauten Augenblicken genauso tadellos wie in stillen Charaktermomenten. Die Figuren, das Herzstück der Serie, werden weiter ausgebaut und wirken in ihrem Verhalten stets authentisch. Einzig Rygel wird im Vergleich zum Rest eher vernachlässigt und entwickelt sich kaum. Dies ist überraschend, weil der Gnom zuvor noch das größte Potential versprach. Doch irgendetwas muss sich Farscape ja auch noch für die nächsten zwei Staffeln aufbewahren.

Farscape – Staffel 1

Ende der 90er stehen Science Fiction-Serien wie Akte X und Babylon 5 in voller Blüte. Sie sind symptomatisch für eine Zeit des Umschwungs, in der die digitale Tricktechnik Tag für Tag potenter wird und man auch mit schmalerem Geldbeutel in der Lage ist, fantastische Elemente glaubhaft darzustellen.
1999 entsteht mit Farscape eine Serie, die diesen Trend ganz bewusst missachtet. Die meisten Ereignisse spielen sich auf engstem Raum in einer beinahe neutral anmutenden Umgebung ab, statt futuristischem Bombast gibt’s zeitlose Schlichtheit und anstelle von aalglatten CGI-Figuren geben sich klassische Puppen die Ehre.

Story

John Chrichton ist ein verhältnismäßig junger und talentierter Astronaut. Während einer Erdumrundung wird sein Shuttle unvermittelt von einem Schwarzen Loch eingesogen und in einem unbekannten Bereich des Universums wieder ausgespuckt. Prompt kollidiert er einem fremden Transporter und zerstört diesen so. Direkt danach verschlägt es ihn an Bord eines seltsam aussehenden Raumschiffes.
Chrichton erfährt im Laufe der Pilotfolge, dass dieses Schiff eigentlich eine biomechanoide Kreatur ist, ein sogenannter Leviathan. An Bord befinden sich außerdem noch der kriegerische Luxaner Ka D’Argo, der Hynerianer Rygel XVI und die delvianische Priesterin Pa’u Zhoto Zhaan. Die Navigation und Kommunikation mit dem weltraumtauglichen Lebewesen übernimmt Pilot, Abkömmling einer Rasse, die nur für diesen einen Zweck existiert. Ein Pilot verwächst auf Lebzeiten mit einem Leviathan, um mit ihm zu existieren und unterzugehen, während er primär als Mittler zwischen Schiff und Crew fungiert.
Diese spezielle Crew hat gerade einen Gefängnisausbruch hinter sich und befindet sich auf der Flucht vor den Peacekeepern. Eine Rasse, die mit eiserner Hand eine intergalaktische Diktatur betreibt.
Wie der Zufall es will, beherbergte der von Chichton unabsichtlich zerstörte Transporter eine hochrangige Führungsperson der Peacekeeper. Drum gerät der verirrte Erdling nicht nur ebenfalls auf die Fahndungsliste der Verfolger, sondern steigt auch automatisch zum persönlichen Erzfeind des Bruders des Verstorbenen auf: Peacekeeper-Captain Bialar Crais.
Kurz nachdem Chrichton mehr oder weniger freiwillig auf Moya Asyl gewährt wurde, stößt während der hektischen Flucht noch die verstoßene Peacekeeperin Aeryn Sun zur Besatzung.

Der wild zusammengewürfelte Trupp muss schnell lernen, als Team zu funktionieren, um den in jeder Beziehung überlegenen Häschern wenigstens vorerst entrinnen zu können. Gemeinsam bereist dieser doch sehr heterogene Haufen die „Unbekannten Territorien“ des Alls, die allerhand Überraschung und Abenteuer bereithalten, aber auch neue Feinde und Verbündete. Jeder der vielen Charaktere  arrangiert sich nur zögernd mit der improvisierten Zweckgemeinschaft, während die Peacekeeper wie ein finsterer Schatten in jedem Winkel zu warten scheinen.

Kritik

Am Anfang ist Farscape ein Ärgernis. Nicht etwa, weil das Gezeigte durchgehend miserabel ist, sondern weil es scheinbar alles daran setzt, nicht geliebt zu werden. Wie ein dummes, stures Kind provoziert die Serie den Zuschauer mit vielen kleinen Unzulänglichkeiten und strapaziert seine Geduld in unmöglichem Ausmaß, gibt sich spröde und sperrig. Für den Einstieg in diese Welt muss man in erster Linie also Geduld und Toleranz mitführen. Und den Glauben daran, dass es sich lohnt, die pubertäre Phase auszusitzen.
Zum Glück purzelt aber immer dann, wenn man gerade die Segel streichen will, ein wenig von dem besonderen Charme hervor, der später leuchtendes Merkmal von Farscape werden soll. Es sind Kleinigkeiten, die den Zuschauer bei der Stange halten: Ein ganz besonders gelungenes Geschöpf, ein paar markige One-Liner oder wirklich unerwartete Wendungen sind es, die aus dem Sumpf der anfänglichen Mediokrität hervorstechen und einen immer wieder dazu veranlassen, der Serie eine weitere letzte Chance zu geben.
Ja, Farscape braucht Zeit, um in die Gänge zu kommen. Doch spätestens ab Episode 10 zeichnet sich ab, dass das australische Filmteam mehr und mehr sein eigenes Tempo findet. Die Geschichten werden kontrastreicher, die Episoden stehen immer seltener nur für sich alleine und auch die Witze, anfangs noch sehr unbeholfen, treffen immer häufiger sicher ins Schwarze. Auch technisch gewinnt die Serie ab diesem Punkt an Anziehungskraft. Stille Aufnahmen des Weltraums betören mit pittoresker Farbgebung, Schnitte und Kamerawinkel werden experimenteller und selbst die Schauspieler scheinen sich mehr und mehr in ihre Rollen einzuleben.
Ab der Mitte erklimmt die Serie dann urplötzlich ein hohes Niveau, das ab dort fast ungebrochen gehalten wird.

Farscape gehört definitiv zum Kauzigsten, was die SciFi-Welt zu bieten hat. Alle Charaktere, deren Statur nicht humanoid ist, sind entweder (leider recht selten) vollständig animatronische Kreationen, deren verblüffende Gestaltung nur erahnen lässt, wie viel Arbeit in ihnen steckt, oder Puppen aus dem Fundus  von Jim Henson’s Creature Shop, den Künstlern hinter den Muppets. Jene Puppen zeichnen sich durch ein so ausgeprägtes Minenspiel aus, dass der Zuschauer nach höchstens 15 Sekunden vergessen hat, dass es sich überhaupt um solche handelt. Rygel und Pilot können mit ihren Puppenkörpern auf eine derart facettenreiche Palette von Emotionen zurückgreifen, dass man sie ohne Mühe als vollwertige Hauptcharaktere akzeptiert. Zudem leisteten die Sprecher, die den beiden ihre charakteristischen Stimmen liehen, hervorragende Arbeit. Wenn z.B. der so gierige wie liebenswerte Rygel, ein krötenartiger grüner Pfropfen mit narzisstischer Grundhaltung und von einem knappen Meter Größe, mit wehleidigem Brummen und unverkennbarer Gesichtsarbeit Reue zeigt, nimmt man ihm diese Gefühlsregung nicht weniger ab als einem Schauspieler aus Fleisch und Blut.
Bemerkenswert ist auch der Umstand, dass jedes Besatzungsmitglied ähnlich viel Raum zur Charakterentwicklung bekommt – dem heimatfernen Menschen wird nur wenig mehr Aufmerksamkeit geschenkt als dem insektoiden Pilot oder gar dem Leviathan selbst. Es sind Charaktere, die eine gewisse Loyalität zueinander pflegen, im Zweifelsfall aber ihre eigenen, durchaus sehr egoistischen Ziele verfolgen. Dass sich schon früh herausstellt, dass jeder einzelne Charakter dieses unsolidarische Potenzial in sich trägt, macht einen Großteil des Reizes aus. So gut die Crew auch zusammen funktionieren mag, strebt doch jeder einem anderen Ziel entgegen. Die Frage ist nur, wie groß die Opfer sind, die die Figuren dafür zu erbringen bereit sind.
Den vielschichtigen und durchweg interessanten Charakteren ist es zu verdanken, dass gerade jene Folgen die intensivsten sind, die überwiegend auf dem Schiff spielen – die beinahe kammerspielartigen Geschichten, die die sich wandelnden Beziehungen zwischen den Besatzungsmitgliedern thematisieren oder deren bewegte Vergangenheiten durchleuchten.
Auffällig ist insbesondere die Wandlung, die Chrichton durchmacht – vom fast schon exemplarischen Helden der Marke „US-Soldat“ reift er zum launenhaften Zyniker heran, durch dessen dünne Oberfläche immer wieder eine verstörende Manie platzt.

Trotz all der schrägen Einfälle, auf denen die Serie fußt, ist man stets darauf bedacht, Glaubwürdigkeit zu wahren. So wird gleich zu Anfang geklärt, wieso die völlig verschiedenen Spezies überhaupt in der Lage sind, problemlos miteinander zu kommunizieren. Und bereits vor Firefly und Battlestar Galactica hat man herkömmliche Schimpfwörter durch Neologismen ersetzt, um die Charaktere im Free-TV nach Lust und Laune fluchen zu lassen.
Auch ist Farscape die Serie der unvermittelten Einstiege. Häufig setzt eine Episode nicht nur direkt am Kernproblem der Folge, sondern gerne auch inmitten eines Gesprächs ein. Nicht selten drückt man auf Play und wird sofort von einem schweißnassen Alien angebrüllt. Trödelei ist wahrlich keines der Laster dieser Serie.
Und abschließend sei noch anzumerken: Keine Folge vergeht, in der Crichton nicht ein paar Anspielungen auf die Film- und Fernsehwelt der 70er und 80er Jahre – seiner eigenen Kindheit – einstreut. Dies verspricht gerade für Cineasten den einen oder anderen goldenen Moment.

Fazit

Die erste Staffel Farscape verlangt vom Zuschauer nicht nur den Mut, sich auf Ungewohntes einzulassen, sondern kann in der ersten Hälfte auch als wahre Geduldsprobe erscheinen. Es sei euch jedoch gesagt: Es lohnt sich. Wirklich.
Hat sich die Serie erst einmal gefangen, ist jede Folge eine Freude – man lacht und leidet und mit der liebenswerten Crew der Moya. Und spätestens wenn in den letzten Folgen ein ganz bestimmter Antagonist die Bildfläche betritt und die Serie in ein intensives Finale mündet, kommt man unmöglich umhin, der 2. Staffel entgegenzufiebern.

Ein Appell am Rande: Schaut’s auf Englisch.
Nicht nur deshalb, weil dem O-Ton grundsätzlich der Vorzug gewährt werden sollte, sondern weil Farscape dieser Erwähnung ganz besonders bedarf. Zum einen fällt die Synchronisation durchwachsen aus und viele gezielt eingesetzte Dialekte gehen verloren, zum anderen haben lediglich die ersten drei Staffeln überhaupt eine Übersetzung ins Deutsche erfahren. Spätestens bei Staffel 4 muss man sich an den englischen Ton halten, wenn man die Serie nicht aufgeben will.