Carriers

Endzeitfilme, deren Schwerpunkt nicht auf marodierende Zombiemeuten liegt und die sich stattdessen an die Ausarbeitung psychologischer Tiefe wagen, sind rares Gut.
Carriers lockt zudem mit Chris Pine, der zuvor durch seine Rolle als neuer Kirk zu Ruhm kam, und versucht mehr zu sein als nur ein Teenie-Horror in postapokalyptischer Jeanshose.


Sometimes choosing life is just choosing a more painful form of death.

Story

Die Menschheit erlag einer Pandemie. Wer sich ansteckt, ist dem Tod geweiht. Die Infizierten werden erst kaum merklich, dann immer unübersehbarer mit Geschwüren bedeckt und sind in hohem Maße ansteckend.
Damit Danny und sein Bruder Brian zusammen mit dessen Partnerin Bobby und der zurückhaltenden Kate sich in dieser widrigen Welt behaupten können, halten sie sich streng an ihre drei eigenen Regeln. Ständige Vorsicht, immer geschützt und die Vermeidung von jedwedem Kontakt mit auch nur potenziell Erkrankten. Auch wenn das bedeutet, egoistischer Kaltherzigkeit der Menschlichkeit gegenüber den Vortritt zu lassen.
Eine starke Dehnung erfahren diese Regeln, als sich die Gruppe entschließt, einen Vater und seine infizierte Tochter in ihrem Auto ins nächste Krankenhaus mitzunehmen.

Kritik

Àlex Pastors Endzeitversion verzichtet auf ausschweifenden Ausblick. Der Fokus liegt klar auf einigen wenigen Einzelschicksalen. Das biologische Drama, das der Erde ihr Gesicht nahm, ist nur Rahmen, nicht Thema. Ein Rahmen allerdings, der nett anzusehen ist.
Zwischen verlassenen Kreuzungen und verwaisten Tiergeschäften, in denen müde die vergessenen Vögel umhertrudeln, findet Carriers einige nette Bilder für den Stimmungstransport. Der Film ist schön und überaus stimmig gefilmt. Alles nicht neu, aber durchaus gefällig.
Selbiges lässt sich auch vom Rest des Filmes behaupten. Das, was erzählt wird, ist genauso wenig innovativ wie die Art und Weise des Erzählens. Es reicht aber, um das Geschehen ziemlich kurzweilig sein zu lassen. Die nicht einmal 90 Minuten vergehen dank der gelungenen Form und der ständig voranschreitenden Handlung wie im Flug. Die Geschichte ist genauso nah an den Personen dran, wie die Kamera.
Die psychologische Komponente, die sowohl bei Road-Movies als auch bei Schilderungen von Extremsituationen unabdingbar ist, kommt genügend zum Tragen, bringt aber ebenso nichts Neues zum Vorschein. Natürlich braucht es das auch nicht zwingend, um einen guten Film zu schaffen, aber es verwehrt den meisten Streifen auch die Ehre, mehr als nur „gut“ zu sein.
Ein wenig ausgefallener fällt da schon die Zeichnung der Protagonisten aus. Die adretten Teens sind, bringt man es wenig galant auf den Punkt, ziemliche Kotzbrocken, die darüber hinaus zu viert so viel denken wie einer alleine. Auch ihre Handlungen lassen das ein oder andere Mal berechtigt vermuten, die Intelligenz der Einzelnen sei geviertelt. Klar, inmitten von Zeiten des durch die Luft ziehenden Todes, der sein Hauptwerk bereits erfolgreich vollbracht hat, ist man nicht fröhlich und gelassen, wenn die Hauptfiguren sich aber unentwegt beleidigen und keiner von ihnen erkennbar sympathische Züge trägt, fällt es nicht sonderlich leicht, sich in sie zu verlieben. Viel zu sehr ähneln sie – auch optisch – den austauschbaren Schönheiten, die in Slashern nicht die ersten 40 Minuten überleben.
Die Tatsache, dass die ganze Vermarktung des Filmes sich auf die drei fundamentalen Überlebensregeln des Grüppchens stützt, unsere Helden aber gleich zu Beginn gegen sie verstoßen, ist daher nicht nur Inkonsequenz im Drehbuchschreiben, sondern spricht auch für die Fähigkeiten der Figuren.
Doch die Mistkerl-Variable bringt natürlich nicht nur Nachteile mit sich. Tatsächlich sorgt sie auch für einen anständigen Kloß im Hals beziehungsweise eine gen Himmel zuckende Augenbraue, wenn man es doch vermag, sich auf sie einzulassen. Denn eines muss man den Arschloch-Protagonisten lassen – sie bleiben ihrem Wesen treu und werden nicht von weichgespülten Plotkompromissen verraten. Stattdessen bemüht sich der Film zum Ende hin um eine Erklärung dafür, dass manche Menschen ganz einfach Mistkerle sind. Arrangiert man sich damit, dass das Drehbuch einem nicht nur durch die Umstände narzisstisch gewordene, sondern per se unangenehme Zeitgenossen als Identifikationsmaterial anbietet, offenbart sich das wahre psychologische Experiment, an dem der Film sich versucht.
Und das ist dann doch irgendwie eine Überraschung.

Fazit

Carriers ist ein straff erzähltes Road-Movie zwischen Seuchenthriller und Familiendrama, das von vorn bis hinten spannend bleibt und damit bestens für einen gelungenen Filmabend geeignet ist. Die fehlenden Sympathieträger sind nicht jedermanns Fall, bringen im Ganzen betrachtet aber die nötige Frische, die Carriers davor retten, in den endlosen Weiten des Genredurchschnitts zu versumpfen.

Quintett

8 Jahre nach dem famosen McCabe & Mrs. Miller, dem einzigen Film, der die Bezeichnung ‚Antiwestern‘ mit Recht trägt, und 6 Jahre nach Der Tod kennt keine Wiederkehr, der besten Chandler-Verfilmung, die es gibt, drehte Robert Altman Quintett, einen heute fast vergessenen Endzeitfilm. Die Kritik erörtert, weshalb der Film dem Vergessen anheimfiel.

Trying to find a meaning where there is none?

Story

Essex kommt aus dem Süden, wo er die letzten lebenden Robben erlegt und verspeist hat. Er ist ein Mann in einer postapokalyptischen Welt, die nur noch aus Eis und Tod besteht. Als er nach über 10 Jahren zusammen mit seiner Begleiterin seine alte Heimatsiedlung betritt, begegnen ihm die Bewohner mit Argwohn.
Kurz nachdem er seinen Bruder ausfindig gemacht hat, wird eine Bombe in dessen Haus gezündet. Sein Bruder, dessen Familie und Essex‘ Begleiterin kommen um. Letztere war die einzige bekannte Frau, die noch schwanger werden konnte. Der Reisende findet eine Liste mit Namen bei den Opfern und stellt Nachforschungen an. Die erwähnten Personen verbindet eine ausgeprägte Leidenschaft zum frenetisch bejubelten Brettspiel Quintett, das der alleinige Lebensinhalt der überlebenden Menschen zu sein scheint.

Kritik

Altman ist dafür bekannt, dass seine Filme Genres dekonstruieren. Sei es der Western, sei es der Film Noir. Immer wieder zerpflückte der Regisseur analytisch die standardisierten Erzählstrukturen, hielt narrativen Konventionen den Spiegel vor und ließ sie so vor sich selbst erschrecken. Man darf, so man Quintett noch nicht kennt, sich also fragen, ob hier vielleicht Science-Fiction im Generellen oder Endzeitszenarien im Speziellen umgegraben werden.

Die Welt des Filmes ist eine betuliche, kalte Welt. Der Film ist ein betulicher, kalter Film. Alles ist grau und weiß, die wenigen dreckbelegten Glühbirnen bringen eine Farbe ins Spiel, die nicht warm und einladend, sondern kränklich und gefährlich wirkt. Die Handlung ist unterlegt mit klirrend frostigen Klängen, die unentwegt im Hintergrund raspeln und das Gehör mit der ein oder anderen fast schon kakophonischen Spitze auf die Probe stellen. Um das Bild liegt permanent ein verengender Raureifeffekt, der große Teile des Gezeigten milchig macht und inständig an sowjetische Märchenfilme erinnert.
Quintett wirkt insgesamt viel älter und inszenatorisch überholter als die zeitlosen Altman-Werke, die vor diesem Film entstanden sind.
Wer stirbt, den holen die Hunde, die in Rudeln offenbar herrenlos um die Häuser streifen und auf frische Kadaver warten. Gesellschaftstiere als Gegenpart einer Gemeinschaft ohne Werte und Zusammenhalt, die sich selbst zerfleischt. Hunde, die in ihrer Geschlossenheit und gegenseitigen Loyalität die größte Bedrohung darstellen für eine Spezies der Vereinzelung, bei der Missgunst und Korruptheit andere Werte aushöhlten.

Das Wort „betulich“ am Anfang des vorigen Absatzes ist mit schwerer Betonung und in der langsamsten Artikulation zu lesen. Denn Quintett schleppt sich mühselig dahin und kommt selbst damit nicht vom Fleck.
Diese Langsamkeit ist nicht zwingend schlecht, zumindest nicht dann, wenn man Zugang findet. Dann ist der Film mit seinem vereisten Tempo fraglos atmosphärisch. Findet man den Zugang nicht, ist er in erster Linie wohl ganz unerträglich zäh. Die Gespräche sind seltsam komponiert, die Handlung seltsam strukturiert und die Figuren mit ihren lächerlichen Hüten und bedeutungsschwangeren Namen seltsam konzipiert. Dreh- und Angelpunkt ist das Brettspiel, das dem Film seinen Namen gibt und dessen Regeln für den Zuschauer wie auch für den Protagonisten undurchschaubar bleiben.
Da schimmert dann doch ein wenig der bekannte Stil des Filmemachers durch: Einen Endzeitfilm zu drehen, dessen Kern ein Gesellschaftsspiel ist, dafür bedarf es schon einen Querdenker wie ihn.
Aber auch dann, wenn man sich mit dem gemächlichen Tempo so sehr anfreunden kann, dass man bereit ist, es der Habenseite des Filmes zuzurechnen, kann man die offensichtlichen Fehler der Regie nicht sämtlich schönreden. Ebensowenig wie die Tatsache, dass die über 2 Stunden erzählte Geschichte eigentlich grässlich mager ist. Zudem die Verwicklungen innerhalb des Figurenkosmos nur leidlich interessanter Natur sind.
Zwar sorgen die hübsche Ausstattung mit den netten Ideen, die die Kultur dieser Gesellschaft charakterisieren, für ein spannendes Szenario, was sich in diesem dann an Filmhandlung abspielt, ist jedoch bestenfalls mit ‚seltsam‘ zu beschreiben. Es werden Handlungsstränge angestoßen, die dann niemals fortgeführt werden (so spielt es nach den ersten Minuten keine Rolle mehr, dass und warum keine Kinder mehr geboren werden können), Gespräche geführt, die nirgends hinführen und eine Spannung behauptet, die schlichtweg nicht existiert. Das alles ist derart kurios, in einem solchen Maße seltsam, dass man die Summe der schwer bekömmlichen und nicht zueinander passen wollenden Versatzstücke, aus denen der Film besteht, nur schwer als Versehen oder Unvermögen abtun kann. Jemand wir Robert Altman muss sich der Tatsache bewusst gewesen sein, was für einen großen Schmu er da produziert.

Man kann es dann auch so sehen, dass Altman hier nicht die Antithese zu einem bestimmten Genre formuliert, sondern gleich das letzte Level betritt und einen Anti-Film im Sinn hatte. Bewegungslos, ohne Fokus, zusammenhangslose Figurenkonstellationen und eine Geschichte, die nicht mal als Alibiplot durchgeht. So gesehen ist das nicht nur eine interessante, gegen den Strich gebürstete Seherfahrung, sondern kann dann sogar verstanden werden als Charakterisierung einer Welt,  die sich schlicht weigert, ihre Probleme anzuerkennen – vom Lösen ganz zu schweigen.
Das ist die Welt von Quintett. Eine Welt, wo es nicht zum guten Ton gehört, Türen zu verriegeln, weshalb es keine Schlüssel gibt, während Nacht für Nacht eingebrochen wird.
Und es geht irgendwie auf. Ein Spiel, dessen Regeln wohl nicht mal Altman kannte, eine Welt aus Nichts, ein Finale, das der Zuschauer nicht bekommt, und ein Ende, das das Ganze noch einmal mit Weiß unterstreicht. Ein törichter Film über eine törichte Welt. Ein experimentelles Kuriosum, das keinen Spaß macht und streckenweise fast schon quälend daherkommt, womöglich deswegen sein Ziel erreicht, jedoch auf keinen Fall Sehvergnügen im herkömmlich gemeinten Sinne bereitet.

Fazit

Selbst wenn man Quintett mit viel gutem Willen als ‚Anti-Film‘ betrachten kann, als welcher er durchaus funktioniert, hat man es schwer mit diesem Machwerk. Die zerfaserte, aus dem Nichts kommende und ins Nichts führende Handlung, die selbst nur eine abgewandelte Form von Nichts ist, vermag nur aufgrund ihrer Absonderlichkeit und des konsequenten Nihilismus zu fesseln. Im herkömmlichen Sinne zu loben sind Ausstattung und kleinere Ideen, während die weiteren Bestandteile im besten Fall Mittelmäßigkeit erreichen.
Selbst mit viel Toleranz, Offenheit und Liebe zum Anderssein lässt sich aus Quintett wohl nur Ratlosigkeit gewinnen. Experiment geglückt, vielleicht.

The Walking Dead – Staffel 1

Nach nunmehr 4 Staffeln und (mindestens) einer weiteren in Produktion, einer – teils aus der Serie entstandenen – Dauer-Euphorie für die Comicgrundlage aus der Feder von Robert Kirkman und Tony Moore, der Ankündigung von Spin-Offs und unentwegt steigenden Zuschauerquoten ist es wohl an der Zeit, The Walking Dead unter die Lupe zu nehmen. Zwar wurde das an vielen tausend anderen Stellen schon getan und so gut wie alles scheint gesagt, doch… das hat ja auch sonst niemanden abgehalten. Und Zombos sind nun mal Science-Fiction.


Do not enter the city. It belongs to the dead now.

Story

Die Welt ist der Zombie-Apokalypse anheimgefallen. Selbst Atlanta, wo Hilfssheriff Rick Grimes und seine Schusswunde ahnungslos in einem Krankenhausbett erwachen, sich über das ganze Chaos wundern und noch halb betäubt und völlig dehydriert in die verwüstete Stadt aufbrechen.
Dort nimmt sich ein fürsorgliches Vater-Sohn-Gespann des verwirrten Gesetzeshüters an und klärt ihn über das Notwendigste auf.
Auf dem Stand der Dinge angekommen, trennt er sich von seinen Helfern, gelobt, via Funk mit ihnen in Kontakt bleiben zu wollen, und macht sich auf den Weg, die eigene Familie ausfindig zu machen. Etwas, das überraschend flott gelingt, campieren Frau und Sohnemann doch zufällig mit einer knappen Handvoll Überlebender am Stadtgürtel, wo man sich in Sicherheit wiegt.
Wieder einmal stellt sich heraus, dass Menschen den Zombies einander gar nicht so unähnlich sind, wenn Gesetze ihre Gültigkeit verlieren und Geltungsdrang, Eifersucht, Angst und Verblendung ohne Puffer aufeinanderprallen.

Kritik

The Walking Dead ist so einiges. Zum Beispiel die Serie, die Kompromisslosigkeit in Sachen Gewaltdarstellung auch im TV legitim machte und genau deswegen so stark in den Medien geechot wurde. So viel spritzenden Hirnbrei und Zergliederung sah man selten zur Primetime im Free TV. Nicht nur mit dem Zombie wird übel umgesprungen, auch jene, die noch Geist im Leib haben, müssen so manche Marter über sich ergehen lassen. Die Geschehnisse hinterlassen definitiv Spuren auf ihren Figuren. Und das ist gut, denn dadurch fällt es leicht, auch mit Charakteren mitzuleiden, denen eigentlich der letzte Schliff fehlt, um als wirklich gut geschrieben durchgehen zu können.
Da es in der Natur des Genres liegt, findet sich auch in The Walking Dead schnell eine Gruppe von unterschiedlichen Menschen zusammen, die miteinander zwar nicht können, aber müssen. Und es liegt ebenfalls in dieser Natur, dass diese Leute zweibeinige Stereotypen sind. Aber ohne geht es einfach nicht. Entscheidend ist, wie aufdringlich diese Stereotypen sind, ob sie mehr als nur Klischee darstellen und vor allem, wie sie einander begegnen. Und da The Walking Dead all diese Fragen erfreulich positiv beantworten kann, darf gesagt werden, dass die Serie kaum etwas falsch macht. Ohne Stereotypen würde das ganze Konzept nicht aufgehen. Zombie-Geschichten sind eine Allegorie und eine solche funktioniert naturgemäß nur mit Repräsentanten.
Dass die Serie diesem Konzept folgt, passt zu ihrem mutigen und gleichzeitig konventionellen Weg: Es wird nicht versucht, der alten Zombie-Mär neue Facetten abzugewinnen, sie besonders innovativ zu erzählen oder gar von Grund auf neu zu erfinden. Stattdessen ist sie im Kern höchst gewöhnlich. Die Stärke ist schlichtweg die pointierte Inszenierung und das Gespür für passende Charaktermomente.
Dass die Science-Fiction-Serie vieles wie andere Genreproduktionen macht, bedeutet insbesondere, dass verstärkt auf des Schicksals Willkür gesetzt wird. Dass Dramatik entsteht, hängt in erster Linie damit zusammen, dass bestimmte Leute zufällig an bestimmten Orten auf weitere bestimmte Leute treffen, denen wiederum bestimmte Dinge passieren. Das alles könnte auch eine Stunde zeitversetzt geschehen und wäre für die Handlung dann kaum noch von Bedeutung; angefangen damit, dass unter der kleinen Schar Überlebender ganze drei Personen sind, die die Hauptfigur schon kennt, wodurch sich selbstredend allerhand tragische Verwicklungen ergeben.
Das ist sinnvoll, denn in 6 Episoden bleibt einfach relativ wenig Raum, der durch eine solche Ökonomie eben entsprechend genutzt werden will. Trotzdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass derartiges passiert, von überschaubarer Größe.

Gleichzeitig ist es diese Raffung, die die Serie wirklich, wirklich gut macht. Die fehlende Eitelkeit, sich über zig Folgen zu schleppen, ohne entsprechend viel zu erzählen zu haben. In 6 Episödchen gibt es lediglich ein Ereignis, das nicht zwingend notwendig ist, weil es mit der Geschichte respektive ihren Figuren selbst nur peripher etwas zu tun hat. Alles andere ist straff erzählter Fortschritt ohne unangenehme Redundanz. Und da verzeiht man auch die ein oder andere überdramatische Szene, wenn man im Gegenzug nie das Gefühl bekommt, die laufenden Toten würden einen unnötig hinhalten.
Auch ansonsten macht US-Produktion– zumindest in dieser Staffel – so einiges richtig gut. Da wären zum Beispiel die sorgfältig gewählten Spielorte, welche mit zerschlissenen, von Rissen durchzogenen Stadtgesichtern, Ansammlungen von Fahrzeugwracks und Müll beherbergenden Straßenzügen gelungen Endzeitstimmung verbreiten. Denkwürdige Schlussbilder wie die finale Einstellung der Pilotfolge runden das Paket ab. Dass jede der sechs Episoden ihre eigenen kleinen Unstimmigkeiten bietet und atmosphärische Darstellung Glaubwürdigkeit gerne mal in die Ecke drängt, macht unterm Strich gar nichts, zumal es sich dabei wirklich nur um Kleinigkeiten handelt

Die Masken der Modernden sind eine Wucht und lassen die hungernden Wiedergänger nicht nur gefährlich, sondern im gleichen Maße mitleiderregend erscheinen. The Walking Dead ist tatsächlich eine Zombie-Serie, die ihre Monster nicht als Schießbudenfiguren vergeudet, sondern als einstige Menschen darstellt, und es dennoch weitestgehend vermeiden kann, in Sentimentalitäten zu rutschen.
Deswegen wurde es wohl auch nachgesehen, dass sie ab und an Magenwände und Blinddärme auf der Kameralinse verteilt. Die Toten sind die Feinde, aber es sind Feinde, die man nicht nur wegen ihrer Gefährlichkeit respektiert, sondern auch, weil immer wieder vor Augen geführt wird, was diese Toten einmal gewesen sind.
Trotzdem muss man sich fragen, ob Zombies, die in erster Linie auf Schall reagieren, dabei aber unentwegt am Stöhnen und Keuchen sind, sich nicht ständig gegenseitig zueinander locken müssten.

Für das Gelingen einer solchen Serie viel wichtiger ist aber die Umsetzung der gruppenpsychologischen Komponente – und auch hier wurden weitestgehend alle Ziele erreicht, während großartige Neuerungen und Überraschungen bewusst ausgespart bleiben. Wie überall heißt es: Bewährtes auf hohem Niveau. Konflikte und unausgesprochenen Streitworte stauen sich an und müssen gewaltsam unter Kontrolle gehalten werden. Das alles für und wegen einer Gruppe, die sich aus Individuen zusammensetzt, welche keine Wahl haben. Entweder diese Gruppe oder keine, entweder Gemeinschaft wider Willen oder drastisch gesunkene Überlebenschancen. All das fällt erst auf, wenn es hervorbricht. Nämlich in Extremsituationen, unter Alkoholeinfluss oder im Akt purer Hilflosigkeit. Das ist es, was die Serie so gut von ihrer Vorlage adaptiert, für bewegte Bilder aufbereitet und dem Zuschauer mit genau der richtigen Intensität darreicht. Vorlagentreue dieser Art ist wertvoller als bloßes Nacherzählen.

Fazit

Staffel 1 der Zombie-Serie bietet das, was der Fan kennt, von seiner besten Seite. Die Figuren als ausgewogene Mitte zwischen Stereotyp und glaubhafter Person, die Situation altbekannt, aber hervorragend wiedergegeben, die Ungeheuer stets hungrig und meist dort lauernd, wo Sicherheit erwartet wird. Eine Zombie-Serie, die kaum Neues, dafür aber auch kaum Überflüssiges bietet und somit niemanden enttäuschen sollte.

Zwei Jahrhunderte nach der Totenwache, 81 Jahre nach White Zombie und trotz Romero, der mittlerweile selbst wie ein Untoter sein eigenes Erbe befleckt, können’s Zombies immer noch. Wir lieben euch, ihr trägen, vielfräßigen Rudeljäger.

Fantasy-Filmfest-Special: The Philosophers

John Huddles letzter und zweiter Film liegt stolze 15 Jahre zurück. The Philosophers ist, wie schon seine ersten beiden Werke, ein Film geworden, bei dem Gespräche eine wichtige Rolle spielen. In diesem Fall ist es die Visualisierung eines Gesprächs – und das ist auch schon das Grundproblem.


And you became happy members oft he post-industrial society.

Story

Mr. Zimit ist Philosophielehrer an einer Schule in Jakarte. Seine 20 Schüler stehen kurz vor dem Abschluss, doch anstatt den letzten Tag traditionell vertrödelnd abzusitzen, stellt der Lehrer eine letzte große Aufgabe.
Ein Gedankenexperiment. Man stelle sich vor, das Ende der Menschheit wird nuklear eingeläutet. Übrig sind die 20 Schüler und vor ihnen ein Bunker. Die Schüler sind sie selbst zuzüglich eines zufällig vergebenen Talents, repräsentiert durch einen Beruf. Der Bunker kann der atomaren Katastrophe inklusive der Folgen lang genug standhalten, fasst aber nur 10 der 20 Schüler. Unter Zeitdruck müssen die Jugendlichen entscheiden, wer Rettung verdient und wer dem Tod überlassen wird. Wiegt das Leben einer Ärztin mehr als das einer Modedesignerin?
Doch wie es die Gruppe auch angeht, das Experiment endet immer mit dem Tod aller und somit auch mit dem Untergang der Menschheit.

Kritik

Mit der praktischen Philosophie ist das so eine Sache. Damit, Philosophie als Lehrfach in einem Film zu thematisieren, ohne die philosophisch Ungebildeten zu vergraulen, ist es ebenfalls so eine Sache. Daher geht der Film auch doppelt auf Nummer sicher. 1. Wird etwas aus der Philosophiegeschichte angesprochen, wird es auf dem simpelsten Weg erläutert und ist für die Handlung trotzdem weitestgehend irrelevant. 2. Philosophisch ist an diesem Philosophieunterricht eigentlich gar nichts. Schuld daran ist, dass The Philosophers seine eigene Prämisse nicht ernst nimmt. Die Strategie des Lehrers ist es, immer klüger zu sein, als seine Schüler, indem er die Dinge mindestens einmal mehr durchdacht hat und ihnen logisch und rational stets einen Schritt voraus ist. Nur machen die Schüler eigentlich gar keine Fehler. Sie scheitern an Dingen, die sich nicht voraussehen lassen. Der schiere Zufall respektive die boshafte Willkür des Lehrers, der in diesem Szenario gleichzeitig Figur und allmächtiges Erzählerweisen ist, macht den Überlebenden einen Strich durch die Weiterleben-Rechnung. Besonders peinlich ist es zudem, wenn der Film sich selbst einige Logikpatzer leistet. Wieso vergehen die Menschen draußen, während Hunde unbeschadet an Leichen kauen? Wieso überhaupt reicht ein lächerliches Jahr, um aus der verseuchten Erde wieder Lebensraum zu machen?
Kneift man zwei bis drei Augen zu, kann The Philosophers aber über weite Strecken gut unterhalten. Ein wenig Humor, eine gesunde Portion Zynismus, Figuren, die psychologisch nicht unbedingt sehr tief sind, aber ihren Zweck erfüllen und ein funktionierender Erzählfluss machen das Geschehen zwar nicht lehrreich, aber immerhin ganz interessant.
In den ersten Zweidritteln scheint der Film auch die richtige Richtung zu halten. Das Scheitern ist unabwendbar, der Mensch immer Opfer einer Schicksalsbosheit oder seiner eigenen moralischen Grenzen. Doch anstatt zum finalen Schlag auszuholen und dem Szenario in Anlauf Nummer drei noch einmal kräftig die Sporen zu geben, wird urplötzlich hektisch zurückgerudert. Was mutig beginnt und mutig hätte enden können, wird zu einem unnötigen Happy End mit Besserwisser-Moral und naiver Message verbogen, das dem Film als Ganzes gehörig an Biss nimmt. Durch das eigentliche Ende der Klassenzimmer-Rahmenhandlung lässt sich die feige anmutende Entscheidung der Macher zwar schlüssig erklären und zu gewissen Teilen relativieren, aber damit würde man es The Philosophers zu einfach machen.
Durchgehend bemerkenswert ist allerdings die Art und Weise, wie das Schüler-Lehrer-Verhältnis dargestellt wird, welches alles andere als konventionell ist und zum Ende hin zum Glück auch nicht zusammen mit dem Rest auf Nummer sicher geht und einlenkt. Zu verdanken ist das unter anderem auch Darsteller James D’Arcy (Cloud Atlas), der die schwierige Figur mit seiner ambivalenten Mimik grandios verkörpert.

Fazit

Nett anzusehen ja, jedoch bei weitem nicht so clever, wie man gerne wäre. Zufall statt Logik und Zahmheit statt Konsequenz verhindern, dass der Film nicht nur seichte Unterhaltung, sondern ein spannendes Lehrstück wird. Dennoch ist das Werk allein wegen des ungewöhnlichen Konzepts einen Blick wert. Und es muss ja schließlich nicht alles klug sein, solange es ein wenig Freude bereitet.

Ja man kann sagen, fast überall, wo es Glück gibt, gibt es Freude am Unsinn. Und mit einem solchen Nietzsche würden der Herr Lehrer, die Schüler und der Rezensent wohl irgendwie alle zu einem Konsens gelangen.

Fantasy-Filmfest-Special: The Desert

Noch ein Regiedebut auf dem Fantasy Filmfest: Christoph Behls postapokalyptischer Zombiefilm The Desert hat keine postapokalyptischen Markenzeichen, quasi keine Zombies und erst recht keine Wüste. Dafür aber eine intensiv gespielte Dreiecksbeziehung in auswegloser Situation und jede Menge Fliegen.


Pythagoras

Story

Ana, Jonathan und Axel sind in einem Haus irgendwo in Argentinien gefangen. Draußen marodieren Zombiehorden, während das Trio in der Wohnung täglich daran scheitert, die Zeit totzuschlagen. Es wird getrunken, geschlafen und sich gegen die allgegenwärtigen Fliegen zur Wehr gesetzt. Dass beide Männer auf ihre Weise Ana lieben, sie aber nur mit Jonathan zusammen ist, sorgt in der vertrackten Konstellation nicht gerade für Entspannung. Axel beginnt damit, sich kleine schwarze Punkte auf den ganzen Körper zu tätowieren – wenn das Werk vollendet ist, so sagt er, sei es für ihn an der Zeit, zu gehen.
Um eventuellem Ärger Luft zu machen und die Situation zu entspannen, kommt man auf die Idee, sich selbst auf Video aufzunehmen und der Kamera alle Sorgen anzuvertrauen. Die alten Videobänder der ehemaligen Hausbesitzer erhalten so eine Tagebuchfunktion für die strapazierten Drei. Jedes Tape wird in einer verschlossenen Truhe mit Schlitz gelagert, damit niemand die privaten Geständnisse zu sehen bekommt. Nur dass sich Axel nicht an die Abmachung hält und sich jeden Tag die entblößenden Aufzeichnungen von Ana ansieht.

Kritik

Die Geschichte beginnt mit einem Schuss auf einen Zombie und führt damit gehörig in die Irre. The Desert ist ein Zombiefilm fast ohne Zombies und ganz ohne Action. Der ausgeschaltete Untote in Szene 1 ist für knapp drei Sekunden im Bild und für lange Zeit der letzte Wiedergänger, den die Zuschauer serviert bekommen. Das nächste Exemplar trägt einen Maulkorb und ist zwar etwas häufiger zu sehen, kriegt insgesamt aber auch keine zwei Minuten Screentime und erst recht keine direkte Handlungsrelevanz. Die wenigen Male, in denen die Protagonisten auf Zombies anlegen, sieht man nur sie und ihre Waffe, nicht aber das anvisierte Ziel. Direkte Bedrohung geht von den Wiedergängern nicht aus. Wenn man sie wahrnimmt, dann höchstens als weit entfernten Grunzlaut.
Was stattdessen in blutdurstigen Horden auftritt, das sind Fliegen. In jeder Szene sind die hartnäckigen Plagegeister zugegen und wenn sie nicht im Bild auftauchen, dann gewiss als penetrantes Gesumme auf der Tonspur. Der ärgste Feind wartet nicht draußen außerhalb der verbarrikadierten Wohnungstür. Der ärgste Feind ist der Mensch sich selbst. Das vom Schicksal zusammengeschweißte Trio hockt tatenlos abwartend in der Wohnung, leidet an der völlig desaströsen Gruppendynamik, trinkt Wein und hasst. Zwei Männer und eine Frau. Sie ist liiert mit einem der beiden. Der Dritte muss dem Liebesglück stumm zusehen und daran leiden. Jeder Kuss, jeder Geschlechtsakt und jedes gewechselte Wort findet zwangsläufig im selben Haus statt. Miteinander garen, einander ertragen. Und letzteres fällt mit jedem Tag schwerer.

Ist das spannend? In gewisser Weise ja. Die angedeuteten Abgründe der Figuren sind flirrend eingefangen. Die Einstellungen dauern lange, die Kamera ist unangenehm nah an den Personen und raubt dem Menschen das Schöne. So wird aus dem Zuschauer unfreiwillig ein ungesehener Voyeur, der sich genau wie die Figuren nicht der erzwungenen Nähe widersetzen kann. Privatsphäre erfährt eine Verwandlung. So transportiert der Film geschickt das ständige Unwohlsein seiner Figuren in den Betrachter hinein und bringt die dritte Wand ganz subtil zum Bröckeln. Mit jedem Tag breiten sich Misstrauen und Abhängigkeit gleichermaßen weiter aus. Jeder neue Punkt auf Axels Körper symbolisiert die Unausweichlichkeit der Eskalation.

Fazit

The Desert ist ein Psychothriller, bei dem die Zombieplage noch weitaus mehr nur als Symbol dient, als sie es schon in anderen Filmen tut. Für die direkte Handlung ist die zombiehaltige Postapokalypse nur Behauptung und Grund dafür, dass das Haus nicht verlassen werden kann. Ein nihilistisches Kammerspiel darüber, wie unerträglich Nähe und wie parasitär hoffnungslose Liebe sein kann. Langsam und schwer zu ertragen.

Perfect Sense

Die Werke, auf die David Mackenzie zurückblicken kann, sind Filme wie Young Adam und der schauderhafte Toy Boy mit dem schauderhaften Ashton Kutcher. Mehr oder weniger leichte, seichte Filme, die sich um das Thema Liebe drehen.
Da verwundert es, dass Mackenzies Film aus dem Jahre 2011 ausgerechnet ein Sci-Fi-Drama ist.
Doch wenn man das Werk etwas genauer betrachtet, liegen thematisch zwischen Perfect Sense und den anderen Arbeiten des Engländers gar keine so großen Distanzen.

Eyes closed, oblivious to the world around them.

Story

In der nahen Zukunft bricht eine Krankheit aus.
Sie ist offenbar nicht ansteckend, verbreitet sich aber rasend. Ohne erkennbares System, doch unaufhaltsam und global.
Und während man noch rätselt, ob Umwelteinflüsse, Wasserveränderung, UFO-Invasionen, Terrorangriffe oder Gott der Auslöser für die Miesere ungeahnten Ausmaßes ist, verliert die Menschheit nach und nach den Sinn. Wortwörtlich.
Erst ein heftiger emotionaler Zusammenbruch und wenig später kann man nicht mehr riechen. Nachdem die Nase ihren Dienst eingestellt hat, folgen die weiteren Sinne. Immer in gleicher Reihenfolge, immer in epidemischen Wellen.
In dieser Zeit finden der begnadete Koch Michael und die Medizinerin Susan zueinander. Und obwohl sie beide nicht an Liebe glauben, verlieben sie sich doch, wenn auch voll Misstrauen und Zweifel.
Während die Sinne nach und nach abhandenkommen und die Weltordnung ruppig aus den Fugen gehoben wird, wird die fragile Bindung zwischen den beiden immer stärker belastet.

 Kritik

David Mackenzies Sci-Fi-Mär über eine Welt wie von Sinnen ist ein gelungener Film, der in erster Linie – und damit vielleicht ja sogar etwas selbstreflexiv – die Sinne reizt. Denn Perfect Sense ist handwerklich ungemein ausgereift.
Allem voran ist die herausragende Kameraarbeit zu loben, die so unaufdringlich wie ununterbrochen wunderschöne Ausschnitte– häufig auf Hüfthöhe der Personen – liefert, sie in kühlen blauen Farben präsentiert und damit eine ganz eigene Bildpoesie entwickelt.
Dazu kommen mit Ewan McGregor, Eva Green und weiteren hochkarätige Schauspieler, die durchdachte, vor allem aber sehr authentische Dialoge zum Besten geben dürfen.
Und wie das Handwerk ist, so ist auch die Atmosphäre: Kühl, wohl komponiert und ein wenig poetisch.

Manchmal meint der Film es aber auch etwas zu gut und kommt der Grenze zur übermäßigen Sentimentalität gefährlich nahe. Aber das nur, wenn man nicht bereit ist, diesen Schritt mitzugehen. Ob man sich von der hohen Emotionalität überreden lässt oder nicht, davon hängt es ab, ob Perfect Sense funktioniert oder verärgert.
Wimmernde Menschen, unterlegt von einer melodramatischen Frauenstimme und traurigen klassischen Stücken sind ohne Frage in höchstem Grade manipulativ, aber richtig eingesetzt eben auch ungeheuer effektiv. So wie in Perfect Sense, wenn man dem Film die Führung überlässt.

Von seltener Intensität sind die Szenen, in denen gezeigt wird, wie die Menschheit ihre Empfindlichkeit gegenüber der Natur einbüßt. Ganz besonders die Ausbrüche vor dem Verlust eines Sinnes sind perfekt eingefangen und ergreifend in Szene gesetzt. Das liegt auch daran, dass man den Zuschauer erahnen lässt, wie sich die völlige Hilf- und Schutzlosigkeit der noch nicht Betroffenen anfühlen muss, denen nichts bleibt, als einfach nur darauf zu warten, dass auch sie das Syndrom erfasst.
Fantastisch ist auch die Idee, zu zeigen, wie in der Restaurantküche reagiert wird, nachdem alle ihren Geruchssinn verloren haben. Schade, dass auf die Kompensationsmöglichkeiten bei den weiteren Phasen nicht ebenso ausführlich eingegangen wird, aber womöglich hätte der Effekt sich auch abgenutzt. Ebenfalls schön ist, dass glaubhaft vermittelt wird, wie eminent wichtig die Sinne für unser Erinnerungsvermögen – und damit letztlich für unsere Identität sind. An diese Eindrücke geknüpft sind Erinnerungen jeder Couleur, die durch Affizierung der Sinne, durch bestimmte Gerüche oder Geschmäcker wieder reaktiviert und vergegenwärtigt werden. Auch sie verblassen mit den Düften und Geräuschen der Welt.
Die ganze darin enthaltene Tragik wird offen gezeigt, aber selten zu überzogen dargestellt.
Dass die Protagonisten in einer möglichst dramatischen Reihenfolge erkranken, ist keineswegs logisch, da ja aber sowieso die ganze Sache eine Allegorie ist, muss es das auch nicht zwingend sein.

Was oben bereits angesprochen wurde, verdichtet sich zum Ende hin immer mehr. Man muss sich immer stärker auf den Film einlasen. Wer der besonderen Stimmung nicht folgen kann oder will, wird den erzählerischen roten Faden schnell sehr vermissen. Die Geschichte rückt mit jedem verlorenen Sinn nämlich weiter in den Hintergrund und wird von Impressionen, essayistischen Gedankenmonologen und, um das Kind beim Namen zu nennen, viel, viel Pathos abgelöst. Wer der nicht ganz rutschfesten Einladung folgt, Liebe und Lebensfreude als Essenz von allem zu huldigen, dem ist ein gewisser Unmut oder das ein oder andere, immerhin sehende, verdrehte Auge keineswegs übelzunehmen.
Geschmackssache ist ebenfalls der etwas offene Schluss, denn ein letzter Sinn bleibt – vorerst? – erhalten, damit die Botschaft der Geschichte mit Überzeugung zum Ende gebracht werden kann.

Fazit

Liebe in Zeiten des Außergewöhnlichen ist ein beliebtes, grundsätzlich funktionierendes Sujet. Und die Idee des Außergewöhnlichen in Perfect Sense ist wahrlich außergewöhnlich.
Im Anschluss an den sehr ausgewogenen, spannend erzählten ersten Teil folgt ein Rest, der einen mutigen, speziellen, aber auch nicht für jeden gemachten Weg einschlägt, der zu einem ehrlich vorgetragenen Optimismus im Angesicht des Schlimmsten führt.
Obwohl sich der Liebesfilm im Science-Fiction-Szenario dann und wann zu sehr in Sentimentalitäten verrennt, lohnt sich das Gesamtpaket aber – wenn auch nicht für jeden.

Endlich kann man aber mal guten Gewissens sagen: Wem der Trailer gefällt, dem dürfte auch der Film zusagen.

Priest

Scott Charles Stewart hat sich einige Jahre um visuelle Effekte, die während der Postproduktion eingefügt werden, gekümmert. Er hatte seine Finger unter anderem bei Mars Attacks!, Sin City, dem Final Cut von Blade Runner, Vergessene Welt: Jurassic Park, Iron Man und The Host im Spiel. 2009 gab er mit dem desaströsen Legion sein Langfilmdebut. Zwei Jahre später folgte, ebenfalls mit  Paul Bettany in der Hauptrolle, Priest, der sich vage auf die gleichnamige koreanische Comicserie bezieht, aber stark von Geschichte und Szenario abweicht, um es schlechter zu machen als die Vorlage.


I have questions and doubts.

Story

Den Priestern hat es die Menschheit zu verdanken, dass die dunkle Vampirbrut eingedämmt werden konnte. Die katholische Kirche hat diese Kriegerkaste ins Leben berufen und die Anwärter zu reinen Vampirjägern abgerichtet. Jetzt, da der Jahrhunderte andauernde Krieg zwischen den Spezies beendet ist und die Vampire nahezu ausgerottet und ihre jämmerlichen Überbleibsel in Reservaten zusammengekehrt wurden, gibt es keine Verwendung mehr für die klerikalen Van Helsings. Sie geraten in Vergessenheit, werden verleugnet und erfüllen niedere Aufgaben in den abgeschotteten Metropolen, in welche sich die Menschen zurückgezogen haben.
Eines Tages wird die Hauptperson, die wie seinesgleichen schlicht „Priester“ heißt, darüber informiert, dass Vampire über die im Außengebiet liegende Behausung seines Bruders hergefallen sind.
Obwohl die Kirche ihm eindeutig verbietet, die Jagd wieder aufzunehmen, und die Existenz frei marodierender Blutsauger rigoros abstreitet, begibt sich der Priester auf die Suche den Ungeheuern.
Und natürlich wird er fündig.

Kritik

Nach einer gänzlich nutzlosen ersten Szene startet der eigentliche Prolog und zeigt in stilvollen Zeichentrickbildern, was die Welt war, was aus ihr wurde und was sie nun ist. Priest ist nicht nur ein endzeitlicher Science-Fiction-Film, sondern spielt in einer gänzlich anderen Realität, in der die Existenz von Vampiren schon immer normal war.
Die Welt von Priest ist schön konzipiert und wird in teils imposanten Bildern vorgestellt. Das Land vor den Siedlungen ist eine leere und grenzenlose Einöde, die ganz aus Sand besteht. Selbst große Metropolen wirken inmitten der alles verschlingenden Wüste nichtig und unbedeutend. Die Städte sind ein Geflecht aus schmutzigen Ecken und wer sündigt, begibt sich in einen Beichtstuhl, der ähnlich einladend wirkt wie die Exemplare in THX 1138.
In der kahlen Leere jenseits der Städte ragen gewaltige Statuen empor, die zeigen, was die Menschen aufgaben, indem sie von Zeiten zeugen, an die sich niemand mehr erinnern kann. Abgebrochene Reste einstiger Wolkenkratzer sind das einzige, was daran erinnert, wie die Menschen einst gelebt haben.
Die Welt wirkt spannend und stimmig. Die Idee, Kampfpriester in eine theokratische Steampunkwelt zu stecken und gegen grässliche Halsknabberer kämpfen zu lassen, ist so trashig wie superb.
Nur leider nützt die schönste Bühne nicht, wenn Figuren und Geschichte zum Verzweifeln sind und dem tollen Szenario nicht mal im Ansatz gerecht werden.

Jede Figur ist ein wandelnder Stereotyp, jeder spukt große Töne und Gut und Böse sind von vornherein klar definiert. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Priest gar nicht so sehr von der Kirche, die im Film so schlecht wegkommt. Die Schauspieler machen ihre Sache eher mittelprächtig, werden ihren Abziehbilder-Figuren dabei aber gerecht. Paul Bettany, der den Priester im Zentrum spielt, leistet allerdings gute Arbeit und setzt sich von den typischen mystifizierten, eiskalten und zugleich lässigen Antihelden ein wenig ab. Sein Blick ist stets mehr kritisch als abgebrüht und manchmal scheint tatsächlich so etwas wie Priesterlichkeit durch.
Nur nützt das alles herzlich wenig, wenn jedes gesprochene Wort das nette Spiel sofort zunichtemacht.
Es  wundert kaum, dass die Figuren genau die Fehler machen, die man laut Klischee in einem Horrorfilm erwartet: Sich in Gefahrensituationen trennen, bei unheilvollem Lärm ans Fenster watscheln und die alles entscheidenden Pläne nicht im Vorhinein, sondern erst mitten in der Hektik ihrer Ausführung erläutern.
Natürlich: Einfach gestrickte Charaktere sind nicht zwangsläufig schlimm, wenn der Rest stimmig ist.

Viel schwerwiegender ist, dass es eigentlich gar keine Geschichte zu erzählen gibt. Zwei Kämpfer suchen ein Mädchen, das von Vampiren verschleppt wurde. Am Ende treffen sie den Oberbösewicht. Das war’s und der Abspann läuft. Man fühlt sich ein wenig so, als fiele nach dem ersten Akt eines Theaterstückes einfach der Vorhang. Der Science-Fiction-Film ist klar daraufhin ausgerichtet, Fortsetzungen nach sich zu ziehen. Der Film tischt in 87 Minuten das auf, was andere Filme in 20 Minuten verspeisen.
Dass als Lösung für alle Probleme der Priest-Welt simpler Sprengstoff genügt, steht stellvertretend für den Einfallsreichtum dieses Endzeitstreifens.
Natürlich: Selbst dann, wenn man sich bei Charakteren und Geschichte keine Mühe gibt, kann dank des coolen Szenarios noch ein brauchbarer Film herauskommen, solange die Action stimmt.

Doch auch die Konfrontationen mit den postapokalyptischen Spitzzähnen, die als hässliche Bestien mit unappetitlichem Glanz dargestellt werden und wie ein kleine Brüder von Spider-mans Venom wirken, sind kaum der Rede wert. Trotz zahlreicher Zeitlupen und einiger hilfreicher Gadgets, die der Priester aus seiner Kutte hervorzaubert, verlaufen die Kämpfe genauso uninspiriert und höhepunktlos ab wie der Rest des Filmes.

War The Book of Eli noch ärgerlich mit seiner sehr affirmativ christlichen Botschaft, ärgert Priest, weil die Kirche in ein so einseitig schlechtes Licht getaucht wird. Sie ist eine drakonische, durch und durch mittelalterliche Institution der Unterdrückung, die jeden Unsinn absegnet, solange er einem höheren Zweck dient. Eine solche Darstellung mag vor vielen Jahrzehnten noch aufregend und schockierend gewesen sein, in einem Werk des Jahres 2011 ist sie lediglich plump.
Plump ist nur folgerichtig auch die kirchliche Symbolik, wenn im Bildzentrum große Kreuze in ihre Einzelteile zerfallen.
Aber Dezenz ist in Priest eh nicht zu erwarten. Stattdessen wird jedes noch so offensichtliche Detail entweder deutlich buchstabiert oder aufdringlich mit Nahaufnahmen bedacht.

Fazit

Originell ist das adaptierte Szenario, abgeschmackt der ganze Rest. Flache Figuren, müde Kämpfe und eine schematische und eigentlich nonexistente Geschichte, die frei von Selbstironie erzählt wird. Das einzig interessante an Priest ist die Frage, was Paul Bettany, der früher selbst gläubiger Katholik war, dazu bewegte, in einem weiteren Film von Scott Stewart mitzuwirken.

Wer ein postapokalyptisches, in sich stimmiges und lange nachwirkendes Vampirmärchen sucht, der erweise sich selbst einen Gefallen und schaue stattdessen Stake Land.

End of Animal

Ein ziemlich junger Kerl ist Sung-Hee Jo, als er 2010 seinen Debütfilm End of Animal dreht. Zuvor hat er nur einmal kurz mit seinem 43-Minüter Don’t Step Out of the House eine Prise Cannes-Luft geschnuppert.
In seinem Langfilm ist von Unerfahrenheit jedoch keine Spur. Die Vita des südkoreanischen Regisseurs beginnt mit etwas Großem, das an Eigenständigkeit, Zielstrebigkeit und jugendlichem Ernst George Lucas‘ Startschuss THX 1138 eigentlich in nichts nachsteht. Und wie der große Amerikaner, hielt auch Sung-Hee Jo bei seiner ersten Produktion nahezu alle Fäden in eigener Hand.

275 Sekunden sind noch übrig.

Story

Sun-young sitzt auf der Rückbank eines Taxis. Sie ist jung, hochschwanger und fährt geradewegs in ein neues Leben. Kurz macht der Fahrer Halt und lässt einen weiteren Gast zusteigen. Eigentlich ist jetzt schon nichts mehr, wie es vorher war.
Der Neueinsteiger ist ein junger Mann, der alles über Sun-young und den Taxifahrer zu wissen scheint. Nebenbei lässt er die privatesten Details der beiden in seinen Monolog einfließen. Ganz beiläufig zählt er einen Countdown runter. Mit väterlicher Fürsorge bittet er unsere Protagonistin, vorsichtig zu sein und gibt ihr ein paar gutgemeinte Ratschläge mit auf den Weg, der bald vor ihr liegen wird. Als der Countdown endet, versinkt die Welt in grellem Weiß.
Später, irgendwann später erwacht Sun-young auf der Rückbank des Taxis. Sie ist hungrig, ihr Ungeborenes ist hungrig und sie ist alleine. Der Taxifahrer hat eine Nachricht hinterlassen. Er sei bald wieder da, hole nur kurz Hilfe bei einer nahegelegenen Raststätte. Sun-young solle sich am besten nicht vom Fleck rühren und auf ihn warten.
Doch sie rührt sich vom Fleck. Die Umstände treiben sie davon. Elektrische Geräte funktionieren nicht mehr, die meisten Menschen sind spurlos verschwunden und Nachts grollt ein markerschütterndes Knurren durch die öde Landschaft. Sun-young begibt sich auf eine postapokalyptische Odyssee durch eine Welt, in der nichts mehr rational ist. Nicht die Menschen, nicht ihre Gespräche, ja nicht einmal die Welt selber.
Eigentlich will sie einfach nur die fünf Fahradminuten entfernt liegende Raststätte aufsuchen. Doch jede Person, der sie begegnet, bringt eine schwere Prüfung mit sich und führt sie in die Irre.

Kritik

Endzeit ist ein dankbares Sujet. Meist wird nach irgendeinem dicken Knall, Ruck oder Schwapp einfach der Resetknopf für die ganze Welt gedrückt. Ressourcen weg, Zivilisation Weg, Gesetz weg, Moral weg, alles weg. Und das, was von der Welt noch steht, lässt sich beliebig ans gewünschte Drehbuchergebnis anpassen. Besonders beliebt sind westernartige Szenarien mit Selbstbau-Boliden, Steampunk-Anleihen und einem harmlosen Schuss Anarchie. Grundsätzlich ist das Angebot bunt durchmischt – die Spannbreite reicht von typisch anmutenden Variationen à la Mad Max, A Boy and his Dog, Waterworld und The Book of Eli und bleibt auch bei weniger eindeutigen Vertretern wie Stake Land und Der Omega-Mann immer noch im Klassischen. Dann geht es weiter über die etwas glaubwürdigeren Endzeit-Visionen im Stile von Quiet Earth und Children of Men bis man schließlich bei tiefdunklen Überlebensdramen mit hohem Authentizitätsanspruch landet, zu denen Wolfzeit oder der noch junge The Road zählen.
Doch dann taucht ein End of Animal auf, würdigt das breit abgesteckte Feld von bereits Existierendem keines Blickes und schafft quasi aus dem Nichts etwas, das spätestens beim zweiten Hinschauen enorm viel Elan in sich trägt.

Selten fing ein Film so intensiv bedrohlich an. Bereits hinter den ersten Gesprächszeilen lauert eine schwer fassbare Vorahnung. Die dialogische Intensität steigert sich mit großen Sprüngen, bis eine perfide Klimax erreicht ist, ohne dass mehr als ein paar Sekunden vergangen sind. Dann explodiert die Welt absolut geräuschlos. Einen besseren Auftakt hätte Sung-Hee Jo für seinen Film unmöglich wählen können, gibt er doch perfekt Ton und Linie des nun Folgenden an.
End of Animal bricht mit konventioneller Charakterzeichnung schon in der ersten Szene und steigert das System figürlicher Unberechenbarkeit so sehr, dass sich der Zuschauer gleich der Protagonistin in eine unmögliche Fremde hineingeworfen wähnt. In dieser Welt ist alles möglich. Sämtliche Erfahrungen wurden nach dem großen, alles verschlingenden Weiß der Apokalypse stumm entwertet. Auch auf Zuschauerseite wird damit eine außergewöhnliche Orientierungslosigkeit ausgelöst.
Der fehlerlosen Regie ist es anzurechnen, dass dieses Verwirrspiel nie den Anschein von Willkür erweckt, sondern stets zielbewusst die Leere der Welt auf das Gemüt der Zuschauer projiziert – nirgends ist es sicher und alles könnte anders sein, als es scheint. Es herrscht dauerhafte Anspannung.
Trotzdem dauert es eine Weile, bis man sich in den Rhythmus des Filmes hineingefunden hat, bis man die Eigenlogik der Ereignisse in diesem endzeitlichen Mikrokosmos identifiziert und akzeptiert hat. Ist dies geschehen, steht dem Zuschauer der gleiche Hürdenlauf wie der Protagonistin bevor.
Trifft Sun-young auf andere Menschen, entsteht zwangsläufig ein Konflikt. Alle sind misstrauisch, auf ihren eigenen Vorteil bedacht und stehen unter Generalverdacht. Auch die Protagonisten ist hiervon nicht ausgenommen. Umso anerkennenswerter ist es, dass die Dialoge allesamt dynamisch und natürlich geraten sind.

Stoßen könnte man sich – gerade in Anbetracht der sonstigen Unwägbarkeit – an dem etwas zu genretypischen Verhalten der Personen. Weshalb ihre Wege sich trennen und später wieder zusammenfinden, mit welchem Grund bestimmte Entscheidungen getroffen werden, ist nicht immer schlüssig. Dass es sich hierbei um Wendungen handelt, die der Film einfach braucht, um vorwärtszukommen, liegt auf der Hand. Diese vertrauten Muster lockern die ansonsten imponderablen Geschehnisse ein wenig auf, fühlen sich dadurch aber auch immer etwas künstlicher als der Rest an. Abhängig von der individuellen Interpretation kann End of Animal aber selbst dieses Defizit am Ende rechtfertigen. Aber auch ohne eine solche Entschuldigung bleibt der Film stets unvorhersehbar genug.
Herz des Werks ist aber sein Perfektionismus. Irgendwie ist Sung-Hee Jo das Kunststück gelungen, aus blutjungen Schauspielern, einer nervösen Handkamera und koreanischer Einöde das ästhetische Maximum herauszuholen. Kein Bild verwackelt grundlos, keine Einstellung, die nicht präzise auf die folgende abgestimmt ist, kein Schnitt ohne direkte Nachwirkung beim Rezipienten.
Tatsächlich ist jedes Bild ein Kunstwerk für sich, weiß genau, welche Stimmungen es trägt und auf welche Weise die Geschichte dadurch ergänzt wird.
Außerdem wird fast gänzlich auf Musik verzichtet. In der Regel lässt man die Impressionen in ihrer fast schon malerischen Tristesse für sich sprechen. Einzig ein unheilverkündendes extradiegetisches Dröhnen kehrt immer wieder auf die Tonspur zurück.
Kaum ein Film sonst vermag es zu leisten, dass man bei jedem noch so nichtigen Geräusch das Schlimmste erwartet und irgendwann wie selbstverständlich davon ausgeht, dass direkt neben dem Kameraauge der Leibhaftige steht und die Geschehnisse mit fettigem Grienen in Augenschein nimmt. Es ist ein subtiler, aber furchtbar eindringlicher Horror. Jede Einstellung transportiert die Antizipation von Terror. Und selbst, wenn eigentlich gar nichts geschieht, fühlt man sich schrecklich gebeutelt.
Doch Weltenende, Unmenschlichkeit und all dem Grauen zum Trotz ist End of Animal im Grunde nicht nihilistisch. Vielleicht weil alles so perfekt gefilmt ist, weil es so surreal oder durch und durch poetisch wirkt. Vielleicht aber auch schlicht und ergreifend deshalb, weil das Mädchen, dem wir folgen, ein Kind in sich trägt. Viele Momente sind nicht nur schön, sondern geradezu hoffnungsfroh und zukunftsgläubig.

Ob hiermit nun ein Science-Fiction-Film vorliegt, ist zugegebenermaßen nicht ganz einfach zu beantworten. Oberflächlich gesehen trifft dies durchaus zu, ist das Szenario dem von John Hillcoats The Road doch zu ähnlich. Je nach Deutung mag man aber auch zu einem gänzlich anderen Schluss gelangen.
Formale Zweifel sollen dem Film seinen Platz auf dieser Seite aber nicht verwehren.

Fazit

Bemerkenswerte Kunst ist End of Animal, weil er trotz seiner Leere niemals anstrengend, trotz seiner dominanten Symbolik niemals kryptisch, trotz der Ästhetik nie kitschig und trotz der Stille nie langweilig ist.
Einer der beunruhigtesten und sanftesten Vertreter der jüngeren Filmgeschichte, der sicherlich niemals ein großes Publikum erreichen, aber ganz bestimmt eine treue Anhängerschaft finden wird.
Ein Film wie eine Psychose und erstklassiges Stimmungskino.

Der Omega-Mann

Richard Mathersons Roman I Am Legend (im Deutschen: Ich bin Legende) kappte erstmals die okkult-mystischen Wurzeln des Vampirismus und stellte ihn als gewöhnliche Krankheit mit außergewöhnlichen Folgen dar. Ganze viermal wurde das Buch bis heute verfilmt. Zuerst 1964 unter dem Namen The Last Man on Earth mit Vincent Price in der Hauptrolle, das letzte (erwähnenswerte) Mal 2007 mit Will Smith als getriebener Wissenschaftler. Die wohl populärste Umsetzung des Stoffes aber dürfte Der Omega-Mann von Boris Sagal sein.

Story

Ein verheerender Krieg zwischen China und der UDSSR macht der Menschheit quasi ein Ende. Biologische Kampfstoffe haben die Mutation eines Bakterienstammes bewirkt, der beinahe alle hingerafft hat. Nur Robert Neville, ein ehemaliger Wissenschaftler im Militärdienst, überstand den großen Reset unbeschadet, da er sich rechtzeitig ein Antiserum injizierten konnte.
Alle weiteren Menschen, die nicht ihren Tod durch die Epidemie fanden, mutierten langsam zu lichtscheuen Wahnsinnigen, deren postzivilisatorische Gesellschaft nachts marodierend durch die Stadt zieht und die neue Weltordnung preist, während gebrandschatzt wird, was das Zeug hält. Die sektenartige Gruppierung, die sich selbst „Die Familie“ nennt, hegt tiefen Groll gegen sämtliche moderne Technik als Auslöser der Zeitenwende und hat den letzten Überlebenden als ihre Nemesis auserkiesen.
In den dunklen Stunden verschanzt sich Neville daher in seinem von Licht durchfluteten Appartement und gibt sich Mühe, nicht gelyncht zu werden.
Am Tage streift er ziellos durch die Stadt. Die meiste Zeit sitzt er in einer der vielen herrenlosen Luxuskarossen und braust mit Höchstgeschwindigkeit durch verwaiste Straßenschluchten. Er plündert, trinkt, schaut in leeren Kinos Filme, die er lange schon mitsprechen kann, und debattiert mit imaginierten Mitmenschen, um so etwas wie Alltag zu erschaffen. Der Überlebenskampf ist längst schon Routine und die größte Gefahr liegt in der Einsamkeit, die ihn langsam aber unaufhaltsam um den Verstand zu bringen scheint.

Kritik

Da die jüngste Interpretation mit Will Smith den meisten vermutlich am deutlichsten im Gedächtnis ist, bietet sich ein Vergleich natürlich an. Statt Smith, der seinerzeit mit entblößter Rückansicht für Furore sorgte, ist es nun der in die Jahre gekommene Charlton Heston, der weniger durch Coolness und mehr durch seinen abgeklärten Zynismus auffällt. Hestons Spiel ist ein wenig extrovertierter, was den in ihm keimenden Wahnsinn aufgrund der Desozialisation effektiv zur Geltung bringt.
Auch sind die nächtlichen Schrecken keine auf ihre Instinkte reduzierten Zombies, sondern weiterhin Menschen mit einer stark an Albinismus erinnernden Krankheit, die in erster Linie aufgrund ihrer kollektiven Psychose als Bedrohung wahrgenommen werden. Ihre Art, sich zu bewegen, und die Kutten, in die sie sich hüllen, erinnern aber recht schnell daran, dass es sich in der Vorlage um Vampire handelt. Ebenfalls wurde dem Buch der charismatische Anführer entliehen, der die ewig kichernde Meute der Mutierten koordiniert und von Lincoln Kilpatrick mit herrlich diabolischer Attitüde verkörpert wird.
Der größte Unterschied ist aber schlicht und ergreifend die Erzählweise selbst. Ist Francis Lawrences I Am Legend mehr Stimmungsbild und Momentaufnahme, so bemüht sich Der Omega-Mann, in seinen 98 Minuten neben der Charakterstudie Nevilles möglichst viel Geschichte unterzubringen. Eingestreute Medienberichte und Rückblenden klären den Zuschauer zudem über die Hintergründe und den Verlauf der Katastrophe auf und bringen ihm zugleich die Hauptperson näher.
Die verschiedenen Charaktere wurden passend besetzt und schaffen es auch in kurzen Szenen, durch ausdrucksstarkes, aber nie übertriebenes Spiel, das Notwendige zu vermitteln. Ein gesondertes Lob haben sich die sehr pointierten Dialoge verdient. Überhaupt gibt es handwerklich genauso wenig zu bemängeln wie auf inhaltlicher Seite. Wenige Schwenks und viele Zooms, insbesondere von Großaufnahmen zu Totalen, unterstreichen gerade am Anfang des Filmes die zersetzende Einsamkeit, die den Wissenschaftler Tag für Tag umgibt.

Einer der interessantesten Aspekte ist die musikalische Untermalung.
Seien es die verfremdeten Orgelklänge, die eine angenehm schaurig-morbide Atmosphäre kreieren, oder die treibenden, jedoch keineswegs aufdringlichen Synthesizermelodien, die eine ganz eigene Beschwingtheit hervorrufen, welche aber anstandslos mit dem apokalyptischen Bild harmoniert. Irgendwie rufen der gesamte Score und die von ihm verursachte Stimmung Erinnerungen an die Arbeit von Sergio Leones Stammkomponisten Ennio Morricone wach, der zuvorderst durch seine Arbeit an der unvergesslichen Dollar-Trilogie unsterblich wurde. Ron Grainer, der Komponist von Der Omega-Mann, stellte hier unter Beweis, welch außerordentliches Geschick und hervorragendes Gespür er dafür besitzt, den richtigen Ton zur richtigen Zeit erklingen zu lassen.

Fazit:

Der Omega-Mann ist die kurzweilige und äußerst stilsichere Geschichte einer Welt, die in den 1970ern ihr Ende fand. Dabei ist der Scifi-Film trotz Aktualität nicht vollends zeitlos, aber gerade wegen der spürbaren Verhaftung in seiner Ära absolut sehenswert.
Typisch für das Datum seiner Herstellung sind die sozialkritischen Kommentare, die steife Kameraführung und natürlich die Frisuren sowie die Tatsache, dass auch die schlimmsten Dinge mit der richtigen Musik groovy sein können. Dass der Film fraglos Kind seiner Zeit ist, kann und will er nicht verbergen. Dessen ungeachtet ist das Kultwerk ausgezeichnet gealtert und auch heute noch völlig beschwerdefrei zu genießen. Einzig die actionhaltigeren Abschnitte wirken aus heutiger Sicht ein klein wenig unbeholfen.

Vampire Nation

Inmitten von im Sonnenlicht glitzernden Grazien und melancholischen Aristokraten tauchten in den letzten Jahren entgegen aller Wahrscheinlichkeit immer mal wieder Vertreter der Blutsaugerzunft auf, die weniger durch romantische Veranlagungen auffielen als der moderne Spitzzahn dies zu tun pflegt. Stephenie Meyer zum Trotz gelangten achtbare Werke wie 30 Days of Night und Tomas Alfredsons So Finster die Nacht in den letzten Jahren auf die Leinwand, ernteten Erfolge und erinnerten daran, wie die eigentliche Etikette eines Vampirs auszusehen hat.

Mit Vampire Nation (im Original den ungleich besseren Titel Stake Land führend) liegt ein Genrefilm vor, dem diese Aufmerksamkeit bisher weitestgehend verwehrt geblieben ist.

Story

Ein jugendlicher Neuwaise und ein bärbeißiger Revolverheld namens Mister streifen durchs verheerte Amerika der Zukunft. Ihr Ziel ist ein sicheres Gebiet, irgendwo im fernen Osten, das nur gerüchteweise existiert. Der Weg zwischen ihnen und dem erhofften Paradies ist besetzt von furchtbar hässlichen Vampiren, einer christlich-fanatischen Sekte im Amok-Modus, ein wenig Restzivilisation, sehr viel rauer Natur und weiteren Gerüchten, deren Inhalt zeitweise auch das tapfere Duo selbst ist. Zum Glück bleibt es nicht bei diesem Zweiergespann, denn auf der langen Reise stoßen weitere wackere Überlebende und Hilfesuchende zu dem Grüppchen.
Und dieses mal größere, mal kleinere Grüppchen bewegt sich zusammen mit dem Zuschauer durch ein einzigartiges Roadmovie. In den Überbleibseln der Städte haben sich die Menschen zusammengerafft, Konflikte niedergelegt und fristen ein Dasein wie im Wilden Westen, mit all den Unannehmlichkeiten dieser romantisierten Epoche, aber auch mit den kleinen Alltagsereignissen, die jäh große Ausgelassenheit auslösen können. Zum Beispiel die Begegnung mit freundlichen Reisenden nach Zeiten langer Einsamkeit und Isolation.

Kritik

Die Welt von Vampire Nation ist glaubwürdig, doch im Gegensatz zum ebenfalls liebevoll erdachten Szenario in Daybreakers, sind all die netten Details lebendig und involviert.
Auch, wenn die einzelnen Charaktere sich auf dem Papier wie wandelnde Klischees lesen, die brav ihre markante Hauptfunktion erfüllen und sich sonst im Hintergrund halten, blüht der zusammengewürfelte Haufen auf der Leinwand mit unerwarteter Stärke auf. Protagonist ist die Gruppe, jeder ist wichtig, geschickt eingebunden und niemand wirkt überflüssig. Dass Mister und sein Schützling mehr Leinwandzeit haben als der Rest, liegt in der Natur der Sache – entbehrlich werden die Übrigen dadurch keineswegs. So wachsen Sympathien und so stockt der Atem, wenn jemand die Gemeinschaft verlässt – dies geschieht nämlich auf stets nüchterne, unaufgeregte und doch schmerzlich überraschende Weise.
Die Vampire sind nicht edel, nicht Äonen alt und auch nicht clever. Es sind wilde und fremde Tiere, die kaum koordiniert in der Gruppe agieren, dafür aber auch einzeln eine durchaus ernstzunehmende Gefahr darstellen. Viel Schimpf musste Vampire Nation erdulden, weil die Vampire sich nicht standesgemäß verhalten und im Grunde kaum bessere Zombies mit scharfen Eckzähnen sind. Davon abgesehen, dass der bereits erwähnte 30 Days of Night ähnlich animalische Vampire ins Feld führt, kommt es doch einfach nicht darauf an, ob deren Verhalten sich irgendeinem allgemeingültigen Regelwerk beugt oder nicht. Die Kreaturen müssen ihren Zweck als ernstzunehmende Bedrohung erfüllen, die den Helden überlegen, mindestens aber gewachsen sind. Und dies ist der Fall in Jim Mickles Mär vom postapokalyptischen Vampirismus.
Eine noch viel größere Gefahr stellen die erwähnten Fanatiker dar, die den Untergang der Menschheit als großes Fest begreifen, das mit Inbrunst gefeiert werden muss. Nicht nur Mister und sein Gefolge fürchten sich vor der klerikalfaschistischen Sekte, auch der Zuschauer empfindet die religiösen Eiferer als die größte aller Bedrohungen. Die irregeleitete Intelligenz wirkt weitaus bösartiger als die nur unwesentlich harmloseren, aber eben rein instinktgelenkten Attacken der Vampire.

In Anbetracht dieser nihilistischen Ausgangssituation mag es überraschen, dass die Grundstimmung des Filmes weit entfernt davon ist, düster zu sein. Ständig bricht die Sonne durch das Blätterdach, streichelt Bergrücken oder wärmt die Häuser. Der Fokus liegt nicht auf intensiven Situationen – die es zweifelsohne gibt – sondern auf der Reise, die immer wieder von der Erzählstimme des Jungen unterlegt ist. Und wie es vielen guten Roadmovies eigen ist, ist Vampire Nation auch nicht trist, karg und schlimm. Vielmehr ist er wunderschön, hoffnungsfroh und rührt das Fernweh. Und dies wiederum ist natürlich den Werkzeugen des Films anzurechnen.
Soll heißen: Man nehme die Landschaftsaufnahmen aus Into the Wild und die Musik aus 28 Days Later sowie, ja!, Firefly und plötzlich ergibt sich ein Feel Good-Horrorfilm, der so unverblümt locker und frisch daherkommt, als sei er der erste Vampirfilm der Filmgeschichte. In seinen stärksten Momenten kann es gut vorkommen, dass man sich trotz der objektiven Hoffnungslosigkeit von einer eigentümlichen Euphorie mitgerissen fühlt, wenn man erlebt, wie die Figuren einander besser kennenlernen, das Beste aus ihrer Situation machen und neuen Mut daraus schöpfen, einfach ihrem Weg zu folgen.
Angenehm ist auch, dass vieles unverkennbare Handarbeit ist. Die Masken der Vampire, die Zeichen der Zerstörung und die Kämpfe sind von CGI beinahe gänzlich unberührt und sehen nicht trotzdem, sondern deswegen wunderbar aus. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass letztere hin und wieder recht martialisch ausfallen. Vampire Nation ist beileibe kein Splatterfilm, nimmt sich in den Auseinandersetzungen aber auch nicht zwanghaft zurück.

Ankreiden könnte man theoretisch natürlich so einiges. Zum Beispiel, dass das musikalische Thema absolut überstrapaziert wird, klingt es doch gefühlt in jeder zweiten Szene von Neuem an. Dem entgegenzusetzen wäre das Totschlagargument, dass das überhaupt nichts macht – die Musik verträgt sich derart gut mit Bild und Handlung, dass man sie sich insgeheim auch in den anderen Szenen herbeiwünscht.
Das typische Charakterproblem, dass einige Figuren viel zu sehr auf wenige Grundeigenschaften reduziert sind und sich jenseits von diesen als nicht überlebensfähig erweisen, wurde bereits angesprochen, kommt hier aber schlichtweg nicht zum Tragen. Sie passen einfach in die portraitierte Welt, eine Welt, die sich weitergedreht hat. Man nimmt den Figuren ihre Beweggründe ab, weil sie aufrichtig von ihnen vorgetragen und mit Nachdruck von der Welt bestätigt werden.
Gefallen lassen muss sich der Film den Vorwurf, dass er wenigstens strukturell nur neu zusammengewürfeltes Diebesgut ist. Westernstädte in der Endzeit, bösartige Sekten, Vampire und nicht zuletzt die Konstellation vermeintlicher Stereotypen: Der stoische Krieger, das reifende Kind, die tapfere Nonne… etwas feinfühliger hätte man bei der Auswahl der Charaktere schon vorgehen können. Doch das sind Oberflächlichkeiten, die nie verhindern können, dass einem die Reisenden ans Herz wachsen, man über die Welt staunt und sich ständig fragt, was wohl hinter dem nächsten Autowrack verborgen sein könnte. So altbekannt die Zutaten auch sein mögen – ihre Kombination erfolgt hier in reiner Vorbildhaftigkeit.
Überflüssig ist nur eine einzige Sache, welche – wie so oft – am Ende zu finden ist. Die abschließende Konfrontation ist fürchterlich typisch, entsprechend unbeholfen und somit der einzige Moment, in dem der Film tatsächlich Richtung Genredurchschnitt fällt. Es handelt sich zwar nur um wenige Minuten, doch sticht diese finale Inkonsequenz so sehr aus dem ansonsten quasi makellosen Film hervor, dass es schon ein wenig schmerzt.

Fazit:

Vampire Nation aka Stake Land nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise, die trotz des Elends der Welt, trotz immerwährender Lebensgefahr in erster Linie wunderschön ist.
Hervorragende handwerkliche Arbeit, eine mutige Regie, gute Schauspieler und nicht zuletzt die ungewöhnliche Herangehensweise machen den Film zu einer wirklichen Perle, die bisher jedoch kaum jemandem ein Begriff ist. Ob die Rezeption in Deutschland anders ausgefallen wäre, wenn man den Film mit weniger unrühmlichem deutschen Titel und nicht ganz so trashigem Cover auf den Markt gebracht hätte, muss jeder für sich entscheiden.

Eine gewagte (und natürlich schwer subjektive) These zum Schluss: Vampire Nation der beste Vampirfilm seit Interview mit einem Vampir.