The Zero Theorem

Es hat lange gedauert, bis The Zero Theorem seinen Weg in die hiesigen Kinos geschafft hat. Trotz unerschöpflichen Monty-Python-Kredits und unsterblicher Filme wie Brazil, 12 Monkeys und König der Fischer wurde Terry Gilliam von der Filmindustrie immer als Problemkind behandelt. Die monumentale Länge monumentaler Filmideen, die es wegen fehlender Investoren nie zur Realisierung gebracht haben, spricht eine ebenso deutliche Sprache wie die fehlende Aufmerksamkeit, die zum Beispiel Tideland zukam.
Dass The Zero Theorem alles andere als breit gestartet wurde und keineswegs nur Lob erfährt, ist somit alles andere als erstaunlich.

No. You’ve got it backwards, Qohen. Everything adds up to nothing, that’s the point.

Story

Qohen Leth ist ein von Phobien getränkter Paranoiker, der mit weit mehr als nur der Tatsache, dass niemand seinen Namen anerkennt, Probleme hat. In einer abgedrehten Zukunftswelt, wo jeder nur Werkzeug ist, das seinen Zweck nicht kennt, dient auch er dem gesichtslosen Management, um als Computergenie tagein, tagaus dieselbe Tätigkeit im Büro auszuführen. Doch Qohen will viel lieber in seiner zur Wohnung umfunktionierten Kirche bleiben und von dort aus arbeiten. Nicht nur, weil er dort doppelt so effizient wäre, sondern vor allem, weil er seit vielen Jahren schon auf den einen Telefonanruf wartet, durch den er den Sinn seiner Existenz erfährt.

Kritik

Und da ist er nun, der neue Gilliam, sich selbst ankündigend als eine Art Best-Of seiner allergrößten Werke – allem voran Brazil, dem sich der Film auch unverhohlen annähert. The Zero Theorem spielt in demselben kurios-futuristischen Universum, das so aussieht, wie man sich in den 80ern die Zukunft vorstellte. Grelle Mäntel, unpraktische Regenschirme, modifizierte 80er-Jahre-Frisuren, analoge Telefone und Computertürme, die den Spielekonsolen der frühen 90ern verdächtig ähnlich sind. Die Welt wirkt wie die Alptraumversion eines Straßenteppichs in einem Kinderzimmer, der eine Plastikspielzeugwelt abzubilden versucht. Also die Art von Dystopie, die eigentlich gar kein Versuch ist, tatsächlich in die Zukunft zu schauen, sondern die einfach nur Bestehendes hochrechnet und mit grell gefärbten Ängsten aufrührt. Die Art, an der viele Regisseure grandios scheitern – doch nicht Gilliam.
In dieser Welt der konsequenten Übertreibung agiert jeder, vor allen anderen aber Christoph Waltz, mit konsequentem Overacting und auch der Rest übt sich in allem, nur nicht in Zurückhaltung. The Zero Theorem ist ein kunterbuntes, atemloses Drunter und Drüber, in dem eine kauzige Idee die nächste jagt. Diese Ideen funktionieren beileibe nicht alle, ergeben aber trotzdem ein erstaunlich rundes und fast schon hypnotisches Gesamtbild. Die Rasanz, mit der sich Geschehnisse aneinanderreihen, ist ein Grund dafür. Ein anderer ist, dass man sich nicht des Eindrucks erwehren kann, dass die vermeintlich weniger gelungenen Elemente ganz bewusst in ihrer Mängelhaftigkeit präsentiert werden, weil sich der Film selbst über sie lustig macht. Auch dies ist eine Gratwanderung, die kaum ein anderer Regisseur mit so viel Fingerspitzengefühl beherrscht, wie Terry Gilliam. Alles ist so flirrend, krustig und überdreht, dass ein unangenehmer Sog entsteht. Die Welt entwickelt rasch eine schaurige Eigenlogik, ist als eigenständiges Universum so manisch überdreht wie ihr Protagonist, die Musik und die Kamera, sodass man sich manchmal unweigerlich die Frage stellt, in welchem Grade der Film sich überhaupt selbst ernstnimmt.
Dass es sich hier um ein Werk von Terry Gilliam handelt – an dieser Stelle Verzeihung für die Wiederholung, die der Autor an dieser Stelle einfach nicht zu umschiffen weiß – merkt man aber vor allem daran, dass der ganze Unsinn nicht bedeutungs- wie wirkungslos in sich zusammenfällt und in seiner kompositorischen Summe nicht nur sehr viel Sinn ergibt, sondern auch noch unerhört gut unterhält und ganz nebenbei eine Vielzahl interessanter Themenfelder streift und einen alles andere als leeren Kommentar dazu formuliert.

Fazit

Terry Gilliams neuer Film wirkt wie ein großes Selbstzitat, ist aber eigentlich ein weiterer, längst überfälliger Beitrag in einer Disziplin, die keiner so sehr beherrscht, wie der Monty-Python-Veteran. The Zero Theorem ist ein so ungebundenes wie unangepasstes Kinoerlebnis, das in seiner mysteriösen Eigenartigkeit funktioniert, obwohl die einzelnen Bestandteile für sich genommen dies nicht erwarten lassen würden. Der Sci-Fi-Film generiert einen wunderlich-kuriosen, manchmal bewusst fast peinlich berührenden Strudel, der einen für die Dauer des Filmes in eine Welt zerrt, die fremdartig, übervoll und wundersam ist, wie selten eine.

KITE – Engel der Rache

Über eine Verfilmung des erfolgreichen Animes KITE von 1998, der 10 Jahre darauf einen Nachfolger erhielt, wurde schon häufig geredet. Der Film, der nun unter dem Namen KITE – Engel der Rache veröffentlicht wurde, hat mit dem Anime nicht allzu viel gemein und verzichtet konsequent dessen Stärken.


Looks like somebody used a landmine to clear the sinuses.
Story

Eine wenig rosige Zukunft. Die schmackhaften Kinder werden an Fleischkartelle verschachert und niemanden stört es, ist doch jeder mit dem poppigem Sumpf aus Polizeikorruption und Bandenrivalitäten beschäftigt, der nun das Weltbild bestimmt.
Als Kind verlor Sawa ihre Eltern durch den Angriff einer Gang. Karl Aker, ein ehemaliger Polizeikollege ihres Vaters, nahm sich ihrer an und trainierte sie. Heute, mit 18 Jahren, kämpft sie gegen die allmächtigen Banden, um den Tod ihrer Eltern zu rächen.

Kritik

Kite gehört zu dieser ganz besonderen Sorte Film. Die Sorte Film, die schäbig ist. Nicht schäbig auf eine Weise, wie man es vielleicht von The Rover oder End of Animal behaupten kann, weil   hervorgerufen wird. Nicht schäbig, weil es dem Film gelingt, bewusst eine Stimmung des Unerträglichen zu kreieren, sondern einfach nur schäbig im Sinne einer Bewertung des Werks.
Schon die Vorlage bietet keine originelle Geschichte, aber immerhin noch ein paar recht interessante Figuren und eine gewisse Düsternis, der man mit viel gutem Willen eine Tendenz zur oben definierten Form der ‚positiven Schäbigkeit‘ attestieren könnte. Ralph Zimans Film bemüht sich, all das aus der Geschichte heraus zu operieren, sodass nichts bleibt bis auf einen ärmlichen Kern reduzierte Erzählung mit grundloser Gewalt. Doch Vergleiche zur Vorlage erübrigen sich genaugenommen sowieso, da sich tatsächliche Gemeinsamkeiten problemlos an einer Hand abzählen lassen, ohne dabei die Gabel beiseitelegen zu müssen.

Ob die Chose besser gelungen wäre, hätte Rob Cohen sie verfilmt, wie es angedacht war, bleibt aber auch fraglich. Snakes on a Plane und Final Destination 2-Regisseur David R. Ellis sollte als nächstes das Ruder übernehmen, verstarb aber unter ungeklärten Umständen, als die Dreharbeiten beginnen sollten. Samuel L. Jacksons Begeisterung hat dies offensichtlich nicht geschürt und folglich befindet er sich noch deutlich stärker in seinem darstellerischen Automatikmodus, als in den meisten seiner auf Typecasting basierenden Rollen der letzten Jahre. Das Resultat ist in der Tat etwas erbarmungswürdig. Dass jeder in dieser Welt ein fabelhafter Kämpfer ist, versteht sich von selbst.
Dem angepasst, üben sich die meisten anderen in penetrantem Overacting und Hauptdarstellerin India Eisley schaut die ganze Zeit so unerträglich bockig drein, dass man sie am liebsten ins Bett schicken würde. Ihre vor sich hin metzelnde Sawa böte aber auch für eine richtige Schauspielerin nur wenig Entfaltungsraum, denn ihre Motivation ist so sehr aufs Marginalste reduziert.
Als grelle Kinder-Amazone wütet sie vor farblich verfremdeten Hintergründen, die manchmal ein wenig zu billig aussehen, durch eine ausgehöhlte Story. Die Gewalt, die regelmäßig aus ihrer poppigen Verpackung geholt wird, soll cool wirken, ist aber – obschon comichaft übertrieben so grausam und unnötig, dass sie anwidert.
Ein weiteres gescheitertes Stilmittel stellt der Versuch dar, den sehr klischeehaft geschossenen Film mit sinnlos flackernden Zwischenschnitten künstlich ungewöhnlich zu machen, was aber lediglich bewirkt, dass das Produkt noch unbeholfener und planloser wirkt. Auch die arg aufdringlichen, andauernd den Fluss störenden Flashbacks nach Schema F, die kaum durch Mehrwert gerechtfertigt werden, schließen sich dem an.
Schon früh bekommt man den Eindruck, der Film wäre ein Versuch, Léon – Der Profi auf eine möglichst unflätige Weise zu beleidigen.
Dass das Ganze auf einen Twist hinsteuert, der sich von Anfang an ohne Aufwand erraten lässt, besiegelt die Gewissheit, dass es sich bei KITE um einen Film handelt, bei dem nur wenig stimmt und der nie das ist, was er zu sein behauptet.

Fazit

Aus dem Ausgangsmaterial hätte durchaus ein sehenswerter Film mit ganz eigener Atmosphäre werden können. Das Ergebnis aber ist ein gescheiterter Pop-Film mit völlig unmotivierten Schauspielern, einer hinkenden Dramaturgie, ohne jede Überraschung und mit unnötiger Freude an der Gewalt, mit welcher sich der Anime kritisch auseinandersetzte, die hier aber einfach nur um ihrer selbst willen aufgeführt wird.

The Purge: Anarchy

The Purge war letztes Jahr einer der großen Überraschungserfolge. Für wenige Dollar produziert, spielte er in kürzester Zeit ein Vielfaches seiner Kosten wieder ein, schuf aufgrund seines Erfolges und des stimmigen Trailers große Erwartungen und enttäuschte in großem Maße.
Mit The Purge: Anarchy soll alles besser werden, noch besser. Denn der kreative Kopf James DeMonaco hat nun endlich das Budget, das er sich schon beim ersten Teil wünschte, um das zu machen, was er mit der Prämisse versprach.

People like us, we don’t survive tonight.

Story

Wir schreiben das Jahr 2023 in Amerika und immer noch geht es den Leuten blendend. Kaum Arbeitslosigkeit, reduzierte Armut, noch weniger Kriminalität. Dank gebührt natürlich dem Purge-Day, an dem alle einmal im Jahr für eine Nacht gewaltig ausrasten dürfen und nach Belieben um sich ballern.
Kurz bevor der Startschuss zum totalen Chaos erfolgt, stranden Shane und Lize mit dem Auto auf dem Highway, während Sanchez und ihre Tochter Cali vergeblich darauf hoffen, die Nacht in ihrem sozial schwachen Viertel im Innern der Wohnung zu verbringen. Das Schicksal treibt diese Personen zusammen auf die gewaltgefluteten Straßen der Purge, wo sie auf Asphaltcowboy Leo Barnes treffen, der sich zwar als versierter Beschützer herausstellt, dessen tatsächliche Ziele aber unklar sind. Schließlich streift er waffenstarrend durch die Nacht der Jagd.

Kritik

Einiges, was am ersten Teil Probleme machte, ist auch beim zweiten Anlauf nicht besser. Dauerpräsenter, lästiger Pathos, bei dem die Kamera steif auf Familienfotos schwenkt, die den Figuren Vergangenheitsprofil verleihen sollen, und nie verstecken können, dass dies nur leere Bemühung ist, oder – natürlich schwarze – Fernsehprediger, die mit platten Reden die platte Logik der Purge-Nacht hinterfragen. Natürlich ist die Grundidee des Filmes immer noch genauso hanebüchen und unschlüssig, wie schon in The Purge; alles andere wäre sonderbar gewesen. Auch hier bemüht sich der Film wieder, durch einen gescheiterten Anschein von Gesellschaftskritik zu verschleiern, dass er doch eigentlich nur Spektakel sein will. Gerade dieser Punkt ist es, der ein unwohles Erinnern an die größte Schwäche des Vorgängers verursacht, der bis zum Ende einfach nicht zu Potte kam und mit seinem Plot und dessen Aufbau etwas versprach, was er nie einzulösen imstande war, da er einfach nur lahm durch die Minuten sickerte. In The Purge: Anarchy beginnt es ähnlich. Nur sind hier die tragenden Figuren wenigstens einfach nur blass und nicht zusätzlich so unnachgiebig unsympathisch, wie Ethan Hawkes James Sandin es letztes Jahr gewesen ist. Dass das Personal einfach so ausgewechselt wird, zeigt noch einmal eindeutig auf, wie egal die Geschichte an sich ist. Es könnten unzählige Sequels folgen, die immer wieder die gleiche Geschichte mit wechselnden Gesichtern erzählen. Die Nacht der totalen Gesetzlosigkeit ist Vorwand, um Terror und Grausamkeit zu zeigen. Wer sie ausübt und an wem sie ausgeübt wird, ist letztlich egal. Die Protagonisten sind ähnlich gesichtslos wie die Widersacher, die hinter ihren starren Masken gruselig und geheimnisvoll wirken sollen, aber wie schon in The Purge in erster Linie dadurch lächerlich wirken, da unentwegt zum Vorschein kommt, dass sich eben keine geheimnisvollen Anarchisten, sondern einfach nur plumpe Rüpel darunter verbergen. Die spannungsgeladene Inszenierung der einzelnen Marodeure rutscht damit häufig mal ins Lächerliche ab, weil der Grund für diese Mystifizierung und somit auch jede Glaubwürdigkeit fehlt. Hinzu addiert sich, dass die Handlungen einiger Figuren kaum nachvollziehbar bis schrecklich dumm sind. Hinzu addiert sich, dass die Handlungen einiger Figuren kaum nachvollziehbar bis schrecklich dumm sind.

Es gibt mehr von allem und überhaupt mal was von dem, was schon der erste Teil versprochen hat, ja. Doch all das nutzt nur wenig, weil Autor und Regisseur James DeMonaco auch bei der zweiten Säuberung daran scheitert, eine funktionierende Dramaturgie zu kreieren. Dass die Leute sterben, lässt einen erschreckend kalt, weil der Film dies scheinbar willkürlich in Szene setzt. Die Dinge sollen cool und erschreckend wirken, erreichen davon in der stark überwiegenden Zahl der Fälle jedoch gar nichts.
Neben seiner distanzierten Darbietung ist das zu Sehende an vielen Stellen einfach zu übertrieben und gleichzeitig zu unoriginell, um packen zu können. Besonders das Anprangern bösartiger Wohlhabenden-Dekadenz debil grinsender Hedonisten durch maßlose Übersteigerung nimmt Formen an, die fast schon so nervig wie in The Hunger Games sind – wenn auch nicht so durchdringend penetrant. Stellen, an denen es intensiv wird, sind rar – immerhin aber gibt es sie überhaupt, womit der zweite Teil seinem Vorgänger einiges voraushat.
Zustandekommen können diese aber auch nur deshalb, weil das Drehbuch irrsinnig viele Zufälle stapelt, die einen Wahrscheinlichkeitsstatus innehaben, der gegen Null tendiert.

Fazit

In The Purge: Anarchy bekommt man das, was der Titel verspricht. Endlich. Nämlich das Treiben da draußen gezeigt und nicht nur behauptet. Viel besser als seinen Vorgänger macht das den Film aber nicht, weil abermals die gleichen dramaturgischen Schwächen auftauchen abermals, das Schicksal der Protagonisten daher nur leidlich interessant ist und die Bedrohung an sich letztlich viel zu basal formuliert wird.

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit

Nicht jeder stimmte in den Jubel mit ein, als bekannt wurde, dass Bryan Singer wieder das Ruder im neuen X-Men übernehmen würde. Nicht etwa, weil X-Men und X-Men 2 schlechte Filme gewesen wären, sondern weil Matthew Vaughn sich als der kompetentere Geschichtenerzähler erwiesen hat, als er die Mutantentruppe mit seinem X-Men: Erste Entscheidung mit einem Schlag von dem Debakel X-Men: Der letzte Widerstand emanzipierte.
Für X-Men: Zukunft ist Vergangenheit kann aber Entwarnung gegeben werden.

Patience isn’t my strong suit.

Story

Wir schreiben das Jahr 2023, die Zivilisation hat sich in sich selbst verbissen und schließlich getötet, die wenigen verbliebenen Mutanten werden von Robotern, den sogenannten Sentinels, die sich auf jede nur denkbare Fähigkeit einstellen können, gejagt und niedergestreckt.
Der Kern der alten X-Men-Garde sucht eine Dame namens Shadowcat, die die Fähigkeit besitzt, das Bewusstsein einer Person in die Vergangenheit zu schicken, wo es in seinem jüngeren Körper landet. Eine Reise, die sich über mehr als einen Monat erstreckt, würde normale Wesen das Leben kosten. Da Logan mit seinen ausgeprägten Selbstheilungskräften aber keineswegs als normales Wesen durchgeht, sendet man ihn in das Jahr 1973, um dort die jungen und wenig einsichtigen Kontrahenten Charles Xavier und Erik Lensherr miteinander zu versöhnen und den katastrophischen Lauf der Zeit zu ändern. Unterdessen tickt die Uhr in der Gegenwart, denn die Sentinels sind den verbleibenden Widerständlern dicht auf den Fersen.

Kritik

Nach einem etwas ärgerlich-generischen Anfangsmonolog und dem klassisch semi-trashigen Vorspann in Metalloptik mit Klingengeräuschen und gediegenen Cube-Anleihen kommen prompt die ersten unbekannten Mutanten ins Spiel, die sämtlich einem Spezialeffekte-Film unseres Lieblingsfilmlandes Japan entsprungen sein könnten und zum Teil auch recht eilig das Zeitliche segnen. Ein paar Ekelbeben in Erinnerung an X-Men: Der letzte Widerstand können da natürlich nicht ausbleiben. Doch zu Glück erfährt diese Vision keine entsprechende Einlösung in der Praxis. Im Gegenteil, es kommt ganz anders. Es kommt weitaus besser.
Vor allem anderen fällt aber auf, wie unbeschwert und locker die neuste Auskopplung der Marvel-Serie geworden ist. X-Men: Zukunft ist Vergangenheit ist voll von ungezwungenem Humor. Das führt in manchen Szenen sogar so weit, dass sich der Film kurzzeitig zu einer ziemlich albernen Slapstick-Komödie wandelt. Doch da das ‚albern‘ eines dieser seltenen guten ‚albern‘ ist und das ‚ziemlich‘ ein ‚ziemlich‘ wie vor ‚ziemlich witzig‘ ist, kann man zwar die fehlende Ernsthaftigkeit bemängeln, aber zugleich nicht verleugnen, dabei Freude zu empfinden.
Funktionieren tut das Gesamtwerk vornehmlich deswegen, weil alte Tugenden und Thesen trotz des komödiantischen Übergewichts sinnvoll aufgenommen und weitergeführt werden. Dieser neue X-Men-Film beweist nicht trotz, sondern zusätzlich zu seiner Freude am Spaß die Fähigkeit, die guten Aspekte seiner Vorgängerfilme zu schultern und gekonnt in seine eigene Geschichte mit hineinzunehmen. Der Film wirkt frisch und jung, aber er trägt ein mittlerweile doch recht komplexes und vor allem sehr schweres Erbe mit sich herum. Der mediale Terror; die Belagerung und Verdinglichung aller fremden Geschöpfe durch die eingeschüchterten Menschen; die inneren Konflikte der Ausgestoßenen und Abgesonderten; die Macht der Angst und ihre verheerende Stärke. All das ist weiterhin Thema und wird sehr sinnig integriert.
Dies macht X-Men: Zukunft ist Vergangenheit nicht nur zum kurzweiligsten, sondern neben X-Men: Erste Entscheidung auch zum ernstzunehmendsten, zum relevantesten Teil der Serie. Der Dank hierfür gebührt der lobenswerten Tatsache, dass sich der Film nur scheinbar am außer Kontrolle geratenen Wettkampf der Comicverfilmungen anschließt, mit jeder bewältigten Herausforderung beim nächsten Schritt noch mehr Zerstörung und Epos sein zu müssen, beim nächsten Mal alles noch größer, lauter und bedrohlicher zu gestalten. Auf den ersten Blick mag es um die gesamte Zukunft der gesamten Erde gehen, eigentlich aber steht das Schicksal Weniger im Vordergrund. Man fiebert nicht um das Leben anonymer Bewohner irgendwelcher gesichtsloser Großstädte, sondern um alte Bekannte, die sich im Laufe ihrer bunten Abenteuer der vergangenen 14 Jahre Profil und eine eigene Filmbiographie erarbeitet haben.

Einige Figurenhandlungen sind kaum nachvollziehbar und wirken teils seltsam schlecht durchdacht. Hier merkt man: Es sind nun mal Comiccharaktere. Das ist keine Rechtfertigung, die funktionieren kann, denn mit der Kritik muss der Film einfach leben, aber belassen wir es bei der Erwähnung.
Das Aufeinandertreffen der Generationen, das Trailer und Synopsis erwarten lassen, ist übrigens kaum Thema des Filmes. Fast die ganze Geschichte gehört dem alterslosen Wolverine und den jungen Alter Egos von Professor X, Magneto, Beast und Raven. Einige alte Bekannte werden dafür wortwörtlich verschleudert. Tatsächlich kommen deutlich weniger Mutanten als in jedem anderen Film der Reihe vor, anders wäre die Geschichte in ihrer eleganten Schlankheit aber auch nicht zu verwirklichen gewesen.
Charmebolzen Peter Dinklage gibt den flachen Schurken Bolivar Traske seinem Profil entsprechend und macht eine bessere Figur, als jeder andere an seiner Stelle es wohl getan hätte, gegen die Einseitigkeit seines fanatischen Kittelträgers mit Nazi-Allüren kann er aber auch nicht anspielen.

Neben ein paar sehr rüden Nachlässigkeiten in Bezug auf die Konsistenz des Gesamtkanons lässt sich – natürlich – auch in der Zeitreiselogik Unstimmigkeit finden. Es wird viel Lärm darum gemacht, dass man nur diese eine Chance hätte und das Unterfangen auf jeden Fall glücken müsse, sonst gäbe es nur noch Ende. Aber wieso denn eigentlich? Genaugenommen spräche nur wenig dagegen, bei einem Misserfolg einfach wieder jemanden in die Vergangenheit zu katapultieren. Und wieder und wieder und wieder, bis eben alles im Lot ist. Die notwendige Reise müsste sich nicht über Jahrzehnte erstrecken, sondern nur bis zum Start der vorangegangenen Reise selbst gehen und diese verändern, was höchstens ein paar Tage sein dürften.

Fazit

Nach den mittelmäßigen Spin-Offs, dem desaströsen Trilogieabschluss und der überraschenden Kehrtwende des Prequels macht Bryan Singers dritter Ausflug in das Marvel-Universum eigentlich alles richtig.
X-Men: Zukunft ist Vergangenheit macht Spaß, ist selbstsicher und persönlich, ehrt beide Generationen und öffnet auf eine charmante Weise Türen.
Und damit schließt sich ein Kreis, wodurch die Zeitreisestory ungeachtet kleinerer Schnitzer, ihren Auftrag bestens erfüllt.

RoboCop

Das Thema RoboCop und seine wenig rühmlichen Nachfolger und Auskopplungen neu aufzulegen, das war ein lang gepflegter Plan. Darren Aronofsky war im Gespräch und auch kurz vor der Umsetzung. Sein Ersatz sorgte dann für Erstaunen – ausgerechnet der Brasilianer José Padilha, der dato nur durch seine beiden Tropa de Elite-Filme von sich Reden machte, sollte dem ikonischen Cyber-Bullen eine Frischzellenkur verpassen. Und irgendwie ist es ihm ganz anständig gelungen.

It’s not a suit, it’s you.

Story

2028 ist das Jahr des Friedens, wenn auch nicht in den USA. Der Megakonzern OmniCorp versorgt die Welt mit Polizeirobotern, die die Verbrechensrate in kürzester Zeit auf mikroskopisches Niveau schrumpfen. In Amerika verbietet das Dreyfus-Gesetz aber den Einsatz nichtmenschlicher Ordnungshüter.
Um es zu umgehen und die Vereinigten Staaten schleichend an automatisiertes Militär zu gewöhnen, ersinnt OmniCorp einen Kompromiss. Ein Hybrid muss her, halb Mensch, halb Maschine. Da kommt es gerade recht, dass Polizist Alex Murphy von korrupten Kollegen beinahe getötet wird.
Einige Monate später sind die kläglichen Überreste Murphys mit neuster Technologie verschmolzen und erlebt als Marketingmaschine RoboCop seine Wiedergeburt.
Die Motive des gesetzestreuen Stahlmannes, der die Liebe seiner Familie ebenso wie die Verursacher des Anschlages auf ihn sucht, lassen sich mit den monetären Interessen OmniCorps allerdings kaum vereinen. Daher wird der menschliche Anteil in RoboCop einfach drastisch reduziert.

Kritik

Die Technikkonzeption ist natürlich hervorragend – aber das ist bei einem Film, der sich RoboCop nennt, ja irgendwie auch zu erwarten. Wenn man zu Beginn sieht, wie Mechs und Blechsoldaten durch die engen Straßen donnern, hat das etwas intuitiv unangenehmes. So muss Dystopie funktionieren.
Doch irgendwie fragt man sich auch, wieso die Polizei Gerät zur Wahrung des Friedens herstellt, das aussieht, wie das Invasionswerkzeug einer bedrohlichen Alienrasse. Prävention durch Furcht scheint das Motto zu sein, aber so richtig nachvollziehbar ist diese Entscheidung trotzdem nicht. Schließlich sollte das Ziel sein, ein Gefühl von Sicherheit und nicht ein Gefühl ständiger Bedrohung hervorzurufen. Dass die Übertragung des eingangs gezeigten Auslandeinsatzes unter dem Motto „Operation Freedom“ läuft und natürlich in kürzester Zeit gewaltig eskaliert, ist etwas plump und vorhersehbar, trotzdem ist die Welt in sich stimmig und die Atmosphäre dicht.
Die Inszenierung wird ihr aber nur dann gerecht, wenn aus mittlerer bis großer Distanz das Szenario vorgeführt wird. Hier spürt man besonders, dass Regisseur José Padilha seine Wurzeln im eher nüchtern-dokumentarischen Fach hat. Sobald die Action losgeht, wird es sofort wackelig und unübersichtlich, vor allem aber uninteressant. Gerade die Feuergefechte werden mit frappanter Inspirationsarmut dargestellt. Der Ur-RoboCop konnte damals nicht nur mit entschieden mehr Ideen aufwarten, sondern bereicherte seine zynische Welt mit gekonnt ausgesuchten Gewaltspitzen. Die meisterhafte Gratwanderung zwischen Ernst und bitterer Satire hätte so natürlich auch kein zweites Mal geklappt und von daher ist es nicht allzu dramatisch, dass der modernisierte Robocop ein FSK 12 verpasst bekommen hat.
In vielen Szenen sieht man Potenzial hervorschimmern, sieht man, was aus dem Film hätte werden können, wenn man mehr Zeit und weniger Angst investiert hätte. Mehr Zeit für ein besseres Script, ein besseres Storyboard und ausgefeiltere Choreographieüberlgeungen. Weniger Angst vor einer zu hohen Altersfreigabe und verprellten Zuschauern. Das subversive Element, mit dem das Original groß rauskam, wird hier einfach ausgespart.

Die Debatte um die große Gretchenfrage – Patrouillen von Roboterwächtern ja oder nein? – birgt großes Potenzial und hätte dem Film mit einem Schlag eine höchst interessante Daseinsberechtigung verschafft. Eine Chance, die gnadenlos vertan wird. Stattdessen sind die wenigen Argumente, die das Drehbuch die beiden Parteien austauschen lässt, platt und unglaubwürdig. Die immer einen Deut zu stumpfen Dialoge sind etwas, das sich durch den ganzen Film zieht. Es schmälert nicht die Leistung des herausragenden Casts um Michael Keaton und Gary Oldman, nimmt den Schauspielern aber einiges an Wirkung, weil ihre Figuren sich ständig selbst diskreditieren. Selbst der mal wieder stark übertreibende Samuel L. Jackson als technophiler Fernsehprediger macht eine halbwegs gute Figur, wenn auch sein Charakter nichts Relevantes zur Geschichte beiträgt. Der Schwede Joel Kinnaman als Alex Murphy ist kein Peter Weller, gleicht ihm in vielen Einstellungen aber in erstaunlicher Weise und macht seine Sache auf ähnliche Weise gut.
Wie erwartet, wird dafür die Tragik des Mensch-Maschine-Dilemmas stärker betont. Ob das besser ist als im Original, ist wohl Geschmackssache. Der neue Alex Murphy ist meistens ganz er selbst, auch als Metallmann, Während sein 80er-Jahre-Pendant ja in erster Linie Maschine mit seltenen Persönlichkeits-Flashbacks gewesen ist. Die daraus entstehende Tragik, dass er seiner Familie nicht nur körperlich, sondern auch geistig fremd geworden ist, ist tendenziell eine größere als die des noch voll bei Sinnen seienden Polizisten in dieser Version. Bei der Modernisierung liegen die Dinge komplizierter, besser werden sie deswegen aber nicht zwangsläufig. Außerdem führt die Umgewichtung dazu, dass die eigentliche Krimi-Handlung kaum Raum einnimmt. Von zwei kurzen Ausflügen abgesehen, geht es in RoboCop nicht um die Bekämpfung von Kriminalität, sondern um RoboCop.

Dass man irgendwas entscheidendes ändern musste, war klar, denn Robocop ist ein Kultfilm, weil sein 80er-Jahre-Charme ihn die Essenz verleiht. Wenn das heutige Hollywood ein Remake dreht, lässt sich das nicht reproduzieren. Folglich muss das Robocop-Universum ernstzunehmender wirken, natürlich auf Kosten der unterkühlten Ironie des Originals.
Das mach den Film seriöser, aber auch austauschbarer. Ungeachtet solcher kleinerer Makel, muss man schlussendlich aber konstatieren, dass die Umgestaltung auf Auffrischung des blechernen Gesetzeshüters gelungen ist. José Padilhas Science-Fiction-Film ist nicht mehr die dystopische Copthriller-Version, sondern ein Drama in einem Setting, das der Gegenwart weitaus ähnlicher sieht als die ghettoisierten Unratberge, aus denen das ständig brennende Detroit der 80er-Jahre-Zukunft sich einst zusammensetzte.

Fazit

Nein, wie erwartet ist der RoboCop aus dem Jahre 2014 nicht besser als sein Ahne von 1987. Nichtsdestotrotz ist es ein gelungener Film geworden, der das vornimmt, wozu Remakes sich verpflichten: Er interpretiert den Ursprungsstoff neu, gibt der Materie eine völlig neue Richtung und schafft damit auf einem entliehenen Gerüst etwas eigenständiges. Und auch wenn der Film mitnichten fehlerfrei ist, kann man José Padilha für diese Leistung doch Respekt zollen.

A Scanner Darkly – Der Dunkle Schirm

Philip K Dick-teilte sich mit Tolkien das „Unverfilmbar!“-Prädikat, das beiden lange Zeit anhaftete. Natürlich ist Blade Runner ein famoser Film, doch kann man den Roman Do Androids Dream of Electric Sheep? bestenfalls als Inspirationsquelle bezeichnen, so frei geht der Ridley Scott-Film mit der literarischen Grundlage um. Gleiches gilt für Total Recall und Minority Report.
Ausgerechnet eines seiner besten, untypischsten und irgendwie auch unverfilmbarsten Bücher bekam dann eine Adaption, die vorlagentreu und gut ist. A Scanner Darkly.

What does a scanner see? Into the head? Into the heart? Does it see into me? Clearly? Or darkly?

Story

Fred ist bei der Drogenfahndung und ermittelt undercover als Junkie Bob Actor in der Szene, um irgendwie und irgendwann an die großen Fische im Milieu zu kommen. Sein Alter Ego wohnt mit ein paar abgehalfterten Tunichtguten in einem verlotterten Haus. Die ein- und ausgehenden Freunde hängen rum und werfen sich Substanz T ein, eine hochgradig süchtig machende Droge. Auch Fred/Bob ist ihr verfallen, damit sein Doppelleben möglichst authentisch auf sein Umfeld wirkt. Da das Dezernat ständig fürchten muss, von Kriminellen unterwandert zu werden, tragen sämtliche Ermittler, wenn sie die Zentrale betreten, einen Jedermann-Anzug,  mit dem sie nicht zu identifizieren sind. Auf diesem Weg weiß nur Fred selbst, dass er als Bob Actor ermittelt, weil niemand bei der Behörde sein wahres Aussehen kennt.
Die Lage spitzt sich zu, als Fred die Order erhält, für die Verwanzung und Überwachung seines respektive Bobs Hauses zu sorgen. Plötzlich muss er sich selbst und seine alltäglichen Begleiter observieren und regelmäßige Berichte über den Bespitzelungsvorgang anfertigen, während seine Sucht immer größere Ausmaße annimmt, ihm beide Parteien auf die Schliche zu kommen scheinen und sich zu über allem Überfluss eine Identitätskrise, die sich wahrlich gewaschen hat, ihrer Vollendung nähert.

Kritik

Philip K. Dicks A Scanner Darkly ist ein Meisterwerk und eine Lektüre jedem wärmstens ans Herz zu legen. Großartige Sprache, eine durchkomponierte und – besonders die Verhältnisse des Autors – stringente Geschichte, eine Heerschar umwerfender Ideen und ein Verwirrspiel, das gleichzeitig klug und höchst unterhaltsam geraten ist. Darüber hinaus ist es K Dicks wohl persönlichstes, aufrichtigstes Werk mit unverhohlen autobiografischsten Zügen. Die meisten Figuren wurden Personen nachempfunden, mit denen der Autor sich umgab, als er Erfahrungen mit Amphetaminen und LSD machte und nur noch unter Einfluss von Aufputschmitteln schrieb. Es ist ein Mikrokosmos voll mit spleenigen Charakteren, bei dem es Stilmittel und Aussage zugleich ist, dass eigentlich sehr wenig passiert. Das Leben dieser Gestalten ist ein einförmiges, das nur sie selbst als aufregend wahrnehmen, weil sich um ihre Psychosen herum schillernde Paranoia rankt, die sich mit den Angstzuständen der anderen verschränkt und die entlegensten Wahnvorstellungen plötzlich zur realen Bedrohung werden lässt. Die Ernsthaftigkeit in der Absurdität und die strenge interne Fokalisierung sind es, die den Zuschauer selbst in die verworrene Gedankenwelt der Spinner hineinversetzt und alles rationale Wissen und die Kalkulierbarkeit von Wahrscheinlichkeiten plötzlich drastisch reduziert. Denn Paranoia ist ansteckend.

Wie soll man aber ein Werk verfilmen, das hauptsächlich aus repetitiven Abläufen und den realitätsentzogenen Bandwurmmonologen schrecklich kaputter Menschen besteht? Ein Werk, dessen Reiz wie so oft in der Sprache zu finden ist. Die Antwort von Autor und Regisseur Richard Linklater ist verblüffend klar: In erster Linie verfilmt man den Stoff genau so, wie er ist.
Tatsächlich überrascht A Scanner Darkly mit etwas, was keine andere Verfilmung des Sci-Fi-Gurus von sich behaupten kann: Akkuratesse. Viele Dialoge wurden eins zu eins aus der Vorlage übertragen, die Reihenfolge der Geschehnisse ist meist identisch, die Figuren kaum variiert und das Buch von allen Beteiligten wohl ziemlich oft und ziemlich gründlich gelesen worden. Um auszugleichen, was durch den Mangel an filmisch darstellbarem Schreibstil fehlt, wurde ein neuartiger visueller Stil entworfen: Auf jede gedrehte Szene wurde mittels eines vektorbasierten Verfahrens drüber gezeichnet – sprichwörtlich. Das Ergebnis ist eine einmalige Gleichzeitigkeit von Real- und Zeichentrickfilm. Und tatsächlich, die Rechnung geht auf. Genau wie in der Romanvorlage erhält der Zuschauer die Ahnung eines Gefühls, wie es sein muss, selbst inmitten dieser von Drogen und totaler Überwachung verstopften Endstationswelt zu stecken – und all das mitzuerleben; aktiv, weil ebenso beeinflusst und anfällig für die abstrusen Gedankenspinnereien der Protagonisten, passiv, weil unfähig zu intervenieren, während die Situation sich mitsamt ihrer Akteure unweigerlich der Eskalation nähert.
Die totale Paranoia wird verstärkt durch subtilen Einsatz psychedelischer Klänge.

Die Schauspieler durchliefen diese Transformation gleichfalls und entpuppen sich als frappierend gute Besetzung für das kaputte Figurenensemble der Geschichte. Einzig Woody Harrelson als Ernie Luckman wirkt an einigen Stellen etwas deplatziert, was jedoch kaum weiter ins Gewicht fällt. Er, Keanu Reeves, Robert Downey Jr., Rory Cochrane und Winona Ryder zappeln, nuscheln und brabbeln was das Zeug hält, und das mit einem Affenzahn.
„Affenzahn“ ist etwas, das auch auf den Film als Ganzes zutrifft. Da man der Buchhandlung gerecht werden wollte, wurde nur wenig gekürzt. In Folge passiert in den 100 Minuten Film sehr viel sehr schnell sehr hintereinander. Das hysterische Tempo der Gespräche im eh sehr geschwätzigen Film ist maßgeblich für das ganze Geschehen. Gerade der Fakt, dass die Gleichförmigkeit des Daseins mit einem derartigen Tempo vermittelt wird, verstärkt den Drogeneffekt enorm. Das führt dazu, dass A Scanner Darkly eine sehr authentische, sehr spannende und recht experimentelle, dafür aber auch eine etwas sperrige, die eigenen Sehgewohnheiten hinterfragende Filmerfahrung ist.
Trotz des teils exakt übernommenen Wortlauts und dem Bemühen, alles Relevante miteinzubinden, muss die Geschichte natürlich mit so eklatanten wie notwendigen Auslassungen leben, damit Substanz und Atmosphäre des Filmes nicht verklumpen. Dadurch verliert die Story aber auch etwas von ihrer herrlich verkruppten Redundanz. Ebenfalls die Ereignischronologie wurde hier und da aus denselben Gründen etwas durcheinandergeschüttelt, was in dieser Geschichte aber kein allzu schwerwiegendes Vergehen darstellt.
Einige Elemente wie den Jedermannsanzug und die vielfältigen Drogenphantasien ließen sich natürlich gar nicht oder nur unzureichend visualisieren. Der abgedrehte Stil entschädigt aber nicht nur für vieles, sondern liefert auch Ersatz – im Falle des Anzuges sogar in symbolischer Form. Die Tatsache, dass auch Philip K. Dicks Konterfei kurz auf diesem zu entdecken ist, eröffnet, nebenbei gesagt, eine Deutungsebene, die sogar über das im Buch offensichtlich angebotene Interpretationsmaterial hinausweist.

Zwangsläufig muss die Story auf viele der wunderbaren Gedankenmonologe verzichten, die jede Tat wie  ein bizarres Badehandtuch unterlegen und der Geschichte erst ihren unverwechselbaren, genialen Drive geben. Trotzdem kann man Linklater nur reines Lob aussprechen. Er hat gemacht, was man überhaupt machen konnte. Höchstens eine Serie hätte es vermocht, näher an die Vorlage zu gelangen. Für die Möglichkeiten eines Spielfilmes ist A Scanner Darkly ein ist mehr als respektables Ergebnis mit eigenen Ideen und der notwendigen Achtung gegenüber der Vorlage.
Gerade diejenigen, welche mit den zugrundeliegenden Stoff nicht vertraut sind, dürften an einigen Stellen aber mit mittelschweren Verständnisproblemen zu kämpfen haben, weil Manches nur andeutungshalber vermittelt wird.

Fazit

Tatsächlich ist Richard Linklater das Kunstwerk gelungen, die unverfilmbare Geschichte des Großmeisters adäquat auf die Leinwand zu bringen. Das Ergebnis ist nichts, was sich unter Standard-Filmerfahrung verbuchen ließe, und gerade deswegen besonders sehenswert. Visuell und inhaltlich bemerkenswert, darstellerisch gewieft ausgelegt und unter Garantie nicht langweilig.

The Congress

Waltz with Bashir war und ist die wohl ungewöhnlichste Annäherung an den Libanonkrieg. Das dachte sich auch Hollywood und bedachte das halb-autobiographische (halb, weil sich Regisseur und Autor Ari Folman nicht erinnert) Animationskunstwerk mit einem Golden Globe. Anstatt mit diesem Erfolg so richtig durchzustarten, zog sich Folman zurück und tüftelte ein halbes Jahrzehnt an einer filmischen Umsetzung des Klassikers Der futurologische Kongress, welche heuer in den Kinos läuft.

Can i go back to where i came from?

Story

Robin Wright hatte ihre goldene Zeit als Sternchen in früher Jugend, als Filme wie Forrest Gump der Welt ihren Stempel aufdrückten. Seither hat sie – aus Sicht der Branche – eine Reihe falscher Entscheidungen getroffen: Sich nicht liften lassen und bei den zu spielenden Rollen wählerisch zu sein. Mittlerweile ist sie Mutter zweier Kinder, eines davon schwer krank, und lebt mit ihnen in einer zur Wohnung umfunktionierten Halle. Eines Tages kommen ihr Agent und ein Beauftragter der Firma Miramount auf sie zu und schlagen nochmals vor, was sie seither entschieden ablehnte. Sie soll sich digitalisieren lassen. Das Abbild ihres Körpers gehört der Firma für 20 Jahre und kann in jedem beliebigen Film mitspielen, während Robin selbst in dieser Zeit allerdings nicht mehr vor die Kamera darf und keine Kontrolle darüber hat, wo ihr digitalisiertes Ich auftritt. Die Umstände zwingen sie zur Zusage.

20 Jahre später ist die Schauspielerin sichtlich gealtert und gerade auf dem Weg zu einem Kongress. Ein Grenzwärter in der Wüste weist sie darauf hin, dass das Land hinter der Schranke vollanimiert sei. Robin schluckt eine Substanz und besucht als Zeichentrickfigur einen Zeichentrickkongress, wo nicht nur allerhand Skurriles geschieht, sondern bald schon Aufständische die Veranstaltung entern und heilloses Chaos anrichten.

Kritik


Da die Form der Inhaltsangabe das Gegenteil ahnen lässt, sei gleich vorangestellt, dass der animierte Part von The Congress auch der Hauptteil ist, beginnt er doch nach gut 40 Minuten und endet erst kurz vor Schluss.
Einerseits erzählt der Science-Fiction-Film eine sehr tragische und persönliche Geschichte, andererseits stellt er eine Abrechnung mit dem Schönheits- und Jugendwahn der Filmindustrie und deren Art, diesem Wahn Genüge zu tun, dar. Das alles ist eingewickelt in eine Zeichentrickoptik, die an Einfallsreichtum Waltz with Bashir gar mehrmals überrundet und mit besonderem Flair überrascht. Der Stil-Mischling wirkt trotz seiner inhaltlichen und visuellen Vielfalt an vielen Stellen ungalant und steif. Das fängt bei den Charakteren an. Robin Wright, gespielt von Robin Wright, macht da eine Ausnahme. Sie ist toll und facettenreich. Der ewige Zwiespalt, in dem sie sich befindet und aus dem sie nie entkommen kann, ist tief und ihre Gefühlswelt ebenso deutlich an ihrem Gesicht abzulesen wie das fortschreitende Alter. Der Rest des Figureninventars ist leider nicht ansatzweise so sorgfältig angelegt wie sie. Alle wirken seltsam überzeichnet und bringen dies auch in ihrer Sprache durchweg zum Ausdruck. Das mag vom Film intendiert sein, trägt es doch auch zur unwirtlichen, unangenehm absurden Atmosphäre bei. Doch gerade bei der ersten Sichtung drängt sich unweigerlich das Gefühl auf, Ari Folman wollte die Figurenarbeit schnell hinter sich bringen, um möglichst bald und dafür umso lauter die Zeichentrickkorken knallen lassen zu können. Ganz so wild ist es nicht und vor allem passt die blasse Charaktergestaltung zum Comicstil der 30er, doch verwehrt sie auch ein problemloses Abtauchen in die Geschichte und ihre Welt. Dazu kommen die teils sehr platten Analogien, mit denen immer wieder gearbeitet wird.
Der Film ergötzt sich sehr an seinen Bildern und das überwiegend mit Recht, weil es wirklich einiges zu bestaunen gibt und Manches davon fast schon als berauschend bezeichnet werden kann. Doch hinter mindestens ebenso vielen Absurditäten linst der Kitsch hervor, ein ums andere Mal stolpert der Film inmitten seiner hochambitionierten Schritte über die eigenen Füße und an vielen Punkten wirkt er einfach ein Stück zu lang, während er in seiner wuchernden Symbolhaftigkeit so wirkt, als verlöre er die Orientierung. Auch, ob die Geschichte am Ende wirklich ein schlüssiges Ganzes gibt, ist zumindest disputabel.
Andererseits ist es The Congress anzurechnen, den Mut zu besitzen, ausgerechnet in grillenhafter Zeichentrickform und mit platten Figuren zu verurteilen, dass Filme stetig wirklichkeitsfremder werden. Die Geschichte – angedeutet durch die Robin Wright, wie sie heute ist – in einer Art Gegenwart spielen zu lassen, die aber nicht die unsrige ist, um dann darauf 20 Jahre in die Zukunft zu springen, ist gleichsam bemerkenswert.
Was den Film letztlich so erfahrenswert macht, ist sein unbändiger Wille zur Kombination von Dingen, die man bisher nicht miteinander verbunden kannte. Das ist in einer Zeit, in der Geschichten sich immer schneller und stärker wiederholen, eine Tugend, die gar nicht zu stark gelobt werden kann.
Am Ende sitzt man im Kinosessel ist ratlos, in Betreff auf den Inhalt, aber auch emotional. Man fragt sich, ob dies genau das Gefühl ist, das der Film vermitteln wollte, lässt ihne Revue passieren und ist Dennoch nicht schlauer. Damit aber, dass man sich selbst nach Abschluss befragt, gelingt dem Film etwas, woran viele andere scheitern.

Fazit

Ari Folman ist abermals ein Film gelungen, der nicht nur durch seinen einzigartigen Look besticht, sondern diesen auch geschickt dafür zu nutzen weiß, die Inhalte zu unterstreichen. Im Zuge dieser Unterstreichung offenbaren sich aber auch kleinere und größere Schwächen, die zuvorderst bei der gewöhnungsbedürftigen Figurenzeichnung zu finden sind.
Sehenswert ist The Congress allemal, auch wenn er mit Stanisław Lems Roman nur noch Kleinigkeiten gemein  hat. Mit etwas mehr Feinarbeit und einem durchdachteren Erzählrhythmus wäre jedoch noch weit mehr aus dem ambitioniert ehrgeizigen Projekt geworden.

Schon jetzt darf man gespannt sein, was der israelische Ausnahmeregisseur als nächstes in Angriff nehmen wird.

Die Tribute von Panem – The Hunger Games

Neben vielen anderen wollte auch Die Tribute von Panem – The Hunger Games den Harry Potter-Tsunami nutzen und die neue Lesebegeisterung von Jugendlichen für fantastischen Stoff bedienen. Mit großem medialen und finanziellen Erfolg. Ganz wie die Kino-Umsetzung, die sich zu einem der erfolgreichsten Filme überhaupt entwickelte.


I think it’s our tradition.

Story

Panem ist die USA der Zukunft, zerschnitten in zwölf Distrikte und einen Regierungssitz. Hunger und Armut sind das Markenzeichen in dem Zonen-Dutzend, während die Herrschaften im Kapitol in Saus und Braus leben.
Die knappe Nahrung reicht für die unterdrückten Bewohner nicht aus, weshalb sie Essensrationen mit dem Kapitol tauschen müssen. Jede solche Ration bedeutet, dass ein weiterer Zettel mit dem Namen des Bittstellers in der Lostrommel landet. Einmal im Jahr werden aus der Trommel Teilnehmer für die Hungerspiele gezogen. Jeder Distrikt muss einen Jungen und ein Mädchen zwischen 12 und 18 in eine riesige bewaldete Arena schicken und dort kämpfen lassen, bis am Ende nur noch einer atmet. Die Veranstaltung ist das größte mediale Ereignis der Welt und dient primär dazu, an die eiserne Hand der Diktatoren zu erinnern und so Aufstände zu unterbinden.

Als ihre Schwester gewählt wird, meldet sich die kesse Katniss freiwillig, um ihr das Schicksal zu ersparen. Sie und der gleichaltrige Junge Peeta sind die Tribute des 12. Distrikts der 74. Hungerspiele.
In den reich geschmückten Hallen des Kapitols werden sämtliche Teilnehmer trainiert, um später einen möglichst eindrucksvollen Gladiatorenkampf liefern zu können. Je erfolgreicher man sich schlägt, desto mehr Sponsoren zieht man auf die eigene Seite und desto besser ausgerüstet zieht man in die Schlacht, in der es nur darum geht, den Blutdurst der Fernsehkameras zu stillen.

Kritik

Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Vielleicht bei der Bestürzung darüber, dass Die Tribute von Panem – The Hunger Games von der Presse so sehr über den grünen Klee gelobt wurde. Der Film ist nicht spannend, nicht außergewöhnlich gut gemacht, kaum eigenständig und frei von Überraschungen. Einzig der Kitsch hält sich zurück und tritt in verträglichen Dosen auf, wenn etwa die sorgende Katniss ihre kleine Schwester in den Schlaf singt. Dafür ist der Science-Fiction-Film an anderen Stellen umso platter. Die Bemühungen, eine bipolare Gesellschaft aufzubauen, verlaufen nach Schema F. Auf der einen Seite die Front der unschuldigen Wälder und der zerfallenden Zivilisation voller Hunger und Armut – zumindest, wenn man darüber hinwegsehen kann, dass sämtliche Schauspieler frisch gewaschen und wohl genährt sind. Auf der anderen Seite die dekadenten Schnösel, Günstlinge des totalitären Regimes, das im Überfluss schwelgt.
Wenn sich die Buchvorlage an den ausführlichen Beschreibungen des Oberschichtenprunks weidet, mag das authentisch wirken und Atmosphäre schaffen. Die Präsentation des verschwenderischen Kapitols wirkt in der Verfilmung jedoch nur unerträglich in ihrer Süffisanz. Aber unerträglich vorrangig deshalb, weil es so billig und platt realisiert wurde. Alles wirkt angemalt, künstlich und plakativ. Die Dekadenz ist ins Comichafte überzogen, dabei aber ohne eine Spur von Schneid.
Optisch ist von Anbeginn an unverkennbar, wer gut und böse ist. Gelfrisuren, ein knurriger Gesichtsausdruck und kantige Schönheit markieren die Bösewichte, die mit bekannter Tölpelhaftigkeit in jede noch so offensichtliche Falle spazieren. Natürlichkeit und weiche Gesichtszüge sind hingegen klare Merkmale von Helden. Die Figuren entsprechen sämtlich dem Klischee, nach dem sie aussehen.
Ein kurzer Lichtblick ist der Fakt, dass die Protagonistin Katniss sich in der interessanten Bredouille befindet, gute Miene zum bösen Spiel machen zu müssen, um die Sympathien der Sponsoren auf sich zu bündeln und damit eine Siegeschance zu bekommen. Das ist als Idee hübsch und in der Umsetzung nicht misslungen, aber auch der einzig wirklich bemerkenswerte Aspekt der ersten Filmhälfte.

Naturgemäß spannender wird es dann, wenn es nach dem recht zähen Trainingskapitel endlich in die Arena und dort ums nackte Überleben geht. Hier muss sich der Stoff aber den Vorwürfen hingeben, unverblümt vom modernen Klassiker Battle Royale zu kopieren, dessen Prämisse es in so gut wie allen Einzelheiten übernimmt
Was konstant bestehenbleibt, sind die vollkommen ideenlosen und deswegen grundsätzlich überflüssigen Dialoge. Die Kämpfe werden angemessen drastisch inszeniert, sind für sich aber auch nur leidlich spannend. Das liegt unter anderem daran, dass der Film einfach viel zu lang ist. Für das Epos, auf das die 142 Minuten ausgelegt sind, reicht die Geschichte vorne und hinten nicht. Zu der stattlichen Laufzeit kommt der Film somit auch nicht, weil er so viel zu erzählen hätte, sondern wegen seiner unendlich langsamen Heldin, die auf alles mit gelähmter Trägheit reagiert und den Zuschauer teils auf eine harte Geduldsprobe stellt. „So lauf doch endlich!“, möchte man ihr zurufen. Aber der Film ist lauter.
Jennifer Lawrence verkörpert das edle Mädel übrigens so gut, wie es nur geht, und spielt mit viel Talent gegen das müde Drehbuch an. Wenn es einen Grund gibt, den Film zu sehen, dann ist es ihre Performance. Eine große Verschwendung von Können, möchte man meinen, wenn da nicht Donald Sutherland wäre. Der Schauspieltitan hat ein paar krümelige Szenen als vollkommen eindimensionaler Patriarch abbekommen, in denen er zwar eindrucksvoll aussieht, aber etwas wird, für das der Begriff „verschenkt“ eindeutig zu gnädig gewählt ist.
Wirklich Mut beweist der Streifen dann doch noch kurz zum Ende, das zwar gut ausgeht, seine Hauptfigur aber mit einer überraschenden Konsequenz auszeichnet, die man sich zwei Stunden früher herbeigesehnt hat.

Fazit

Gary Ross versucht es wieder einmal allen zugleich recht zu machen. Weil Die Tribute von Panem – The Hunger Games gern von allem etwas wäre, ist es am Ende ein Film geworden, der recht wenig hat. Wenig eigene Ideen, wenig Spannung und wenig Charakter. Nach dem schleppenden ersten Part wird es zwar besser, von einem guten Film ist diese Buchadaption dennoch weit entfernt. Dann lieber ein weiteres Mal Battle Royale.

Das Sequel Die Tribute von Panem – Catching Fire kommt im November 2013 in die Kinos und ist dann hoffentlich eines der wenigen Filmexemplare, die gelungener sind als ihr erster Teil.

Nausicaä aus dem Tal der Winde

Nausicaä aus dem Tal der Winde ist ein Manga aus der Feder von Hayao Miyazaki, der sich selbst der Anime-Adaption seines Stoffes annahm und damit derart erfolgreich war, dass das berühmte Studio Ghibli gegründet werden konnte.
Damit war der Film Grundstein für Perlen wie Das wandelnde Schloss, Prinzessin Mononoke, Chihiros Reise ins Zauberland und Die letzten Glühwürmchen.
Das Mädchen Nausicaä mit der sonderbaren Schreibweise war die Mutter der Biographie eines Herren, der heute einstimmig als der bessere Disney bezeichnet wird.

Gehen wir…dieses Dorf wird bald im Meer der Fäulnis versinken.

Story

Nausicaä, die Prinzessin des Tals der Winde, ist das Kind einer postapokalyptischen Welt. Spuren der früheren Zivilisation sind weitestgehend getilgt. Was bleibt, sind verwaschene Erinnerungen und vereinzelte Relikte. Die Zivilisation beschränkt sich auf Gemeinden in Dorf- und Kleinstadtgröße, die dort liegen, wo der Boden noch fruchtbar genug ist, um Nahrung anzubauen und Bäume zur Erhaltung der Frischluft zu pflanzen.
Das Meer der Fäulnis greift unaufhaltsam um sich und treibt die Menschen vor sich her. Wo die giftigen Sporen hinfallen, wachsen bald schon giftige Pilze wie Geschwüre an allen Pflanzen und verderben ganze Landstriche. Die Sporen zerstören Lungen in kürzester Zeit, wenn kein Atemschutz getragen wird, und im Meer der Fäulnis wimmelt das grausigste Getier.
Als im Dorf ein Luftschiff aus dem Königreich Torumekia abstürzt, bricht Chaos aus. Soldaten marschieren ein und besetzen das Tal der Winde. Nausicaäs Vater wird getötet und die kriegerische Prinzessin Kushana steht kurz davor, die riesigen Stahlgiganten, die einst für den Untergang der Zivilisation sorgten, wieder zum Leben zu erwecken, um das Land wieder urbar zu machen.

Kritik

Bedrohlich wirkende Tiere robben durch eine Flora, die wirkt, als gedeihe sie in einer außerirdischen Unterwasserwelt. Und Sporen, überall Sporen, denen der Mensch nur auf Zeit und mit Luftfilter trotzen kann. Giftstürme toben über das Land. Der Boden ist ein Gewimmel aus Insektenpanzern und vielgliedrigen Beinen, die viel zu massige Körper tragen. Der Luftraum ein einziges Brummen und Surren das von riesigen Wesen mit spröden Flügeln herrührt. Seltene Relikte aus längst vergessenen Zeiten zerfallen bei Berührung zu Asche. Die Welt ist Feind.
Beachtlich ist an Nausicaä aus dem Tal der Winde vor allem anderen die einzigartig dichte Atmosphäre der Bedrohlichkeit, die im Meer der Fäulnis Publikum und Heldin in Empfang nimmt. Geschaffen durch eine fremdartige Soundkulisse, gedämpft von der pollenschweren Luft, und den detailversessenen Zeichnungen. Die tote Welt in Hayao Miyazakis erstem großen Streich ist so lebendig, wie sonst kaum eine. Auch die bäuerliche Gesellschaft wird mit Liebe präsentiert, doch so mitreißend in Szene gesetzt ist nur das Außerhalb.
Das liegt nicht zuletzt an der damals wie heute sehr speziellen Version der Postapokalypse. Wir sehen keine Häuserruinen, keine evakuierten Städte, durch deren Straßen nun der nukleare Wind pfeift und das Knochenmehl zersetzter Gerippe abträgt. Miyazaki greift viel weiter in die Zukunft, wo auch Ruinen bereits von Zeit verschluckt wurden und selbst Sagen im Sterben liegen. Die Natur, die der Mensch verformte, hat ihn sich wieder ganz Untertan gemacht.
Dazu kommt ein furchtbar wilder Mix unterschiedlicher Epochen. Krieger in Ritterrüstung strömen aus Steam-Punk-Luftschiffen, schwingen Schwerter und bedienen Feuerwaffen, die aus dem ersten Weltkrieg stammen könnten. Viktorianisch anmutende Befehlshaber invadieren mittelalterliche Siedlungen mit Strohdächern, wo die zwergischen Bauern mit einfachstem Gerät in Furcht vor und Einklang mit der Natur leben. Besonders hier macht sich bemerkbar, dass Miyazakis zuvor an der allseits bekannten Heidi-Serie mitgewirkt hat – in positivem Sinne. Dazu kommen futuristische Luftgefährte mit Raumschiff-Design, Sci-Fi-Relikte und sogar eine Art Cleopatra. Zu allem Überfluss ist das Ganze auch noch inspiriert von der antiken griechischen Sage der Königstochter Nausikaa, das Ende kann als Erlösergeschichte gelesen werden und einfach, weil der Film es kann, leistet er am Anfang eine freundliche Reminiszenz an den SF-Klassiker Die Reise zum Mittelpunkt der Erde. Das klingt nach ungenießbarem Stilkompott, aber der Film schafft es spielend, diese Elemente zu einem harmonischen Ganzen zu verrühren, denn nichts wirkt erzwungen oder aufgesetzt.
Im Hintergrund wird eine faszinierende Mythologie gewoben und die wenigen Rückblicke aufgrund von mündlich tradierten Legenden kreieren ein beunruhigendes Untergangsszenario, an dem teilzuhaben mehr als nur unangenehm sein würde.

Im Gegensatz zu tatsächlichen Ghibli-Produktionen wird in diesem Frühwerk eine noch sehr östliche Instrumentalisierung eingesetzt, auch wenn erste studiotypische-Themen bereits zögerlich durchschimmern. Kein Wunder, denn dies war die erstmalige Zusammenarbeit des visionären Filmemachers mit seinem Stammkomponisten Joe Hisaishi. Die Musik ist aber auch der Grund dafür, dass es manchmal etwas rührseliger vorgeht, als es eigentlich nötig wäre – hie und da (aber nicht zu oft) wird der Klangteppich zu dick und aufdringlich ausgelegt.
Die spannende Geschichte um das tapfere Mädchen (etwas verstörend: Unter ihrem kurzen Rock ist sie nackt, wird aber niemals sexualisierend inszeniert) fesselt von der ersten Minute und hat altbekannten Ghibli-Charme. Leider findet im letzten Drittel dann eine Fokusverlagerung statt, die dem Film nicht nur Gutes tut. Weg vom Individuum und seiner Aufgabe, hin zu großen und kleinen Schlachten und dem Schicksal weiterer Figuren. Der Kriegstreiberei wird zum Schluss zu viel Gewicht gegeben. Einnehmend inszeniert ist sie zwar, doch vermisst man die taffe Protagonistin, die man eigentlich begleiten möchte. Der Grund für die starke Rollenbindung ist auch in einer Gewohnheit gegründet: Nausicaä aus dem Tal der Winde strotzt nämlich nur so vor Märchenelementen und –symbolik. Angefangen bei der Hexe und der bösen Königin über die Tiere als Helferlein bis hin zum kleinen Held mit großer Queste – die Verneigung vor dem westlichen Mythenfundus ist unübersehbar, doch liebenswert und niemals plump oder zum reinen Selbstzweck eingebracht. Dazu gehört natürlich auch die notwendige Moral. Wie in vielen Werken des Studios Ghibli gibt es auch hier die Reibungspunkte Zivilisation und Natur. Die ökologische Botschaft mag für den einen oder anderen Zuschauer vielleicht ein klein wenig zu überpräsent sein, eigentlich fügt sie sich aber problemlos in den gegebenen Rahmen.

Mangavorlage und Verfilmung unterscheiden sich übrigens vor allem in ihrem Ende – wie so oft kam der Stoff auf die Leinwand, bevor der Schluss in Panelform vorlag, weshalb deutliche Abweichungen vorherrschen, die in diesem Fall aber der Erfinder der Geschichte selbst zu verantworten hat, weshalb von Quellenverrat kaum die Rede sein kann.

Notabene: Erst seit ein paar Jahren ist der Film in seiner Ursprungsfassung hierzulande erwerbbar. Wer vorher in den Genuss des ganzen Werks kommen wollte, musste andere Wege gehen. Als er 1985 aufgrund seines durchschlagenden Erfolges bei Fans auch nach Deutschland kam, benannte man ihm kurzerhand in Warriors of the Wind um, schnitt satte 23 Minuten aus ihm raus und modelte die Message von Frieden und Naturvertrauen um in einen biederen Gut-Gegen-Böse-Plot, in dem sich plötzlich eine „Prinzessin Sandra“  gegen furchtbare „Gorgonenmonster“ behaupten muss. Klingt auch sympathisch, mit der eigentlichen Geschichte hatte es aber kaum noch was zu tun. Tatsächlich kursierte damals sogar ein VHS-Tape, das den völlig inhaltsfernen Titel Die Sternenkrieger trug. Das Studio distanzierte sich ausdrücklich von der misshandelten Form ihres Filmes.

Fazit

Mit Nausicaä aus dem Tal der Winde gelang Ghibli-Vater Hayao Miyazaki der erste große Schritt und hinterließ Fußstapfen, die bis heute maßgeblich sind. Eine Heldin, die menschlich ist und sofort ins Herz geschlossen wird, eine fantastische Welt mit greifbarer Bedrohung und all das in einer spannend erzählten Geschichte. Sicher, so formvollendet, wie es die preisträchtigen Nachfolgewerke wie z.B. Das Schloss im Himmel sind, ist der Film noch nicht, aber der unnachahmliche Esprit, den die Produktionen dieses Studios versprühen, ist bereits zur Gänze vorhanden.
Quasi alle anderen Animes, die danach kamen, sind auf die ein oder andere Weise Erbe dieses Filmes.

Repo Men

Ein Regieneuling schnappt sich Oscargewinner Forest Whitaker und den immerhin zweifach nominierten Jude Law, um einen Science-Fiction-Film zu drehen. Die Namen lassen an Filme wie Species, A.I. – Künstliche Intelligenz, eXistenZ und Gattaca denken. Und vielleicht auch an Sky Captain and the World of Tomorrow, hat man diesen Film nicht erfolgreich verdrängt.
Trotz der qualitativen wie thematischen Bandbreite dieser Assoziationskette weiß Repo Men aber noch zu überraschen.

He’s gone to get more meat.

Story

2025 sind Organtransplantate ein riesiger Markt. Lahmt die Lunge, Leber oder Niere, schaut man kurz bei den zuvorkommenden Vertretern von The Union vorbei, führt ein lockeres Verkaufsgespräch und kriegt ein neues Exemplar, Garantie inklusive. Wirklich günstig ist das Ganze zwar nicht und vor allem die Zinssätze machen dem Normalbürger zu schaffen, aber irgendetwas ist ja immer.
Problematisch wird es dann, wenn ein Käufer mit den Raten in Rückstand gerät. Dann wird ein Vertreter geschickt, der sich das Eigentum der Firma auf unglimpfliche Weise zurückholt.
Repo Men werden diese Außendienstler genannt. Remy und Jake sind solche Repo Men und gehören zu den Besten der Besten. Davon abgesehen, dass Remys Ehefrau ihn drängt, einen weniger aufregenden Job zu wählen, läuft alles bestens. Der alltägliche Sprung von eiskaltem Todesengel zum fürsorglichen Familienvater klappt problemlos.
Bis Remy nach dem Kontakt mit einem defekten Defibrillator eines Tages im Krankenhaus aufwacht und feststellen muss, dass er nun selbst ein künstliches Organ seiner Firma im Körper hat.
Von der Familie verlassen und erschüttert in seinen Überzeugungen, gerät er in eine tiefe Sinnkrise, die dazu führt, dass die Raten nicht bezahlen kann.

Kritik

Dem Futurismus der Welt von Morgen sieht man zwar an, dass das Budget ruhig noch eine Schippe mehr Finanzen vertragen hätte, trotzdem ist die Welt insgesamt sehr stimmig. Atmosphärischer Lichtwurf, technische Details und interessante Überlegungen schaffen eine dichte und ungemütliche Atmosphäre. Auch die grundsätzlich gelungen Figuren tragen mit ihren fragwürdigen Moralvorstellungen und Handlungen dazu bei.
Leider sind sie es auch die Figuren, genaugenommen deren Entwicklung, woran es dann in erster Instanz ein wenig hapert.
Die Gestalt des Remy, der kaltblütiger Organeintreiber und warmherziger Ehemann und Vater zugleich sein muss, ist spannend angelegt und mit Jude Law strategisch durchdacht besetzt. Dass dieser Konflikt mehr gezeigt als ausformuliert wird, ist darüber hinaus eine ausgezeichnete Entscheidung. So wirksam der Status quo der Figur sich aber darstellt, so wenig nachvollziehbar gestalten sich Remys Veränderungen. Dass er ein unsympathischer Zeitgenosse ist, mit dem sich zu identifizieren kaum möglich ist, ist eine Sache, die durchaus beabsichtigt sein mag. Dass seine Handlungen einer kaum zu erahnenden Logik folgen, wird wohl weniger der Wille der beiden Drehbuchschreiber gewesen sein, was dazu führt, dass die grundsätzlich sehr möglichkeitsoffene und tragische Figur ein wenig anstrengend und ärgerlich wird, weil der Zuschauer sich einfach nicht auf sie verlassen kann. Sie tut, was sie tut, damit die Geschichte vorangeht. Nicht aber handelt sie aus eigenen, natürlichen Motivationen heraus. Vor allem der obligatorische Gesinnungsumschwung des Repo Man mag auf dem Papier gerade so funktionieren, wirkt direkt an Charakter und Schauspieler gekoppelt, aber unverständlich. Und das, obwohl der Prozess ausführlich über Off-Texte erläutert wird.
Der guten Ausgangslage nicht gerecht werden kann man auch bei einem weiteren flexiblen Element des Filmes nicht. So sorgsam der Anfang und der Startpunkt der Charaktere ausgeleuchtet sind, so vorhersehbar verhält sich das Weitere. Repo Men ist durchaus spannend, immer nett anzusehen und langweilt nicht, das sei festgehalten. Aber die Geschichte um den Organjäger, der geläutert wird, indem er selbst zum Gejagten wird und unterwegs seine große Liebe findet, ist faules Malen nach Zahlen im Lehrbuch für schematische Charaktergrundlagen.

In der düsteren Welt von Repo Men ist man nicht sehr sauber, aber akkurat. Akkuratesse kann in diesem Zusammenhang auch mal bedeuten, dass jemandem mit einer Schreibmaschine der Kopf zerdellt wird. Wie man an den künstlichen Organen und Körperteilen rumfingert, sie nach Herzenslust rein- und rausoperiert und dabei nach Laune Körper öffnet, grenzt an Splatter und ist nichts für schwache Mägen. Kein Vergleich zu Laws Auftritt im modernen Sci-Fi-Klassiker Gattaca, der im gegen das hier geradezu steril und prüde wirkt. An diesem Punkt wird auch noch einmal die Doppelmoral des Charakters in der Handlung und der Charakterentwicklung des Drehbuchsdeutlich. Zwar wechselt Remy die Seiten, doch seine Methoden bleiben die gleichen. Nur dass jetzt eben die Menschenleben des gegenüberliegenden Ufers ihr Existenzrecht in seinen Augen verwirkt haben. Menschen, wie er selbst vor ein paar Tagen noch einer war. Die, die ihm in Ausführung ihrer Arbeit – und wenn es nur Polizisten sind – im Weg stehen, werden nicht nur gewissenlos niedergemäht, sondern regelrecht hingerichtet. Der Kampf gegen die eigenen Arbeitskollegen zum Ende hin schlägt mit seiner menschenverachtenden Ästhetik dann eindeutig dem Fass den Boden aus und hat außerdem mit dem bisherigen Grundton des Filmes überhaupt nichts mehr gemein.
Ein Mann, dessen Motive irrational erscheinen, der nach der Trennung von seiner Gattin die nächstbeste Frau an seine Seite zerrt und blindlinks Freund wie Feind mordet, kann nur schwerlich als tauglicher Filmprotagonist herhalten. Hauptfiguren müssen natürlich nicht immer sympathisch und können sogar gerne, wenn es denn richtig angegangen wird, hassenswerte Unholde sein. Doch muss man sich fratgen, ob dies bei Repo Men in der vorliegenden Form beabsichtigt war. Das verleiht dem Film besonders in der zweiten Hälfte einen sehr unbequemen Beigeschmack. Sollte dies Plan von Regisseur und Drehbuchautor gewesen sein, darf man aber verhalten gratulieren. Denn die Botschaft des Filmes wäre dann eine ganz andere, in Anbetracht der mauen Grundgeschichte vielleicht sogar deutlich erzählenswertere. Einen ähnlich vor den Kopf stoßenden Zwist gab es schon mal bei Equilibrium.
Wenn man so möchte, wird das Ganze durch einen Dreh am Ende vollkommen relativiert, ohne an dieser Stelle zu viel verraten zu wollen. Ob – und wenn ja, in welchem Maße – das die Botschaft beeinflusst, mag jeder für sich selbst entscheiden. Vielleicht ist aber auch gerade das die Stärke von Repo Men: Dass er es dem Zuschauer nicht leicht macht und erst recht nicht abnimmt, sich selbst für eine Seite zu entscheiden und moralische Fragen für sich tatsächlich beantworten zu müssen. So gesehen ist dieses Werk nicht unbedingt besser, tatsächlich aber in mancher Hinsicht wertvoller als die meisten anderen Filme.
Die Handvoll Kampfeinlagen wird demgemäß ausgiebig gezeigt. Dank dem dynamischen Schnitt sind diese auch nett anzusehen und aufgrund ihrer intensiven Körperlichkeit keineswegs unspannend.

Dass das Szenario so unglaubwürdig ist wie bösartig ist, darüber muss hinweggesehen werden. Angesichts der souveränen Inszenierung und dem guten Score ist das auch keine unlösbare Aufgabe. Nimmt man hin, dass der Protagonist ein ziemlicher Schuft ist, und sieht man über grobe Schnitzer in der Charakterentwicklung hinweg, bleibt dem altbekannten Grundplot zum Trotz ein sauber gedrehter, sehr atmosphärischer Sci-Fi-Thriller mit viel Abwechslung und einem wirklich dreckigen Jude Law.

Fazit

Ein seltsamer Mischling ist Repo Men. Ganz ohne Vorwissen würde man nicht erahnen, dass der Sci-Fi-Film mit Jude Law eine knallharte, an vielen Strecken unangenehm brutal bebilderte Geschichte ohne wirkliche Identifikationsfigur ist.
Schwächen in eigentlich essenziellen Punkten werten den Film ab, die gekonnte Inszenierung und die unangenehme Stimmung machen ihn dennoch zu einem immerhin nicht uninteressanten und grundsätzlich auch sehenswerten Genrebeitrag.