Doctor Who – Staffel 8

Wir sind zurück für eine Stippvisite bei Doctor Who, der langlebigsten TV-Serie und dem wandlungsfähigsten Nomaden der Weltgeschichte und darüber hinaus der einzige Artikelanlass, bei dem der Schreiber dieser Zeilen in der Ich-Form rezensieren wird. Denn wenn jemand so wenig Ahnung von der Materie hat und so viele Dinge nicht weiß, ausließ und schlicht völlig verkennt und dem Rezensionsobjekt darüber hinaus eine Armada an Fans gegenübersteht, verkäme es zu einem Hohelied an die Albernheit, einen Artikel schreiben zu wollen, der von einem Hauch von Sachlichkeit getragen wird. Was hier zu lesen ist, das ist keine Kritik im eigentlichen Sinne, sondern ein Essay. Und Essays haben offensichtlich von Natur aus lange Einführungstexte. Warum auch nicht, man kann ja schreiben, was man will.
Dass jede Kritik im eigentlichen Sinne eh ein Essay ist, lasse ich hier außer Acht, um den Effekt des Ganzen nicht zu hintergehen.

Please, don’t even argue.

Story

Der Doctor – ignoriert man die Kriegs- und die Bio-Meta-Krisen-Variante – regeneriert zu seiner zwölften Form. Sie ist älter, gleichgültiger, zynischer, befremdlicher. Das merkt auch Clara Oswald, die für die vorherige Ausführung des Timelords weit mehr als nur platonische Gefolgschaft war und sich nun völlig neu positionieren muss, wenn sie weiterhin Reisender in der TARDIS sein möchte.
Unterdessen schmiedet eine alte Bekannte ihre ganz eigenen Pläne. Pläne, die mit etwas zusammenhängen, was man als das Paradies – das Leben nach dem Tod – bezeichnen könnte.

Kritik

Es hat sich einiges zugetragen und als erstes fällt auf, dass die Autoren sich erfolgreich Mühe gegeben haben, all dies nicht über Gebühr zu verkleinern oder gar zu verleugnen, sondern Geschehenes als tragendes Element für die große Story voraussetzen, die Geschichten dabei aber trotzdem auf eine Weise zu erzählen, dass sich Quereinsteiger nicht verloren- und alleingelassen fühlen. Dass dem so ist, dafür kann ich als Quer- und Wiedereinsteiger bürgen.
Das Problem beim 2005er-Neuanfang war seinerzeit ein so einfaches wie großes. Weder die Geschichten noch die Figuren überzeugten. Was blieb, war eine halbwegs gut funktionierende Beschwingtheit, britischer Akzent und etwas Charme, dem zwischen den zahllosen uninspirierten Minigeschichten aber irgendwann die Puste ausging.

Um von hinten anzufangen: Die Charaktere, das Herzstück einer jeden Serie mit fortlaufender Geschichte, sind nicht nur ein bisschen, sondern deutlich besser. Die Begleiterin nervt nicht, sondern ist ein resoluter Charakter mit ordentliche Profil und deutlich mehr Aufgaben als eben nur Begleiter zu sein, weil ein Doctor nun mal Begleiter hat. Das geht sogar so weit, dass sie einen ganzen Storystrang für sich beansprucht. Und das ist wiederum ein Problem, denn die Geschichte darüber, wie schwer das Herumgedoktore und ihre sich gerade entwickelnde Liebesbeziehung zu einem Kollegen aus dem Lehrerzimmer namens Danny Pink miteinander vereinbar sind, ist fad und jedes Mal ein ziemlicher Stopper für Geschwindigkeit, Fortschritt und Spaß.
Der (nunmehr zwölfte) Doctor selbst ist hingegen ein ziemliches Highlight – weil Peter Capaldi ein solches ist, mit dem wohl erstmalig ein Oscargewinner in die Haut des Timelords schlüpft. Dass es den Goldjungen 1995 für einen von ihm selbst gedrehten Kurzfilm gab, tut hier nichts zur Sache, denn ein formidabler Darsteller ist der Gentleman durch und durch. Die etwas ergraute Erscheinung in Verbindung mit der sprunghaften, aber nie (und das ist wirklich bemerkenswert) dümmlichen Mimik ist die perfekte Hülle für einen zeitreisenden Schlingel, der noch nie so sehr Alien war, wie in diesem Fall. Empathielos, Ich-Besessen und nie so recht durchschaubar präsentiert sich hier ein Doctor Who, bei dem der Zuschauer häufiger mal ins Stocken kommt und sich die Frage stellt, ob der gute Mann vielleicht überhaupt gar nicht so gut ist. Dass eine Serie so etwas wiederkehrend leisten kann, verdient Lob. Und das bekommt sie hier.
Die Figuren – den aggressionsfördernden Freund von Clara Oswald mal außen vor gelassen – sind also ansprechend und machen Spaß. Und die Geschichten selbst?
Nun, da ist der Tee schon nicht mehr ganz so klar, aber immer noch lecker. (An dieser Stelle fällt auf, dass das mit der Ich-Form nicht klappt. In Folge brauchte es einen Teevergleich, der ja zum Glück auch bestens der britischen Serie zu Gesicht steht.) Mal wird sich geschrumpft und ein Ausflug ins Innere eines vermeintlich gutmütigen Daleks unternommen, um Eine phantastische Reise von 1966 zu ehren, mal werden bedeutsame Persönlichkeiten aus der menschlichen Historie unter die Lupe genommen. Und so fort. Der Punkt ist aber, dass die Inszenierung einfach um Welten ausgereifter ist als noch vor 10 Jahren, und dies ist tatsächlich schon die halbe Miete, wenn man willig ist, sich von schönen Schauplätzen, einem gelungenen Schnitt und sensibler Musik ein wenig bezirzen zu lassen. Obschon die überwiegenden Stories im Kern sehr durchschnittlich sind, funktioniert das Konzept dennoch, weil die Charaktere einen so immensen Eigenwert besitzen und die Regie einfach so tut, als würde da eigentlich etwas ganz anderes, viel besseres erzählt werden. All das hebt den neuen Doctor Who weit über sein Alter Ego aus dem Jahre 2005 hinweg. Und dann gibt es da ja auch noch die Folgen, die eine Geschichte erzählen, welche es durch aus in sich hat.

Leider existieren aber auch sehr viele Momente, in denen es die Serie mit dem Evozieren von Dramatik und Bedeutungsschwere maßlos übertreibt. Plötzlich brechen die Dialoge ins Pathetische ab, die Musik fängt an zu seufzen und die Kamera wirft sich endlos schmachtend vor einer solchen Szene auf die Knie, während der Zuschauer (Ich!) sich bei so viel Theatralik auf den Arm genommen und übers Gesicht geleckt fühlt. Es ist nicht nur schade, es ist völlig unverständlich, wieso dies ab und an passiert, denn ansonsten haben die Regisseure, wie gesagt, ein wirklich gutes Händchen für den Umgang mit dem Stoff.

Fazit

Die 12 Folgen (zuzüglich des einstündigen Weihnachtsspecials), in der der 12. Doctor seinen Einstand hat, sind zeitgemäße, absolut gelungene Serienunterhaltung im 45-Minuten-Format, die seit dem Neustart aus dem Jahr 2005 enorm viel dazugelernt hat. Der charismatische und undurchsichtige Peter Capaldi ist die perfekte Besetzung und Clara Oswald eine starke Begleiterin – gemeinsam geben die beiden ein Gespann ab, das tadellos funktioniert und damit über eher mäßige Geschichten problemlos hinwegtröstet.
Die obligatorische und sich furchtbar überflüssig anfühlende Liebesnot von Clara hätte definitiv keinen eigenen, völlig inspirationslosen Part von so großem Gewicht verdient gehabt und die Augenblicke, in denen sich jäh alles in aufgesetzte Dramatik stürzt, trüben das Gesamtbild leider sehr.
Dennoch: Diese Reinkarnation ist eine gute, finde ich.