Dollhouse – Staffel 1

Joss Wheon ist ein wenig wie der Heiland des modernen amerikanischen Unterhaltungskinos. Buffy – Im Bann der Dämonen und Angel – Jäger der Finsternis machten ihn (trotz der deutschen Untertitel) groß. Firefly sicherte ihm den Status eines Halbgotts und The Avengers lieferte den Beweis, dass ein klasse Geschichtenerzähler selbst auf rutschigem Blockbuster-Boden ein klasse Geschichtenerzähler bleibt. Ganz zu schweigen von all den Comics, durch die er als Autor seine Welten auch post mortem weiterleben lässt. Nun ja, natürlich gibt es da auch noch Alien – Die Wiedergeburt, aber das lässt sich getrost als einmalige Jugendsünde verbuchen.
So wie vielen die Identität des Regisseurs des 4. Alien-Filmes nicht bewusst ist, so wird auch Dollhouse gerne übergangen, wenn man an die Werke des Joss Whedon denkt. Nicht ganz zu Recht.

Did I fall asleep? 

Story

Vor der Außenwelt versteckt, dieser nur als urbane Legende bekannt und mit modernster Technik ausgestattet, ist das Dollhouse eine Agentur der besonderen Art. Freiwillige schenken diesem Unternehmen für eine im Vorfeld festgelegte Anzahl an Jahren ihren Körper und werden dafür reich belohnt. Ihre Persönlichkeit wird auf einem Speichermedium zwischengelagert, während der Leib, quasi entgeistet, mit unkomplizierter Servilität durch das Dollhouse streift, dort Bonsai-Bäume frisiert, schwimmt und schlummert. Geht ein Auftrag ein, wird der passende Körper – Doll genannt – ausgewählt und mit der für den Anlass geeignetsten Persönlichkeit bestückt. In wenigen Sekunden werden so Tanzlehrer, Elitesoldaten, Meisterdiebe und sanftmütige Liebhaber erschaffen. Genügend Kaufkraft vorausgesetzt, kann sich der Auftraggeber einen Menschen nach Maß anfertigen lassen.
Nicht alle Mitarbeiter der Organisation haben die moralischen Fragen, die solche Arbeit aufwirft, für sich vollständig beantwortet. Außerdem kommt der FBI-Agent Paul Ballard dem Dollhouse mit obsessivem Eifer auf die Schliche und nicht zuletzt hat man nicht nur mit den gesichtslosen Strippenziehern hinter dem globalen Netwerk aus Puppenhäusern, sondern auch mit einem  Schatten der eigenen Vergangenheit zu kämpfen. Es häufen sich nämlich die Anzeichen, dass der geheimnisvolle Alpha – der vor geraumer Zeit ein Massaker in der Organisation angerichtet hat – gar nicht so tot ist, wie man zu glauben versucht. Dass die willenlosen Dolls neuerdings besorgniserregend verhaltensauffällig werden, schürt die Sorgen zusätzlich.

Kritik

Nimmt man es genau, ist Dollhouse eigentlich nur eine weitere Serie nach bewährtem Akte X-Muster. Eine klandestine Organisation schickt Agenten aus, um besonders heikle Aufträge elegant und verschwiegen auszuführen, während man über die Folgen hinweg gleichermaßen Bedrohungen von Außen und von Innen abzuwehren hat.
Aber natürlich will Dollhouse viel mehr als nur ein weiterer Klon sein, schließlich hielt sich ein bestens gelaunter Joss Whedon am Set auf. Deswegen schickt man sich an, den Zuschauer vor dasselbe Gewissens-Dilemma zu stellen, mit dem auch die Figuren zu hadern haben. Die Beschäftigten im Dollhouse werden einem nahegebracht, sie sind mehrdimensional, sensibel, haben nachvollziehbare Schwächen, gehen als Protagonisten aber einer moralisch höchst verwerflichen Tätigkeit nach. Auch Paul Ballard, der der Gruppierung mit an Selbstaufgabe grenzender Besessenheit auf die Pelle rückt, ist kein Unschuldslamm und zudem viel zu selten und unregelmäßig präsent, um als alleinige Hauptperson fungieren zu können.
Als stummer Betrachter stellt man sich deshalb unweigerlich immer wieder die Frage: Will ich mit Leuten sympathisieren, die in selbstgerechter Weise Gott spielen? Problematisch wird es dann, wenn man sich ein klares „Nein“ als Antwort gibt, denn ohne Identifikationsfiguren bleibt nur eine halbgare Geschichte.

Zu oft bremst sich Dollhouse selbst mit knapp an der Belanglosigkeit vorbeischrammenden Episoden aus, die die Haupthandlung wenig bis gar nicht voranbringen und für sich nicht mehr zu bieten haben als die Story einer austauschbaren Crime-Serie. Das verwässert das interessante Grundprinzip und sorgt im schlimmsten Fall für Überdruss.
Natürlich ist Doll Echo als eigentliche Hauptfigur konzipiert, doch durch die ständig wechselnden Persönlichkeiten ist ihr Charakter einfach zu wenig greifbar.
Erwartungsgemäß spannend wird es immer dann, wenn die Serie sich traut, an die großen Fragen heranzutreten, wenn in den Dolls nach einer Seele gesucht wird, sich die ominöse Chefetage zu Wort meldet oder sich eine geheimnisvolle dritte Partei einmischt und dem FBI-Agenten unter die Arme greift.
Leider liefert die erste Staffel in dieser Hinsicht viel  zu wenig Futter und belässt es meistens bei Andeutungen. Das einzige Geheimnis, das am Ende weitestgehend gelüftet wird, ist das um Unheilsbringer Alpha. Doch nach den vollmundigen Ankündigungen fällt gerade diese Antwort etwas zu simpel und nüchtern aus, sodass das große Mysterium sich am Ende als gar nicht so groß und mysteriös erweist. Dass es neben den durchwachsenen Folgen aber auch einige sehr raffiniert gestrickte Episoden mit gelungenen emotionalen Einlassungen gib, soll an dieser Stelle aber nicht übergangen werden.
Die Leistungen der Darsteller sind ebenso durchwachsen, auch wenn alle ihre Momente bekommen, in denen sie glänzen können. Am positivsten fällt Eliza Dushk in der Rolle von Echo auf. Die diversen Persönlichkeiten, die in ihren Körper verpflanzt werden, spielt sie übereugend aus, indem sie Mimik, Körperhaltung und sogar ihre Stimme entsprechend anpasst, ohne dass die unterschiedlichen Rollen je aufgesetzt wirken. Etwas schade ist, dass sie ausgerechnet in den Martial Arts-Einlagen keine gute Figur macht.
Außerdem besticht das Ensemble durch allerhand vertraute Namen. Zu dem Whedon-Familientreffen von Darstellern aus Buffy, Angel und Firefly (z.B.  Eliza Dushk , Amy Acker, Alan Tudyk) gesellen sich Battlestar Galactica-Veteranen (Tahmoh Penikett, Mark Sheppard) und ein 24-Star (Harry Lennix).
Gesonderte Erwähnung verdienen die optischen und die klanglichen Seiten. Die 12 Folgen verzichten streng auf jede Art von typischem Farbfilter, sodass die Serie für amerikanische Verhältnisse eingangs etwas klinisch wirkt. Genau wie beim ungewöhnlichen Soundkonzept, das am Anfang noch nach Fahrstuhlmusik klingt, trägt dies von Folge zu Folge nachhaltig zur Grundstimmung bei. So, wie die Dolls vermehrt eigene Persönlichkeit durchschimmern lassen, so offenbart auch Dollhouse mit jedem Ereignis seine eigene Note etwas stärker.

Fazit

Mit etwas mehr Mut hätte man aus der faszinierenden Grundidee viel herausholen können. Doch Dollhouse nimmt sich zu oft durch unnötige Lückenfüller das Tempo und scheitert letztlich an den eigenen Ambitionen. Die Krimihandlungen weisen zu wenig eigene Ideen auf, das Spiel mit der Moral und dessen Folgen bekommt nicht genügend Raum.
Die guten Eposoden und insbesondere das tollkühne und gänzlich unerwartete Staffelfinale, welches übrigens nie ausgestrahlt wurde, entschädigen jedoch und machen Dollhouse nicht zu einer außergewöhnlich guten, aber trotzdem sehr sehenswerten Sci-Fi-Serie.