Love ist bekannt, weil Finanzen und Musik von der Rockband Angels & Airwaves stammen. Angels & Airwaves sind bekannt, weil blink-182-Frontmann Tom DeLonge mitmischt. Love heißt dieser Film, weil das 2009er Album der Band diesen Namen trägt. Dieses gab es kostenlos als Download. Der gleichnamige Film war nicht ganz so günstig, mit einer halben Million US-Dollar aber immer noch ein echtes Schnäppchen.
FK these noises.
Story
20 Jahre lang hat kein Mensch mehr die Erde verlassen. Am 07.07 2039 wird diesem Missstand ein Ende gesetzt und Astronaut Lee Miller ins All geschossen. Genauer gesagt auf die 360 Kilometer entfernte Raumstation L-E-O, um dort nach dem Rechten zu sehen.
Anfangs sieht alles gut aus und Lee, der dort unten eine kleine Berühmtheit ist, erledigt seine Aufgaben mit routinierter Gelassenheit.
Kurz darauf bricht der Kontakt zur Erde ab und der junge Raumfahrer sitzt vollkommen isoliert auf der beengenden Station fest. Aus Stunden werden Tage, aus Tagen Jahre. Die Lebenserhaltungssysteme funktionieren weiter, Luft und Verpflegung sind gewährleistet, alles weitere nicht.
Vielleicht stimmt etwas auf der Erde nicht, vielleicht stimmt etwas nicht in der lebensfeindlichen Schwärze des Alls; vielleicht sowohl als auch. Womöglich stimmt auch einfach mit Lee selbst etwas nicht, der zusehends durch die Einsamkeit eingeht.
Während einer Reparatur entdeckt er ein sorgfältig verstecktes Tagebuch aus Bürgerkriegszeiten, das einen außergewöhnlichen Fund dokumentiert.
Kritik
Spätestens seit Kubriks Monolith 2001 – Odyssee im Weltraum dienen cineastische Ausflüge ins All nicht mehr nur Thrill und Staunerei. Der Weltraum ist längst nicht mehr nur voll mit Wunder und exotischen Planeten, sondern allzu oft auch leer, karg und beispiellos einsam.
Der erste gute Punkt: Love ist keine Promotion für Angels & Airwaves. Deren Musik untermalt immer mal wieder unaufdringlich aber passend die Szenen und baut in Einklang mit den Bildern eine aufgekratzte Stimmung der Isolation und Unsicherheit, ohne dabei zu dominant oder anstrengend zu werden.
Künstlerische Vollmacht bekam der relativ junge William Eubank, der mit Love nicht nur sein Spielfilmdebut als Regisseur ablieferte, sondern sich außerdem auch für Drehbuch, Kamera und so manches anderes verantwortlich zeigt.
Da man sich vom krümeligen Budget nicht wie geplant das Set von Apollo 13 mieten konnte, baute der Herr einfach den Garten seines Elternhauses um. Nicht nur die gesamte Raumstation bastelte er aus Baumarktutensilien zusammen, auch hob er in dreiwöchiger Arbeit eigenhändig die Schützengräben für die kurzen Kriegsszenen aus.
Und so sieht das 500.000 Dollar-Projekt aus: Nicht billig, sondern nach Liebe, Schweiß und Herzblut. Die Raumstation ist vollends überzeugend und wirkt bis ins Detail glaubwürdig. Einziges Manko: Genaugenommen müsste in L-E-O Schwerelosigkeit herrschen. Dieser Fakt wird ein paar Mal angedeutet – etwa wenn Lee auf seinem Funkstuhl mit einem Gurt festgeschnallt ist – aber niemals gezeigt. Schon eine Szene später bewegt er sich durch seine Bleibe als herrsche normale Erdanziehungskraft und schwitzt bei Liegestützen. Doch verzeihen wir dem Film das und setzen eine künstliche Schwerkraft voraus.
Vor allem als Kameramann brilliert Eubank auf ganzer Linie, indem er pausenlos stimmungsvolle Eindrücke festhält, die primär nicht durch ihr Motiv, sondern durch tolle Farben Atmosphäre schaffen. Love ist ein Film wirklich starker Bilder.
Diese sorgen dafür, dass die quälende Einsamkeit des völlig abgekapselten und ahnungslosen Protagonisten nachvollziehbar wird. Es ist beeindruckend, wie abwechslungsreich und vielfältig die beschränkte Umgebung präsentiert wird, indem immer wieder neue ungewöhnliche Kamerapositionen gefunden werden und trickreiche Schattenspiele dem eigentlich sterilen Ort etwas sehr Dunkles und Verstörendes geben.
Die sehr langsam aber auch stimmungsvolle Geschichte macht neugierig. Inhaltlich wird diese Neugierde am Schluss ausreichend befriedigt, wenn das auch nicht jeder so sehen mag.
Love ist mehr Atmosphäre denn Geschichte. Die meiste Zeit ist es ruhig, drückend und angespannt. Die einzige richtige und nur wenige Sekunden andauernde Actionsequenz in der Filmmitte wirkt dadurch doppelt so intensiv. Die komplett in Zeitlupe ablaufenden Schlachtensequenzen des Bürgerkriegsszenarios laufen konsequent sphärisch und überstilisiert ab, sodass sie eher einem traurigen Tanz als Kriegsgeschehen gleichen. Auch wenn die beunruhigende Stille und die erdrückende Eintönigkeit auf der Station an manchen Stellen etwas zu sehr auf die Spitze getrieben werden, wird das Ziel erreicht: Der Sci-FI-Film ist nicht nur überdurchschnittlich schön, sondern auch ungemein stimmungsvoll.
Thematisch orientiert man sich vor allem an Genrevertretern wie Solaris, Lautlos im Weltraum und immer wieder an obengenanntem 2001 – Odyssee im Weltraum, bei dem Love auch unverhohlen zugibt, dass er als klares Vorbild diente.
Und eindeutiges Zitieren von Stanley Kubricks Sci-Fi-Epos ist nie verkehrt – vor allem dann nicht, wenn es so gelungen geschieht, wie im Finale.
Kaum zu verleugnen ist außerdem ist die nahe Verwandtschaft zu Duncan Jones‘ Moon, der gerade erstes Kritikerlob einheimste, als die Produktion von Love sich dem Ende näherte.
Wenn Lee später immer stärker in eine Schizophrenie hineindriftet, erringt das Klischee allerdings einen kleinen Sieg. Es gibt einfach bessere Wege, Einsamkeit erzählerisch zu intensivieren, als mit gespaltener Persönlichkeit um die Ecke zu kommen. Und das trifft letztlich auf den ganzen Film zu. Obwohl das Ganze niemals spannungsarm ist, sind die einzelnen Elemente häufig einen winzigen Tick zu abgedroschen. Nie so sehr, dass es ernsthaft ärgerlich zu werden droht, aber immer genug, um sich dessen bewusst zu sein.
Eigentlich versteht sich Love aber sowieso als Abhandlung über den Menschen als soziale Kreatur, die ihresgleichen Bedarf. Die Zwischenmenschlichkeit als funktionelle Bedingung, die Herde, das Kollektiv, die Notwendigkeit, gemeinsam zu sein. Während Love atmosphärisch brilliert und auch eine durchaus passable Geschichte erzählt, schrammt die Motivation, darüber hinaus eine existenzielle Botschaft zu vermittelt, nah am Scheitern vorbei, weil das Mitgeteilte viel zu abgeschmackt und flach ist.
Das liegt zuvorderst daran, dass irgendwelche Personen, die vermutlich Lees Vorgänger darstellen sollen, in kurzen Einschüben immer mal wieder lehren, wie wichtig Kommunikation und Zwischenmenschlichkeit doch seien. Weshalb Love sich diesen Kunstgriff erlaubt, bleibt völlig im Dunkeln. Auch ohne die Vorträge der herumdrucksenden Gestalten, die sich offensichtlich in einer Interview-Situation befinden, wären die zentralen Themen des Filmes und die Probleme seines Protagonisten hinreichend evident gewesen. Die abgehackten Monologe wirken wie eine unnötige Erklärung der aussagestarken Bilder und sind deshalb überwiegend redundant. Es entsteht der Verdacht, man wollte mit dieser Zusatzebene vor allem die 80 Minuten vollkriegen.
Zum Glück hat man sich wenigstens dafür entschieden, die kitschigen Schicksalsgeschichten der drei Interviewten wieder rauszuschneiden, welche außerdem noch mit kaum zum Rest passender Angels & Airwaves-Musik unterlegt waren, die als einzige im Film Gesang enthalten hätte.
Unterm Strich bleibt eine Schwierigkeit. Love ist sehr schwer zu bewerten. Man kann das SciFi-Werk ihn nicht nur lieben oder hassen, sondern auch furchtbar mittelmäßig finden. Für jedes dieser Urteile befinden sich ausreichend Gründe im Film und jeder wird sie nach ganz eigenem Maßstab bewerten müssen. Die 7,8 Punkte oben könnten genauso gut 3 oder 9 sein.
Fazit
Love ist ein bemerkenswerter Film. Die sehr unterschiedlichen Puzzleteile passen nicht ganz perfekt zusammen, dessen ungeachtet entsteht am Schluss ein Gesamtbild, das sich sehen lassen kann. Ist man in der Lage, über ein paar Kleinigkeiten hinwegzusehen und stößt man sich nicht daran, dass die Handlung zugunsten der Atmosphäre sehr gemächlich vorangeht, ist der Film definitiv einen Blick wert.