10 Cloverfield Lane

Cloverfield von 2008, der dank der starken Präsenz von Bad Robot Productions einzig J. J. Abrams zugeschrieben wird, obwohl Matt Reeves inszenierte und Drew Goddard das Buch beisteuerte, war vor allem dank der großen viralen Kampagne ein enormer Erfolg.
Vom Sequel 10 Cloverfield Lane darf man endlich mal zurecht behaupten, dass es wirklich alles anders macht: Quasi keinerlei Werbung, eine Ankündigung kurz vor Filmstart, ein anderes Genre, kein Erfolg und besser als sein Vorgänger, der im Herzen eigentlich nur ein verwackelter Monsterfilm gewesen ist.

Santa Claus!

Story

Michelle nimmt Reißaus. Sie sitzt in ihrem Wagen, fährt davon von ihrem Freund Ben, ihrem alten Leben, vielleicht auch vor ihrer Verantwortung. Dann plötzlich bringt irgendwas das Fahrzeug ins Schleudern und Michelle verunfallt.
Als sie aufwacht, ist sie an ein Bett gekettet. Der kaum einzuschätzende Howard begrüßt sie und erwartet ihren Dank, weil er sie am Unfallort aufgefunden habe und in seinen Bunker brachte, kurz bevor draußen die große Katastrophe ausbrach. Aufgrund eines chemischen, biologischen oder atomaren Angriffs, erklärt er ihr geduldig, könne man den Bunker nicht verlassen, für mindestens zwei Jahre. Dritter im Bunde ist Emmett, ein etwas naiver junger Mann, der Howard damals bei der Konstruktion des Bunkers half und sich nun dankend einquartiert hat.
Doch vieles an Howard ist verdächtig. Ist er der Wohltäter, als den er sich ausgibt? Ist er einfach nur ein Spinner? Oder ist er ein gefährlicher Psychopath, der Wahnvorstellungen und üble Absichten vereint?

Kritik

Noch etwas ist besonders an 10 Cloverfield Lane: Es ist von Vorteil, wenn man den ersten Teil nicht gesehen hat. Denn ob und, falls ja, was da draußen vor sich geht, steht durch den Film von 2008 ja halbwegs fest. Wobei dem Team hinter dem Film zugutegehalten werden muss, dass es selbst ein Mysterium daraus macht, inwiefern die beiden Filme verknüpft sind. Ob das vorgebliche Sequel überhaupt im selben Universum spielt wie Cloverfield, wurde von den kreativen Hintermännern ähnlich oft bestätigt wie in Zweifel gestellt.
All dies ändert aber erst einmal nichts an der bedrohlichen Ambivalenz von Howard, gespielt von Schauspielschwergewicht John Goodman, den man hier endlich mal wieder in einer großen Hauptrolle bewundern darf und der auf so gekonnte Weise den unangenehmen Patriarch der unterirdischen Minifestung spielt, dass man schon nach der ersten Szene mit ihm sein Image als Schauspieler vergessen hat und nur noch Howard sieht, den bedrohlichen Howard mit der kurzen Lunte, dem negativen Charisma  und seiner Neigung  zu Verschwörungstheorien jeder Facion. Er ist das zementierte Zentrum des Filmes. Das weiß auch der Film, der primär die Geschichte erzählt, wie Michelle sich daran abarbeitet, sich dieser Naturgewalt anzupassen. Mary Elizabeth kann hier nun auch erstmals ein großes Zeichen, das es verdient hätte, in ihrer sehr bunten Filmographie zwischen Stirb Langsam – Ein guter Tag zum Sterben, Death Proof und Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt heraus zu leuchten. John Gallagher, Jr. als leicht einfältiger Emmett ist da eher das fünfte Rad am Wagen. Der Charakter wirkt in seinen Anlagen unentschlossen und teils fast widersprüchlich angelegt und vor allem neben den beiden starken Hauptfiguren blass und letztendlich verzichtbar. Abseits seiner Funktion als Informationsspender für Michelle hat er keine zwingende Daseinsberechtigung – und es darf gemutmaßt werden, dass 10 Cloverfield Lane ein noch einmal deutlich intensiverer Film geworden wäre, wenn das Duell zwischen Michelle und dem Bunkermonarchen ohne ein solches Anhängsel stattgefunden hätte.

Apropos intensiv. 10 Cloverfield Lane beginnt unerwartet kräftig mit dem wirkungsvollsten Anfang seit langem. Danach begeistert der Film für eine ganze Weile durch eine großartige Inszenierung. Scheinbar unwichtige Details kommen plötzlich in mehrfacher Weise sehr einfallsreich in den Fokus, indexikalische Zeichen werden kunstvoll als Mininarrationen in das Bild eingeflochten und was die Kamera aus mit Räumen macht, wie sie Winkel und Ecken nutzt, eigenständig Fluchten generiert oder die Enge mit betont nahen Einstellungen zugleich verstärkt und nimmt, ist auf einem Level mit den Monumenten der Kammerspielgeschichte – so muss man e sagen. Die Verunsicherung von Michelle, die Verunsicherung der gesamten Situation wird dadurch verstärkt, dass Komik und Terror in diesem Film Nachbarn sind, die sich gerne einmal besuchen. Mehrere Was-Wäre-Wenn-Gedankenspiele sorgen unterdessen dafür, dass die klaustrophobische Anspannung gehalten wird.
So klug, kunstvoll und ergreifend wie in der ersten Hälfte bleibt es aber nicht. Mit steigender Laufzeit nimmt die Dichte der zündenden Ideen und das Kunstvolle des Umgangs mit dem reduzierten Setting etwas ab. Zwar gibt es noch eine Handvoll Szenen, die dem irgendwann vorhersehbarem Fortgang Elan verleihen, dass das anfänglich außerordentlich hohe filmische Niveau im Fortlaufe stetig ein wenig abfällt, ist trotzdem nicht von der Hand zu weisen. Keinesfalls soll das aber heißen, der Film würde schlecht oder langweilig werden, er ist ab einem bestimmten Punkt einfach nur nicht mehr so perfekt und durchkomponiert. Was das gern gescholtene Ende anbelangt: Ja, hier findet ein erwartbarer Bruch statt, der an sich jedoch nicht wirklich schlecht ist, sondern der Geschichte wie auch der Charakterentwicklung eine logische Klimax verabreicht. Einzig einige konkrete Handlungen Michelles lassen stutzen, weil sie in ihrer Heftigkeit zum bisher etablierten Charakter wie auch Genre nicht passt – Entwicklung hin oder her.  Andererseits steht die sehr standardisierte Weise, wie dies passiert, aber auch fast schon bildlich dafür, dass der Film es am Ende eben nicht ehr mit seinem Anfang aufnehmen kann.

Fazit

10 Cloverfield Lane beginnt so stark, so mächtig, so eindrucks- und zugleich kunstvoll wie schon lange kein Genrefilm mehr. Narrativ und handwerklich spitzt sich die Situation weiter zu und John Goodman ist eine Naturgewalt. Die stimmige Dichte an Ideen kann leider nicht gehalten werden, weshalb der Film nach und nach in etwas durchschnittlichere Gefilde klettert – und in einem passend durchschnittlichen Schluss sein Ende findet. Bis dahin ist das unorthodoxe Sequel zum 8 Jahre alten Monsterfilm jedoch ein absolut sehenswertes Erlebnis, das sich auch im Ganzen nicht nur, aber fraglos auch wegen seines prächtigen Anfangs lohnt.

Briefe eines Toten

1986 brachte Konstantin Sergejewitsch Lopuschanski mit dem postapokalyptischen Nihilismusmanifest Briefe eines Toten ein Biest von einem Magnum Opus hervor, das damals wie (vor allem) heute viel zu wenig Zuwendung seitens der Medien erhielt und -hält. Zwar spukt der Film immer noch ganz oben in den heiligen Hallen einiger Filmliebhaber herum, die Aufmerksamkeit, die er ungebrochen verdient, bleibt ihm aber bisher verwehrt. (Das nachstehende Video ist ausnahmsweise kein Trailer, da sich keiner finden ließ, sondern ein beispielhafter Ausschnitt.)

I love it for it’s tragic fate.

Story

Die Welt, wie wir sie kennen, verbrannt einer Art von Feuer, die sich Prometheus wohl nie zu erträumen gewagt hätte. Die Menschen verscharren sich selbst in maroden Kellergewölben und bauten mit der Zeit eine Gesellschaft aus den Trümmern des Jetzt, die ihre ganz eigenen, den widrigen Umständen angemessene Gepflogenheiten hat. Alle leben in Angst davor, dass die Regierung das versprengte Trüppchen aufspürt und mit in ihre zweifelhaften Pläne zur Rettung der Menschheit einbezieht, die noch weniger geheuer sind als das Todesurteil des Status quo, in der jede Art von Existenz nur ein Provisorium im Schatten des Zerfalls sein kann.
Die Verbliebenen schaffen sich mit ihrer unbeholfenen Sicherheit eine absurde, grausam neue Art von Alltäglichkeit, wenn sich die Menschen ihre Hüte auf die Gasmasken setzen und Normalität aus etwas machen müssen, was ein ständiges Extrem ist. Sie versuchen weiterzumachen. Nicht aus Hoffnung, sondern weil ihnen nichts anderes bleib.
Ein Professor versucht derweil, etwas Zuversicht zwischen den sich und einander aufgebenden Trümmermenschen zu säen.

Kritik

Die Kamera bewegt sich rückwärts aus dem Bunker, durch ein Loch in einer Wand aus Schutt, die unsinnig dem radioaktiven Wind trotzt, und die Musik schwillt an, wird unangenehm, als würde uns ein Hauch von eben diesem berühren. Wir begeben uns nach draußen, durch das Loch, aus dem Loch, in das sich die Menschen zurückgezogen haben, um wie in einem Kerker zu kauern und darauf zu warten, dass alles endet Doch noch sehen wir nichts. Langsam schält sich der Rest von Zivilisation aus dem Giftdunst. Es zeichnen sich Wracks ab, noch mehr Schutt, Müll in Säcken und ohne Säcke, und Wahnsinn. Unrat auf Unrat, Elend neben Elend. Am Ende der Fahrt, wenn die Rückwärtsbewegung stoppt, stellen wir fest: Sie verdecke gar nichts, hinter der Kamera wurde uns nichts vorenthalten, denn mehr als das ist da draußen nicht. Nur die Asche der Vergangenheit, Staub und Nebel, so dicht gedrängt, das kein weiterer Platz für Hoffnung ist. Herzlich Willkommen in der Welt von Briefe eines Toten, ein Film, der aussieht, wie eine Krankheit.
Bei der Optik wurde auf Farben fast gänzlich verzichtet, sie sind dank bis aufs Maximum reduzierter Sättigung nur leicht, manchmal auch gar nicht vorhanden, lediglich ein eitriges Tschernobyl-Gelb färbt die Bilder des Bunkers – semantisch andere Räume bekommen andere Farben, in jedem Fall aber sondern die monochromen Duplex-Töne eine unangenehme Wirkung ab.

Nach dem kurzen Blick auf das, was mal das Freie war, geht es zurück in die Katakomben. In dieser sonderbaren Welt werden auch die Bewohner sonderbar und wuchsen zu verschrobenen, bitteren Kreaturen heran, die als pathologisches Splitterwerk durch die Gedärme eines ehemaligen Museums rotten und nicht einmal sich selbst noch die Nahesten sind. Die Kinder schweigen als wären sie stumm, die Erwachsenen sind im besten Falle kalt, jeder lebt in seiner ganz eigenen Art von destruktivem Schock. Häufig bewegt sich die Kamera auf Kinderaugenhöhe. Der Zuschauer ist – wie auch jeder andere – in dieser Welt ein Kind, das das Grauen schaut und zum ersten Mal überhaupt nicht als Symbol für Hoffnung und Zukunftsglauben herhalten kann. Ständiger Wind ist auch in den tiefsten Kammern zu hören und über fast allem liegt ein elendes Dröhnen, als wäre es die Welt selbst, die unter Schmerzen klagt.

Man macht dort weiter, wo man aufhörte: Das Treffen fataler Entscheidungen aufgrund von Egoismus, verdrehter Annahme von Effizienz und höherem Allgemeinwohl. Aufgenötigter, in sich selbst verdorbener Altruismus siecht allüebrall und wucherte zu seiner eigenen Antithese heran. So oft man es sonst auch hört, hier stimmt es wirklich: Alle Hoffnung ist gefahren. Die Ausgangssituation von Briefe eines Toten ist bekannt, die Umsetzung aber absolut brillant. In gnadenloser Differenziertheit portraitiert der Film eine Gesellschaft von Übermorgen, die ihren eigenen Nährboden verseuchte und sich nun nur noch dabei betrachten kann, wie sie langsam von Innen heraus fault.
Völlige Verzweiflung schlägt in Wahnsinn um. In jeder Figur sitzt ein wenig davon, während sie ihre persönlichen Vorstellungen auf eigentümliche Weise in die traurige Tat umsetzt. Das gipfelt nicht nur in ein paar niederschlagenden Kuriositäten, sondern auch in interessante Gespräche. Gezeigt werden in einzigartig einnehmender Weise Dinge, die passieren, wenn eine Generation feststellt, dass alle Vorherigen vernichtet und alle Nachkommenden unmöglich sind.

Eine klar auszumachende Geschichte gibt es zwar ebenso wie einen Protagonisten, doch stehen beide ganz im Dienste der Situationsstudie. Wichtig ist nicht, was passiert, sondern dass es überall auf eben diese Weise passiert. Dabei verkommt Konstantin Lopuschanskis Abgesang aber niemals zu einer selbstgerechten und selbstzweckhaften Leidensschau, die nichts tut, außer mit all ihrem Pessimismus den Zuschauer zu quälen. Dank der handwerklichen Raffinesse des Filmes, dank der Passion, mit der gedreht wurde, und dank der völlig trittsicheren Regie ist der Film zu einem vollkommenen Erlebnis geworden, das nie langweilt, nie lediglich durch seine Ödnis betrübt, sondern ein bewundernswerter Schaukasten ist, der einen Blick auf eine Welt voller Details, ausgeklügelter Einfälle und unabsehbarer Ereignisse gewährt. Und später, wie aus dem Nichts, überrumpelt einen das tschechische Kleinod mit Bildern, die in ihrer Ästhetik zeitlos sind, in ihrer unnahbaren Mächtigkeit bestürzend und ob ihrer Schrecklichkeit schön, aber auch erstarren lassend. Eine von Wahnsinn beseelte Aufnahme des Auslösers dieses Elends trifft wie ein herzhafter Schlag in die Magengrube. Diese Szene ist der Kern des Filmes, unnachahmlich und unnachgiebig intensiv. Eine der schönsten Hässlichkeiten, die mit Widerhaken aus Zucker tief unter die Haut geht.

Wie um das zu verstärken, gibt es trotz dieses Bildes der vollkommenen Niederlage auch Humor. Ein paar Szenen sind umschmeichelt von stautrockenen Pointen, die in ihrem Rahmen aus Bitterkeit stichgleich Wirkung zeigen. Es ist wie die störrische Hoffnung, das ewige Weitermachen der Menschen, von dem der Film erzählt. Humor ist Teil davon, denn Humor ist das Ignorieren von Tatsachen, aus dessen Bewusstmachung eine Erkenntnis gerinnt, die Absurdität verlachen lässt. Humor ist eine Art Triumph trotzdem; etwas, das dem Menschen nicht genommen werden kann, mag auch alles andere vergehen.

Fazit

Bei Briefe eines Toten handelt es sich um das vielleicht eindringlichste Angstzeugnis aus Zeiten des Kalten Krieges. Es ist ein kluges Portrait über ein speziesübergreifendes Selbstbegräbnis mit eindringlichen Sequenzen, einer fesselnden Ästhetik erschütternden Bildern und voller Perfektion. Es wird nie langweilig oder zäh, immer ist es trotz dem repetitiven Bunkeralltag fesselnd und interessant. Die 87 Minuten sind voll mit durchdachte Bilder in durchdachter Reihenfolge, jede Szene birgt Potenzial für Gänsehaut und in seiner völlig eigenen Stimmung ist Briefe eines Toten letztlich selbst ein rares Unikat.
Konstantin Lopuschanski schuf einen großen Film mit großen Ideen und großer Eindringlichkeit, der in seiner Bekanntheit – zuvorderst wohl wegen Verfügbarkeitsproblemen – auf fast schon herätische Weise sehr klein geworden ist.

The Machine

Immer häufiger ist zu beobachten, dass junge Filmemacher einen Film im Science-Fiction-Genre ihr Erstlingswerk sein lassen. Sinkende CGI-Kosten und eine gleichzeitig wachsende Toleranz für eine gewisse Durchschnittsqualität von Effekten machen es möglich.
Die Wahl ist nachvollziehbar – in keinem anderen Genre kann man so losgelöst und fantasievoll erzählen. Die Gefahr, sich dabei zu überheben, geht zwangsläufig damit einher.

Do you understand machine?

Story

Amerika befindet sich im kalten Krieg mit China, dessen Wettrüstobjekt nun die Robotik geworden ist. Und natürlich lautet das Ziel nicht nur, eine möglichst widerstandsfähige, schlagkräftige und gehorsame zu erschaffen, sondern auch eine möglichst menschgleiche (wenn auch die Erklärung dafür etwas hanebüchen ausgefallen ist).
Der Eigenbrödler Vincent McCarthy ist der führende Entwickler auf amerikanischer Seite und hat jüngst die so junge wie vielversprechende Ava in sein Team rekrutiert, um mit ihrer Hilfe endlich ein Äquivalent zum menschlichen Geist zu erschaffen.
Dass diese jedoch deutlich neugierige ist, als es der Chefetage behagt, und kurz davor steht, die Militärgeheimnisse des streng bewachten Sektor 6 zu entlüften, führt dazu, dass sich die Ereignisse auf unvorhersehbare Weise entfalten.

Kritik

Nachdem Cyborgs als die logische Konsequenz von einem kalten Krieg mit China hergeleitet wurden, sehen wir einen verstörten Mann mit nur noch wenig Kopf und zwei Wissenschaftler, die erfolglos versuchen, diesem zum Cyborg modifizierten Kriegsopfer etwas Empathie und einen Hauch von Vorstellungskraft anzutrainieren. Es ist nur ein Gespräch, das wir sehen, und doch zeigt sich hier bereits, dass Könner am Werk sind. Die Unterredung ist ansprechend gefilmt, anstandslos gespielt und wohl komponiert. Dieser Zustand hält kurze Minuten, bis dieser Soldat zur Killermaschine mit Mutterkomplex mutiert, was Schlimmes befürchten lässt – und dann nicht einlöst. The Machine verschleiert lange erfolgreich, worum es dem Film eigentlich geht und wirkt dabei keineswegs künstlich bemüht.
Geboten werden überraschend gelungene Bilder, die sich vor allem vor Blade Runner (inklusive Turing-Test) verbeugen, aber dort wie überall woanders auch häufig ein paar Grad zu viel. Was einst gut ist – ob Idee, Motiv, Dialogzeile, Schauspiel – wird übersteuert und tauscht etwas seiner Qualität gegen das Gefühl von Plumpheit und Kitsch.
The Machine ist voll mit gut funktionierenden Einzelszenen, doch das Gesamtbild ist inhärent unlogisch und an fast allen Ecken nicht zu Ende gedacht. Der Sci-Fi-Film ist durchaus atmosphärisch, erkauft sich seinen Stil aber mit auffälligen Plausibilitätseinbußen. Erlaubt man sich das Gedankenexperiment, The Machine sei strukturell eng verwandt mit einem Märchen (für Erwachsene), betrachtet man den Film etwas gnädiger. Man könnte aber auch sagen, dass The Machine ein verkapptes B-Movie ist. Figurenentscheidungen sind häufig nicht nachvollziehbar und zwischen die schicken Bildern setzen sich immer wieder amateurhaft wirkende Sequenzen mit mangelhafter Ausleuchtung. Sei’s drum, denn typisch für B-Filme ist auch das hohe Maß an Ambition und die kompromissbereite Gnadenlosigkeit, diese auch zu realisieren.
Die Ambition von The Machine ist lobenswert, denn die Geschichte ist nicht nur recht interessant, sondern lebt auch von einem erzählerischen Kniff, der nach etwas über 30 Minuten vollzogen wird und den Film in die entfernte Verwandtschaft von Space Prey bringt.

Hervorzuheben ist der Score, der seinerseits frappierend an Terminator erinnert.  Im Zusammenspiel mit den Bildern haben die punktgenau arrangierten Klänge einen Löwenanteil an der gelungenen Stimmung zu verantworten. Auch hier wird die Schraube häufig ein bisschen tiefer gedreht, als dass das Gewinde es zulassen will, doch kriegt die Musik die Kurve noch besser als die Bilder es tun – und rettet diese damit in vielen Fällen.
Die beiden Hauptdarsteller Caity Lotz (Arrow) und insbesondere Toby Stephens gehören nicht zu den oben genannten, es latent zu weit treibenden Darstellern. Stephens bewusste Arbeit mit der Mimik verleiht seiner zwiegespaltenen Figur große Glaubwürdigkeit und das simultane persönliche Drama, durch das sie gehen muss, ist zwar weder originell noch für die eigentliche Geschichte förderlich, hilft dem Film aber entschieden, dem Wissenschaftler die notwendige Plastizität zu verleihen.
Bei all dem Gerede über sogenannte B-Movie-Qualitäten, soll nicht der Eindruck geweckt werden, The Machine sei ein schlechter Film. Das Gegenteil ist der Fall und es wurden weit mehr von den B-Tugenden als von den B-Problemen übernommen. Starke Charaktere, eine clevere Storyentwicklung, eine immer mal wieder beeindruckende Optik und vor allem ein selbstbewusster Score machen das günstige Werk zu einem sehenswerten und gar nicht so unoriginellen Stück Science-Fiction.

Fazit

The Machine
extrahiert das Gute aus einem B-Movie und dieses Experiment kann durchaus als geglückt betrachtet werden. Ein kleiner Film, der seine großen Ambitionen ansehnlich umzusetzen weiß, sein Budget clever ausreizt und auf die richtige Weise von Intertextualität profitiert. Dass dies in der einzelnen Ausführung ein ums andere Mal einfach zu viel des Guten ist, ist so störend wie verzeihlich.

Fantasy-Filmfest-Special: The Philosophers

John Huddles letzter und zweiter Film liegt stolze 15 Jahre zurück. The Philosophers ist, wie schon seine ersten beiden Werke, ein Film geworden, bei dem Gespräche eine wichtige Rolle spielen. In diesem Fall ist es die Visualisierung eines Gesprächs – und das ist auch schon das Grundproblem.


And you became happy members oft he post-industrial society.

Story

Mr. Zimit ist Philosophielehrer an einer Schule in Jakarte. Seine 20 Schüler stehen kurz vor dem Abschluss, doch anstatt den letzten Tag traditionell vertrödelnd abzusitzen, stellt der Lehrer eine letzte große Aufgabe.
Ein Gedankenexperiment. Man stelle sich vor, das Ende der Menschheit wird nuklear eingeläutet. Übrig sind die 20 Schüler und vor ihnen ein Bunker. Die Schüler sind sie selbst zuzüglich eines zufällig vergebenen Talents, repräsentiert durch einen Beruf. Der Bunker kann der atomaren Katastrophe inklusive der Folgen lang genug standhalten, fasst aber nur 10 der 20 Schüler. Unter Zeitdruck müssen die Jugendlichen entscheiden, wer Rettung verdient und wer dem Tod überlassen wird. Wiegt das Leben einer Ärztin mehr als das einer Modedesignerin?
Doch wie es die Gruppe auch angeht, das Experiment endet immer mit dem Tod aller und somit auch mit dem Untergang der Menschheit.

Kritik

Mit der praktischen Philosophie ist das so eine Sache. Damit, Philosophie als Lehrfach in einem Film zu thematisieren, ohne die philosophisch Ungebildeten zu vergraulen, ist es ebenfalls so eine Sache. Daher geht der Film auch doppelt auf Nummer sicher. 1. Wird etwas aus der Philosophiegeschichte angesprochen, wird es auf dem simpelsten Weg erläutert und ist für die Handlung trotzdem weitestgehend irrelevant. 2. Philosophisch ist an diesem Philosophieunterricht eigentlich gar nichts. Schuld daran ist, dass The Philosophers seine eigene Prämisse nicht ernst nimmt. Die Strategie des Lehrers ist es, immer klüger zu sein, als seine Schüler, indem er die Dinge mindestens einmal mehr durchdacht hat und ihnen logisch und rational stets einen Schritt voraus ist. Nur machen die Schüler eigentlich gar keine Fehler. Sie scheitern an Dingen, die sich nicht voraussehen lassen. Der schiere Zufall respektive die boshafte Willkür des Lehrers, der in diesem Szenario gleichzeitig Figur und allmächtiges Erzählerweisen ist, macht den Überlebenden einen Strich durch die Weiterleben-Rechnung. Besonders peinlich ist es zudem, wenn der Film sich selbst einige Logikpatzer leistet. Wieso vergehen die Menschen draußen, während Hunde unbeschadet an Leichen kauen? Wieso überhaupt reicht ein lächerliches Jahr, um aus der verseuchten Erde wieder Lebensraum zu machen?
Kneift man zwei bis drei Augen zu, kann The Philosophers aber über weite Strecken gut unterhalten. Ein wenig Humor, eine gesunde Portion Zynismus, Figuren, die psychologisch nicht unbedingt sehr tief sind, aber ihren Zweck erfüllen und ein funktionierender Erzählfluss machen das Geschehen zwar nicht lehrreich, aber immerhin ganz interessant.
In den ersten Zweidritteln scheint der Film auch die richtige Richtung zu halten. Das Scheitern ist unabwendbar, der Mensch immer Opfer einer Schicksalsbosheit oder seiner eigenen moralischen Grenzen. Doch anstatt zum finalen Schlag auszuholen und dem Szenario in Anlauf Nummer drei noch einmal kräftig die Sporen zu geben, wird urplötzlich hektisch zurückgerudert. Was mutig beginnt und mutig hätte enden können, wird zu einem unnötigen Happy End mit Besserwisser-Moral und naiver Message verbogen, das dem Film als Ganzes gehörig an Biss nimmt. Durch das eigentliche Ende der Klassenzimmer-Rahmenhandlung lässt sich die feige anmutende Entscheidung der Macher zwar schlüssig erklären und zu gewissen Teilen relativieren, aber damit würde man es The Philosophers zu einfach machen.
Durchgehend bemerkenswert ist allerdings die Art und Weise, wie das Schüler-Lehrer-Verhältnis dargestellt wird, welches alles andere als konventionell ist und zum Ende hin zum Glück auch nicht zusammen mit dem Rest auf Nummer sicher geht und einlenkt. Zu verdanken ist das unter anderem auch Darsteller James D’Arcy (Cloud Atlas), der die schwierige Figur mit seiner ambivalenten Mimik grandios verkörpert.

Fazit

Nett anzusehen ja, jedoch bei weitem nicht so clever, wie man gerne wäre. Zufall statt Logik und Zahmheit statt Konsequenz verhindern, dass der Film nicht nur seichte Unterhaltung, sondern ein spannendes Lehrstück wird. Dennoch ist das Werk allein wegen des ungewöhnlichen Konzepts einen Blick wert. Und es muss ja schließlich nicht alles klug sein, solange es ein wenig Freude bereitet.

Ja man kann sagen, fast überall, wo es Glück gibt, gibt es Freude am Unsinn. Und mit einem solchen Nietzsche würden der Herr Lehrer, die Schüler und der Rezensent wohl irgendwie alle zu einem Konsens gelangen.