Autómata

Androiden haben sich in den letzten Jahren durch bewusst minderwertige Produktionen mehr als nur ein paar Kratzer im Lack zugezogen. Über Antonio Banderas mögen böse Zungen selbiges behaupten. Mit Autómata bringt der Spanier Gabe Ibáñez sie in seinem zweiten Film zusammen.

Maybe the ocean is still there.

Story

2044 haben nicht die Menschen, sondern Sonnenstürme die Welt fast gänzlich unbewohnbar gemacht. Nach einer Reduktion um 99,7 % der Gesamtbevölkerung hausen auf dem ehemals florierenden Planeten nur noch 21 Million wackere Erdlinge, die darüber hinaus wichtige Technik wie z.B. für Kommunikation nicht nutzen können. Auch hier: Die Sonnenstürme sind Schuld. Roboter sind davon aber nicht betroffen und so konstruiert man Scharen von Androiden, die als billige Arbeitskräfte Schutzwälle für ihre Herrscher errichten sollen. Millionen von Robotern werden durch zwei Protokolle in Schach gehalten, die ihnen verbieten Menschen zu verletzen und sich zu modifizieren.
Jacq Vaucan ist Versicherungsvertreter der Firma, die diese Roboter fabriziert, und Mann einer hochschwangrene Frau. Jacq legt alles daran, zusammen mit seiner entstehenden Familie aus dem urbanen Moloch an die angeblich freundlichere Küste versetzt zu werden.
Der Auftrag, den er für die Verlegung absolvieren soll, hat jedoch einen besorgniserregenden Rattenschwanz, denn alles deutet darauf hin, dass das Unmögliche verbrochen wurde und plötzlich Roboter existieren, die sich selbst modifizieren.

Kritik

Zu Beginn brilliert eine Schwarzweiß-Montage mit einer unverbrauchten Klang- und Bild-Komposition, die auf die an sich schon sehr guten dargestellten Ideen noch einmal optimiert. Es gelingt auf bewundernswerte Weise, Ehrfurcht und Zynismus auf eine ebenbürtige, sich nicht selbst verschlingende Weise auf einem Punkt zu fixieren. Eine bessere Einführung könnte es eigentlich kaum geben, denn Gabe Ibáñez hat eine Vergangenheit als Effektspezialist und weiß dies erfreulicherweise sehr positiv in seinen eigenen Filmen zur Geltung kommen zu lassen.

Die Handlung startet vor einer unverkennbar an Blade Runner angelehnten Stadtkulisse, wo sich das Fortschreiten der Zeit überwiegend auf die Beschleunigung von Elend, die Reduzierung von Mitleid und die Zunahme von Werbung ausgewirkt hat. Die Zukunft ist Dreck mit LEDs und arm an guten Aussichten. Nicht von ungefähr erinnert Autómata ebenfalls sehr an den sträflich unterschätzten Ghost in the Shell 2 – Innocence, sind doch beide sehr gelungene Blade Runner-Jünger, die die Kunst beherrschen, sich verbeugen zu können, ohne sich zugleich lächerlich zu machen.
Denn auch, wenn Autómata sich seine Diegese optisch aus allen erdenklichen Klassikern zusammengeliehen hat, sieht man ihr doch an, dass die Verbindung der Fragmente mit Überzeugung und Leidenschaft vonstattengegangen ist. Eine angenehm inspiriert wirkende Kamera bewegt gekonnt sich durch die Gänge und sorgt mehr als nur einmal durch ihren bewussten, einfallsreichen, aber keineswegs aufdringlichen Einsatz für überraschende Momente. Automata imponiert mit wundervollen Aufnahmen und stimmigen Set-Ideen. Ein durchdachtes Sounddesign, ein ebenso guter Score zu gekonntem Lichteinsatz sorgen auch und vor allem für eine gehörige Dosis an Stimmung. Trotz eines Budgets von 15 Million Dollar, von dem auch noch die Gagen der relativ großen Namen wie Robert Forster (Alligator), Melanie Griffith, Dylan McDermott und Produzent Antonio Banderas selbst abgezogen werden mussten, sieht die bulgarische Produktion gar nicht so günstig aus und überzeugt mit einem Stil mit Widererkennungswert. Diese handwerkliche Versiertheit kaschiert ohne viel Aufhebens zu machen einige Dinge, die nicht so gut gelungen sind. So sind die Dialoge nicht immer frei von Überflüssigem, wirken aber trotzdem in sich stimmig und natürlich, was ja durchaus keine Selbstverständlichkeit darstellt. Ein paar pseudo-tiefsinnige Pathosfloskeln, die so in normalen Dialogen nie vorkämen oder vorkommen sollten, haben sich zum Beispiel eingeschlichen, doch macht dies erstaunlich wenig aus, weil die Güte der Inszenierung es schlichtweg überspült.
Auch offene Fragen und Ungereimtheiten lassen sich natürlich finden und einige fallen gar nicht so marginal aus (ob Jacq wirklich Wein mit seiner hochschwangeren Frau trinkt, gehört zu den weniger drängenderen), und doch lässt es sich auch hier einfach nicht von der Hand weisen, dass die Leidenschaft aller Beteiligten dies durch ein handwirklich sehr gutes Ergebnis fast schon gänzlich irrelevant macht. Der Film ist einfach zu voll mit kleinen, nahtlos eingefügten Höhepunkten, wie zum Beispiel eine Verfolgungsjagd in der nächtlichen Wüste, die kurz, dafür aber umso eindrucksvoller ausfällt.

Ganz besonders explizit wird diese Stärke bei den Robotercharakteren, die kunstvoll geheimnisvoll gelassen werden und lange Zeit ein Potenzial erahnen lassen, das von philanthropischer Gutmütigkeit bis zu hinterhältiger Verschlagenheit jeden Punkt auf der Skala des Zueinander-Stehens besetzen zu können. Zugleich tragen sie mimikarmen Blechkameraden dies nie zu offen zur Schau und wirken auf eine berührende Weise zerbrechlich, zärtlich und melancholisch.

Der endgültige Ausschlag im letzten Drittel fehlt, es kommt nicht wie erwartet größer und größer, sondern bleibt im Sinnbildlichen, ohne damit an dieser Stelle zu viel zu verraten. Es macht den Film zugleich auch auf eine Weise rund, sich nicht permanent steigern zu wollen, sondern sein Ende im Bescheidenen, aber Ausreichenden zu finden. Im Gegenteil hätte es der Geschichte wohl getan, wenn man auch auf ein weiteres Ereignis am Ende verzichtet hätte, das zu offensichtlich keinen anderen Nutzen hat, als sie genrebedingten Erwartungen an ein spannungsgelandenes Finale, in dem möglichst viel auf dem Spiel steht, zu bedienen.
Unterm Strich bietet das Drehbuch von Autómata einige Stolperfallen und Untiefen, in denen gerne auch der abgeschmackte Kitsch brodelt, doch klemmt die Regie die prekären Stellen jedes Mal in gekonnter Weise ab, bevor sie ernstlich zur Gefahr werden, sodass es der Handlung nie droht, nicht ernstgenommen zu werden.

Natürlich erfindet der Spanier mit seinem zweiten Film das Rad nicht neu und beackert ein Feld, das schon über zahllose Jahre hinweg Früchte getragen hat. Natürlich hätte es einige Elemente wie den abgehalfterten und klischeetriefenden Cop Wallace nicht gebraucht. All das wird gesehen und all das hat zahlreiche Kritiker zu bewogen, Autómata mit bissiger Häme abzustrafen. Für jeden schalen Punkt lassen sich aber zwei überraschend gut funktionierende auf der Habenseite finden. Und manche von ihnen besitzen genug Strahlkraft, um die Negativpunkte beinahe ganz vergessen zu machen.

Fazit

Autómata hätte sich zwischen Schönheit, Innovativitätsanspruch und Laienphilosophie schnell aufs Fürchterlichste verzetteln können, doch ist die Regie einfach zu gut, um den Film jämmerlich gegen jede der sich anbietenden Gefahren zu steuern. Stattdessen belohnen ein perfektes Tempo und eindrucksvolle Aufnahmen, die so düster wie durchdacht sind, und nicht zuletzt ein Antonio Banderas, dem an seiner Rolle wirklich was zu liegen scheint, die Zuschauer dieses kleinen Noir-Thrillers im Dysthopiegewand.