Marvel pokert seit dem wachsenden Serienerfolg hoch und immer höher. Für die größten Filme holen sie sich Underdogs an Bord. Erst Jon Favreau, dann Joss Whedon und nun schließlich für
Guardians of the Galaxy James Gunn, der bisher ‚lediglich‘ durch die launige Sci-Fi-Komödie Slither und die verstörende Superheldenreflektion Super – Shut up Crime! von sich reden machte.
Ja, Marvel pokert. Und wieder verlassen sie den Tisch mit fast schon frech hohem Gewinn.
Where did you learn to do that?
Story
Nachdem Peter Quill in frühen Kindestagen quasi vom Sterbebett seiner Mutter hoch in ein Raumschiff gesogen wurde, wo er wider Erwarten nicht als Alienfutter diente, reist er als rebellischer Tagedieb durch die Galaxie, um im Auftrag von schmierigen Artefakthändlern Zeug aus Ruinen zu bergen, während er sich selbst großmäulig als Star-Lord betitelt.
Das neuste Zeug hat für viele Leute offenbar großen Wert, denn inmitten seines Einsatzes wird er von einer anderen Fraktion angegriffen, die das begehrte Artefakt ebenfalls einheimsen wollen. Es ist ein Orb, dem unermessliche Kräfte zugeschrieben werden.
Zwar kann Peter entkommen, doch endet das Treffen mit seinem Kontaktmann in einem unvorhergesehenen Chaos, bei dem ein bis an die Zähne bewaffneter Waschbär namens Rocket, ein wandelnder Baum namens Groot und der undurchsichtigen wie grünhäutigen Gamora mitwirken. Alle zusammen werden sie von den Ordnungshütern überwältigt und in ein Hochsicherheitsgefängnis verschifft.
Kritik
Hier ist er also, Marvels großer Abstecher in die Abenteuer der Galaxiewächter, die als Ensemble um Welten unbekannter sind als die mächtigen Rächer mit den Haupthelden des Comicimperiums, aber mindestens ebenso gut funktionieren.
Ausschlaggebend für das Gelingen eines Ensemblefilmes ist die Gleichwertigkeit der Figuren. Jede benötigt ebenso einen eigenen, unverwechselbaren Charakter, wie auch eine unaufgesetzte Relevanz für das Geschehen. Weder Waschbärenwüterich Rocket noch die grollende Ein-Satz-Pflanze Groot verkommen zu albernen Sidekicks und auch Gamora als Vierte im Bunde ist keineswegs nur eine leere Hülle mit der Aufschrift ‚Love-Interest‘. Drax der Zerstörer, welcher das Team später komplettiert, kann sogar mit einer unverwechselbaren Charaktereigenschaft punkten und fügt sich damit nahtlos ins Team, auch wenn er bezüglich seiner Notwendigkeit ein unmerkliches Bisschen hinter seinen Kollegen zurückbleibt, was aber alles andere als relevant ist. Chris Pratts Darstellung des großspurigen Anführers mit Indiana-Jones-Allüren hinkt den anderen Figuren sogar etwas hinterher. Die Verschrobenheit von Peter kann dies jedoch locker wieder ausgleichen.
Um auf den Punkt zu kommen: Es stimmt nicht nur die Team-Chemie, es stimmt einfach alles in Guardians of the Galaxy. Natürlich ist die Geschichte nicht preisverdächtig und nicht jeder Witz trifft ins Schwarze. Der Punkt ist aber, dass jene Witze, die dies doch tun, regelmäßig mit ungeahnter Sicherheit im Schwarz versinken, sodass alles andere hiervon in den Schatten gestellt wird.
Der Humor des Filmes ist auf eine Weise frech, unbekümmert und ungezwungen rüpelhaft, dass man binnen kürzester Zeit mitgerissen wird. Nur selten wirken Witze aus der Reihenfertigung, wie es bei größeren Produktionen oftmals der Fall ist, sondern, im Gegenteil, es wird andauernd versiert mit Erwartungen gebrochen. Dies geschieht mit so selbstverständlicher Fingerfertigkeit, dass es fern liegt, anzunehmen, dies würde aus irgendeinem kalten Kalkül heraus passieren. Guardians oft he Galaxy ist einfach aus sich heraus so unverfroren wie unverkrampft witzig; nein: zum Brüllen komisch.
Weil die Charaktere so behutsam ausgearbeitet sind und im Team einfach herrlich harmonieren, kommt man andererseits nicht für eine Sekunde auf die Idee, der Film wäre nichts weiter als Komik. Trotz der phasenweise überbordenden Absurdität nimmt er das Innenleben seiner Charaktere nämlich sehr ernst, ohne auch hier jemals angestrengt zu wirken. Gunn gelingt es, das Beste aus Slither und Super miteinander zu vermischen und all die Ecken und Kanten seiner kleinen Filme auszusparen.
Ein wenig erinnert Guardians of the Galaxy tatsächlich an den Leinwandausflug von Firefly. Wie auch bei Serenity kann man an einigen Punkten meinen, man sähe gerade einen kleinen Kinokompromiss, weil der Film einen Hauch zu teuer und familiär ist, um sich vollends seiner Anarchie hinzugeben. Die Filme teilen sich aber genauso das unbestreitbare Faktum, mit ganzem Herz gedreht worden zu sein – und das spürt man in jeder Szene. Tatsächlich ist Guardians of the Galaxy noch einmal deutlich gelungener als Serenity und muss sich auch vor Whedons Avengers in keiner Form verstecken. Zwar ist es schon der kleine Bruder dieses Filmes, jedoch bedeutet dies eben auch, dass er von seinem großen Bruder lernt, sich mehr Freiheiten erlauben kann und grundsätzlich nicht einfach nur ‚genauso bloß weniger‘ ist, sondern gänzlich andere Attribute aufweist als das Zugpferd des Hauses.
Nicht nur der grandiose Humor, auch das bewusst und stilsicher überzeichnete Figureninventar und die gekonnt auf altmodisch getrimmten Masken lassen darüber hinaus oftmals an die besten Momente von Farscape denken. Und damit stehen so viele Vergleichsnamen für diesen Film in einem Text, dass sich jedes weitere Wort über dessen Qualität eigentlich sofort erübrigt.
Auch die Action ist in der Regel gut gelungen und befindet sich meist in einem bemerkenswerten Zusammenspiel mit ruhigeren Momenten zum Atem schöpfen und – natürlich – treffsicheren Witzen, sodass sie nie ermüdend oder selbstzweckhaft wirkt, sondern sich trotz ihrer starken Präsenz immer perfekt in die Geschichte fügt. Lediglich die finale, mehrstufige Schlacht ist eine Spur zu hektisch geraten.
Was in der deutschen Fassung fehlt, sind die tollen Synchronsprecher des Originals. Tatsächlich wirkt die Übersetzung oftmals etwas billig und ihrer Materie überhaupt nicht gewachsen.
Fazit
Das erste Abenteuer von Marvels Randgruppen-Helden ist ein enormer Spaß mit erfreulich hohem Dreistigkeitsfaktor geworden, dessen Dramaturgie – im Vergleich zu vielen anderen Späßen – aber durchweg hervorragend funktioniert.
Ein Film, der genau wie seine Figuren rebellisch und liebenswert zugleich ist und sich damit ganz ohne Frage als bester Sommerfilm des Jahres empfiehlt, ungeachtet der Pejorativum-Natur, die diesem Begriff in den letzten Jahrzehnten anhaftete.
Und James Gunn empfiehlt sich mit diesem Streich definitiv für was Größeres, könnte man sagen, wenn Guardians of the Galaxy nicht bereits eine verdammt große Angelegenheit wäre.