Der Marsianer

Ridley Scott, dank Alien, Blade Runner und Gladiator einer der ganz Großen der Filmgeschichte, hatte es in den letzten Jahren nicht leicht. Robin Hood überflüssig, das Alien-Prequel Prometheus eine Enttäuschung, The Counselor verschmäht und Exodus: Götter Könige ein fast schon wahnwitziger Ausflug in das Reich der Bibel.
Mit Der Marsianer liefert er nun Science-Fiction-Kino, das in vielerlei Hinsicht bemerkenswert ist – wenn auch erst bei genauerem Hinsehen. Die Chance darauf, an Scotts wirklich großen Werke anzuschließen, verwehrt sich der Film letzten Endes aber selbst.

I’m gonna have to science the shit out of this.

Story

Ein plötzlicher Sturm zwingt die Mannschaft der Ares 3, einer bemannten Marsmission, dazu, unplanmäßig die Zelte abzubrechen. Während es alle unbeschadet ins Schiff schaffen, wird Mark Watney von einem Trümmerstück getroffen und weggeschleudert. Alles deutet darauf hin, dass der Astronaut sein Leben ließ, kommunizieren die Anzeigen doch noch, dass sein Anzug bei der Kollision beschädigt wurde.
Schweren Herzens gelingt es der Ares 3 in letzter Sekunde den Mars zu verlassen.
Wie durch ein Wunder überlebt Watney ausgerechnet aufgrund des Trümmerstückes. Als er erwacht, ist er allein auf dem lebensfeindlichen Planeten. Nur eine verlassene Station und er als alleiniger Mensch. Ohne Nahrung, ohne realistische Chance auf Rettung, ohne Möglichkeit zur Kontaktaufnahme. Doch Mark Watney entschließt, zu überleben.

Kritik

Vielleicht ist es ausnahmsweise angebracht, damit zu beginnen, was Ridley Scotts Der Marsianer nicht hat. Außergewöhnlich wird der Film nämlich gerade durch das Fehlen von ansonsten wie selbstverständlich anwesenden Bestandteilen des Science-Fiction-Kinos.
1. Der Marsianer ist keine Dystopie. Es ist Usus, dass in Science-Fiction-Filmen ausgerechnet das Science-Fiction-Element zugleich auch das Problem ist. Der Grund dafür ist die ungeschriebene Regel des Genres, dass unterschwellig Kritik an der Gesellschaft geübt werden soll, indem in der dargestellten Zukunft alle problematischen Aspekte der Gegenwart übersteigert auf das fiktive Zukunftsportrait projiziert werden. Hier jedoch ist die Technik die Umsetzerin von Wundern, macht den Menschen größer, überwindet mit ihm Grenzen. Der Marsianer ist nicht nur keine Dystopie, sondern ganz klar utopisch. Und damit quasi allein auf der weiten Genreflur.
2. Es gibt keine Liebesgeschichte. Wir wissen nicht einmal, ob auf Mark Watney eine Familie wartet. Tatsächlich wissen wir gar nichts über den Astronauten und seine Biographie – wir sehen ihn ausschließlich im Jetzt und ohne soziale Verknüpfung an die Erde. Es geht darum, wie er Probleme in der Gegenwart und nur in der Gegenwart löst. Das unterstreicht noch einmal den – so paradox es klingt – ungewöhnlichen Science-Fiction-Ansatz, nicht auf die Vergangenheit Bezug zu nehmen.
3. Es gibt keinen personifizierten Antagonisten. An dem Problem des Gestrandeten hat niemand Schuld. Es muss keiner bezwungen werden. Auch für dieses Phänomen gilt, dass es nur um die Situation geht, und darum, wie sie gemeistert werden kann. Ein Ansatz, wie er das letzte Mal in klassischen Abenteuerfilmen wirklich en vogue war.

Für das Fehlen dieser drei Punkte darf man den Film bewundern, sollte ihn zumindest achten, stellt er sich doch ohne Anstrengung und Stolz gegen Erzählkonventionen, die bereits so erstarrt sind, dass sie beinahe schon alternativlos erscheinen. Der Marsianer erinnert daran, dass sie es nicht sind und Geschichten sich nicht in diesem vorgegebenen Rahmen aufhalten müssen, um aufregend zu sein.

Wobei es zu viel des Lobes wäre, die Geschichte als aufregend zu bezeichnen. Sie ist nicht langweilig, aber auch fernab von Nervenaufreibend. Primär liegt das an der Figur des Mark Watney, der angesichts dieser Extremsituation niemals verzweifelt, sondern eine beispiellose Frohnatur bleibt, die kein Wässerchen zu trüben in der Lage wäre. Selbst in der aussichtslosesten Lage zuckt der Protagonist mit den Schultern, lässt ein spitzes, schiefes Lächeln aufblitzen und scherzt in die Kamera. Dadurch wirkt der Raumfahrer dann und wann allerdings auch etwas komisch, fast schon beunruhigend mit seiner stoischen, aufs Funktionieren und Weitermachen abzielenden Heiterkeit. Führt man sich vor Augen, dass er aller Wahrscheinlichkeit nach nie wieder einen Menschen sehen und nie wieder etwas anderes als Kartoffeln zu sich nehmen wird, dass er alleine auf einem lebensfeindlichen Planeten festsitzt, den Naturgewalten ausgeliefert und unentwegt mit einem Bein im Grab, kann man eigentlich nur zu dem Schluss kommen, dass mit diesem Mark etwas nicht stimmt. Natürlich würde niemand sehen wollen, wie jemand sich in seine Verzweiflung wickelt und 144 Minuten jammert. Seine absolute Gelassenheit, die höchstens mal etwas spöttischen Sarkasmus zulässt, verhindert in vielen Momenten aber auch das Gefühl tatsächlichen Ernstes.
Vor allem deshalb wird Der Marsianer gerne als Wohlfühlfilm bezeichnet. Ein Road-Movie, das Positivität ausstrahlt und nebenbei eine Geschichte darüber erzählt, wie großartig menschlicher Wille und Artefakt zusammen arbeiten können. So ganz geht das aber nicht auf. Warum das so ist, liegt dafür an zwei weiteren Dingen, die fehlen.
1. Es fehlt eine Exposition. Es vergehen keine fünf Minuten, bis Mark Watney nach einer intensiven Actionsequenz, die im Film solitär bleibt, alleine auf dem roten Planeten ist und die Weichen allesamt gestellt sind. Anfangs lässt sich der Film einfach gar keine Zeit. Das hat seine Vorteile, gibt der ganzen Geschichte aber auch einen merkwürdigen Rhythmus, mit dem ihr Rest einfach nicht harmoniert.
2. Es fehlt an pittoresken Marspanoramen. Das als Mangel zu bezichtigen, mag etwas krude wirken, doch hätte genau das dazu beigetragen, Der Marsianer tatsächlich zu Ridley Scotts erstem Wohlfühlfilm zu machen. Gemeint sind nicht einfach irgendwelche hübschen Bilder, sondern ein Mut zu Ruhe in der Erzählung. Ein Mark Watney, der nicht nur aktionistisch wie optimistisch Probleme angeht, sondern auch mal ehrfürchtig in der monumentalen Präsenz eines fremden Planeten erstarrt, mutterseelenallein, aber umgeben von Wundern. Dass es das Potenzial dafür gibt und es vielleicht auch mal eine entsprechende Absicht gab, deutet sich manchmal an, wenn im Hintergrund etwa Windhosen über eine Ebene wandern oder ferne Gebirge einen Eindruck von Erhabenheit vermitteln. Aber das ist immer nur Kulisse hinter dem arbeitsamen Überlebenskünstlers. Sähe man ihn auch einmal innehalten, die Schönheit aufsaugen, den Mars kennenlernen, hätte das nicht nur dem Grundgefühl des Filmes gut getan, sondern auch seinen Charakter sinnvoll erweitert.
So spielt sich die Handlung zwar auf dem Mars ab, der Mars selbst spielt aber keine Rolle als Ort mit all seinem Potenzial, all seiner Faszination.

Warum gerade diese beiden Punkte fehlen, kann nur gemutmaßt werden. Eine naheliegende Vermutung: Ein Film über ein so lebensgefährliches wie einmaliges Abenteuer völlig ohne konventionelle Konflikte erschien dem Studio (oder Scott?) wohl doch zu gewagt. Deswegen finden Probleme in die Handlung Einlass, die mit der eigentlichen Kerngeschichte nichts zu tun haben und zu alledem auch noch etwas konstruiert und teilweise sogar völlig unlogisch sind. Der Crew von Ares 3 nicht mitzuteilen, dass der Zurückgelassene am Leben ist, obwohl man bereits seit vollen drei Monaten weiß, dass er sich auch erfolgreich selbstversorgen kann, ergibt auch unter dem Vorwand, dass dies ihre Konzentration bei der Rückkehr stören könnte, keinerlei Sinn. So treten als Ersatz-Antagonisten dann doch ein paar halsstarrige Schlipsträger die Bühne, doch im Prinzip haben sie dort nichts zu suchen und bereichern den Film bestenfalls marginal. Da das Zusammenspiel zwischen Mars- und Erdenschauplatz ansonsten überraschend gut funktioniert, fällt dies umso stärker auf, weil es unnötig am Tempo knabbert und das eigentlich Interessante blockiert. Vor allem aber: Hätte man darauf verzichtet, wäre genügend Raum für eine längere (bzw. überhaupt eine) Einführung und, noch wichtiger, für ein paar kontemplative Momente des Marsbewusstseins gewesen.

Fazit

Dass Der Marsianer strukturell ein Science-Fiction-Film außer der Reihe ist, ist besonders deshalb bemerkenswert, weil er selbst keine große Sache daraus macht. Dadurch, dass die Komponenten Gegenspieler und Liebesnot keine Rolle spielen, hat der Film in der Theorie alle Zeit der Welt, sich ganz auf das extraordinäre Abenteuers des Pioniers zu konzentrieren. Praktisch lässt sich Scotts Romanverfilmung leider ein paar Chancen entgehen, den Film zu etwas wirklich Außergewöhnlichem zu machen.
Trotzdem ist Der Marsianer ein erfreulich technikfreundlicher Ausflug geworden, der die Zukunft ausnahmsweise nicht als Zeit des Schreckens darstellt, sondern als eine, in der die Menschheit von ihren Errungenschaften auch profitiert. Matt Damon spielt – und dass man das mal schreiben würde, wäre vor 10 Jahren undenkbar gewesen – gewohnt gut und passt ausgezeichnet in die nicht ganz einfache Rolle des Verlassenen.

Gagarin – Wettlauf ins All

Amerika hat seine Sternstunde der Raumfahrt bereits mehrere Male in Szene gesetzt, Russland soll dies erst recht vergönnt sein. Schließlich war Juri Alexejewitsch Gagarin der erste Mensch überhaupt, der den Dunst der Erde hinter sich ließ und in den Weltraum vorstieß.
Das Dachte sich wohl auch der hierzulande relativ unbekannte Filmemacher Pavel Parkhomenko, der die Geschichte von Gagarin mit den Autoren  Andrei Dmitriyev und  Oleg Kapanets filmisch aufarbeitete.

Das Gewinnspiel, mit dem ihr eine DVD und BluRay des Filmes ergattern könnt, läuft noch wenige Tage.
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Und jetzt ein Hurra.

Story

Der Weg in den Weltraum ist ein steiniger. Aus mehr als 3000 Piloten, die allesamt in Frage kommen, als erstes Erdenwesen die Heimat hinter sich zu lassen, hat Genosse Alexejewitsch Gagarin es geschafft, in die Auswahl der letzten 20 Anwärter zu kommen. Der wahre Konkurrenzkampf – auch mit den eigenen Zweifeln –  beginnt erst jetzt. Und während sich Gagarin immer weiter an die Spitze kämpft, erzählen Rückblenden, wie der werdende Nationalheld aufwuchs und zu dem außergewöhnlichen Mann wurde, der er ist.

Kritik

Es sei auch hier der Form halber noch mal erwähnt: Ja, so richtige Science-Fiction ist Gagarin – Wettlauf ins All natürlich nicht. Eher Science-Fiction-Geschichte. Eine Erzählung über eine Zeit, in der das heute Mögliche noch Spinnerei war, und über ein Ereignis, das Science-Fiction, wie wir sie heute kennen, entscheidend beeinflusst hat.
Doch nun zum Film. Wenn ein amerikanischer Volksheld, der durch außerordentliche Taten zur Legende wurde, nach dem Straßen, Plätze, Krater, Akademien, Träume und Boulevards benannt werden und der als häufige Antwort auf die Frage nach großen Vorbildern fällt, durch einen Film geadelt wird, geschieht das nur selten frei von Pathos und Patriotismus.
Gagarin bietet verhältnismäßig wenig Patriotismus, hat von Pathos aber jede Menge. Ständige Musik legt schwülstige Teppiche unter den Szenen aus. Dazu gibt es paar nette, aber überwiegend sehr einfache Perspektiven, die einen Alexejewitsch Gagarin zeigen, der kein Wässerchen trüben könnte, wenn er vom väterlichen Vorgesetzten lernt oder die zuckrige Freundin aufrichtig liebt.
Alles in allem hätte der Film  noch deutlich prätentiöser werden können. Man merkt der Produktion schon an, dass sie eine nicht allzu theatralische Darstellung der legendären Vorgänge anstrebt. Wie gesagt, die Inszenierung trägt dick auf und einige Dialoge sind fernab von nüchtern, andererseits wurde Ähnliches aber auch schon weitaus schlimmer gesehen.

Dramaturgisch kurios hingegen ist der Wahl des Erzählweges, der gewissermaßen doppelt durch bereits bekanntes Gebiet führt. Zum einen, weil man mit dem notwendigen historischen Vorwissen schließlich schon weiß, zu was für einem Ende die Sache kommen wird. Zum anderen, weil mit allerhand Rückblicken gearbeitet wird, deren Ausgänge aufgrund des eigentlichen Erzählstranges aber ebenfalls durchweg bekannt sind. Klassisches Mitfiebern um den Ausgang der Geschichte gibt es also kaum. Stattdessen muss sich Gagarin – Wettlauf ins All auf seine Inszenierung verlassen. Und diese ist ein zweischneidiges Schwert. Die ständigen Ausschweifungen in die Jugend des Kosmonauten sind manchmal ganz atmosphärisch, fügen erzählerisch aber nur wenig hinzu. In den Dialogen tut sich der Film schwer, was treffsicheren Humor angeht, während er ansonsten durchaus beschwingt durch die Geschichte führt, die besonders dadurch nett anzusehen ist, dass die Inszenierung der 60er Jahre mit liebe zum Detail besticht und den Mikrokosmos des damals alle sandere als fantastischen Astronautenalltags in unaufgeregten, aber herzlichen Bildern einfängt.
Eine nette Kleinigkeit am Rande: Die Laufzeit beträgt eine Stunde und 48 Minuten – exakt so lange, wie auch der Flug des russischen Nationalhelden andauerte.

Fazit

Nett gefilmte Geschichtsstunde, die den ersten Kosmonauten der Welt mit viel Pathos die Erde umrunden lässt. Nicht immer so zurückhaltend, wie nötig, nie so aufdringlich, wie möglich. Dafür aber mit sympathischen Darstellern und einem angenehm gemütlichen Tempo.

Love

Love ist bekannt, weil Finanzen und Musik von der Rockband Angels & Airwaves stammen. Angels & Airwaves  sind bekannt, weil blink-182-Frontmann Tom DeLonge mitmischt. Love heißt dieser Film, weil das 2009er Album der Band diesen Namen trägt. Dieses gab es kostenlos als Download. Der gleichnamige Film war nicht ganz so günstig, mit einer halben Million US-Dollar aber immer noch ein echtes Schnäppchen.

FK these noises.

Story

20 Jahre lang hat kein Mensch mehr die Erde verlassen. Am 07.07 2039 wird diesem Missstand ein Ende gesetzt und Astronaut Lee Miller ins All geschossen. Genauer gesagt auf die 360 Kilometer entfernte Raumstation L-E-O, um dort nach dem Rechten zu sehen.
Anfangs sieht alles gut aus und Lee, der dort unten eine kleine Berühmtheit ist, erledigt seine Aufgaben mit routinierter Gelassenheit.
Kurz darauf bricht der Kontakt zur Erde ab und der junge Raumfahrer sitzt vollkommen isoliert auf der beengenden Station fest. Aus Stunden werden Tage, aus Tagen Jahre. Die Lebenserhaltungssysteme funktionieren weiter, Luft und Verpflegung sind gewährleistet, alles weitere nicht.
Vielleicht stimmt etwas auf der Erde nicht, vielleicht stimmt etwas nicht in der lebensfeindlichen Schwärze des Alls; vielleicht sowohl als auch. Womöglich stimmt auch einfach mit Lee selbst etwas nicht, der zusehends durch die Einsamkeit eingeht.
Während einer Reparatur entdeckt er ein sorgfältig verstecktes Tagebuch aus Bürgerkriegszeiten, das einen außergewöhnlichen Fund dokumentiert.

Kritik

Spätestens seit Kubriks Monolith 2001 – Odyssee im Weltraum dienen cineastische Ausflüge ins All nicht mehr nur Thrill und Staunerei. Der Weltraum ist längst nicht mehr nur voll mit Wunder und exotischen Planeten, sondern allzu oft auch leer, karg und beispiellos einsam.
Der erste gute Punkt: Love ist keine Promotion für Angels & Airwaves. Deren Musik untermalt immer mal wieder unaufdringlich aber passend die Szenen und baut in Einklang mit den Bildern eine aufgekratzte Stimmung der Isolation und Unsicherheit, ohne dabei zu dominant oder anstrengend zu werden.
Künstlerische Vollmacht bekam der relativ junge William Eubank, der mit Love nicht nur sein Spielfilmdebut als Regisseur ablieferte, sondern sich außerdem auch für Drehbuch, Kamera und so manches anderes verantwortlich zeigt.
Da man sich vom krümeligen Budget nicht wie geplant das Set von Apollo 13 mieten konnte, baute der Herr einfach den Garten seines Elternhauses um. Nicht nur die gesamte Raumstation bastelte er aus Baumarktutensilien zusammen, auch hob er in dreiwöchiger Arbeit eigenhändig die Schützengräben für die kurzen Kriegsszenen aus.
Und so sieht das 500.000 Dollar-Projekt aus: Nicht billig, sondern nach Liebe, Schweiß und Herzblut. Die Raumstation ist vollends überzeugend und wirkt bis ins Detail glaubwürdig. Einziges Manko: Genaugenommen müsste  in L-E-O Schwerelosigkeit herrschen. Dieser Fakt wird ein paar Mal angedeutet – etwa wenn Lee auf seinem Funkstuhl mit einem Gurt festgeschnallt ist – aber niemals gezeigt. Schon eine Szene später bewegt er sich durch seine Bleibe als herrsche normale Erdanziehungskraft und schwitzt bei Liegestützen. Doch verzeihen wir dem Film das und setzen eine künstliche Schwerkraft voraus.
Vor allem als Kameramann brilliert Eubank auf ganzer Linie, indem er pausenlos stimmungsvolle Eindrücke festhält, die primär nicht durch ihr Motiv, sondern durch tolle Farben Atmosphäre schaffen. Love ist ein Film wirklich starker Bilder.
Diese sorgen dafür, dass die quälende Einsamkeit des völlig abgekapselten und ahnungslosen Protagonisten nachvollziehbar wird. Es ist beeindruckend, wie abwechslungsreich und vielfältig die beschränkte Umgebung präsentiert wird, indem immer wieder neue ungewöhnliche Kamerapositionen gefunden werden und trickreiche Schattenspiele dem eigentlich sterilen Ort etwas sehr Dunkles und Verstörendes geben.
Die sehr langsam aber auch stimmungsvolle Geschichte macht neugierig. Inhaltlich wird diese Neugierde am Schluss ausreichend befriedigt, wenn das auch nicht jeder so sehen mag.
Love ist mehr Atmosphäre denn Geschichte. Die meiste Zeit ist es ruhig, drückend und angespannt. Die einzige richtige und nur wenige Sekunden andauernde Actionsequenz in der Filmmitte wirkt dadurch doppelt so intensiv. Die komplett in Zeitlupe ablaufenden Schlachtensequenzen des Bürgerkriegsszenarios laufen konsequent sphärisch und überstilisiert ab, sodass sie eher einem traurigen Tanz als Kriegsgeschehen gleichen. Auch wenn die beunruhigende Stille und die erdrückende Eintönigkeit auf der Station an manchen Stellen etwas zu sehr auf die Spitze getrieben werden, wird das Ziel erreicht: Der Sci-FI-Film ist nicht nur überdurchschnittlich schön, sondern auch ungemein stimmungsvoll.
Thematisch orientiert man sich vor allem an Genrevertretern wie Solaris, Lautlos im Weltraum und immer wieder an obengenanntem 2001 – Odyssee im Weltraum, bei dem Love auch unverhohlen zugibt, dass er als klares Vorbild diente.
Und eindeutiges Zitieren von Stanley Kubricks Sci-Fi-Epos ist nie verkehrt – vor allem dann nicht, wenn es so gelungen geschieht, wie im Finale.
Kaum zu verleugnen ist außerdem ist die nahe Verwandtschaft zu Duncan Jones‘ Moon, der gerade erstes Kritikerlob einheimste, als die Produktion von Love sich dem Ende näherte.

Wenn Lee später immer stärker in eine Schizophrenie hineindriftet, erringt das Klischee allerdings einen kleinen Sieg.  Es gibt einfach bessere Wege, Einsamkeit erzählerisch zu intensivieren, als mit gespaltener Persönlichkeit um die Ecke zu kommen. Und das trifft letztlich auf den ganzen Film zu. Obwohl das Ganze niemals spannungsarm ist, sind die einzelnen Elemente häufig einen winzigen Tick zu abgedroschen. Nie so sehr, dass es ernsthaft ärgerlich zu werden droht, aber immer genug, um sich dessen bewusst zu sein.

Eigentlich versteht sich Love aber sowieso als Abhandlung über den Menschen als soziale Kreatur, die ihresgleichen Bedarf. Die Zwischenmenschlichkeit als funktionelle Bedingung, die Herde, das Kollektiv, die Notwendigkeit, gemeinsam zu sein. Während Love atmosphärisch brilliert und auch eine durchaus passable Geschichte erzählt, schrammt die Motivation, darüber hinaus eine existenzielle Botschaft zu vermittelt, nah am Scheitern vorbei, weil das Mitgeteilte viel zu abgeschmackt und flach ist.
Das liegt zuvorderst daran, dass irgendwelche Personen, die vermutlich Lees Vorgänger darstellen sollen, in kurzen Einschüben immer mal wieder lehren, wie wichtig Kommunikation und Zwischenmenschlichkeit doch seien. Weshalb Love sich diesen Kunstgriff erlaubt, bleibt völlig im Dunkeln. Auch ohne die Vorträge der herumdrucksenden Gestalten, die sich offensichtlich in einer Interview-Situation befinden, wären die zentralen Themen des Filmes und die Probleme seines Protagonisten hinreichend evident gewesen. Die abgehackten Monologe wirken wie eine unnötige Erklärung der aussagestarken Bilder und sind deshalb überwiegend redundant. Es entsteht der Verdacht, man wollte mit dieser Zusatzebene vor allem die 80 Minuten vollkriegen.
Zum Glück hat man sich wenigstens dafür entschieden, die kitschigen Schicksalsgeschichten der drei Interviewten wieder rauszuschneiden, welche außerdem noch mit kaum zum Rest passender Angels & Airwaves-Musik unterlegt waren, die als einzige im Film Gesang enthalten hätte.

Unterm Strich bleibt eine Schwierigkeit. Love ist sehr schwer zu bewerten. Man kann das SciFi-Werk ihn nicht nur lieben oder hassen, sondern auch furchtbar mittelmäßig finden. Für jedes dieser Urteile befinden sich ausreichend Gründe im Film und jeder wird sie nach ganz eigenem Maßstab bewerten müssen. Die 7,8 Punkte oben könnten genauso gut 3 oder 9 sein.

Fazit

Love ist ein bemerkenswerter Film. Die sehr unterschiedlichen Puzzleteile passen nicht ganz perfekt zusammen, dessen ungeachtet entsteht am Schluss ein Gesamtbild, das sich sehen lassen kann. Ist man in der Lage, über ein paar Kleinigkeiten hinwegzusehen und stößt man sich nicht daran, dass die Handlung zugunsten der Atmosphäre sehr gemächlich vorangeht, ist der Film definitiv einen Blick wert.