Interstellar

Bisher war jeder Film von Christopher Nolan ein Erfolg bei Kritikern und Publikum. Entsprechend hoch sind jedes Mal die Erwartungen, wenn ein neuer Titel des Regisseurs und Drehbuchautors in den Startlöchern steht. Auch Interstellar macht da keine Ausnahme.

A frozen cloud.

Story

Wie viele anderen auch, ist der vormalige Astronaut Cooper Farmer. Die Welt von Morgen ist ausgesaugt und von Jahr zu Jahr verringert sich die Zahl anbaubarer Nutzpflanzen, während verheerende Staubstürme über das Land fegen.
Als seine aufgeweckte Tochter Murphy aufgrund eines sonderbaren Phänomens auf Koordinaten stößt, die Cooper zu einer längst aufgegeben geglaubten Institution führen, nimmt die Geschichte des Maisbauern, der mit seinen zwei Kindern und dem eigenen Vater auf dem Familienhof lebt, eine unvorhersehbare Wende.
Ein künstlich geschaffenes Wurmloch ist vor Jahren in der Nähe des Saturns aufgetaucht und könnte den Menschen ein Weg zu einer neuen Heimat sein. Cooper wird Teil des für die Reise zusammengestellten Expeditionsteams und trennt sich von seiner Familie, um für die Zukunft der Menschheit zu kämpfen.

Kritik

Die ersten Impressionen aus Interstellar sind wie die vorangegangenen Filme Christopher Nolans insgesamt. Schön, elegant komponiert, aber auch kühl und distanziert. Zu der The Dark Knight-Trilogie, seinem Remake Insomnia und dem Zaubererwettkampf Prestige passte diese unterkühlte Darstellungsweise seiner Geschichten durchaus, bei Inception verhielt es sich womöglich schon etwas problematischer, während bei Memento dadurch eine Verbindung zur Hauptfigur so sehr behindert wurde, dass man durchaus seine Probleme mit dem Film-Puzzle haben kann. Die pompösen Trailer zu Interstellar kündigten einen Richtungswechsel an. Es wird emotional im Kosmos Nolans, und das erfolgreich.
Matthew McConaughey schafft den zerknirschten Vater, der sich unter den Lasten der Gegenwart beugen muss als glaubwürdige, als warme Figur in einer glaubwürdigen, kalten Zeit. Sein Verhalten an sich und insbesondere sein Umgang mit der Vaterrolle ist zwar etwas befremdlich, trennt sich Cooper doch unerwartet entschieden und abgekürzt von seiner innig geliebten Familie, die er voraussichtlich nie wieder sehen wird, doch passt dies halbwegs zum andererseits beunruhigend obsessiven Kerl, der nur zum Erdenretter taugt, weil er sein Erdendasein hasst. Unter diesem Gesichtspunkt ist es auch vertretbar, dass vor allem er sich zu Beginn nicht mit pathetischen, platt symbolischen Sätzen zurückhält.
Ebenfalls schon durch den ersten Trailer ist es kein Geheimnis, dass Interstellar ein Vorbild hat, das größer kaum sein könnte und in welchem ebenso eine unbekannte, aller Wahrscheinlichkeit nach aber intelligente Wesenheit mittels eines Artefakts zu einer interstellaren Schnitzeljagd einlädt. Die aufgeladene Thematik, die epische Breite und der mutige Schritt über die Grenze hinaus, all das ist heutzutage nur schwer zu kombinieren, ohne als Kubrick-Epigone zu gelten.
Optisch lässt man sich natürlich nicht lumpen und liefert ein paar eindrückliche Bilder fremder Planeten ab, ohne den Zuschauer gleich mit Special-Effects zu überschwemmen.
Dagegen irritiert es, mit welcher Leichtfertigkeit die großen Pioniere der Menschheit sich auf einen völlig unbekannten Planeten verhalten, weshalb der weitere Verlauf auf diesen auch nicht sonderlich verwunderlich ausfällt, dafür aber ein angenehm donnerndes Spektakel verspricht. Hier gilt die Regel großer Studiofilme, die 10 Mark Logik zur Sicherheit dalassen und dafür 7 Mark Radau erhalten.
Dann aber gibt jemand im Film etwas sehr Kluges und Hochpoetisches von sich und versichert damit sogleich wieder, dass Interstellar eben nicht einfach nur irgendeine Studioproduktion ist.
Das Gegengewicht zum weiter oben bemängelten Pathos des Beginns sind eine Handvoll feiner und richtiger Sätze, die kurz ausfallen, aber nachdrücklich in Erinnerung bleiben.

Es ist beim Betrachten allerdings beinahe spürbar, wie man sich bemühte, das Drehbuch um klassische Spannungselemente zu bereichern. Dieser Umstand ist bedauerlich, denn aufgrund seiner inszenatorischen Souveränität hätte Interstellar gerade aus seiner Stille, der nackten Verzweiflung des Forscherteams und nicht zuletzt durch das tolle Ensemble eine viel tiefere Spannung erzeugen können, als durch die blanken Suspense-Elemente, die wie etwas willkürlich eingebrachte Stationen eines Filmes wirken, der ohne sie viel homogener geworden wäre. Auch ist man zu bemüht, die 169 Kinominuten mit obligatorischen Twists zu versehen, die das gleiche Schicksal haben, wie die Suspense-Elemente.
Somit wird das große Vorbild natürlich nicht abgelöst und bleibt unerreichbar. Während der offizielle Nachfolger 2010: Das Jahr, in dem wir Kontakt aufnehmen gar nicht erst versuchte, in die Fußstapfen des übergroßen 2001 – Odyssee im Weltraum zu treten, und stattdessen lieber ein konventioneller, aber routinierter Science-Fiction-Film wurde, kann sich Nolans Werk nicht so ganz entscheiden und landet damit ein wenig zwischen den Stühlen. Es mag paradox klingen, aber wollte Interstellar weniger, hätte der Film mehr erreichen können. Zudem wird der Kniff, der vonnöten ist, um die Geschichte schlüssig zu beenden, schon früh und häufig als zentrale Problematik in der Handlung angedeutet, sodass die Auflösung letztendlich kaum überraschen kann. Wie sie innerhalb der Filmlogik ermöglicht wird, das ist hingegen wieder beachtenswert. Was sich beim ersten Überlegen als fad, aber an sich unproblematisch präsentiert, wirkt auf den zweiten Blick defizitär und unsauber durchdacht und erst beim dritten lückenlos schlüssig – es gilt einzig, den physikalistischen Kitsch, den Interstellar sich zur Grundprämisse macht (was keineswegs zwingend abwertend gemeint ist) zu begreifen.
Das Werk zeigt sich sehr bemüht, am Ende zu einer kreisrunden Sache zu werden. Dadurch gelingt ihm eine symmetrische Schönheit, richtiger Fortschritt wird so aber unmöglich. Damit ist der Film weit weniger Pionier als seine Figuren. Doch das Scheitern – wenn man es denn überhaupt so nennen möchte – ist eines auf verflucht hohem Niveau. Und, wer weiß, vielleicht nutzt ein anderer Film eines anderen Regisseurs genau diese kreisrunde Umlaufbahn ums Motivbündel des Sci-Fi-Genres, um wie ein John Crichton Schwung zu holen, und sich ins tatsächliche Wagnis des Unbekannten zu katapultieren.
Was dann nagend am Ende bleibt, sind einige Fragen, die der Film offen lässt und die sich auch mit mehreren Sichtungen und einem gehörigen Maß an Grübelei nicht klären lassen.

Fazit

Nolan liefert mit seinem zehnten Film ein formal prächtiges, trotz seiner Laufzeit verblüffend kurzweiliges Stück Arbeit ab, das zugleich als sein emotional ausgereiftester Film gelten kann. Die Regie ist aber besser ausgefallen als das Drehbuch, welches aufgrund zu vieler Eingeständnisse an klassische Spannungskonstellationen und eines Endes, das vielleicht ähnlich kontrovers aufgenommen wird, wie einst das von 2001 – Odyssee in Weltraum, genaugenommen aber recht konventionell ausfällt, letztlich sein eigenes Potenzial untergräbt.
Das ändert aber nichts daran, dass Interstellar ein toller Film ist, der einen Gang ins Kino ebenso wert ist wie Folgesichtungen.

The Dark Knight Rises

Vier Jahre ist es her, dass The Dark Knight Erwartungen über den Haufen warf, Kinos mit Besuchern schwemmte und Heath Ledger posthum den Oscar für seine unerträglich intensive Verkörperung des Fröhlichen einbrachte. Jener zweite Teil und dessen tragische Produktionsgeschichte ließen die allgemeine Achtung vor dem Vorgänger Batman Begins über Gebühr steigen und den Zuschauer mit schier unerfüllbaren Forderungen an das Trilogie-Finale zurück.


Story

Das Böse ist besiegt. Vor acht Jahren legte der Der Dunkle Ritter nicht nur dem Joker, sondern auch Staatsanwalt Harvey Dent aka Two Face das Handwerk. Die Stadt war gerettet, doch der Preis, den Batman zu entrichten hatte, ist kein geringer gewesen. Die Öffentlichkeit verurteilt den Helden aufs Schärfste für seine Tat, Dent zu richten, von dessen wahrer Natur die Bürger Gothams nie erfahren durften. Batman ist ein Geächteter und seither nie wieder in Erscheinung getreten. Bruce Wayne, seines Lebenssinnes beraubt, verwahrlost und halb verkrüppelt, ist gleichfalls von der Bildfläche verschwunden und allenfalls noch für den Klatsch der Oberschicht gut. Zusammen mit Batman verkümmerten auch der Millionär und Wayne Enterprises.
Erst die forsche Diebin Selina Kyle kann ihn aus seiner Lethargie reißen. Doch Comic-Logik im Allgemeinen und DC-Kausalität im Speziellen haben es an sich, dass ein solcher Weckruf selten nur an Gutes gekoppelt ist.
Der agile Langfinger arbeitet für eine undurchsichtige Vereinigung und diese wiederum scheint in direktem Zusammenhang mit Bane zu stehen. Und dieser Bane entpuppt sich alsbald nicht nur als Batmans mächtigster Widersacher, sondern auch als die bisher ärgste Bedrohung für Gotham City.
Gespenster aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umzirkeln den Verstoßenen und seine Stadt.

Kritik

Wie einem zweite Teil der Größe eines The Dark Knight das Wasser reichen?
Die schnörkellose Antwort: Gar nicht und stattdessen den Plan weiterverfolgen.
Erst mit The Dark Knight Rises wird ersichtlich, wie sehr Nolans Batman-Interpretation als Trilogie angelegt ist. Nach dem zwar ungewohnt düsteren, im Gesamten aber klassischen Superheldenstart aus dem Jahre 2005 kam mit Teil zwei der große Höhepunkt der Saga. Nach allen Regeln der Filmkunst wurde der etablierte Held mit dem einzigen ernstzunehmenden Feind seiner fest verankerten Moral konfrontiert und siegte um Haaresbreite.
Was folgt, ist die übersättigte Welt nach dem Hauptgang. Das Böse ist gebannt, ein Held wirkt plötzlich unbequem und irrational. Es offenbart sich das verstörende Bild einer Comic-Utopie. Was geschieht mit dem Helden und seinem Schützling, wenn das Dunkle vertrieben ist, wenn der Triumph im Rücken liegt? Gotham City suhlt sich in Dekadenz und hat eigentlich auch allen Grund dazu.

The Dark Knight Rises ist kein zweiter und erst recht kein wahrhaftiger Hauptteil. Es handelt sich um den Epilog einer dreiteiligen Erzählung – und als solcher funktioniert er bestens. Sicher, faktisch steht mehr auf dem Spiel als noch im zweiten Akt, trotzdem backt der Film kleinere Brötchen, weil er näher an den Figuren ist, verschwitzter, erbitterter und weit emotionaler daherkommt.
Bane ist hierfür möglicherweise nicht der optimale, durchaus aber ein tauglicher Antagonist. Seine Undurchsichtigkeit und die gewisse Nähe, die er zu Batman hat, machen ihn zu einem Charakter, der nicht ambivalenter, aber entschieden mysteriöser als der räudige Joker wirkt. Tom Hardy nimmt den Platz hinter der Maske mit der notwendigen Intensität ein und macht aus dem Ungeheuer einen martialischen Spiritualisten. Er weiß seine wuchtige Physis so einschüchternd einzusetzen, dass die verborgene Mimik nicht eine Sekunde vermisst wird. Seine Stimme scheint vor bitterböser Süffisanz immer kurz vor dem Überschäumen; ein geschickt platzierter Gegenpol zum bewährt trockenen Humor der Serie. Diesbezüglich eine warnende Randnotiz: Im Englischen ist Bane durch seinen Maulkorb (trotz Nachjustierung in der Postproduktion) ungemein schwer zu verstehen.
Schon immer wurde nicht bloß die Figur Batman, sondern auch dessen Leinwandabenteuer primär durch die Art seiner Schurken bestimmt: Mit dem Joker ging die Manie, mit Bane kommt der Ingrimm.

Auch der Rest des Casts weiß wieder mal zu überzeugen. Christian Bale spielt die gealterte Fledermaus mit Würde, Gary Oldman bleibt seiner liebenswerten Auslegung von James Gordon treu, Joseph Gordon-Levitt gibt den Feuereifer-Polizisten angenehm zurückhaltend und Michael Caine stellt wiederholt unter Beweis, dass er der heimliche Star der Reihe ist. Keinen Klagegrund gibt auch Frau Hathaway in ihrem Catwoman-Kostüm. Obwohl ihr Charakter etwas unterbeleuchtet bleibt, fügt er sich nahtlos ins geerdete Szenario ein. Dennoch ist fraglich, ob der Film diese Figur gebraucht hätte, denn zur tatsächlichen Geschichte trägt sie kaum Wesentliches bei. Bedenkt man, dass insbesondere in der zweiten Hälfte so manches Ereignis trotz der 164 Minuten Laufzeit etwas gehetzt wirkt, wäre die Einsparung der Katzendame vielleicht kein schlechter Schachzug gewesen.
Überhaupt wirkt das Werk dramaturgisch im direkten Vergleich mit seinem Vorgänger nicht mehr ganz so rund und geschliffen. Die Ereignisse gehen nicht immer elegant logisch auseinander hervor, sondern wirken an wenigen Stellen etwas unsauber aneinandergereiht. Zum einen fällt dies aber kaum ins Gewicht, zum anderen steht der leicht fahrige Aufbau der Krise des Protagonisten gar nicht schlecht zu Gesicht. Im Gegenzug ist der Streifen nicht mehr so schwer beladen wie der wirkmächtige Vorgänger und zieht die Daumenschrauben zwar weniger hurtig, dafür aber umso fester an. Außerdem wird den zwischenmenschlichen Beziehungen mehr Platz zugestanden. Von emotionaler Warte aus bewertet, ist dieser Batman-Film ganz sicher der stärkste.
Auch technisch gibt es erwartungsgemäß nichts zu beklagen. Hans Zimmer hat sich wund komponiert und Gotham ist trotz erhöhter Helligkeit immer noch Battys finstere Fledermaushöhle. Einzig die Faustkämpfe wirken wegen des steifen Anzugs nach wie vor ein bisschen schwerfällig, was gerade beim direkten Gekloppe mit Bane kaum zu verbergen ist.

Fazit

The Dark Knight Rises mag kein perfekter Film sein, ist aber ein verdammt noch mal würdiger Abschluss. Alte Bekannte, viel Gefühl, tiefe Einblicke und eimerweise Herzblut. Christopher Nolans Vision ist zu Ende erzählt und jede weitere Ergänzung wäre in dieser 3-Akte-Konzeption ganz einfach überflüssig.
Es bleibt abzuwarten, wie Warner Bros. das Franchise in Zukunft behandelt, wenn der Meister nicht mehr als Regisseur zur Verfügung steht.
Hiermit bietet 2012 jedenfalls das perfekte Comic-Kontrastprogramm zum keineswegs schlechteren, aber grundverschiedenen The Avengers.