Das Leben des Budori Gusko

Japan-Filmfest Hamburg Special 8

Story

Gemeinsam mit seiner Schwester und den fleißigen Eltern lebt Budori ein glückliches Leben im Wald nahe eines kleinen Dorfes, wo er täglich und lernwillig die Schulbank drückt. Das beschauliche Leben ändert sich, als auf den Winter irgendwann kein richtiger Frühling mehr folgt und die Ernte über Jahre hinweg bestenfalls kümmerlich ausfällt. Nachdem Mutter und Vater verschwunden sind, erscheint ein unheimlicher Zauberer im Haus bei den hungernden Kindern und nimmt Budoris Schwester mit.
Da ihm nichts mehr bleibt, macht sich der junge Kater auf die Reise, um sein Glück zu finden. Er begegnet hilfsbereiten, aber auch wunderlichen Personen, wächst langsam heran, der ausbleibende Frühling bleibt aber eine stete Bedrohung in seinem Leben und der Welt.

Kritik

Schon in Nacht auf der galaktischen Bahnlinie sind die meisten Figuren in Gisaburō Sugiis Das Leben des Budori Gusko anthropomorphe Katzen. Bekanntheit hat der Regisseur nicht nur durch den genannten modernen Klassiker erlangt, sondern unter Freunden des anspruchsvollen Zeichentrickkinos auch dank dem ungemein lohnenden Sci-Fi-Anime Serial Experiments Lain. Auch in seiner zweiten Interpretation eines Miyazawa-Werkes (die Novelle stammt aus dem Jahr 1932) begegnet man sofort dem vertrautesten Stilmittel des Regisseurs – der Protagonist ist, wie auch seine ganze Familie und sämtliche Dorfbewohner – so unfassbar niedlich, dass man, gleich wie Hart das eigene Herz auch sein mag, gar nicht anders kann, als Sympathie und Mitleid für das selbstlose und durch und durch unschuldige Kerlchen aufzubauen. Denn natürlich ist nicht eine Katze die Hauptperson, sondern ein Mensch reinen Herzens, der lediglich die Gestalt einer Katze hat. Der so geweckte Beschützerinstinkt, ist aber ein hervorragendes Instrument, eine Bande zu der Figur aufzubauen. Dass es sich beim Protagonisten um ein Tier handelt, hat also durchaus seinen Sinn – und fällt ansonsten nicht weiter auf, denn schnell hat man sich an den, für westliche Augen, ungewöhnlichen Hauptcharakter gewöhnt und seine spitzohrige Präsenz als normal und unproblematisch akzeptiert.
Dass das gerade zu Beginn so reibungslos funktioniert, liegt einerseits an den wirklich prächtigen Zeichnungen, mit denen der Heimatwald lebendig wird und die sofort ein Gefühl von Sehnsucht und herzlicher Gemütlichkeit wachrufen. Genau wie die Charakterdesigns, evoziert der heimelige Forst mit seiner Detailfülle und den vielen entdeckungswerten Orten ein Gefühl von naturalistischer Märchenhaftigkeit, wobei die gewählten Perspektiven diese Stimmung gezielt verstärken. Wenn sich dann herausstellt, dass das hier erzählte Märchen ein sehr finsteres ist, wirkt die Schwere des Schicksals der Familie Gusko umso stärker. Der Zauber des Gehölzes macht nun Platz für eine Welt, die jenseits des Märchens existiert.
Die Odyssee, die Budori Gusko durchlebt, ist die eines Kindes, das durch Tücke und Missgunst von seiner immer nur passiven Unschuld zu einer selbstständigen Person heranwächst – erzogen nicht mehr nur im behüteten Heim der Eltern, sondern auch von einer Welt, in der der Kapitalismus mit Strenge regiert.
Allerorts spürt man den Versuch, ein Werk zu schaffen, dass die Strahlkraft und den freigeistigen Reichtum eines Studio Ghibli-Filmes besitzt.

Zudem tauchen Computeranimationen auf, die überhaupt nicht ins harmonische Bild der Zeichentrickwelt passen wollen und als hässlicher Fremdkörper die Atmosphäre verunstalten. Irgendwie passt dies, denn nach dem Austritt aus dem Wald der Kindheit strahlt Das Leben des Budori Gusko ein permanentes, aber kaum fassbares Unwohlsein aus. Die Geschichte läuft ab diesem Moment seltsam ziellos ab, Budori ist ein Charakter, der sich seinem ungnädigen Schicksal fortwährend hingibt, ohne merklich gegen es aufzubegehren. Stoisch lässt er Leid über sich ergehen und macht einfach dort weiter, wo der Wind ihn hinträgt. Durch die Fremdbestimmung der Hauptfigur wirken auch die bereisten Orte wie eine Aneinanderreihung von Zufällen. Die Geschichte, die sich über mehrere Jahre erstreckt, bleibt dabei unentwegt seltsam. Oftmals fesselt der Film weniger durch seinen etwas unmotivierten Verlauf, sondern durch die durchgehend schön gezeichneten Szenerien, in die es Budori verschlägt. Den Platz der anfangs herzigen Katzenwesen nehmen andere Gestalten ein, deren Äußeres mit Fortschreiten der Spieldauer immer alptraumhafter wird. Die Welt, in die man gemeinsam mit der Hauptfigur immer tiefer dringt, ist eine wunderliche, in der sich an Steampunk erinnernde Science-Fiction-Gerätschaften vor dem Hintergrund einer rückständigen Welt zeigen, in der Elend, Naivität Magie, bodenständige Wissenschaft und hungriger Kapitalismus eng beieinander existieren. Psychedelische Traumsequenzen bestärken die beunruhigende Stimmung des Filmes. Über allem liegt der Schatten des Magiers, der zu Beginn der Handlung Budoris Schwester mit sich nahm. Auch hier verwundert die eigenartig verstecke Motivation des Protagonisten – es wird an einigen Stellen klargemacht, dass er seine Schwester befreien will, doch aktiv dafür Eintreten sieht man ihn kein einziges Mal.
Die Krönung des sonderbaren, mulmigen Grundgefühls ist dann das Filmende selbst, das auf eine Weise bizarr einfach ist, aber auch viel Raum für Spekulation lässt.
So entlässt einen dieser eigentümliche Film auch mit dem seltsamen Gefühl, dass er seinen eigentlichen Kern erfolgreich verborgen halten konnte.
Ob das ganze Abenteuer nur der Traum eines sterbenden Kätzchens ist, ob die Geschichte eine Fabel darüber darstellt, dass sich gerade nicht in tatenloser Ergebenheit seinem Schicksal opfern sollte oder ob Gisaburō Sugiis hier tatsächlich einfach nur den sonderbaren Weg eines sehr einfachen Wesens in einer sehr komplizierten Welt zeigen wollte, auf solche Fragen gibt es keine eindeutigen Hinweise. Vielleicht bietet die Lektüre des Quellmaterials Aufschluss, vielleicht gibt es eine im Westen unbekannte Sage, die mit Unklarheiten aufräumen könnte.

Fazit

Trotz der – zum Glück seltenen – deplatzierten Computeranimationen ist Das Leben des Budori ein optisch weitestgehend herausragender Film, der viel von seiner besonderen Stimmung aus den wundervoll gezeichneten Szenerien zieht.
Die Pluralität von Botschaften, der eigentümliche Verlauf und die zugleich sehr schlichte als auch geheimnisvoll wirkende Geschichte sind etwas, das den Film interessant, aber auch ein wenig anstrengend macht.
Einen Blick ist der Film auf jeden Fall wert – doch wird er wohl einige seiner Zuschauer verschrecken. Und für Kinder ist der auf den ersten Blick putzige Animationsfilm sowieso eine Spur zu verstörend.

Patema Inverted

Japan-Filmfest Hamburg Special 7

Story

Patema lebt seit ihrer Geburt zusammen mit einer kleinen Gesellschaft in einem gut ausgebauten Höhlensystem. Trotz wiederholter Verbote entwischt sie immer wieder den befestigten Räumlichkeiten, um die Geheimnisse der ferneren Stollen zu ergründen.
Bei einem ihrer Ausflüge begegnet sie jedoch einem Fledermausmenschen – eine Kreatur, die sie bisher für ein Ammenmärchen zum Erschrecken von Kindern gehalten hat. Auf ihrer Flucht stürzt sie in die Tiefe und überlebt nur durch einen Glücksfall.
Als sie aus ihrer Bewusstlosigkeit erwacht, stellt sie fest, dass der Grund der Schlucht zugleich auch Übergang in die Stadt Aida ist. Noch erschreckender als die Tatsache, dass diese unter freiem Himmel gebaut wurde, ist aber die Tatsache, dass Oben plötzlich Unten ist. Wortwörtlich.

Kritik
Die Schöne Farbgebung der reichhaltigen, mit Kleinigkeiten vollgestopften Bilder ist das erste, was an Patema Inverted ins Auge sticht. Die Liebe zur glaubhaften Umwelt, denn eine glaubhafte Umwelt ist das Thema des Filmes. Die Detailverliebtheit lässt zu Anfang verständlich werden, wieso Patema so versessen darauf ist, die Umgebung zu erkunden, und fesselt auch für den weiteren Verlauf das Auge an das Bild, das mit sehenswerten Bestandteilen wahrlich nicht geizt. Der Film profitiert hiervon in gesteigertem Maße immer dann, wenn die Perspektive sich um 180° Grad dreht, weil die Fokalisierung von Patema auf Age wechselt oder umgekehrt. In diesen Momenten fühlt sich der Film besonders interessant an und dieses Stilmittel wird überlegt eingesetzt. Auch die variable, teils klassische Musik fügt sich gut ins Gesamtbild ein und sorgt dafür, dass Patema Inverted ganz besonders im Kino eine Sinnesfreude ist:
Die Empathie mit den beiden Figuren glückt zudem. In ihren Zweifeln und Handlungen sind die Teenager nachvollziehbar, werden aber nicht zu trocken dargestellt, sondern dienen immer mal wieder als Vehikel für harmlose Späße, die den Zuschauer daran erinnern, dass er einen Anime schaut. Die neugierige Protagonistin ist nicht, wie so oft, zu naiv unbedarft, sondern in ihrem Wissensdurst sehr gut nachvollziehbar. Die Nebencharaktere haben es leider nicht so gut. Während die unterirdische Bevölkerung, der Patema entstammt, gesichtslos bleibt, womit sehr viel Potenzial verschenkt wird, sind die relevanten Personen aus Aiga sämtlich platte Abziehbilder der Marke Willenloser Lakai in Jin-Roh-Rüstung oder diabolischer Fanatiker. Gerade das Konzept der Welten und die angedeutete Historie hätten viele Ansatzpunkte zur Verfügung stellen können, um vielschichtige Charaktere mit nachvollziehbaren Motivationen zu kreieren. Dass die Führungsriege Aigas aus stupiden Despoten ohne einen Funken verstand besteht, ist jammerschade, denn so verliert der zentrale Handlungsort des Filmes nie seinen Status als Entwurf einer eindimensionalen Konzeptwelt. Was den Film hier häufig rettet, ist der Mut, auch in ernsteren Szenen immer mal wieder ein wenig Humor zu erlauben und die Geschichte somit aufzulockern, was dem Film gut zu Gesicht steht.
Die großen anfänglichen Fragen im Film sind nicht, warum die Welt ist, wie sie ist, und wie das funktionieren kann, sondern wie die Figuren sich damit arrangieren. Antworten auf diese bekommt man trotzdem und das sogar recht früh. Gerade an diesem Punkt, der zentralen Prämisse von Patema Inverted, wurde nicht ausreichend weit gedacht, denn die Art und Weise, wie die Umdrehung der Schwerkraft funktioniert und wie sich die verschiedenen, parallel existierenden Gesellschaften erhalten können, ist, folgt man der vom Film vorgeschlagenen Logik, schlicht nicht möglich. Tatsächlich ist Gravitation in diesem Film eine völlig willkürlich funktionierende Kraft, die nicht im Sinne einer Gesetzmäßigkeit wirkt, sondern immer dann, wenn der Film es eben braucht, um richtig auszusehen. Gerade ein so zentraler Sachverhalt hätte es verdient gehabt, dass man seiner Schlüssigkeit ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenkt. So aber muss man darauf schließen, dass die phantastische Ausgangssituation nur dafür da ist, hübsch aussehende Sequenzen und eine fabelhafte Prämisse anzubieten.
Das alles reicht Dank schöner Ideen in der Umsetzung, den sympathischen Hauptfiguren und dem Spaß, die Welt schrittweise mit ihnen zu entdecken, in genügendem Maße. Mit einem durchdachteren Kern wäre jedoch noch viel mehr möglich gewesen.

Fazit

Liebenswerte Figuren führen durch die toll in Szene gesetzte Welt von Patema Inverted, deren Logik aber nur auf der Behauptungsebene funktioniert. Denkt man nicht über die physikalischen Unmöglichkeiten nach und stört man sich auch nicht an den Holzschnittartigen Nebenfiguren, ist der SciFi-Anime aber gute Unterhaltung mit einem zusätzlich netten Kniff durch die vertikalen Perspektivwechsel.

Steins;Gate

Mit dem Hintergrund zu Steins;Gate verhält es sich weit komplizierter als mit der erzählten Geschichte. 2008 erschien auf der XBOX 360 die visual novel Chaos;Head der beiden Entwickler 5pb. und Nitroplus. Aufgrund der Wahnvorstellung des Protagonisten entstand das Spin-Of Steins;Gate, ebenfalls ein Spiel, welches selbst drei Nachfolger bekam. Aus den beiden innovativen Titeln wurden später Mangas und Animes.
Der Erfolg scheint nicht abzunehmen, denn neben der TV- und Buch-Umsetzung gibt es von dem Titel außerdem noch CDs, ein Brettspiel, eine eigene Radioshow und einen den Spielfilm Steins;Gate: Fuka Ryōiki no Déjà vu.
Das wirkt so, als wolle man auf Basis eines Überraschungserfolgs mit immer neuen Auskopplungen den großen Reibach machen. Vermutlich ist das auch der Fall. Doch wichtig ist: Die Qualität stimmt, trotz Videospiel-Vorlage.

Könntest du noch einen Moment warten?

Story

Dem jungen und selbsterklärt wahnsinnigen Wissenschaftler Rintarō Okabe.und sein aus Freunden zusammengeleimtes Team gelingt nach einer folgenreichen Entdeckung Erstaunliches. Mittels eines umfunktionierten Mikrowellenherdes sind sie in der Lage, Textnachrichten eines Handys in die Vergangenheit zu senden. Es kommt, wie es kommen muss – mit jeder verschickten SMS verändert sich die Gegenwart in ungeahntem Ausmaß und darüber hinaus hat die wissenschaftliche Organisation SERN Wind von der Sache bekommen und scheint die Forschern mit drastischen Mitteln in ihre Schranken weisen zu wollen.

Kritik

Alles beginnt mit einem manischen Junge, der sich für einen verrückten Wissenschaftler hält und damit gar nicht so verkehrt liegt. Ständig erfindet er Sachen mit zweifelhaftem Zweck und so tut, als wäre er der Kopf eines Aufstandes gegen die ominöse „Organisation“, welche er sich ebenso ausdenkt wie ihre undefinierten, aber definitiv teuflischen Ziele.
Anfangs ist Rintarō Okabe eine hektische Hauptfigur, die so schräg ist, dass sie für sich fasziniert und funktioniert. Vor allem deshalb, weil die Witze tatsächlich zu ihren Pointen finden, wenn auch nicht alle.
Wenn die Serie ihre ersten Schritte macht, befeuern sich Blödsinn und Spannungsbogen in bester Manier gegenseitig und erschaffen damit einen vorbildlichen Sog. Der Zuschauer wird nicht für dumm verkauft und es herrscht von Beginn an ein angenehm hohes Tempo vor, ohne dabei an jeder Ecke alles zu rekapitulieren und mehrmals zu erklären.
Dies ist ein Niveau, das Steins;Gate zu einer ungemein unterhaltsamen Angelegenheit macht, nach Behandlung des ersten Storydrittels aber nicht mehr gehalten werden kann. Ab einem bestimmten Punkt nimmt die Sci-Fi-Serie neue Wege und erhält ein in erster Linie erst mal fundamental anderes Stimmungsgefühl. Sowohl das empfundene als auch das tatsächliche Tempo nehmen ab, der turbulente Humor verliert merklich an Kraft, bis er schließlich so gut wie vollständig verschwindet, und damit verlagert sich auch das narrative Scheinwerferlicht. Bisher beachtete Elemente werden ad acta gelegt und einige wenige dafür vehementer aufgegriffen. Dies ist der Weg, auf dem sich die Geschichte plötzlich abnutzt. Von den vielleicht nicht großen, aber groß gestellten Fragen des Wahnsinns hin zu den persönlichen, aber gewöhnlicheren Fragen individueller Tragik. Steins;Gate gelingt das Kunststück dadurch uninteressanter zu werden, dass es anfängt, Tiefenschärfe zu entwickeln und seine Charaktere zunehmend ernster zu nehmen.
Schade ist es allemal, dass der hervorblitzende Wahnsinn und der vorlaute Witz, welche die ersten Episoden treu begleitet, im Laufe immer weiter abebbt, bis er sich irgendwann fast zur Gänze verabschiedet. Eine Verlagerung hin zum Ernsten wird von der Handlung natürlich gefordert, gerade die durchgängige Gegensätzlichkeit von Irrsinn und Tragik hätten der Serie aber eine wichtige Note verliehen, die im tatsächlichen Zustand leider nur noch andeutungsweise vorhanden ist.

Die Qualität der Zeichnungen ist den Animationen angemessen, insgesamt entsteht ein visuell stimmiger Stil, dem man lediglich etwas mehr Dynamik innerhalb der Bilder wünschen würde, denn die eigentlich hübschen Hintergründe sind oft etwas leblos und die passend abstrakten Figuren manchmal einen Tick zu starr. Dafür hat man sich einige atmosphärestiftende und sehr charakterstarke Stilelemente ausgedacht. Häufig werden bei Gesprächen nur die Ecken gezeigt hinter welchen diese stattfinden. Klingt unwichtig, verschafft der schrägen Grundstimmung aber den letzten Schliff.

Die letzten Folgen vor dem Finale sind durchweg sehr gefühlsbetont und treiben es mit der Sentimentalität auch gerne zu weit. Ein Gespür für die richtigen Bilder zu haben, das kann man den Machern aber nicht absprechen. So rührselig es teils auch ist, die Stimmung wird von Bild und Ton gewaltig aufgewertet, denn die über die ganzen 24 Folgen hinweg ist die Inszenierung nie reißerisch, sondern unaufdringlich, dafür aber umso gekonnter. Verstärkt wird der handwerklich hervorragende Eindruck von den sehr professionellen Sprechern im japanischen Originalton.

Pseudointellektuelle Episodennamen wie „Opfernekrose“ oder „Homeostase der Komplementäre„ sind sicher nicht jedermanns Fall, spiegeln den Ton der Serie aber auch nicht wieder.
Von Wichtigkeit ist natürlich die Frage, ob denn die Zeitreisegeschichte Sinn macht, in sich stimmig ist und ganz besonders, ob es Freude bereitet, sie zu verfolgen. Und all das kann mehr oder weniger bejahen – zumindest für einen großen Teil der Serie. Das Zeitreisekonzept ist ein höchst kurioses, das aber halbwegs glaubwürdig ist, da die Zeiträume, in die zurückgesprungen wird, meist nicht weit von der jeweiligen Gegenwart entfernt liegen. Dass sich nur kleine Dinge verändern, ist somit logisch. Dennoch lassen sich unzählige kleinere und größere Fehler finden, die nicht aufregen, aber auffallen.
Im Showdown selbst versöhnt man sich wieder etwas mit den Figuren und der eigentlichen Handlung, auch wenn man zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ganz sicher sein, ob das alles, was bisher geschehen ist, so tatsächlich nötig war und auch den Sinn ergibt, den die Serie behauptet. Vieles, das als selbstverständlich vorgestellt wird, ist tatsächlich ziemlich hochtrabende Vorgeblichkeit, vor allem, was kausale Zusammenhänge betrifft. Man mag hier einwerfen, dass das ein zu spitzfindiger Vorwurf des Erbsenzähler-Rezensenten sei, aber insbesondere Geschichten mit zentraler Zeitreisethematik müssen es sich einfach gefallen lassen, dass man Schlüssigkeit erwartet. Steins;Gate hat es sich schon leicht gemacht, indem die vielen Sonderregeln und Beschränkungen in Sachen Zeitenwanderung es gestatten, ebenso viele klassische Stolperfallen einfach zu ignorieren. Wenn es trotz dieser Vorkehrungen noch hapert, dann darf man das der Serie auch zum Vorwurf machen. Gerade am Ende wird dann leider einfach etwas ziemlich wichtiges ignoriert, weil die Geschichte andernfalls nicht auf dem gewünschten Wege zu Ende zu führen wäre. Und das ist dann einfach nur faul oder nachlässig seitens der Drehbuchschreiber.
Blöd oder unerträglich ärgerlich wird es aber nie. Dafür ist die Dynamik, mit der die eigentlich gar nicht so dynamische Geschichte erzählt wird, zu ausgereift.

Fazit

Ein wenig Achtung kann man schon zollen, denn die Geschichte des Videospiels wurde ohne große Abweichungen in eine Serie verpflanzt und funktioniert als solche mehr als nur anständig. Leider geht im späteren Verlauf die Rasanz des Anfangs immer weiter verloren, während die verstärkt eintretende Dramatik keinen vollends würdigen Ersatz abgibt. Trotz einiger Macken ist Steins;Gate eine sehr gut schaubare, die meiste Zeit sehr interessante Serie, die sich angenehm vor dem Sci-Fi-Allerlei der Animewelt abhebt.

Das Mädchen, das durch die Zeit sprang

Ein modernes Zeitreisedrama, das auf dem schon vielfältig adaptierten 67er-Kultroman mit gleichem Namen stammt, der vom bis heute tätigen Sci-Fi-Urgestein Yasutaka Tsutsui (Paprika) verfasst wurde. Inszeniert wurde das Zauberwerk von Mamoru Hosoda, der einerseits Projekte wie Digimon-Filme verwirklichte, andererseits aber auch schon als Regisseur für das Meisterwerk Das wandelnde Schloss vorgesehen war. Er heimste dreimal in Folge den Preis für den besten Anime ein beim Sitges Festival Internacional de Cinema Fantàstic de Catalunya – das erste Mal für Das Mädchen, das durch die Zeit sprang, welcher von einem vielfältigen wie namenhaftem Künstlerteam realisiert wurde.
Und dazu deutlich vielschichtiger ist als man beim ersten Hinschauen vermutet.

Time Waits For No One.

Story

Die 17-jährige Makoto ist ein ganz gewöhnliches Mädchen, das verspätet in den Unterricht platzt und mit ihren besten Freunden von Herzen gerne Baseball spielt. Außerordentlich an ihr ist lediglich die Menge an Missgeschicken, die sie durch ihr tapsiges Verhalten magnetisch anzuziehen scheint.
Eine entscheidende Wendung bekommt ihr Leben, als sie über ein walnussförmiges Objekt stolpert, das ihr die Fähigkeit verleiht, über eine begrenzte Distanz in der Zeit zurückzureisen. Etwas, das nicht durch Willensstärke, sondern durch Stürze beziehungsweise große Sprünge vonstattengeht. Ein Umstand, der ihr frühzeitig das Leben retten wird.
Nach und nach lernt sie, diese Funktion bewusst einzusetzen und für die Revidierung kleinerer Alltagsfehler zu nutzen. Alsbald muss sie feststellen, wie unberechenbar Kausalität ist und dass ein vermeintlich vermiedener Fehler nicht selten viel größeres Unglück nach sich zieht.

Kritik

Das Mädchen, das durch die Zeit sprang gibt sich eingangs unverkennbar als beschwingtes Jugenddrama, das mit warmem Humor eine fantastische Komponente einführt und ein ganz normales Mädchen dadurch kleine Abenteuer durchleben lässt, die eine klassische, aber ungezwungen dargebotene Moral mit sich bringen.

Das alles in minimal gewöhnungsbedürftigen, aber passenden Zeichnungen, flüssig animiert und mit genau der richtigen Menge an Details, um einen ganz eigenen Stil zu ergeben. Die Figuren sind schön geschrieben, die Musik setzt mit einer Mischung aus Eigenkompositionen und Bach genau die richtigen Akzente und alles hält ein angenehm unaufgeregtes Tempo, ohne sich jemals auch nur im Ansatz zu ziehen. Ein Frühlingsfilm. Und etwas, das gehörig durchgeschüttelt wird, wenn man es mit wachem und analytischem Blick zu wenden beginnt. Dann stellt sich heraus, dass die oberflächlich süße Geschichte von einer gar nicht so süßen Über-Story ummantelt ist.

Der Anime provoziert Sehgewohnheiten in starkem Maßen, tut dies aber derart geschickt, dass es dem Zuschauer womöglich gar nicht auffällt, er die Provokation übersieht und den ganzen Film über nicht drauf eingeht. Es ist überraschend, wie schnell man der trickreichen Inszenierung auf den Leim geht. Der Madhouse-Anime funktioniert nämlich wie ein Zaubertrick, der derart gut ist, dass man nicht nur nicht sieht, wie er funktioniert, sondern im besten Fall übersieht, dass er überhaupt funktioniert, weil die Ablenkung so außerordentlich geraten ist, dass man nicht nur die im Ärmel versteckten Karten, sondern gleich den ganzen Magier übersieht.
Was ist gemeint und woran liegt das?
Inszeniert und aufgezogen ist Das Mädchen, das durch die Zeit sprang wie ein klassischer Chick Flick. Eine tollpatschige, aber ungemein liebenswerte Schülerin bekommt ein kleines, ganz persönliches Geheimnis und nutzt es, um im Auftrag von Kurzweil und Herzschmerz ein wenig Chaos anzurichten. Harmlos, süß und kindgerecht. Das sagen die Bilder, das sagen die Dialoge und das sagt auch die Musik. Deshalb achtet der Zuschauer ganz automatisch auf bestimmte Dinge mehr und auf andere weniger. Wir sind so trainiert, dass wir in einem bestimmten Genre nur Bestimmtes erwarten und anderes wiederum einfach hinnehmen, ohne es zu großartig hinterfragen. Das schließlich ist die Aufgabe von Genreunterteilungen – die Erschaffung und Erfüllung von Erwartungshaltungen, sodass bestimmte Kost zu bestimmtem Appetit gereicht wird. Wenn diese Erwartungen durchbrochen werden und doch eine Überraschung hinter der ersten Ebene lauert, muss diese entsprechend in Szene gesetzt werden, damit ihre Wirkung nicht verpufft und der Zuschauer in ausreichendem Maße verblüfft ist, anstatt mit Fragezeichen und Schulterzucken zurückzubleiben. Schwebt die Variation im Gewöhnlichen hingegen nur unscheinbar am Rande vorbei, trickst sie unseren Aufmerksamkeitsfokus allzu schnell aus und wird von unserer Wahrnehmung ganz einfach aussortiert. Da der Film auch funktioniert, wenn man ihn lediglich als unbeschwerte Zeitreiseromanze betrachtet, ist das nicht schlimm. Wer den Film so sehen möchte, kann ihn so sehen, wird eine gute Zeit haben und kaum etwas vermissen. Das ist die phänomenale Leistung von Das Mädchen, das durch die Zeit sprang: Es ist mehr Filme als nur einer.

Wenn man sich öffnet und zwingt, einmal die Genregrenzen auszublenden, wenn man versucht, alle Details von ihrer Inszenierung unabhängig zu betrachten und den Film in möglichst großer Distanz zu schauen, dann wird es interessant. Plötzlich tauchen Fragen auf, die dem Ganzen eine unheimliche, sehr unangenehme Note verleihen und den leichtfüßigen Gang ins Stolpern bringen. Manche Dinge, die nur am Rande Erwähnung bekommen, entpuppen sich als zentrale Motivierungen und andere wiederum verwandeln sich von einer guten Fee in eine verbitterte Hexe. Plötzlich erlaubt Das Mädchen, das durch die Zeit sprang nicht nur viele Lesarten – es fordert sie sogar ein. Auf einmal spielt die Romanvorlage von Yasutaka Tsutsui eine entscheidende Rolle, da sie vielleicht mehr als bloße Vorlage war. Denn es ist sicherlich kein Zufall, dass die dort geschilderten Geschehnisse sich 20 Jahre früher ereignen als die im Film.
Bestimmte Personen erscheinen in anderem Licht und allen voran die Perspektivierung der ganzen 100 Minuten sollte gründlich in Frage gestellt werden. Ist der Film etwa nur so naiv-heiter, weil er von der naiv-heiteren Makoto erzählt wird, die gar nicht so recht versteht, was ihr widerfährt? Es ist auf jeden Fall kein schlechter Rat, die angebotene Fokalisierung grundlegend zu problematisieren und darüber hinaus nicht jedes Wort aus einem scheinbar vertrauenswürdigen Mund für bare Münze zu nehmen, sondern alles Angebotene gründlich auf Plausibilität abzuklopfen.
Dies sollen Hilfestellungen und vage Hinweise, keineswegs aber Erklärungen sein. Man muss selbst hinter die Kulissen gelangen und das Gesehene aus eigener Motivation mit eigenen Mitteln verstehen. Die Beschäftigung mit dem Stoff bereitet dann die größte Freude, wenn man sich ohne fremde Hilfe in seinen Irrgarten wagt. Und wer weiß, vielleicht wartet in seinem Herzen ja ein Mindfuck hoher Güte.

Fazit

Oberflächlich ein vergnüglicher Film über Mädchen, Mädchenprobleme und ein bisschen Fantastik. Und so funktioniert der Sci-Fi-Anime durchgehend und durchgehend gut. Daher wird er auch gerne als Kinderfilm begriffen und kann Kindern auch gefahrlos vorgesetzt werden. Gibt man sich aber Mühe, ein paar Vorhänge beiseite zu ziehen und das Gezeigte nicht nur hinzunehmen, sondern unablässig zu drehen und zu wenden, offenbart sich, dass der Würfel weit mehr als nur die einem zugewandte Seite besitzt.
Ein schönes, toll inszeniertes und clever aufgezogenes Spiel mit nicht nur doppeltem Boden, das gleich als mehrere Filme funktioniert. Selten hat sich hinter scheinbar ungefährlichem Charme eine solche Tragik aufgehalten.

Nausicaä aus dem Tal der Winde

Nausicaä aus dem Tal der Winde ist ein Manga aus der Feder von Hayao Miyazaki, der sich selbst der Anime-Adaption seines Stoffes annahm und damit derart erfolgreich war, dass das berühmte Studio Ghibli gegründet werden konnte.
Damit war der Film Grundstein für Perlen wie Das wandelnde Schloss, Prinzessin Mononoke, Chihiros Reise ins Zauberland und Die letzten Glühwürmchen.
Das Mädchen Nausicaä mit der sonderbaren Schreibweise war die Mutter der Biographie eines Herren, der heute einstimmig als der bessere Disney bezeichnet wird.

Gehen wir…dieses Dorf wird bald im Meer der Fäulnis versinken.

Story

Nausicaä, die Prinzessin des Tals der Winde, ist das Kind einer postapokalyptischen Welt. Spuren der früheren Zivilisation sind weitestgehend getilgt. Was bleibt, sind verwaschene Erinnerungen und vereinzelte Relikte. Die Zivilisation beschränkt sich auf Gemeinden in Dorf- und Kleinstadtgröße, die dort liegen, wo der Boden noch fruchtbar genug ist, um Nahrung anzubauen und Bäume zur Erhaltung der Frischluft zu pflanzen.
Das Meer der Fäulnis greift unaufhaltsam um sich und treibt die Menschen vor sich her. Wo die giftigen Sporen hinfallen, wachsen bald schon giftige Pilze wie Geschwüre an allen Pflanzen und verderben ganze Landstriche. Die Sporen zerstören Lungen in kürzester Zeit, wenn kein Atemschutz getragen wird, und im Meer der Fäulnis wimmelt das grausigste Getier.
Als im Dorf ein Luftschiff aus dem Königreich Torumekia abstürzt, bricht Chaos aus. Soldaten marschieren ein und besetzen das Tal der Winde. Nausicaäs Vater wird getötet und die kriegerische Prinzessin Kushana steht kurz davor, die riesigen Stahlgiganten, die einst für den Untergang der Zivilisation sorgten, wieder zum Leben zu erwecken, um das Land wieder urbar zu machen.

Kritik

Bedrohlich wirkende Tiere robben durch eine Flora, die wirkt, als gedeihe sie in einer außerirdischen Unterwasserwelt. Und Sporen, überall Sporen, denen der Mensch nur auf Zeit und mit Luftfilter trotzen kann. Giftstürme toben über das Land. Der Boden ist ein Gewimmel aus Insektenpanzern und vielgliedrigen Beinen, die viel zu massige Körper tragen. Der Luftraum ein einziges Brummen und Surren das von riesigen Wesen mit spröden Flügeln herrührt. Seltene Relikte aus längst vergessenen Zeiten zerfallen bei Berührung zu Asche. Die Welt ist Feind.
Beachtlich ist an Nausicaä aus dem Tal der Winde vor allem anderen die einzigartig dichte Atmosphäre der Bedrohlichkeit, die im Meer der Fäulnis Publikum und Heldin in Empfang nimmt. Geschaffen durch eine fremdartige Soundkulisse, gedämpft von der pollenschweren Luft, und den detailversessenen Zeichnungen. Die tote Welt in Hayao Miyazakis erstem großen Streich ist so lebendig, wie sonst kaum eine. Auch die bäuerliche Gesellschaft wird mit Liebe präsentiert, doch so mitreißend in Szene gesetzt ist nur das Außerhalb.
Das liegt nicht zuletzt an der damals wie heute sehr speziellen Version der Postapokalypse. Wir sehen keine Häuserruinen, keine evakuierten Städte, durch deren Straßen nun der nukleare Wind pfeift und das Knochenmehl zersetzter Gerippe abträgt. Miyazaki greift viel weiter in die Zukunft, wo auch Ruinen bereits von Zeit verschluckt wurden und selbst Sagen im Sterben liegen. Die Natur, die der Mensch verformte, hat ihn sich wieder ganz Untertan gemacht.
Dazu kommt ein furchtbar wilder Mix unterschiedlicher Epochen. Krieger in Ritterrüstung strömen aus Steam-Punk-Luftschiffen, schwingen Schwerter und bedienen Feuerwaffen, die aus dem ersten Weltkrieg stammen könnten. Viktorianisch anmutende Befehlshaber invadieren mittelalterliche Siedlungen mit Strohdächern, wo die zwergischen Bauern mit einfachstem Gerät in Furcht vor und Einklang mit der Natur leben. Besonders hier macht sich bemerkbar, dass Miyazakis zuvor an der allseits bekannten Heidi-Serie mitgewirkt hat – in positivem Sinne. Dazu kommen futuristische Luftgefährte mit Raumschiff-Design, Sci-Fi-Relikte und sogar eine Art Cleopatra. Zu allem Überfluss ist das Ganze auch noch inspiriert von der antiken griechischen Sage der Königstochter Nausikaa, das Ende kann als Erlösergeschichte gelesen werden und einfach, weil der Film es kann, leistet er am Anfang eine freundliche Reminiszenz an den SF-Klassiker Die Reise zum Mittelpunkt der Erde. Das klingt nach ungenießbarem Stilkompott, aber der Film schafft es spielend, diese Elemente zu einem harmonischen Ganzen zu verrühren, denn nichts wirkt erzwungen oder aufgesetzt.
Im Hintergrund wird eine faszinierende Mythologie gewoben und die wenigen Rückblicke aufgrund von mündlich tradierten Legenden kreieren ein beunruhigendes Untergangsszenario, an dem teilzuhaben mehr als nur unangenehm sein würde.

Im Gegensatz zu tatsächlichen Ghibli-Produktionen wird in diesem Frühwerk eine noch sehr östliche Instrumentalisierung eingesetzt, auch wenn erste studiotypische-Themen bereits zögerlich durchschimmern. Kein Wunder, denn dies war die erstmalige Zusammenarbeit des visionären Filmemachers mit seinem Stammkomponisten Joe Hisaishi. Die Musik ist aber auch der Grund dafür, dass es manchmal etwas rührseliger vorgeht, als es eigentlich nötig wäre – hie und da (aber nicht zu oft) wird der Klangteppich zu dick und aufdringlich ausgelegt.
Die spannende Geschichte um das tapfere Mädchen (etwas verstörend: Unter ihrem kurzen Rock ist sie nackt, wird aber niemals sexualisierend inszeniert) fesselt von der ersten Minute und hat altbekannten Ghibli-Charme. Leider findet im letzten Drittel dann eine Fokusverlagerung statt, die dem Film nicht nur Gutes tut. Weg vom Individuum und seiner Aufgabe, hin zu großen und kleinen Schlachten und dem Schicksal weiterer Figuren. Der Kriegstreiberei wird zum Schluss zu viel Gewicht gegeben. Einnehmend inszeniert ist sie zwar, doch vermisst man die taffe Protagonistin, die man eigentlich begleiten möchte. Der Grund für die starke Rollenbindung ist auch in einer Gewohnheit gegründet: Nausicaä aus dem Tal der Winde strotzt nämlich nur so vor Märchenelementen und –symbolik. Angefangen bei der Hexe und der bösen Königin über die Tiere als Helferlein bis hin zum kleinen Held mit großer Queste – die Verneigung vor dem westlichen Mythenfundus ist unübersehbar, doch liebenswert und niemals plump oder zum reinen Selbstzweck eingebracht. Dazu gehört natürlich auch die notwendige Moral. Wie in vielen Werken des Studios Ghibli gibt es auch hier die Reibungspunkte Zivilisation und Natur. Die ökologische Botschaft mag für den einen oder anderen Zuschauer vielleicht ein klein wenig zu überpräsent sein, eigentlich fügt sie sich aber problemlos in den gegebenen Rahmen.

Mangavorlage und Verfilmung unterscheiden sich übrigens vor allem in ihrem Ende – wie so oft kam der Stoff auf die Leinwand, bevor der Schluss in Panelform vorlag, weshalb deutliche Abweichungen vorherrschen, die in diesem Fall aber der Erfinder der Geschichte selbst zu verantworten hat, weshalb von Quellenverrat kaum die Rede sein kann.

Notabene: Erst seit ein paar Jahren ist der Film in seiner Ursprungsfassung hierzulande erwerbbar. Wer vorher in den Genuss des ganzen Werks kommen wollte, musste andere Wege gehen. Als er 1985 aufgrund seines durchschlagenden Erfolges bei Fans auch nach Deutschland kam, benannte man ihm kurzerhand in Warriors of the Wind um, schnitt satte 23 Minuten aus ihm raus und modelte die Message von Frieden und Naturvertrauen um in einen biederen Gut-Gegen-Böse-Plot, in dem sich plötzlich eine „Prinzessin Sandra“  gegen furchtbare „Gorgonenmonster“ behaupten muss. Klingt auch sympathisch, mit der eigentlichen Geschichte hatte es aber kaum noch was zu tun. Tatsächlich kursierte damals sogar ein VHS-Tape, das den völlig inhaltsfernen Titel Die Sternenkrieger trug. Das Studio distanzierte sich ausdrücklich von der misshandelten Form ihres Filmes.

Fazit

Mit Nausicaä aus dem Tal der Winde gelang Ghibli-Vater Hayao Miyazaki der erste große Schritt und hinterließ Fußstapfen, die bis heute maßgeblich sind. Eine Heldin, die menschlich ist und sofort ins Herz geschlossen wird, eine fantastische Welt mit greifbarer Bedrohung und all das in einer spannend erzählten Geschichte. Sicher, so formvollendet, wie es die preisträchtigen Nachfolgewerke wie z.B. Das Schloss im Himmel sind, ist der Film noch nicht, aber der unnachahmliche Esprit, den die Produktionen dieses Studios versprühen, ist bereits zur Gänze vorhanden.
Quasi alle anderen Animes, die danach kamen, sind auf die ein oder andere Weise Erbe dieses Filmes.

Gantz – Die ultimative Antwort

Dass Gantz – Spiel um dein Leben für eine achtbare Dauer die japanischen Kinocharts anführte, hatte keinen Einfluss darauf, dass ein zweiter Film erschien. Dieser war bereits im Vorfeld geplant und wurde von den eingefleischten Fans der Vorlage(n) fast ebenso misstrauisch beäugt wie Teil 1. Das Ergebnis war dennoch – trotz kleinflächigerer Auswertung – erfolgreich und ließ die meisten Gantz-Gläubiger ein zweites Mal zufrieden zurück.

Der Typ hat mich umgebracht.

Story

Ein knappes halbes Jahr verstrich seit den Geschehnissen der schicksalshaften Abenteuerkette, die im Tod von Kato ihr vorläufiges Finale fand. Kei hat zwischenzeitlich weiter fleißig die vorgegebenen Ziele der schwarzen Kugel eliminiert und einen beachtlichen Erfahrungs- und natürlich auch Punktestand angesammelt. Sein erklärtes Ziel ist es, Freund Kei in die Welt der Lebenden  zurückzuholen. Bekanntlich ist dies bei 100 erreichten Punkten eine Option.
Parallel zu den Geschehnissen wird dem Mädchen Eriko eine Miniversion von Gantz zugespielt und mit ihr die Instruktionen, ebenfalls bestimmte Zielpersonen auszulöschen. Nur dass  diese in der alltäglichen Realität existieren und offensichtlich nicht außerirdischer Herkunft sind. Die Nächste auf ihrer Abschussliste: Keis Freundin Tae.
Unterdessen kommt der Privatschnüffler Masamitsu Shigeta dem verdeckten Treiben von Gantz auf die Schliche und ermittelt immer verbissener auf eigene Faust.

Kritik

Die grundsätzlichen Schwächen aus Teil 1 sind natürlich nicht einfach verschwunden. Konnten Anime und Manga noch damit punkten, dass die profane Umwelt, aus der die Figuren in das abgehobene Science-Fiction-Elitekiller-Computerspiel-Szenario geworfen werden, glaubwürdig fahl und authentisch wirkt, hat die schnöde Menschenwelt in Gantz 2 immer noch das Problem, zwar ebenfalls fahl aber nicht sehr glaubwürdig zu sein. Die Szenen, die sich um die Aufträge herumlegen, wirken in ihrer leichten Überflüssigkeit aber nicht mehr ganz so erdrückend wie noch im Vorgänger.
Was zum Beispiel der Protagonist an der unheimlichen Stalkerin findet, die ihn im Geheimen beobachtet, analysiert und mit irrem Blick zeichnet, ist weiterhin nicht ersichtlich – davon abgesehen, dass sie nun einmal ganz hübsch ist. Trotzdem findet er ihre offensichtliche Besessenheit reizend und macht sie zur Leitfigur seines Lebens. Merkwürdig.
Schwülstig und pathetisch ist es ebenfalls immer noch und auch in der zweiten Runde lässt sich Gantz nicht davon abhalten, die betroffenen Szenen mit klebrigen Streichern- oder Pianoklängen zuzukleistern.
Wird sich den Behufen und dem Seelenleben der Figuren zugewendet, wird’s platt, gekünstelt und schlichtweg dilettantisch.
Die Grundkonstellation mit der pechschwarzen Richtermurmel und ihrem hageren Insassen ist immer noch dieselbe. Leicht an Sklaverei erinnernd, wird dem fragwürdigen Konzept gefolgt, dem Tode Geweihte zu retten, woraufhin ihr vermeintlicher Retter das wieder- oder neugewonnene Leben nach Gutdünken verwenden kann.

Doch um all das mundane Rahmengefüge geht es natürlich nur oberflächlich. Im Kern will Gantz: Die ultimative Antwort seine Auseinandersetzungen gegen die wunderlichen Aliens zeigen und genau das will der Zuschauer auch aufgetischt bekommen. Hier wartet auch gleich eine mächtige Enttäuschung: Anstatt die bekannten überdrehten Gegnertypen noch einmal zu toppen, werden den Protagonisten plötzlich stinknormale Menschen vorgesetzt. Zwar verfügen diese wenigstens über übermenschliche Zerstörungskräfte, doch erinnern sie in ihrer wenig befriedigenden Erscheinung ein wenig an die guten alten Akte X-Kopfgeldjäger und sehen neben den überspitzten Weltraumgeschöpfen aus Teil 1 reichlich blass aus. Doch sei’s drum, denn damit sind die Nachteile des Sci-Fi-Filmes auch schon aufgezählt.

Shinsuke Sato Hat aus den 120 Minuten des Vorgängers gelernt und ist trotz des kaum nennenswerten zeitlichen Abstands zwischenzeitlich ein merklich versierterer Regisseur geworden, was sich zuallererst in ausgefalleneren und besser getimten optischen Sperenzchen äußert.
Die Kämpfe sind deutlich spektakulärer, allerdings dauert es auch, bis die Sache Fahrt aufnimmt. Erst nach einer Dreiviertelstunde, die deutlich gemächlicher ausfällt, als man es erwarten würde, gibt es das erste Scharmützel zu sehen, das dafür aber auch alles in Teil 1 Präsentierte mit Paukenschlag in den Schatten stellt.

Gantz 2 weiß sehr wohl, dass es seinen ersten Teil nicht einfach wiederholen sollte, und setzt sich einen komplett anderen Fokus. Die starre Missionsstruktur wird durchbrochen und dafür geht es in erster Linie um die Entschlüsselung des Kugel-Geheimnisses. Der Film versucht demnach zu halten, was sein Titel verspricht – die Klärung offener Fragen. Wirklich spektakulär fallen die Antworten allerdings nicht aus. Eigentlich bestätigt Gantz 2 brav das, was man sich nach Teil 1 sowieso schon gedacht hat.
Aufgrund genannter Punkte sieht Gantz 2 an manchen Stellen aus wie ein besseres G.I. Joe. In Szene gesetzt wird das Gerangel mit jeder Menge Stilraub aus so gut wie jedem prägenden Sci-Fi-Kampf dieser Generation. Aber wenigstens bereichert man sich erlesen und an den Richtigen Quellen, sodass all das Diebesgut am Ende doch so etwas wie eine eigene Note erhält. Und diese Note macht Spaß –  was letztlich ist, worauf es unterm Strich ankommt. Auch wenn  die Schwerpunktverlagerung nicht nur Gutes mit sich bringt. Zwar sieht der Film über weite Strecken nett aus, vertuschen, dass er kein riesen Budget hatte, kann er aber nicht. Außerdem legt man den gesteigerten Wert auf Dramatik und Pathos auch in den Kämpfen, was nicht immer zur Gänze gelingt, wo wir wieder bei den oben beklagten Überspitzungen in Sachen Musik und Kamera wären.
Der zweieinhalbstündige Sci-Fi-Film hält sich darüber hinaus selbst für deutlich größer als er ist. Die lange Vorlaufzeit wird vom abstrusen Abschluss nur zum Teil gerechtfertigt, die eigentliche Geschichte wartet letzten Endes mir nur sehr wenigen und keineswegs spektakulären Antworten auf und so stellt sich immer mal wieder Leerlauf ein. Etwa wenn sich der Film in einer schmalzigen Drama-Szene verliert oder die eigentlich hübschen Ballereien so zäh und ideenarm geraten, dass man sich fast wieder zurück in die dröge Welt der Menschen sehnt.
Und dann ist da auch noch der Storyfaden mit dem Ermittler, der versucht, hinter das Geheimnis der zerstörten Stadtregionen und den Gerüchten von der merkwürdigen schwarzen Kugel zu kommen. Ein Faden, der beginnt, als hätte er enorme Relevanz, und bei dem sich früh herausstellt, dass er vollkommen sinnlos ist und ebenso auch endet. Der Privatdetektiv bringt die Geschichte kein Stück weiter, bereichert sie um überhaupt gar nichts und wirkt paradoxer Weise trotzdem wie der interessanteste Charakter, weil sein klischeehaft verbissenes Hard Boiled-Gebaren immer noch angenehmer ist als die leichtfertig umrissenen Abziehbilder der Gantz-Rekruten.

Fazit

Klar, herausragendes Kino ist auch der zweite Teil der Manga-Verfilmung nicht. Aber das ist auch gar nicht das Ziel. Allen inhaltlichen Mängeln – die im Einzelnen nie gravierend, dafür aber umso zahlreicher sind – zum Trotz macht die Hatz sogar noch etwas mehr Spaß als im Vorgänger, weil die Gefechte direkter und actionreicher inszeniert sind und einen deutlich größeren Teil des Filmes einnehmen.
Die versprochenen Antworten sind weder ultimativ noch im Ansatz überraschend. Aber das dürfte auch niemand ernsthaft erwartet haben.

Gantz – Spiel um dein Leben

Der Manga Gantz von Zeichner Hiroya Oku brachte es auf viele Bände, wurde aber erst durch die Anime-Umsetzung durch Studio GONZO weltweit berühmt. Eine Berühmtheit, die neben Romanen und einem Videospiel im Jahr 2011 auch den ersten Realfilm hervorbrachte. Die Überraschung: Dieser funktioniert in entscheidenden Punkten besser als die Serie.

Ich geb‘ euch meine Zwiebel.

Story

Ein alkoholisierter Passant stürzt auf die Gleise einer U-Bahn und bleibt regungslos liegen. Als Schüler Kei Kurono beherzt auf die Schienen springt, um den verunglückten Trunkenbold vor dem nahenden Untergrundzug zu retten, befindet er sich plötzlich selbst in großer Lebensgefahr. Denn niemand der herumstehenden Passanten fühlt sich dazu berufen, ihm wieder auf den Bahnsteig zu helfen.
Erst in letzter Sekunde reicht ihm Mitschüler Masaru Kato die Hand. Doch in anstatt Kei in Sicherheit zu bringen, zieht dieser ihn unbeabsichtigt mit auf die Gleise. Der Zug erfasst beide.
Im nächsten Augenblick finden sich die Jungen im Appartement eines Hochhauses wieder, zusammen mit anderen Personen, die allesamt eigentlich tot sein sollten. Das Zimmer ist leer bis auf eine große schwarze Kugel mit glatter Oberfläche.
Während die Gruppe Quasi-Toter noch über Grund und Art ihres Aufenthalts rätselt, erscheinen Order auf dem schwarzen Artefakt.
Zu verrauschter Volksmusik öffnet sich das Rund und stattet die Anwesenden mit futuristischen Waffen und Rüstung aus. Im Inneren kauert ein nackter Mann, der mit Schläuchen am Leben gehalten wird.
Die Vorgabe: Innerhalb eines bestimmten Zeitlimits sollen außerirdische Ziele eliminiert werden. Für jeden Abschuss gibt es Punkte. Weigerung ausgeschlossen.

Kritik

Der Sci-Fi-Anime Gantz warb mit einer tollen ersten Folge und besaß so manchen guten Ansatz, konnte über die Laufzeit aber mit zu wenig Substanz dienen. Erklärt wurde wenig, stattdessen gab es repetitive Strukturen, unpassende Sexismus-Eskapaden und ein irgendwie sehr hohles Finale der ersten Staffel.
Der Film hat von Vornherein also keinen leichten Stand. Nicht nur, dass die ursprüngliche Adaption kein glänzendes Stück Animegeschichte ist, auch das Setting ist eigentlich viel zu abgehoben, um einen ernsten Film mit ernsten Schauspielern daraus zu machen, der am Ende funktioniert. Gantz versucht dies trotzdem und und allein der Versuch darf positiv angerechnet werden. Vor allem deshalb, weil man tatsächlich das Risiko eingeht, ungeheuer eng an der Serie zu kleben. Szenen, oft auch einzelne Bilder, sind identisch und geben der Geschichte daher – wenn man mit der Geschichte bereits vertraut ist – einen Wiedererkennungswert, der gleichermaßen negativ wie positiv wirken kann. Verblüffend ist es darüber hinaus, wie akkurat man sich auch bei den Aliens an den zugrundeliegenden Zeichnungen orientiert hat. Die hinterhältigen Zwiebel- und Musik-ETs besitzen auch in der Live-Action-Adaption ihre skurrile wie verstörende Aura. Auch auf die comichafte Brutalität wurde nicht verzichtet und so platzen Kinder, fliegen Beine und sprühen die Blutwolken nur so durch die Räume, dass man sich bei der Altersfreigabe von 16 Jahren eigentlich an den Kopf fassen möchte.
Bei aller Vorlagentreue schafft man es aber trotzdem, den Film an entscheidenden Momenten besser zu machen als den Anime. Und wie oft kann man das schon von einer Verfilmung sagen?
Das Tempo stimmt und Regisseur Shinsuke Sato besitzt das richtige Gespür für Suspense, was aber auch der einfachen Tatsache zu verdanken ist, dass Stimmungen durch Schatten in der echten Welt viel leichter als in ihrem Zeichentrick-Pendant zu generieren sind. Und manchmal funktioniert selbst der Humor. Zudem sind die Actioneinlagen deutlich dynamischer gestaltet und der Ghettoblaster liebende Plastik-Nussknacker-Androide ist noch einen Zacken wunderlicher als eh schon. Außerdem nutzt der Film Möglichkeiten, die auch in der Serie schon völlig offensichtlich waren, von dieser unbegreiflicher Weise aber ungenutzt geblieben sind. Hier wie da kann aber nicht verhindert werden, dass es schnöde wird, wenn die – zum Glück nur seltenen – emotionalen Redundanzen aufkommen und mit aufgesetzter Rührseligkeit à la „ich wollte schon als Kind so sein wie du, stirb doch noch nicht!“ zu punkten versuchen. Dramatik kann die hölzerne Stereotypen-Konstellation im trashigen Action-Szenario einfach nicht leisten. Zum Glück unternimmt man diese unbeholfenen Versuch aber wirklich nur am Rande und geht schnell wieder dazu über, nett auszusehen und anständig die Fetzen fliegen zu lassen. Nur am Ende muss man ein wenig Kitsch-Toleranz hochschrauben. Oder einfach 10 Minuten früher abschalten.
Trotz der positiven Seiten kann der Film es nicht vermeiden, dass das Präsentierte aufgrund des absurden Mischverhältnisses aus Science-Fiction, Mystery, Surrealismus und schwankender Comedy zwar immer noch bedrohlich, durch den erhöhten „Sonderbar-Anteil“, weil der schlichtende Anime-Stil hier einfach fehlt, aber auch ein wenig harmloser und dafür eben skurriler wirkt. Gerade deswegen ist es aber beachtlich, dass Blödsinn, der sich selbst so ernst nimmt, sich dergestalt inszenieren kann, ohne sich zugleich der Lächerlichkeit preiszugeben. Und das ist vielleicht die größte Schwierigkeit gewesen, vor der der Film stand – und die er im Endeffekt relativ souverän meistert. Es mag aber auch gut angehen, dass Zuschauer, die mit der Vorlage nicht vertraut sind, einen ganz anderen und womöglich weniger nachsichtigen Blick auf das Produkt haben.
Die Schauspieler sind Mittelmaß und haben sich außerdem nicht nur mit sehr gestelzten Dialogen, sondern bei uns auch mit der üblichen lieblosen, unglücklich auf albern getrimmten Synchronisation zu kämpfen.
Was die Figuren für einen Unfug von sich geben, ist teils schon fast lähmend. Wenn ein knurrendes Ungeheuer die Protagonisten in eine Ecke drängt, soeben einen Kameraden pulverisiert hat und sich nun daran macht, dem Rest ein ähnliches Schicksal zu bescheren, wird allen Ernstes Vorgeschlagen, die Polizei zu rufen.

Fazit

Die geheimnisvolle Jagd auf die extraterrestrischen Gemüsemutanten funktioniert in zwei Stunden Film einfach besser als auf Serienlänge. Viele, wenn auch bei weitem nicht alle Schwächen der Vorlage konnten entschärft werden, was bleibt, ist ein manierliches und durchaus auch hübsches Action-Spektakel, das alles aus seiner Vorlage rausholt.

Die ähnlich unterhaltsame Fortsetzung schloss ein Jahr später an und hört auf den vollmundigen Titel Gantz – Die ultimative Antwort.

Sukeban Deka

Sieben Jahre lang erschien Shinji Wadas Manga-Reihe Sukeban Deka, um in insgesamt 22 Bänden über ein vorbestraftes Schulmädchen zu erzählen, das von einer Behörde dazu gezwungen wird, mit einem Jo-Jo bewaffnet als Spionin in Schulen Verbrechen aufzudecken.
Sukeban Deka – Der Film erschien dann 1987 und zog ein knappes Jahr später einen zweiten Teil namens Sukeban Deka – Die Kazama-Schwestern schlagen zurück nach sich. Dem Doppel voran ging eine Fernsehserie mit teils gleicher Hauptdarstellerin. 1991 wurde der Stoff zu einem Anime verarbeitet und 2008 gab es die eine Neuverfilmung – diesmal wieder als Realfilm – unter dem Namen Yo-Yo Girl Cop, welcher im Westen mittlerweile die größte Bekanntheit genießt.

Ich wurde gefoltert.
Das ist kein Beweis!

Story

Yōko Godai ist zarte 18 Jahre alt und wertvolle Undercover-Ermittlerin für die japanische Regierung, die mit ihrem High-Tech-Jo-Jo Verbrecher stellt, denen die normale Polizei nicht gewachsen ist.
Eines Tages quittiert sie ihren Dienst in der Hoffnung, ein normales Leben führen zu können.
Doch Agentin bleibt Agentin und sie gelangt durch puren Zufall in den Besitz brisanter Dokumente. Nur einen Busunfall später befindet sie sich schon in den Händen eines finsteren Schurken, der ihr mit Folter und unablässigem Starren ordentlich zusetzt.
Sie befindet sich in einer Privatschule für schwer erziehbare Jugendliche, die ihre Schüler jedoch im Geheimen zu kaltblütigen Killern ausbildet, anstatt sie zu friedfertigen Bürgern zu erziehen. Der diabolische Hattori plant mithilfe seiner Kinderarmee einen Staatsstreich und will ganz Japan umkrempeln.
Saki muss aus ihrem Verlies entkommen und ihrer Berufung als Jo-Jo schleudernde Superagentin folgen. Es gilt, das alte Team wieder zusammenzuführen und mit vereinten Kräften das bestens verteidigte Ausbildungslager namens „Höllenburg“ zu infiltrieren und dort einen zähen Cyborg niederzuringen, um so die nationale Katastrophe zu verhindern.
Ein schwieriger Fall für die Girl Cops.

Kritik

Nicht nur strukturell geht Sukeban Deka als typischer Agentenfilm durch. Ein Einsatzteam wird zusammengestellt, um in die geheime Basis eines grausamen Fieslings einzudringen, diesen zu bezwingen und damit die Welt in Ordnung zu bringen.
Nur dass das Einsatzteam nicht aus hartgesottenen Superspionen besteht, sondern aus hartgesottenen Mädchen, die eigentlich noch die Schulbank drücken, in diesem Fall aber die strenggeheime und selbstverständlich hoch über dem Gesetz stehende Polizeieinheit namens „Girl Cops“ bilden. Ihre Agenten-Gadgets sind keine explodierenden Kugelschreiber, waffenstarrende Sportwagen oder Raketenrollschuhe (okay, das ist eigentlich schon ziemlich nah dran), sondern Murmeln, Yo-Yos und – man wird es schon erraten haben –  Morgensterne. Was sie mit den vergleichsweise spröden Standardagenten des Westens gemein haben, sind neben der exquisiten Nahkampfausbildung auch Beharrlichkeit und Scharfblick. Zumindest so viel, wie von Achtzehnjährigen zu erwarten ist.
Wer einen trashigen Splatterfilm mit viel Yo-Yo-Akrobatik-Action erwartet, dürfte enttäuscht werden.
Trashig ist es natürlich, allerdings auf deutlich gesetztem Niveau. Auf den Splatter wurde dafür gänzlich allerdings verzichtet. Zwar kommen allerlei Statisten zu Schaden und die meisten davon auch zu Tode, doch hält Sukeban Deka es nicht für nötig, dies explizit zu zeigen. In vertrauter Manier fallen die finsteren Schergen reihenweise von Dächern, in oder aus Explosionen oder kriegen den Yo-Yo mit zielsicherem und mechanisch verstärktem Powerwurf ins Genick gedroschen, ohne dass sichtbare Verletzungen entstehen. Vom Tod abgesehen.
Aber auch das geht ja weitestehend konform mit der polierten Darstellungsweise zu Hochzeiten der seligen Spionagefilm-Ära.
Schlagkräftigstes Argument des Filmes ist die wunderbare Musik, die eigentlich doppelt so oft ertönt, wie sie dürfte, mit ihren herrlich ironischen Agentenmelodien aber immer wieder zum Mitpfeifen einlädt. Der Film nimmt sich nicht zu ernst, vermeidet aber auch den Fehler, sich zu Schenkelklopfern hinreißen zu lassen. Slapstick gibt es quasi keinen und auch nur wenige Witze finden direkt auf der Darstellungsebene statt. Ein wunderbar skurriler Uhrenabgleich ist die wohl denkwürdigste der wenigen Ausnahmen. Ansonsten wird der Humor hauptsächlich durch das verrückte Szenario gefüttert und entfaltet sich völlig unaufdringlich im ironischen Blick auf das eigene Genre.
Schauspiel und Geschichte sind hierbei natürlich drittrangig. Dem Film kommt es auf Spaß und simple Unterhaltung an.
Wer fürchtetet, die Damen könnten in den Schuluniformen übersexualisiert dargestellt werden, kann beruhigt einschalten, denn Sexualität ist gar kein Thema der Persiflage. Keine zu knappe oder enge Gewandung, keine forschen Kamerawinkel, kein frivoler Fanservice; einzig der Bösewicht strahlt aufgrund seiner respektlosen Distanzlosigkeit etwas aus, das dem nahekommt, nur eben auf gefährliche und unangenehme Weise. Und das ist gut, denn solche Elemente hätten den pseudo-ernsten Fokus des Filmes zerstört und die ganze Stimmung ins Kippen gebracht.
So kann man den Film sogar als Statement lesen, sich gegen die laszive Darstellung von Schulmädchen auszusprechen. Selten spielte es in einer japanischen Produktion eine so untergeordnete Rolle wie in Sukeban Deka, welchen Geschlechts die Protagonisten sind.
Wie so oft wurde das verdrehte Szenario einfach in die Zukunft versetzt, um dem Spektakel die Unglaubwürdigkeit zu nehmen. Der Gipfel des Seltsamen ist zweifelsohne dann erreicht, wenn die Protagonistin sich einem scheußlichen Cyborg stellen muss, mit dem der Sci-Fi-Film augenzwinkernd Terminator zitiert.

Fazit

Subekan Deka ist eine selbstironische Agentenfilm-Persiflage, die das Genre liebevoll aufs Korn nimmt und dabei durchweg gut aufgelegt und harmlos bleibt. Das liegt auch daran, dass viele an sich sehr ernste Probleme durch das abgehobene Szenario entschärft werden.

Kaiba

Kaiba ist hierzulande immer noch recht unbekannt, aber von Jahr zu Jahr häufiger an der Spitze persönlicher Seriencharts in unzähligen Blogs zu finden. Der hier ebenfalls nicht sehr berühmte Masaaki Yuasa (Mind Game)  hat seinen Zeichen- und Erzählstil mit Kaiba zur Perfektion getrieben, unterstützt von Animationsstudio Madhouse (Memories, Paprika, Death Note).

Update: Mittlerweile hat YouTube auch einen Trailer parat.

Vernichte Warp!

Story

Kaiba weiß nicht wo, wann, warum noch wer er ist. Er ist ein Junge mit zotteligen blonden Haaren, einem geheimnisvollen Mal auf dem Bauch und einem kreisrunden Tunnel, der durch seine Brust führt. Alles, was auf sein früheres Leben hindeutet, ist ein Silberanhänger mit dem verwackelten Foto eines Mädchens.
Viel Zeit zur Orientierung bleibt nicht, denn prompt wird das Feuer auf den schweigsamen Protagonisten eröffnet. Mit der Hilfe eines Unbekannten, eines Vogels und eines Dings mit Propeller gelingt knapp die Flucht. Er verlässt den Planeten und lernt ein Universum kennen, in dem das gesamte mentale Wesen einer Person auf einem Datenträger gespeichert werden kann. Das Bewusstsein ist nicht mehr an das Fleisch gebunden und dem Tod so theoretisch ein Schnippchen geschlagen. Für die Reichen sind Körper nur noch übergangsweise Aufenthaltsorte, die stets der aktuellen Mode und dem Schönheitsideal zu entsprechen haben.
Geschlecht und Alter waren die längste Zeit durch Geburt vorherbestimmt. Doch dies funktioniert nur, wenn die Armen ihre Körper zu Spottpreisen verkaufen, um die wachsende Nachfrage befriedigen zu können.
Früh muss auch Kaiba zum ersten Mal den Körper wechseln. Nur langsam findet er heraus, was es mit dem König und was mit dem Widerstand auf sich hat, warum man ihn verfolgt und wer er eigentlich ist.

Kritik

Ein Planet, der seine Klassenunterschiede durch Ober- und Unterwelten kenntlichmacht, Bewusstseinstransplantation, der völlige Werteverfall in einer eskalierten Dystopie, ein Held, der an Amnesie leidet. Hört man dies, möchte man aufjaulen, dass diese Themen doch bereits in zig anderen Filmen und Serien bis zur völligen Bedeutungslosigkeit durchgekaut worden sind.
Das ist richtig – und diese Einstellung ist mit Sicherheit eine von vielen durchaus berechtigten Vorbehalten, weshalb man diesen Anime erst einmal links liegen lässt.
Mit dem kleinen Unterschied, dass sich Kaiba diesen Themenkomplexen auf eine Weise nähert, die dem leiderprobten Querulanten so garantiert noch nicht untergekommen ist.

In der Welt von Kaiba ist es möglich, mittels einer Waffe körperlich die mentale Welt einer anderen Person zu betreten. Sie erstarrt und es öffnet sich ein kreisrunder Eingang, der direkt in das privateste Kopf-Refugium führt.
Manchmal fühlt es sich so an, als wäre die ganze Serie eigentlich eine solche Reise, deren Start vom Zuschauer unbemerkt in Folge 0 stattgefunden hat. Dadurch, dass das Gezeigte so hypberbolisch, verquer und in sich verschachtelt ist, wirkt es mehr wie einer dieser fahlen, von sich selbst durchdrungenen Träume, nach denen man entfremdet und verwirrt erwacht und für einen Augenblick damit zu kämpfen hat, Realität und Schlaffantasie voneinander zu scheiden.
Erste Besonderheit: Um darzulegen, was die Sci-Fi-Serie ausmacht, gilt es erst einmal, die technische Seite zu analysieren.

Kaiba ist ein stilistisches Ungeheuer, dessen auf den ersten Blick kindliche Optik völlig falsche Schlüsse ziehen lässt. Bereits die erste Folge lässt erahnen, welch mächtiges künstlerisches Konzept sich hinter den infantil anmutenden Bildern verbirgt.
So ist das Gezeigte manchmal in Schwarzweiß gehalten, während nur ein einzelnes Element rot hervorsticht, um unversehens in ein pulsierendes Wechselspiel von Komplementärfarben einzuscheren und sich dann nur in rudimentären Bleistiftskizzen zu präsentieren.
Auf der zweiten Bildebene entfalten sich dadaistische Spiralwelten, während abstrakte, an Disney und Astroboy erinnernde Charaktermodelle vor fabulös ausstaffierten Hintergründen umherwuseln, in denen der Ideenreichtum ganzer Galaxien verarbeitet ist. Und während die aufblühenden Szenerien vorbeirasen, dreht sich die Kamera und unmerklich vollzieht sich ein Wechsel von klassischen Zeichnungen hin zu einer makellosen 3D-Animation, die ein paar Sekunden anhält, ehe der Trip wieder in den alles andere als normalen Normalzustand mündet. Bilder, die von Dalí stammen könnten, gehen über in Impressionen von sich selbst zerstörender Zivilisation über und nur wenig später findet man sich direkt in einer Wahnvorstellung wieder. Dabei verfällt die Serie niemals dem Stilbruch, sondern wirkt in jeder Sekunde wie von selbst gewachsen. Das audiovisuelle Erlebnis ist nicht selten so hypnotisch, dass man sich während der knapp 24 Minuten, die eine Folge bemisst, wie in einem Fiebertraum fühlt.
Solche Übergänge sind es, die Kaiba zu etwas ganz Besonderem machen. Der Übergang von einer Dimension in die nächste. Von scheinbar unschuldiger Kindesfreude hin zu existenziellen Fragen, von Albernheit zu schweren, schweren Themen, von halsbrecherischer Rasanz hin zu stiller Bedächtigkeit.
Und von visueller Experimentierfreude zu immer wieder auf den Punkt durchkomponierten Zäsuren, die vor lauter Schönheit Tränen in die Augen treiben.
Obwohl nie etwas normal, sondern alles schräg und verdreht visualisiert wird, hat doch jedes Thema und sogar jedes Gefühl einen eigenen, sich intuitiv erschließenden Stil. So kommt es nicht von ungefähr, dass Abipa, Planet der Sehnsucht, so aussieht, als wäre ein Kleinkind mit Buntstiften in der Hand eingenickt.
Genauso wichtig wie das Optische, ist auch die musikalische Seite: Der perfekt sitzende, die Stimmung der Bilder katalysierender Soundtrack trifft fast immer voll ins Schwarze. Folge um Folge klingen die gleichen drei im Wortsinne epischen Themen mit Ohrwurm- und Gänsehautcharakter an und markieren kunstvoll Höhe- wie Wendepunkte.

Auf dem Papier mag sich das alles etwas anstrengend und furchtbar künstlich anhören. Setzt man sich Kaiba halbwegs unvoreingenommen aus, funktioniert die Verführung aber wie von selbst und man kann sich dem Sog kaum widersetzen. Und so spektakulär die Umsetzung sich liest, geschieht sie doch in keiner Sekunde zum bloßen Selbstzweck. Schnell entpuppen sich die nur auf den ersten Blick simplen Zeichnungen als eine der spannendsten ästhetischen Verwirklichungen von Animationskunst überhaupt. Dies geschieht so sublim und unmerklich, dass man den Augenblick, in dem die Skepsis der Überzeugung weicht, meist gar nicht benennen kann.

Was Kaiba die allerhöchsten Wertungssphären verwehrt, sind manche Folgen, die nicht ganz so wichtig, intensiv und durchdringend daherkommen wie andere. Auch in diesen Fällen ist die erzählte Geschichte keineswegs redundant und in ihrer Essenz immer noch sehenswert und mustergütig umgesetzt, doch wirken einige Ausflüge, speziell am Ende des ersten Seriendrittels, im direkten Vergleich zu den wirklich starken Folgen nicht ganz so konzeptuell durchdacht. Andererseits erstreckt sich das Geschehen über gerade mal 12 Episoden, was für eine Serie – und erst recht für einen Anime – verhältnismäßig wenig ist. Demzufolge kann man, von wenigen erratischen Ausfällen abgesehen, kaum ein Gramm Fett an den insgesamt 280 Minuten Laufzeit ausmachen.
Außerdem ist Kaiba alles andere als eingängig, sondern setzt eine hohe Aufmerksamkeit und den Willen zur Eigenarbeit voraus.
Denn neben dem ungewöhnlichen, um nicht zu sagen abschreckenden, Artdesign ist auch die Art des Erzählens alles andere als schlicht. Wichtige Storyelemente werden gerne inmitten einer Fahrt mit dem Bilderkraussell eingestreut, sodass sie schnell unbemerkt untergehen. An anderen Stellen vertraut die Serie ganz auf ihre Bildsprache und belässt es bei Andeutungen, wo für abgesichertes Verständnis konkrete Schilderungen nötig wären. Erschwerend kommt hinzu, dass anfängliche Nebenfiguren mehrere Episoden lang völlig ausgeblendet werden, um plötzlich entscheidende Funktionen zu erfüllen, während andere durch die häufigen Körper- und Zeitenwechsel nur anhand ihres Namens zu identifizieren sind. Dieser Punkt macht den Anime manchmal verwirrender als er vielleicht sein müsste.
Aber auch diese Kritikpunkte sind genaugenommen keine richtigen, tragen sie doch in erklecklichem Maße zur einzigartigen Erfahrung bei. Die ständige leichte Verunsicherung auf Zuschauerseite verstärkt das Gefühl der Exotik dieses Universums und der Verlorenheit des Protagonisten, der sich nicht einmal seiner eigenen Identität gänzlich sicher sein kann.
Vielen vermeintlich rätselhaften Serien ist es zu Eigen, dass sie Fragen stellen, auf die sie keine Antworten geben können. Kaiba hingegen stellt Fragen und liefert Antworten, die keine sind – vorerst. Was ohne Kenntnis des Produkts frustrierend klingt, ist in der Praxis ein genialer Schachzug, denn auch die vielen Unklarheiten gehören zum Konzept, sind aber nie so zahlreich, dass sie belasten. Dem geduldigen Zuschauer werden seine Fragen schrittweise beantworten. Und im Gegensatz zu genannten anderen Serien sind sind es Antworten, die das Warten wert sind.
Nicht zuletzt führt die Komplexität der Erzählweise dazu, dass man nach dem Ende einer Episode lange noch nicht mit ihr abgeschlossen hat, das Gesehene Revue passieren lässt und in dieser Überlegung erst wirklich in den Genuss des Gefühles gelangt, das einem dieser unvergleichliche Trip von einer Science-Fiction-Serie beschert.
Und wenn man am Ende der letzten Episode mit zu vielen Fragezeichen zurückbleibt, fängt man einfach wieder von vorne an.

Fazit

Eine originelle Geschichte, die in großartiger Umsetzung auf ganz eigene Weise erzählt wird. Gleichermaßen rührend, schockierend kompromisslos und erstaunlich, ist Kaiba beileibe keine leichte Kost, belohnt den offenen Zuschauer im Gegenzug aber mit einem ganz eigenen Erlebnis.
Angucken. Wenn auch auf eigene Gefahr.

Robotic Angel

Robotic Angel sollte eigentlich Metropolis heißen. Tut er auch. Nur in Deutschland gibt’s den etwas merkwürdigen, für deutsche Titelfantasie aber recht typischen Namen, weil die Lizenzgeber von Fritz Langs bedeutendem Stummfilm Metropolis sich querstellten.
Womöglich lag es aber auch daran, dass die Mangaverfilmung nach dem Drehbuch von Akira-Schöpfer Katsuhiro Otomo (Memories) der Vorlage um jeden Preis gerecht werden will – und deswegen einfach kein gelungener Film ist.

Ich weiß nicht, was gespielt wird, aber eines steht fest.

Story

Metropolis ist in vielen Fällen genau das, was auch Fritz Langs Metropolis ist. An der Oberfläche reihen sich prunkvolle Bauten aneinander, ragen in die Höhe und scharren am Himmel. Roboter nehmen den Menschen nicht nur die lästigen Pflichten des Alltags ab, sondern sind unentbehrlich gewordene Hilfe in allen Lebenslagen. Mensch und Maschine sind eng verzahnt und die Androiden mittlerweile so perfektioniert, dass sie auch für anspruchsvolle Arbeiten ihren Erbauern vorgezogen werden. Sie sind nicht nur zuverlässiger, sondern verlangen auch keine Bezahlung – nur Treibstoff benötigen sie, um ihren Pflichten nachzukommen. Die Menschheit hat sich selbst so abhängig von den Robotern gemacht, dass sie diese Abhängigkeit zu verfluchen beginnt.
Unter der Stadt wird der Preis für das bröckelnde Utopia entrichtet. In gewaltigen Slums lebt die Unterschicht, hauptsächlich Proletariat, das von den Robotern um die eigene Notwendigkeit gebracht wurde und sich nun auf die große Revolution vorbereitet.
Währenddessen ist Dr. Laughton, ein Pionier auf dem Gebiet der Robotik und außerdem mit einem Gotteskomplex geschlagen, dabei, den perfekten Androiden zu erschaffen. Dies geschieht im Auftrag von dem fiesen Duke Red, der plant, die Herrschaft über Metropolis an sich zu reißen. Ausgerechnet der Adopotivsohn des Dukes vereitelt dessen Pläne, indem er blind vor Eifersucht das Labor des Wissenschaftlers zerschlägt – und dem Ziel des Anschlages dabei unwillentlich die Freiheit schenkt.
Ohne Erinnerung irrt das Robotermädchen mit dem Namen Tima nun durch die verwirrende Welt und schließt sich dem jungen Kenichi an.

Kritik

Verwirrende Welt, verwirrender Film. Der als Vorlage dienende Manga erschien 1949 und bot gewaltig viel Inhalt. Die Verfilmung erschien 2001 und ist bestrebt, möglichst alle wichtigen Bestandteile des Mangas aufzugreifen. So ehrenhaft dieses Vorhaben auch ist, führt es doch dazu, dass Robotic Angel auf hohem Niveau scheitert. Denn mit seinen vielen Handlungssträngen und den zahlreichen Haupt- und Nebenfiguren wirkt der Film schon nach wenigen Minuten völlig überladen.
In den 107 Minuten springt man deswegen ständig von Figur zu Figur, sodass es unmöglich ist, eine richtige Beziehung zu den Charakteren aufzubauen. Kenichi, der eigentliche Protagonist, ist die meiste Zeit kaum zugegen, wodurch es einfach an einem erzählerischen Zentrum mangelt. Manche Figuren sind sogar so selten zu sehen, dass es fast schon lächerlich anmutet, dass sie anfangs überhaupt als handlungsrelevant vorgestellt worden sind. Meist haben sie nur ein paar Sekunden Zeit, ihre notwendigen Sätze aufzusagen, bevor der Fokus ruckhaft zum nächsten Ort flitzt. Der Antrieb der einzelnen Personen ist nur ein Ausnahmefällen erahnbar. Dabei ist der Plot, auf den Osamu Tezuka damals angeblich kam, als er das Filmplakat von Langs Metropolis betrachtete, nicht nur denkbar einfach, sondern auch schon mehrfach erzählt worden. Einzig die vielen Ortswechsel und das Fehlen brauchbarer Identifikationsfiguren verkomplizieren das Geschehen derart, dass das Verfolgen der Handlung fast schon in Arbeit ausartet. Und es gibt wenig größere Fehler als den, eine grundsätzlich simple Geschichte wirr und undurchschaubar zu erzählen.
Als wäre dies nicht genug, belastet sich der Film, um der Vorlage auf wirklich jeder Ebene treu zu bleiben, mit allerhand Symbolik und Zusatzambitionen, die allesamt aber zu plump und inflationär eingebaut wurden, um wirklich zu faszinieren. Da werden mit dem kurz vor der Vollendung stehenden Gebäude namens Ziggurat überdeutliche Parallelen zum Turmbau zu Babel geboten, es wird die spätestens seit Ghost in the Shell und Blade Runner überpräsente Frage nach der Möglichkeit von Identität und Seele eines Androiden gestellt und aus jeder Ecke ruft religiöse Symbolik. Das alles mag in den 40ern brisanter Stoff gewesen sein, wurde seitdem aber in zu vielen Varianten zu oft wiederholt, um für sich immer noch fesseln zu können, ohne diesen Themenbereichen neue Aspekte hinzuzufügen. Unter dem ganzen Ballast bricht der Film ächzend zusammen, wird die Handlung zur totalen Nebensache und verkommt das Figurenheer zur Bedeutungslosigkeit.

Was bleibt, ist die überragende Technik. Und in diesem Fach lässt sich Robotic Angel wahrlich nicht lumpen. Sowohl die Oberfläche als auch der Untergrund sehen vorzüglich aus. Hier tummeln sich die aberwitzigsten Ideen, das Design ist verblüffend und stilsicher, die Hintergründe stark belebt, die Bewegungen flüssig und jedes Bild platzt fast vor Details.
In dieser Beziehung spielt Robotic Angel definitiv in der obersten Anime-Liga mit. Einen Abzug in der B-Note muss sich das Werk allerdings gefallen lassen, weil einige eindeutig aus dem Computer stammende Animationen das homogen wirkende Gesamtbild harsch durchbrechen und die Ästhetik auf diese Weise empfindlich stören. Durch das eher abstrakte, altmodische Charakterdesign, das an unter anderem an Astroboy, Kaiba und ein paar Disney-Klassiker aus den 30ern erinnert, entsteht ein interessanter Kontrast zum organischen, vollanimierten Hintergrund. So wird auch auf visueller Ebene verdeutlicht, wie sehr der Mensch auf der Strecke geblieben ist, in einer von Technik dominierten Welt, die selbst natürlicher und menschlicher wirkt als ihre Erbauer, welche sämtliche Aufgaben und Funktionen an Roboter übergeben haben und so ihr Menschsein nach und nach vergaßen.
Unterlegt wird das Ganze häufig von sehnsuchtsvollen Jazzklängen, die in den besten Momenten an Cowboy Bebop erinnern. Auch sonst hat die auditive Seite des Filmes einige Ungewöhnlichkeiten auf Lager und stellt somit auch das Speziellste am ganzen Werk dar. Die unorthodoxe, auf den ersten Blick nicht immer ganz stimmige musikalische Begleitung stößt vielen bitter auf, verleiht der Szenerie aber eine besondere Atmosphäre und verstärkt die verhaltene Noir-Stimmung einiger Handlungsbausteine in großem Maße.

Fazit

Audiovisuell überwältigend, versagt das Fünfzehn Millionen Dollar teure Projekt von Regisseur Rintaro (Astroboy, X – The Movie) inhaltlich in aller Deutlichkeit. Obwohl der Film ähnlich arrogant und verschwenderisch wirkt wie die dekadenten Oberflächenbewohner von Metropolis, lohnt sich ein Blick wegen der traumhaften technischen Darbietung, von der man sich trotz allem gerne blenden lässt.