Ex Machina ist der erste Film von Drehbuchautor Alex Garland. Zusammen mit einem kleinen, aber spannend zusammengestellten Cast wurde der 11 Millionen teure Film binnen 6 Wochen (udn mit anschließenden 6 Monaten Postproduktion) in Norwegen und London gedreht. Das Ergebnis ist ein großartig inszeniertes Kammerspiel, dessen technische Ausführung ebenso klug ist wie die inhaltlichen Ansätze.
If I did, would that be cheating?
Story
Caleb ist 26 Jahre jung, begnadeter Programmierer auf Rechnung der führenden Suchmaschine Blue Book und Gewinner einer betriebsinternen Ausschreibung. Er darf eine Woche auf dem abgelegenen Anwesen des exzentrischen Konzernchefs Nathan mit eben diesem verbringen.
Dort angekommen trifft er auf einen trinkfreudigen Sonderling, der in seinem luxuriösen High-Tech-Bunker mitten im sattesten Grün der Welt einen Vorschlag zu machen hat. Caleb wurde aufgrund seiner Fähigkeiten ausgewählt. Er soll die Zeit nutzen, um Ava, einer humanoiden, weiblichen künstlichen Intelligenz im mechanischen Frauenkörper, einem ganz besonderen Turing-Test unterziehen.
Aufgeregt, aber auch ein wenig skeptisch willigt der junge Programmierer ein und erlebt 7 Tage, in denen stetig unklarer wird, wer wem etwas vormacht und verschweigt, wer den benutzt und was es heißt, Gefühle zu haben.
Kritik
So wie sein Protagonist Caleb war auch Alex Garland 26 Jahre alt, als er seinen Durchbruchsroman The Beach schrieb, welcher bekanntlich die Grundlage eines viel besprochenen Filmes wurde. Danach blieb Danny Boyle dem Talent treu und verpflichtete Garland als Drehbuchautoren für seinen eigenen riesigen Erfolg: 28 Days Later und drei Jahre später Sunshine. Seine dritte Autorenarbeit fürs Science-Fiction-Genre im Kino war dann schließlich Dredd.
Trotzdem blieb er erfolgsverwöhnte Brite immer im Hintergrund. Nun, 19 Jahre nach The Beach, inszeniert er seinen ersten eigenen Film. Natürlich ist es Science-Fiction nach selbstverfasstem Drehbuch.
Nicht ganz so natürlich ist die Perfektion und Zurückhaltung, die bei diesem Regiedebut an den Tag gelegt wird. Zwar ist die Benennung seiner Figuren Caleb, Nathan und Ava mit eindeutigem Bibelbezug und sprechender Bedeutung etwas plump, abgesehen davon aber beweist Alex Garland großes Fingerspitzengefühl und Stilbewusstsein, um aus seinem Film über die eventuelle Menschlichkeit einer Künstlichen Intelligenz etwas ganz Besonderes zu machen, das sich von ähnlichen Filmen mühelos abhebt. Seine größte Hilfe dürfte Kameramann Rob Hardy gewesen sein, der selbst bisher nur mit wenigen, kaum bekannten Filmen in Erscheinung trat, unter der Leitung von Garland jedoch Bilder kreiert, die nicht etwa die Figuren, sondern vor allem die Architektur des Handlungsortes in den Vordergrund rücken. Das verwinkelte, abgeschiedene und ebenso abgeschottete Fort, in das Nathan sich zurückgezogen hat, ist ein grell-futuristischer Symmetriewahn, dessen Räume von viel kaltem Licht, strenger, steriler Gemütlichkeit und zahllosen klar definierenden Linien geprägt werden. In diesem technokratischen Klaustrophobie-Palast spielt sich 95% des kammerspielartigen Filmes ab. Die Art, wie die Kamera seine Figuren darin zeigt, wie sie, obwohl sie organische Fremdkörper sind, fast in den verschachtelten Gemächern versinken, verweist immer wieder eindeutig auf Stanley Kubricks größtes Genre-Werk – und das mit vollem Erfolg.
Die Figuren, die in diesem Käfig agieren, sind gleichsam verschlossen. Über die gesamte Spieldauer hält sich die mulmige Gewissheit, einem kalkulierten Macht- und Täuschungsspiel beizuwohnen. Das joviale Gebaren des jungen Internetmilliardärs Nathan, der Caleb gleich zu Beginn auf eine konstruierte, verlogen erscheinende Augenhöhe drängt und dabei von einer inneren Getriebenheit und Unruhe durchschüttelt wird, wird so gut gespielt, dass Oscar Isaac hinter seinem vollbärtigen und glatzköpfigen Charakter vollkommen verschwindet. Domhnall Gleeson als Caleb wirkt neben ihm naturgemäß etwas blasser, schafft es aber, den Zwiespalt seiner Figur gekonnt auszuspielen, muss sie sich doch unentwegt und vielfach zwischen zwei entgegengesetzten Richtungen entscheiden. Und damit wären wir bei Ava, der von „Geburt“ an in den Forschungsräumen Nathans eingeschlossenen Maschine, die sich wie eine Prinzessin danach sehnt, aus ihrem goldenen Käfig ausbrechen zu können, um die wahrhaftige Welt zu erfahren. Alicia Vikander mimt sie mit einer Mischung aus Unschuld, bewusst verführerischem Grundton und bedrohlich-faszinierender Unberechenbarkeit.
Dabei befinden sich die drei Figuren niemals zusammen in einem Raum – Ex Machina wird ausschließlich in Zwiegesprächen entwickelt. Vor allem hier kommt das Talent Garlands als Autor zum Vorschein, wenn er die Königsdisziplin, natürlich wirkende Gespräche zwischen einander Näherkommenden zu entwerfen, makellos in seinen Film integriert.
In den 108 Minuten wächst die beunruhigende Vorahnung, dass das Psychoduell zwischen den Figuren auf eine große Eskalation und eine ebenso große Enthüllung zusteuert, rasant an. Das maskenhafte Spiel zwischen gegenseitiger Überwachung, Kontrollsucht, permanenter Angespanntheit und der halbgaren Vermutung, dass sich alle gegeneinander ausspielen, während sie sich vorspielen, dass alles in bester Ordnung sei, während niemand um die Motive des Gegenübers weiß, bleibt bis zum Ende gerissen, angespannt und frei von Substanzlosigkeit.
Thematisch im Zentrum steht dabei natürlich der Diskurs über die Autonomie und Verantwortung einer und die Autonomiegewährung und Verantwortung gegenüber einer künstlich geschaffenen Lebensform, deren Komplexität zu Resultaten führt, die die Vorhersagemöglichkeiten ihres Erschaffers überschatten. Dabei begeht der Film nicht den Fehler, sich in plumpen Phrasen zu verfangen oder hundertfach Gesagtes stilbewusst wiederzukäuen. In Ex Machina werden Themen durch geschicktes Andeuten behandelt; der Film brüstet sich nicht damit, einfache Antworten auf schwierige Fragen zu haben, sondern genügt sich im richtigen Maß darin, diese Fragen erst zu stellen und dann höchstens eine von vielen Antworten zu geben. Trotzdem gelingt dem Film damit ein Beitrag zum Diskurs über Maschinenethik, wie er im filmischen Bereich bisher ausschließlich von Her geleistet wurde. Auch Überlegungen, was es überhaupt für einen Unterschied macht, eine Künstliche Intelligenz als Frau und nicht als Mann – oder gleich vollends geschlechtslos – zu konstruieren, wie sich das Frauenbild des Internets, das des Unterbewusstseins des Einzelnen und das in der Gesellschaft hochgetragene voneinander unterscheiden und ob es einen Punkt geben könnte, an dem mit menschlichen Kategorien nichts mehr zu erreichen ist, werden erwähnt und auf ihre ganz eigene Weise abgehandelt, ohne dabei einen Anspruch auf Richtigkeit und Vollständigkeit erheben zu wollen.
Damit all das gelingt, muss das Drehbuch von vornherein etwas zurechtgebogen werden. Um nichts zu verraten, sei hier exemplarisch nur erwähnt, dass es natürlich eigentlich quatsch ist, dass die Zugangsberechtigungen in Nathans Anwesen mit Karten geregelt werden und nicht etwa auf Stimm- oder/und Gesichtserkennung zurückgreifen, was viel sicherer, naheliegender und einfacher wäre. Solche Kniffe erlaubt sich das Drehbuch, damit es das größtmögliche Spannungspotenzial aus seiner Geschichte schöpfen kann. Und man kann es ihm eigentlich nicht übelnehmen, denn Ex Machina ist eben nicht nur ein kluger und ungemein atmosphärischer Film, sondern darüber hinaus auch ein enorm spannender. Das Finale, das man in dieser Form noch nicht gesehen haben dürfte, stimmt dem zu.
Fazit
Auf Alex Garlands ersten selbstgedrehten Film musste man lange warten. Das Ergebnis rechtfertigt diese Wartezeit absolut. Ex Machina ist ein makellos komponierter, stilbewusster und atmosphärisch dichter Dialogthriller in einem so beunruhigenden wie fesselnden Science-Fiction-Rahmen geworden, der kluge Fragen auf ebenso kluge Weise stellt. Gewissermaßen könnte man sagen, Spike Jonzes Her und Alex Garlands Ex Machina sind zwei Seiten derselben Münze.
Der Umstand, dass beide Filme gerade jetzt herauskommen, spricht eigentlich für sich, was die Dringlichkeit, die Relevanz, besonders aber das nur schwer fassbare Irritationspotenzial ihrer Thematik anbelangt.