Scanners – Ihre Gedanken können töten

Eigentlich sollen hier keine absolut gefeierten Klassiker besprochen werden, da sie schließlich jedem ein Begriff sind und so kaum Mehrwert für die Leser entsteht – trotzdem werden sie es immer wieder. Um sie wieder ins Gedächtnis zu rufen, um sie aus heutiger Perspektive in Augenschein zu nehmen, um bestimmte Gedanken zu äußern, die einfach zu stark sind, um unter Verschluss gehalten zu bleiben.
Und so hat auch David Cronenberg schon einige Einträge auf scififilme.net – Videodrome, Rabid, Shivers und nun eben auch Scanners – jener Film, der gleich zwei Fortsetzungen und eine kurzlebige Serie nach sich folgen ließ; beides selbstredend nicht mehr unter der Regie des Kanadiers.

You’re one of me?

Story

Cameron Vale ist ein Wrack. Ein Streuner, der scheinbar unter Schizophrenie leidet und am Rande der Gesellschaft lebt. Nach einem Zwischenfall aber wird er von dem dubiosen Wissenschaftler Professor Dr. Paul Ruth unter die Fittiche genommen und aufgeklärt, dass seine Probleme ganz woanders liegen. Cameron gehört zu den Scannern – Menschen, die ihr Nervensystem auf geheimnisvolle Weise mit denen Anderer verknüpfen können, um ihnen ihren Willen aufzuzwingen. Oder ihre Köpfe platzen zu lassen.
Und: Cameron soll als Agent eingesetzt werden, denn eine Untergrundorganisation um den teuflischen Darryl Revok herum versucht mit ihren Scanner-Fähigkeiten, die Welt zu unterjochen.

Kritik

Scanners – Ihre Gedanken können töten lautet der deutsche Verleihtitel, welcher eins zu eins von der amerikansichen Werbekampagne übernommen wurde, und beweist, wie viele deutsche Verleihtitel und Trailer generell, dass der Film nicht so recht verstanden wurde, weil es sich hier dezidiert nicht um Telepathie, sondern um etwas anderes handelt, etwas, das nicht passives Lesen, sondern aktives Grenzüberschreiten der fremden wie auch der eigenen Grenze ist. Aus Scanners stammt das wohl ikonischste Bild, das man bis heute mit dem Namen David Cronenberg verbindet – der hemmungslos in alle Richtungen platzende Schädel eines Scanners, die einen Kampf mit Darryl Revok verloren hat. Es ist nicht nur einer von Cronenbergs berühmtesten Filmen, sondern auch derjenige, mit dem er zum ersten Mal richtig Kasse machte und sich im Anschluss den wirklich großen Projekten zuwenden konnte. Und das ist aus so vielen Gründen merkwürdig. Denn Scanners entstand quasi im freien Fall. Plötzlich mussten aus Steuergründen Gelder verbraten werden – man drückte sie dem Filmemacher in die Hand, der von nun an ein paar Wimpernschläge Zeit hatte, sich einen Film aus den Rippen zu schneiden. Mit nur ein paar Sätzen als Script begann der Dreh, während Cronenberg die frühen Morgenstunden dafür nutzte, eilige Drehbuchideen für den folgenden Arbeitstag zusammenzuflicken. Jennifer O’Neill, die so etwas wie die Love Interest der Hauptfigur spielt, wusste bis zum Ende nicht, in was für einen Streifen sie sich da begibt, wurde unter Vorspiegelung falscher Tatsachen am Se gehalten – und hätte auch nicht mitgewirkt, wenn ihr bewusst gewesen wäre, dass es explodierende Köpfe gibt. Ihre Figur ist eine Frau mit wenig Eigeninitiative und einem falschen Instinkt in einer Welt, in der Frauen nur Werkzeuge machthungriger, manipulationssüchtiger Männer darstellen. Der große Erfolg ist irritierend, vielleicht aber auch dadurch erklärbar, dass es sich bei Scanners um einen relativ schlichten Agententhriller handelt. Natürlich gibt es auch hier viel zu entdecken, über die Einrichtungen, über Innen- und Außenverhältnisse, über Mannwerdung, und Identitätsbildung zu erzählen. Doch das wäre Detailarbeit an einem Film, der in seiner Gesamtheit schlicht nicht so richtig gut gealtert ist – das zeigt sich nicht zuletzt an der besagten Schädelexplosionsszene, die vielleicht weniger überzeugend aussieht, als alle anderen Effekte, die jemals in einem Cronenberg-Film aufgefahren wurde.
Das wirkliche Problem des Filmes ist aber sein Hauptdarsteller Cameron Vale, der einfach, und man kann es nicht anders sagen, ein ganz, ganz mieser Schauspieler ist. Egal, wie sehr man betonen möchte, dass der Scanner natürlich entfremdet, verfremdet, distanziert und kühl wirken muss, Vales Schauspiel ist eine Darbietung völliger Überforderung. Er stakst ausdruckslos durch die Szenen, wirft aufgesetzte leere Blicke durch die Räume und scheint jeden einzelnen Satz falsch und unnatürlich zu betonen. Cameron Vales zuzuschauen, wie er sich durch diesen Film stümpert ist, und ein solches Urteil wurde in dieser Schärfe noch nie hier gefällt, wirklich schwer zu ertragen. Besonders fällt dies auf im Kontrast zu Michael Ironside, der seinen Gegenpart mimt, und mit seiner wabernden Mimik und dem ausufernden Wahnsinn in seinem Spiel jede Szene im Handumdrehen für sich gewonnen hat. Auch Patrick McGoohan: als doppelgesichtiger Wissenschaftler Paul Ruth macht aus seiner Figur einen wunderbar exzentrischen, vor sich hin brummelnden Wunderling, der seine ganz eigene Aura mit sich herumträgt. Aber alle leiden sie an der schemenhaften Leistung Cameron Vales.
Am Bemerkenswertesten sind vielleicht noch die zahlreichen Parallelen, die sich zu Cronenbergs späterem Meisterwerk Crash ziehen lassen. Doch die machen den Film nur retrospektiv und theoretisch interessant, während er ansonsten kaum verbergen kann, dass es sich bei ihm um eine schwere, sich wehrende Zwangsgeburt handelte, deren wenige gute Szenen häufig Zusammenhang vermissenlassen. Nichtsdestotrotz gibt es diese Szenen und ihn ihnen schimmert das altvertraute Genie des kanadischen Auteurs hervor, die vielen kleinen Ideen in der Ausstattung, die Umsetzung mancher Räume und der Mut zu offenen Fragen machen Scanners natürlich trotzdem zu einem sehenswerten Film, von dem hier auf gar keinen Fall abgeraten werden soll.
Doch ist es eben auch ein Film Cronenbergs, der – ausgenommen Fast Company und zusammen mit Rabid – mit am wenigsten Freude bereitet und manchmal sogar etwas anstrengend daherkommt.

Scanners

Cronenbergs finanzieller Durchbruch ist, im Vergleich zu seinen sonstigen Filmen, nicht bestmöglich gealtert, nicht immer mit Freude zu schauen und nicht so ganz ausgeglichen in seinen vielen Elementen. Allem voran aber ärgert Hauptdarsteller Cameron Vale mit seinem unbeholfenen Spiel in den meisten Szenen und droht manchmal, die vorhandenen guten Ansätze zu übertünchen.

Cyborg 009 – The End of the Beginning

Power Rangers ist eine Serie, die es offenbar immer noch gibt. Unter dem Namen Power Rangers R.P.M retten ein paar bunt gerüstete Teenager immer noch die Welt mit ihren Zords. Wenn nun, Koichi Sakamoto, der Produzent dieser Serie, seinen ersten richtig großen Film inszeniert, ist es sicher interessant, an sich selbst zu beobachten, inwiefern sich die jeweils subjektiven Erwartungen verhalten.

J-Country.

Story

Der Kalte Krieg hält seit nunmehr 140 Jahren an und immer noch beäugen und beharken sich Osten und Westen mit ungebrochener Intensität. Bisher ist es kaum mehr als ein Märchen, dass der Westblock kaltblütige Cyborgs mit übermenschlichen Fähigkeiten für seine Operationen einsetzt. Mylene Hoffman ist einer dieser Agenten. Als sie den Auftrag bekommt, ihren entführten Erschaffer zu retten, gerät sie in einen Strudel aus Verschwörungen und ihrer eigenen Vergangenheit.

Kritik

Die Welt ist geteilt. Überall Probleme. Der Erzählerin steckt elektronisches Geflirre in den Augen, bla, bla, bla: Ärsche.
Cyborg 009 – The End of the Beginning ist die Verfilmung des Mangas 009-1 von Shotaro Ishinomori, der zwischen 1967 und 1974 veröffentlicht wurde. Wenn die Adaption des Grundstoffes seiner Vorlage auch nur zu einem Drittel die Treue hält, war sie ein sehr modernes Stück Literatur. Aber auch ein sehr sexistisches und inhaltsleeres.
Die Grundsituation ist einfach. Das Syndikat ist so furchtbar böse, dass es sich jedes nur denkbaren Verbrechens schuldig macht, solange es nur verachtenswert ist und die Kamera liebt Frauenkörper. In Nahaufnahme und mit Fokus auf den aufregendsten Partien.

Entsprechend lebt die Protagonisten in einem roten Latexanzug mit Push-Up-Funktion, der horizontale Reißverschlüsse an den Brüsten besitzt. Letzteres muss so sein, denn der sexy Cyborgagent kann seine sekundären Geschlechtsmerkmale schließlich dafür nutzen, maschinengewehrgleiches Dauerfeuer abzufeuern. Hier ist dann auch klar: Cyborg 009 – The End of the Beginning will nicht als Geschichte ernstgenommen werden, sondern einfach nur ein Erlebnis sein, ein sexistischer Spaß, der am Rande versucht, den lüsternen Blick auf die weibliche Anatomie und die Freude an brachialer Action in einer fadenscheinige Geschichte zu packen.
Wer auf Fragen kommt wie die, warum irgendwas davon überhaupt passiert, kann sich zum Kreise jener Personen zählen, die schon im Vorfeld die Finger von dem Film lassen sollten.
Dann könnte man ja auch direkt fragen, wieso die Agentin überhaupt in lasziv geschnittenem Lederdress samt Röckchen herumläuft und dazu passende High Heels(!) trägt, während ihre Kollegen in normalen, asexuellen Uniformen stecken und, im Gegensatz zu ihr, nicht unentwegt sinnlich in die Kamera blicken.
Dabei hätte man aus der Ausgangssituation, die immerhin eine halbwegs ungewöhnliche Dystopie darstellt, einiges machen können. Die Handlung spielt sich in einer gar nicht so uninteressant konzipierten Welt ab, die man mit ihren Geschehnissen gerne viel mehr im Fokus hätte als die verschiedenen Körperzonen verschiedener Damen.

Die Kameraarbeit hingegen ist eine überraschend kompetente und liefert in Ansätzen immer mal wieder stimmungsschaffende Perspektiven. Die Schnitte sind dafür teils zum Augenverdrehen platt und zuverlässig in Begleitung von höchst mäßigen Effekten. Sei es das immer mal wieder umher spritzende Blut oder die futuristische Technik, die jedes Mal Budget und Erfahrung des Teams entlarvt.
Naturgemäß kommt es also auf die Konfrontationen mit anderen Körpern an. In rein martialischem Sinne, versteht sich. Der Spaß des Filmes bemisst sich daran, wie einfallsreich die Kämpfe sind, wie schick die Choreographien und wie befriedigend Prügeldramaturgie.
Das Stichwort hier ist Mittelmäßigkeit. Schergen, meist hübsch aber gesichtslos, springen ins Bild und beharken abwechselnd die Protagonistin, die sie mit der Hilfe vieler Schnitte irgendwie bezwingt. Nur selten sind auch mal zwei, drei Schläge in einem einzelnen Shot gefilmt, wodurch eine eindrucksvolel Bewegung entsteht, in der Regel spielen sich die Kämpfe aber nach dem beliebten Muster „Halbe Drehung, Schnitt, Perspektivwechsel, Treffer“ ab. Etwas interessanter wird es dann, wenn ein ebenbürtiger Widersacher den Ring betritt, aber auch dann gewinnt das Gedresche keinen Blumentopf, zudem sich hier auch das primäre Einsatzfeld der mageren Effekte befindet, die nicht nur erwähnt schlecht aussehen, sondern überwiegend auch noch völlig unnachvollziehbar eingesetzt werden. Wenn dann auch noch Explosionen und Helikopter als drittklassige Spezialeffekte hinzukommen, verliert das Filmchen endgültig seine Bodenhaftung, weshalb sich auch die Kämpfe nicht mehr nach wirklicher, geerdeter Körperlichkeit anfühlen, sondern ebenso künstlich wie die Kulissenwelt, in der Cyborg 009 – The End of the Beginning spielt.

Die völlig unmotivierten Gefühlsregungen und die damit verbundenen Flashbacks nach Kitsch-Schema-F stören zusätzlich mehr als die Scharmützel Laune machen. Nicht nur wird der Zuschauer mit Kindheitserinnerungen belästigt, es werden auch alle paar Minuten in dramatischem Duktus kürzlich erst gezeigte Szenen wiederholt, als würde man es dem Zuschauer nicht zutrauen, ein funktionierendes Gedächtnis zu besitzen.
Dass sich die Kamelle im Laufe zu einer Selbstfindungsposse entwickelt, ist dabei herzlich egal. Weniger egal sind die verzweifelten Twists, die das Drehbuch auf dem Weg dorthin ins Gehege wirft, so beliebig und armselig sind sie geraten. Deren letzter großer wiederum ist abwegi, dass er schon wieder satirisch wirkt. Denn das 15 Minuten vor Schluss noch kurz ein paar Zombies eingeführt werden, ist jenseits von Beliebigkeit – das ist fast schon Nonsense-Kino. Nur dass man Cyborg 009 – The End of the Beginning nie so recht bescheinigen kann, bewusst witzig zu sein; von einer einzigen Szene abgesehen, die daher auch am stärksten in Erinnerung bleibt.

Auf ihrer Odyssee bleibt der attraktive Cyborg natürlich alle paar Meter stehen, um ein Kind zu retten und selbstverständlich ist das Einzige, was noch unzerstörbarer als ihr Körper ist, ihre knappe Kleidung, die auch das brausendste Inferno ohne Riss übersteht. Immer dann, wenn es nicht um Gewalt oder Spezialeffekte geht, sondern die Fleischbeschauuung wieder einsetzt, operiert der Film mit der Ästhetik eines Videoclips und fühlt sehr an wie der ja recht ähnlich gelegene Ultraviolet. Wenn Frauen nicht die kaltblütigen Amazonen, sind, die dank technischer Augmentierung über ihr natürliches Maß hinaus optimiert wurden, handelt es sich bei ihnen um unselbstständige Ausstellungsobjekte fleischgewordener Passivität, die sich beim ersten Anzeichen von Gefahr in eine Ecke rollen und hysterisch schreien – um Rettung bangend, den Tod erwartend, Spielzeug der Männerwelt und des Filmes.
Weshalb Cyborg 009 – The End of the Beginning dann nicht ganz so unterirdisch ist wie z.B. Ultraviolet, liegt einzig daran, dass diese Mischung aus Pathos, unverhohlenem Sexismus und Selbstüberschätzung, die nur selten von tatsächlich funktionierenden Szenen abgelöst wird, ein Etwas, das irgendwie knuffig ist in seiner Naivität.
Aber das ist wohl einer der am wenigsten rühmlichen Pluspunkte, die man sich vorstellen kann.

Fazit

Der Power-Ranger-Produzent Koichi Sakamoto hat mit seiner Verfilmung des Mangas 009-1 ein nicht gerade feministisches Begaffen von Frauenkörpern und mäßig in Szene gesetzten Actioneinlagen geschaffen, das weniger durch erzählerische oder optische Qualitäten unterhält, an denen man sich rasch sattgesehen hat, als durch seine abwechslungsreiche Unterdurchschnittlichkeit.

Kingsman – The Secret Service

Mit Der Sternenwanderer, Kick-Ass und X-Men: Erste Entscheidung lieferte Matthew Vaughn, der lange im Schatten Guy Ritchies umherschlich, drei Filme am Stück ab, die durchweg ausgezeichnet waren.
Nach dem rasanten Trailer zu seiner neusten Comicverfilmung von Millars The Secret Service durfte man sich eigentlich sicher sein, dass diese Reihe nicht abbrechen würde.

It’s not that kind of a movie.

Story

Die Kingsmen sind ein international agierender Geheimdienst, der mit dankenswerter Regelmäßigkeit die Welt rettet. Wer dort Mitglied ist, ist quasi ein Superheld ohne Superkräfte, aber mit jeder Menge Wundergadgets, die ihrer Zeit um Jahrzehnte voraus sind. Ein wenig wie Iron Man – nur ohne Flugfähigkeit, inkognito, mit maßgeschneidertem Anzug statt Rüstung und einem Höchstmaß an Etikette.
Als Agent Lancelot auf einer Mission ermordet wird, muss die leere Stelle besetzt werden und, wie es die Tradition gebietet, schlagen alle Mitglieder einen vielversprechenden Rekruten vor, der sich gegen die anderen im unerbittlichen Training behaupten muss.
Veteran Harry Hart überrascht – zum wiederholten Male – mit einer unkonventionellen Wahl, als er den unmanierlichen Tunichtgut Eggsy in die Gruppe holt. Einst war es sein Vater, der mit Harry Seite an Seite kämpfte.
Während die Anwärter im Wettkampf ihre Prüfungen durchlaufen, ballt sich im Hintergrund eine globale Katastrophe zusammen – angeleitet von dem lispelnden Milliardär Valentine.

Kritik

Die drei in der Einleitung genannten Filme haben eines gemeinsam: Ihre toll anzusehende Verpackung agiert im Dienste des Inhalts. Sie alle hatten eine Mission; jedenfalls wirkt es so, so sehr schäumen Inspiration und Esprit aus ihnen heraus. Es sind Filme, die auf einer Metaebene angesiedelt sind, immer ein – in der Regel notwendiger – Kommentar zum aktuellen Zustand des jeweiligen Genres.
Vaughns neuster Streich richtet sich nicht nach dieser besonderen Leitlinie. Deswegen ist Kingsman: The Secret Service kein schlechter Film und ganz ohne Frage unterhaltsam. Gemessen am vorherigen Schaffen des Briten stellt er trotzdem eine mittelschwere Enttäuschung dar. Denn plötzlich steht kein cleveres Motiv hinter der Kurzweil. Sondern das Clevere fehlt beinahe zu Gänze.

Da wäre die Story, die nach dem klassischsten Muster verläuft und nicht ein einziges Mal von diesem abweichen will. Die Ereignisse der mehr als zwei Stunden sind zu jedem Zeitpunkt vollkommen antizipierbar. Das reicht bis zu den Beweggründen des Oberschurken Valentine, der in Tun und Wollen austauschbarer kaum sein könnte. Samuel L. Jackson vermag der Figur keine Energie einzuhauchen, nervt im Deutschen dafür aber ungemein durch seinen Synchronsprecher, der den Sprachfehler des Schurken zur vollkommenen Farce werden lässt. Das Resultat ist, dass die Szenen mit ihm zu den schlechtesten des Filmes gehören.
Kick-Ass machte durch seinen unerwarteten Gewaltgrad nicht nur von sich reden, er lebte auch durch ihn. Plötzlich waren Kampf und Tod wieder etwas Furchterregendes im milde gewordenen Superheldenkosmos des vorsichtigen Mainstreams. Funktionieren konnte die mutige Entscheidung nur deshalb so gut, weil Kick-Ass gerade nicht von übermenschlichen Leuchtfiguren erzählte, sondern von durchschnittlichen Menschen mit all ihren dummen und peinlichen Träumen. Das Superhelden-Genre war nach Matthew Vaughns Abrechnung nicht mehr ganz dasselbe.
Kingsman: The Secret Service weidet sich an seiner martialischen Gewaltdarstellung, die gesichtslose Niemande auf brutalste Weise und mit keineswegs scheuer Kamera das Zeitliche segnen lässt. In den durchchoreographieren Schlachtfesten werden Passanten wie Vigilanten gnadenlos hingerichtet, sodass der Film es trotz seiner Lust an der Übertreibung sicher nicht ganz leicht bei der Altersfreigabe hatte. All das dient der Unterhaltung als reiner Selbstzweck, ohne sich auch nur alibihaft auf eine Aussage festlegen zu wollen. Die rauschhaften Kämpfe sind toll anzusehen und Colin Firth als stoischer Todesengel ist definitiv ein Augenschmaus, doch sind sie einfach nur Spektakel um des Spektakels Willen – und haben ob der Art dieses Spektakels einen etwas bitteren Beigeschmack. Besondere Erwähnung verdient die Kamera die gerade in den Handgemengen als selten blinzelndes Auge mit imponierenden Manöver durch das Massaker tourt, auch wenn es manchmal ein wenig zu deutlich wird, dass an diesen Stellen großzügig mit dem Computer getrickst wurde. Besonders fraglich wird das Spektakel in einer späteren Szene, in der auf allen Anstand gepfiffen wird und etwas geschieht, was man dem Film mit nur geringfügig bösen Absichten als den Versuch vorwerfen könnte, auf primitive Weise einen kleinen Skandal provozieren zu wollen.
Wenn man überhaupt so etwas wie einen über das Gesagte hinausgehenden Sinn erkennen will, dann könnte es eine Beschäftigung mit genau diesem Voyeurismus sein. Ein paar Szenen könnten auch durchaus als Hinweis hierauf gelesen werden, genaugenommen gibt sich der Plot aber keine große Mühe, diese Deutungsmöglichkeit wirklich zu erwägen.

All dies steht, wofür Vaughns fünfter Film im Gesamten steht: Für nichts als sich selbst, reine Kurzweil, die wie ein Fisch nur für ein paar Minuten überleben kann, hängt sie erst einmal am Haken an der Luft. Und hier ist ein Vergleich vonnöten, der sich von Anfang an schon aufdrängte: Hier ist viel weniger Kick-Ass, viel weniger Stardust und viel weniger X-Men drin, denn das Freche dieser Filme wich hier routiniertem Handwerk. Dafür findet man aber eine ganze Menge Wanted gemischt mit der Kühle von Vaughns Debut Layer Cake. Und so sehr Wanted seinerzeit durch seine Kampfsequenzen Wind machte, so vergessen ist er heute, läppische 7 Jahre in der Zukunft.
An dieser Stelle wird es auch nicht mehr groß verwundern, dass auch der Humor – immer eine Stärke des Regisseurs und Autors – deutlich durchschnittlicher und voraussehbarer ausfällt. Wirklich witzig ist der Film nur im Ausnahmefall aufgrund eines klugen Wortes, sondern meist nur dann, wenn er in Sachen boshafter Geschmacklosigkeit noch einmal eine Schippe drauflegt und mit einem weiteren visuellen Tabubruch verblüfft.
Was bleibt, sind gute und gut aufgelegte Darsteller in einem blutroten Pudding, der sich selbst nie so ganz sicher zu sein scheint, ob er lieber Hommage oder Persiflage sein will. Man ist nie gelangweilt, fühlt sich nie um sein Eintrittsgeld betrogen, hat aber gleichsam auch nie das Gefühl, etwas wirklich Wichtiges zu sehen. Im ganzen Film existiert nur ein kleiner Moment, der an die bekannte und hier überwiegend unterdrückte Genialität des Autors erinnert. Hier halten Film und Zuschauer kurz inne und suchen nach Neuorientierung. Sind diese kurzen Sekunden verstrichen, kehrt die Geschichte aber nahtlos zurück in ihr Korsett. Das Ganze ist so gefällig, dass es kaum eine Rolle spielt, dass das Buch einige Fehler aufweist, die es lieblos erscheinen lassen, und auch die Figuren nicht immer mit größter Überzeugung in die Geschichte geschrieben worden zu scheinen.

Fazit

Kingsman – The Secret Service beendet den Siegeslauf von Matthew Vaughn vorerst. Doch auch wenn er nicht die Brillanz seiner Vorgängerfilme teilt, ist er doch ein sehr unterhaltsamer, augenzwinkernder und in seinen gewaltreichen Kampfeinlagen berauschend gefilmter Spaß, der sich – genau wie so mancher Agent – an seinem eigenen Stilbewusstsein viel zu sehr erfreut, um etwas darüber Hinauswollendes anzustreben.
Mit 129 ist der Film nur etwas zu lang geworden, um noch als kurzweiliger Snack durchzugehen. Und wer kann, der sollte die deutsche Synchronisation unter allen Umständen umgehen.

Sukeban Deka

Sieben Jahre lang erschien Shinji Wadas Manga-Reihe Sukeban Deka, um in insgesamt 22 Bänden über ein vorbestraftes Schulmädchen zu erzählen, das von einer Behörde dazu gezwungen wird, mit einem Jo-Jo bewaffnet als Spionin in Schulen Verbrechen aufzudecken.
Sukeban Deka – Der Film erschien dann 1987 und zog ein knappes Jahr später einen zweiten Teil namens Sukeban Deka – Die Kazama-Schwestern schlagen zurück nach sich. Dem Doppel voran ging eine Fernsehserie mit teils gleicher Hauptdarstellerin. 1991 wurde der Stoff zu einem Anime verarbeitet und 2008 gab es die eine Neuverfilmung – diesmal wieder als Realfilm – unter dem Namen Yo-Yo Girl Cop, welcher im Westen mittlerweile die größte Bekanntheit genießt.

Ich wurde gefoltert.
Das ist kein Beweis!

Story

Yōko Godai ist zarte 18 Jahre alt und wertvolle Undercover-Ermittlerin für die japanische Regierung, die mit ihrem High-Tech-Jo-Jo Verbrecher stellt, denen die normale Polizei nicht gewachsen ist.
Eines Tages quittiert sie ihren Dienst in der Hoffnung, ein normales Leben führen zu können.
Doch Agentin bleibt Agentin und sie gelangt durch puren Zufall in den Besitz brisanter Dokumente. Nur einen Busunfall später befindet sie sich schon in den Händen eines finsteren Schurken, der ihr mit Folter und unablässigem Starren ordentlich zusetzt.
Sie befindet sich in einer Privatschule für schwer erziehbare Jugendliche, die ihre Schüler jedoch im Geheimen zu kaltblütigen Killern ausbildet, anstatt sie zu friedfertigen Bürgern zu erziehen. Der diabolische Hattori plant mithilfe seiner Kinderarmee einen Staatsstreich und will ganz Japan umkrempeln.
Saki muss aus ihrem Verlies entkommen und ihrer Berufung als Jo-Jo schleudernde Superagentin folgen. Es gilt, das alte Team wieder zusammenzuführen und mit vereinten Kräften das bestens verteidigte Ausbildungslager namens „Höllenburg“ zu infiltrieren und dort einen zähen Cyborg niederzuringen, um so die nationale Katastrophe zu verhindern.
Ein schwieriger Fall für die Girl Cops.

Kritik

Nicht nur strukturell geht Sukeban Deka als typischer Agentenfilm durch. Ein Einsatzteam wird zusammengestellt, um in die geheime Basis eines grausamen Fieslings einzudringen, diesen zu bezwingen und damit die Welt in Ordnung zu bringen.
Nur dass das Einsatzteam nicht aus hartgesottenen Superspionen besteht, sondern aus hartgesottenen Mädchen, die eigentlich noch die Schulbank drücken, in diesem Fall aber die strenggeheime und selbstverständlich hoch über dem Gesetz stehende Polizeieinheit namens „Girl Cops“ bilden. Ihre Agenten-Gadgets sind keine explodierenden Kugelschreiber, waffenstarrende Sportwagen oder Raketenrollschuhe (okay, das ist eigentlich schon ziemlich nah dran), sondern Murmeln, Yo-Yos und – man wird es schon erraten haben –  Morgensterne. Was sie mit den vergleichsweise spröden Standardagenten des Westens gemein haben, sind neben der exquisiten Nahkampfausbildung auch Beharrlichkeit und Scharfblick. Zumindest so viel, wie von Achtzehnjährigen zu erwarten ist.
Wer einen trashigen Splatterfilm mit viel Yo-Yo-Akrobatik-Action erwartet, dürfte enttäuscht werden.
Trashig ist es natürlich, allerdings auf deutlich gesetztem Niveau. Auf den Splatter wurde dafür gänzlich allerdings verzichtet. Zwar kommen allerlei Statisten zu Schaden und die meisten davon auch zu Tode, doch hält Sukeban Deka es nicht für nötig, dies explizit zu zeigen. In vertrauter Manier fallen die finsteren Schergen reihenweise von Dächern, in oder aus Explosionen oder kriegen den Yo-Yo mit zielsicherem und mechanisch verstärktem Powerwurf ins Genick gedroschen, ohne dass sichtbare Verletzungen entstehen. Vom Tod abgesehen.
Aber auch das geht ja weitestehend konform mit der polierten Darstellungsweise zu Hochzeiten der seligen Spionagefilm-Ära.
Schlagkräftigstes Argument des Filmes ist die wunderbare Musik, die eigentlich doppelt so oft ertönt, wie sie dürfte, mit ihren herrlich ironischen Agentenmelodien aber immer wieder zum Mitpfeifen einlädt. Der Film nimmt sich nicht zu ernst, vermeidet aber auch den Fehler, sich zu Schenkelklopfern hinreißen zu lassen. Slapstick gibt es quasi keinen und auch nur wenige Witze finden direkt auf der Darstellungsebene statt. Ein wunderbar skurriler Uhrenabgleich ist die wohl denkwürdigste der wenigen Ausnahmen. Ansonsten wird der Humor hauptsächlich durch das verrückte Szenario gefüttert und entfaltet sich völlig unaufdringlich im ironischen Blick auf das eigene Genre.
Schauspiel und Geschichte sind hierbei natürlich drittrangig. Dem Film kommt es auf Spaß und simple Unterhaltung an.
Wer fürchtetet, die Damen könnten in den Schuluniformen übersexualisiert dargestellt werden, kann beruhigt einschalten, denn Sexualität ist gar kein Thema der Persiflage. Keine zu knappe oder enge Gewandung, keine forschen Kamerawinkel, kein frivoler Fanservice; einzig der Bösewicht strahlt aufgrund seiner respektlosen Distanzlosigkeit etwas aus, das dem nahekommt, nur eben auf gefährliche und unangenehme Weise. Und das ist gut, denn solche Elemente hätten den pseudo-ernsten Fokus des Filmes zerstört und die ganze Stimmung ins Kippen gebracht.
So kann man den Film sogar als Statement lesen, sich gegen die laszive Darstellung von Schulmädchen auszusprechen. Selten spielte es in einer japanischen Produktion eine so untergeordnete Rolle wie in Sukeban Deka, welchen Geschlechts die Protagonisten sind.
Wie so oft wurde das verdrehte Szenario einfach in die Zukunft versetzt, um dem Spektakel die Unglaubwürdigkeit zu nehmen. Der Gipfel des Seltsamen ist zweifelsohne dann erreicht, wenn die Protagonistin sich einem scheußlichen Cyborg stellen muss, mit dem der Sci-Fi-Film augenzwinkernd Terminator zitiert.

Fazit

Subekan Deka ist eine selbstironische Agentenfilm-Persiflage, die das Genre liebevoll aufs Korn nimmt und dabei durchweg gut aufgelegt und harmlos bleibt. Das liegt auch daran, dass viele an sich sehr ernste Probleme durch das abgehobene Szenario entschärft werden.