Dredd

Nach 17 Jahren wird sich ein zweites Mal an der Verfilmung der Comicserie 2000 AD versucht und wieder greift man hierfür auf den prominentesten der Protagonisten zurück. Drehbuchautor und Schriftsteller Alex Garland (Sunshine, 28 Days Later) ist bekennender Fan der Figur und unternahm den Versuch, die Panel auf der Leinwand zum Leben zu erwecken.

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Story

Randgebiete und ländliche Gegend sind bis zur Unbewohnbarkeit verstrahlt, weshalb die Menschheit in gewaltigen Metropolen zusammengepfercht lebt. Eine dieser Städte ist Mega City One, welche zugleich neuer krimineller Schmelztiegel ist. Sechs Prozent der gesamten Delikte können aktiv geahndet werden. Während das Verbrechen sich quantitativ wie qualitativ ins totale Extrem gesteigert hat, rüstet der Polizeistaat mit Einheiten auf, die mehr Maschine als Mensch sind und für das Gesetz in seiner ganzen Radikalität leben, die Judges: Personen, die sich mit Leib und Seele der Verbrechensbekämpfung verschrieben haben, in archaischer Rüstung und mit absoluter Hightech-Ausrüstung gehen sie auf Streife gehen und berechtigt sind, die Gesetzesbrecher nicht nur aufzuspüren, sondern auch an Ort und Stelle zu verurteilen und die Vollstreckung durchzuführen.
Dredd, die Speerspitze dieser wandelnden Gerichtshöfe, wurde gerade beauftragt, die neue Rekrutin Cassandra auf Tauglichkeit für den Beruf zu prüfen. Eigentlich ungeeignet, macht ihre psionische Begabung sie attraktiv für die Institution .
Gemeinsam nehmen sie die Spur einer Drogenbande auf, die das gefährliche Mittel Slo-Mo in der Großstadt verbreiten, das nach Einnahme die Zeitwahrnehmung stark beeinflusst und hochgradig süchtig macht. Als sie einen Verdächtigen in einem Hochhaus festnehmen, kommt Strippenzieherin Ma-Ma auf den Plan. Diese residiert am Einsatzort und hat die vollkommene Kontrolle.
Aus Angst, der Gefangene könnte plaudern, riegelt sie den gesamten Gebäudekomplex ab und eröffnet die Treibjagd auf Judge Dredd und Cassandra.

Kritik

Der 1995er Science-Fiction-Film Judge Dredd mit Sylvester Stallone (Demolition Man), der einen Dredd mimt, der drauf pfeift, den Helm immer auf der Rübe zu haben, hat seine Fans und trägt einen gewissen Kultcharakter. Die Mischung aus Trash und recht hohen Produktionswerten ist durchaus nett anzusehen, eine adäquate Verfilmung des zugrundeliegenden Comics 2000 AD ist sie aber keineswegs.
Genau hier kommt die diesjährige Neuaflage Dredd ins Spiel, bei der als allererstes auffällt, wie wichtig es ihr ist, die Vorlage  zu ehren. So gibt es eine kurze Charakterisierung von Mega City One, Richter Dredd bleibt über die volle Lauflänge brav das gesichtslose Gesetz, fährt sein charakteristisches Motorrad und neigt nicht dazu, Gefangene zu machen.
Ein Aspekt, den beide Adaptionen gemeinsam haben, ist der Umstand, dass sowohl Danny Cannon, Regisseur des ersten Teils, als auch Pete Travis, Regisseur des zweiten Teils, wenige Glanzlichter in ihrer filmischen Vita haben. Dass hier wie da kein Meister am Werk war, merkt man den Filmen fraglos an. Beide sind routiniert und laufen ohne größere Patzer ab, wirkliche Höhepunkte bleiben jedoch aus. Dredd punktet dafür mit einer düsteren Zukunftsvision und der sorgfältigen Vorlagentreue. Das führt dazu, dass der Film auch ohne großartige Geschichte oder Charakterbindung für 95 Minuten effektiv in eine stockfinstere Welt entführt, in der das Böse so übermächtig geworden ist, dass es nur noch mit seinen eigenen Mitteln bekämpft werden kann. Das Grundgerüst stimmt also. Mit passendem Inhalt wurde es nur leider nicht gefüllt.
Dabei wird das brutale Rechtssystem der grimassenhaften Zukunft nicht angeprangert, aber auch nicht glorifiziert. Kritik findet in kleinen Gesten statt, wenn etwa im Prolog ein Kaufhaus im Anschluss an eine Schießerei mit einem Reinigungsfahrzeug von allen hässlichen Anblicken befreit wird, damit die Zivilisten wenige Minuten später wieder ungestört shoppen können. Und natürlich in der Person des Sidekicks Cassandra Anderson, der Dredd begleitet und vormals der anderen Seite der Waffe angehört hat. Der Grund für Cassandras Rekrutierung ist eine einmalige Fähigkeit, die für den Verlauf der Handlung nahezu bedeutungslos ist.
So rasch und gehetzt wie die Welt vorgestellt wird, so knapp fällt auch die Vorstellung der behelmten Gesetzesvertreter aus. Wer genau Dredd ist, darf genau wie seine Klon-Natur ruhig im Dunkeln bleiben, da er schließlich nur ein Krieger unter vielen ist. Doch bietet die Comicwelt auch abseits hiervon viele spannende Details, die man problemlos hätte einführen können, um den Gesichtslosen trotz allem ein wenig Gesicht zu verleihen. So muss sich der Zuschauer mit Karl Urbans Kinn, seinen hängenden Mundwinkeln und grimmig geknurrten Dialogen zufriedengeben, die leider ziemlich platter Natur sind.
Den Rest muss man sich selber denken. Selbiges trifft auch auf Antagonist Ma-Ma zu, die wie so vieles an dem Film nach vielen ungenutzten Möglichkeiten aussieht. Sie delegiert ganz wie der The Raid-Bösewicht die Schergen aus dem obersten Stockwerk und wartet darauf, sich als Endgegner stellen zu müssen, während ihr jedweder Raum für Entwicklung abgesprochen wird. Dennoch hat ausgerechnet Lena Headey (Terminator: S. C. C., 300) in der Rolle des durchtriebenes Narbengesichts als einzige die Gelegenheit, darstellerisch zu glänzen. Sie spielt ihren Charakter auf brüchige Weise kontrolliert, sodass man trotz des Kalküls ihres Treibens ständig die große Explosion erwartet. Das soll übrigens nicht heißen, dass Karl Urban schlecht spielen würde, im Gegenteil. Das, was er mit seinem verdeckten Gesicht zu machen in der Lage ist, bestätigt ihn als ideale Besetzung für die Figur des gnadenlosen Vollstreckers. Nur braucht es dafür einfach nicht viel.
Trotz der wirklich sehr stupiden Sprüche erreicht der Genrefilm aber kein Lockout-Niveau, dafür funktioniert die ganze Sache doch zu gut.

Zu der sehr simplen und von Überraschungen freien Geschichte gesellt sich, dass Dredd das Pech hat, nur kurze Zeit später nach dem bereits erwähnten spektakulären The Raid in die Kinos zu kommen und sich aufgrund des quasi identischen Plots Plagiatsvorwürfe gefallen lassen zu müssen, obwohl man kaum voneinander abgeguckt haben dürfte. Schlechtes Timing.
Die Handlung in kleinem Rahmen ist des Filmes größte Bürde. Dredd bietet bei weitem nicht so viele Staunwerte wie The Raid und auf der anderen Seite mangelt es am räudigen Comic-Charme, wie der leider gänzlich unbeachtete Punisher: War Zone ihn hemmungslos versprüht. Das Ergebnis ist ein kleiner, schwarzer Bastard, dem man ansieht, dass er theoretisch viel mehr hätte sein können. Man stellt sich unweigerlich die Frage, wie der Film wohl geworden wäre, wenn Pete Travis freie Hand gehabt hätte. Der Regisseur hegte nämlich eine Vorstellung vom fertigen Produkt, die das Studio nicht zu teilen bereit war, weshalb er nach Vollendung des Drehs sofort das Weite suchte.
Natürlich ist es nicht zwangsläufig eine Fehlentscheidung, die inhaltlichen und räumlichen Parameter so weit wie möglich zu reduzieren und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Doch gerade beim Wesentlichen hapert es an zu vielen Stellen.

Die synthetische Droge Slo fungiert gleichermaßen als Starthilfe für die Story wie als Ausrede für einen ganzen Güterzug beladen mit Zeitlupe. Eine Ausrede aber, die recht überzeugend vorgetragen wird. Der Effekt wird so eingesetzt, dass man als Zuschauer annährend nachvollziehen kann, warum diese Droge genommen wird. Die Welt ist, auf langsam gedreht, eine fast schon zur Gänze unbekannte, in der der Alltag in bizarrer Schönheit neu geboren wird und in der selbst das Sterben sich lohnt.
Dredd ist ein Film für Gorehounds. Diese werden ihren Spaß an dem Reißer haben, während sich alle anderen vermutlich angewidert abwenden, sobald nach 20 Minuten zum ersten Mal in einem Zeitlupeneffekt, der an Stillstand grenzt, Köpfe und Körper von Kugeln durchdrungen werden und das CGI-Blut mit einer perversen Ästhetik durch das Bild und in 3D auch durch den Kinosaal flattert. Auch ansonsten besteht der primäre Reiz des Filmes darin zuzusehen, wie ein Mann mit verdecktem Gesicht zu elektronischem Gewummer Leute richtet.

Fazit:


Während Dredd sich atmosphärisch keine Blöße gibt, funktioniert das kompromisslose Spektakel in Sachen Story leider nicht ganz so hervorragend. Wer vor den zelebrierten Gewaltexzessen nicht zurückschreckt, kann ruhig einen Blick in die pessimistische Zukunft werfen, Fans der Vorlage tun dies sowieso.
Für alle anderen dürfte der Film aber zu speziell und zu einseitig ausfallen.
Eine Fortsetzung wäre trotzdem und deswegen mehr als wünschenswert. Einfach deshalb, weil rabiates Genrekino dieser Tage rares Gut ist und das Szenario eine Fülle an unverbrauchten Möglichkeiten bietet.