Japan-Filmfest Special: An Assassin

Japan-Filmfest Special 7

Go Ohara  ist seit den Albernheiten Geisha vs Ninjas und Gothic & Lolita Psycho als Regisseur tätig, während er sich zuvor hauptsächlich auf Stunt- und Actionchoreographien beschränkt hat.
Umso überraschender, dass neben allen anderen Dingen auch die Action in An Assassin vollkommen misslungen ist.

Story

Ryo und Misaki wurden von Kindesbeinen an zu Killern ausgebildet. Einer Organisation setzt sie auf Zielpersonen an, sie schnappen sich Lederkluft, Sonnenbrille, Haargel und Waffenset, um die Welt um ein Leben ärmer zu machen und kassieren am Ende das Kopfgeld. Sie sind die besten ihrer Art.
Doch die alte Freundschaft bekommt Risse. Ryos Gewissen wird tätiger, während Misaki von Tag zu Tag kaltblütiger wird.
Als bei einem Auftrag plötzlich ein Mädchen die Bildfläche betritt und die Zielperson mit einem Messer attackiert, läuft alles aus dem Ruder. Ryo schnappt sich die Täterin und nimmt sie mit in seine Wohnung. Von Misaki und den Auftraggebern gedrängt, sie zu eliminieren, beginnt der junge Assassine, sein eigenes Süppchen zu kochen.

Kritik

Es hätte eigentlich ganz amüsant werden können. Eine bis ins Letzte übertriebene Gangster-Mär, in der die Bösen so eiskalt sind, dass sie bei ihren diabolischen Pakten Eis essen, und die Guten so cool, dass in engen Lederkleidern Kette rauchen, während die Kugeln ihnen um die Ohren pfeifen, und ansonsten auf Häuserdächern Whiskey verköstigen.
Doch so sollte es nicht sein. Trotz literarischer Vorlage erzählt An Assassin eine Geschichte, die überraschungsarmer, langweiliger und ideenleerer nicht sein könnte. Von Vornherein ist klar, dass die einstigen Waisen und treuen Freunde zu Rivalen heranwachsen werden, dass Ryo Lamm im Wolfspelz ist und ein Herz für wehrlose Frauen hat. Das wäre nicht schlimm, wenn sich der Film selbst klar darüber wäre und stattdessen auf andere Stärken setzen würde. Zum Beispiel eine packende Inszenierung, selbstironische Reflektion oder einfach nur mitreißende Gefechte.
  
All das fehlt. Während zwischen den Kämpfen kaum etwas passiert und das, was passiert, beeindruckend langweilig in Szene gesetzt wird, stellen die Kämpfe tatsächlich einen fast noch größeren Schandfleck dar. Da niemand der gecasteten Schönlinge ein irgendwie geartetes Talent besitzt, beschränkt man sich darauf, wild an der Kamera vorbei zu feuern oder mit sinnlosen Schnitten zu versuchen, das abgehackte Gefuchtel der Konfliktträger wie einen Kampf aussehen zu lassen. Erschwerend kommt hinzu, dass offenbar niemand der Beteiligten – ob nun hinter der Kamera oder im Schneideraum – verbergen konnte, dass man nicht aufeinander einhaut, sondern meterweit aneinander vorbei.  Warum so häufig die unpraktischen Nahkampfwaffen einer effektiven Schusswaffe vorgezogen werden, ist sowieso eine ganz eigene Frage.
Das Resultat sind Kämpfe, die wahllos und frei von Logik in die matschige Handlung geworfen werden, nur ein paar Augenblicke andauern und nicht minder langweilen als der ganze Rest, durch ihre peinliche Umsetzung aber zum Schämen auffordern und die Blödsinnigkeit ihrer Ausgangssituation als gemeinsamen Nenner haben.
Zwar hat sich tatsächlich eine halbe Handvoll Witz eingeschlichen, der in gewissem Rahmen funktioniert, doch reicht diese Dosis lange noch nicht, um den Film erträglich, geschweige denn sehenswert zu machen.
Wenn dem Zuschauer auffällt, dass ein ständig pickender Vogel nicht etwa deshalb gezeigt wird, weil dies Teil eines irgendwie geartetem Stilkonzept ist, sondern weil es ersichtlich an besseren Einfällen mangelte, als eben diesen Vogel zu filmen, ist das bezeichnend für den ganzen Film.

Fazit

An Assasin ist eine Gurke, die mit formeltreue langweilt, mit Pseudo-Coolness ärgert und sich mit einer stümperhaften Umsetzung selbst immer wieder zu unterbieten weiß.
Ein paar funktionierende Gags können nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier versucht wurde, mit den schönen Gesichtern der Hauptdarsteller ein paar schnelle Scheine zu verdienen.

Japan-Filmfest Special: Himizu

Japan-Filmfest Special 6

Vor 5 Jahren brach Love Exposure wie ein Sturm über die Filmwelt herein. Der exzentrische Vierstünder polarisierte und plusterte sich in kürzester Zeit zum Kult auf. Drei Jahre und genauso viele Filme später steht nun Himizu vor der Tür und die Erwartungen sind ungebrochen riesig.

Alles, nur nicht mich.

Story

Yuichi ist vierzehn Jahre alt und hat sehr nüchterne Ziele. Der trunksüchtige Vater schaut nur vorbei, wenn er Geld oder einen Sündenbock sucht, die fragmentierte Mutter degeneriert vor dem Fernseher und über allem schwebt die Zerstörung und das Gezirpe der Geigerzähler nach Fukushima.
Der Verschlag, in dem Mutter und Sohn hausen, ist gleichzeitig ein Bootsverleih, den Yuichi auf eigene Faust leitet.
Er plant, die Schule so früh wie möglich zu verlassen und mit diesem Job weder glücklich noch unglücklich zu werden, sondern einfach nur resigniert das Leben zu überstehen.
Für Unruhe sorgt nicht nur die unnachgiebige Stalkerin Keiko, sondern auch die Yakuza, die eines Tages vor der Hütte aufkreuzt und das Geld eintreiben will, das der Vater ihnen schuldet.
Der Anfang eines Taumels zwischen Matsch, Blut und Erkenntnis.

Kritik

Sion Sono ist ein Meister seines Fachs und das beweist er einmal mehr. So unterschiedlich seine Filme auch aussehen mögen, die Art, wie sie erzählt werden, ist unverwechselbar. Als der Tsunami kurz vor den Dreharbeiten über das Land einbrach, spann er die Story einfach um die Auswirkungen der Katastrophe herum und verlieh der Manga-Verfilmung damit eine nihilistische Aura sondergleichen. Die mit zarter Langsamkeit eingefangenen Bilder der totalen Verwüstung sind von brennender Schönheit.
Was bei Himizu bereits in der ersten Szene auffällt, ist die Perfektion der Inszenierung. Der Film ist straff, aber keineswegs gehetzt erzählt und unterlegt mit perfekt akzentuierter Musik, die Tonnen zu wiegen scheint, wodurch schon nach wenigen Minuten eine Intensität errichtet wird, von der die Finale anderer Filme nur neidvoll träumen können. Für eine ganze Weile schafft es Sono durch geschickten Szenenaufbau, dass dieser Effekt sich selbst immer wieder steigert. Selbst die humoristischen Sprenkel, durch den Kontext durchweg tief schwarz, sind so eingebaut, dass sie die Klimax noch verdichten, während sie der Sache ein wenig die Schwere nehmen und durch Eleganz ersetzen. Alles ist schlimm: Mütter verlassen, Kinder verprügeln, Stürme verheeren und Tode werden vorbereitet. Ständig schlägt irgendeiner einen anderen, Schienbeine treffen auf Brustkörbe und beinahe jeder Konflikt endet in Schlamm und Wasser des anliegenden Sees. Die Zeit steht still.
Trotz der leidvollen Konstellation ist der Film ein morbid angenehmer Genuss.
Himizu ist speziell durch seinen narrativen Sonderstatus zum Verlieben frisch und unverbraucht. Die Figuren sind undurchschaubar und dadurch nur schwer einzuschätzen. Weder die abgedrehte Stalkerin noch der weltvergessene, eiskalte Pessimist Yuichi mit seinem Hang zur Grausamkeit ermöglichen eine problemlose Identifikation. Sympathisch ist höchstens eine Randfigur, die im Flüchtlingslager nebenan haust und tragisch scheiternd Gutes will.
  
Die Handlung nimmt unkonventionelle Wege und die ganze dargestellte Welt ist durchsetzt von Fremdartigkeit. Viele Erfahrungen und Erwartungen sind in der Diegese von Himizu ihres Werts beraubt. Es ist nicht relevant, wie alt die Figuren sind und was sie tun, Tatsachen und Handlungen werden nicht nach den Maßstäben unserer Welt bewertet, sondern nach den ästhetischen des Filmes. Und so können Vierzehnjährige Könige sein und Morde nur Dinge unter Dingen. Auch wenn manche Dinge schwerer wiegen als andere.
Und was wäre ein Werk Sion Sonos, das nicht mindestens dreimal so viele Stränge, Genres und Abhandlungen beinhaltet, wie normale Filme?
Spätestens jetzt wird überdeutlich, was für ein unfassbar großes Talent in diesem  Mann schlummert. Gleich mehrere Welten prallen in diesem Film immer wieder keuchend und zischend aufeinander, bis sie irreversibel miteinander verklumpt sind und am Ende nur noch ein einziger Ausweg bleibt. An jeder Abbiegung wird das Unwägbare gewagt und das gesamte Ensemble spielt sich mit Inbrunst die Seele aus dem Leib in dieser von der Schönheit der Selbstaufgabe durchdrungenen Mischwelt. Besonders Hauptdarsteller Shôta Sometani leistet Beachtliches.
In etwa der Mitte des Filmes vollzieht sich ein Bruch, der vieles ändert. Der Höhepunkt ist durchstanden, die eigentliche Geschichte ist erzählt. Was folgt, ist fast so etwas wie eine  zweite, an die erste anschließende Geschichte, die dieser in Sachen Intensität aber nie das Wasser reichen kann. Beinahe könnte man meinen, dass es sich um einen überlangen Epilog handelt und leider ist dieser auch technisch nicht mehr ganz so exzellent und weniger dicht mit inszenatorischen Glanztaten bestückt.
Doch hat auch diese letzte Ungewöhnlichkeit ihren gewöhnungsbedürftigen Reiz.

Fazit

Er hat es schon wieder getan. Himizu ist in vielen Belangen ein kleines Meisterwerk und definitiv einzigartig. Besonders die zerstörerisch intensive erste Hälfte mit ihrer perfekten Mischung aus Schwere und Leichtigkeit ist ein unvergleichlich spannendes Erlebnis.
Zwar fällt der zweite Part im Vergleich ein wenig ab, ist absolut betrachtet aber immer noch hervorragendes Kinovergnügen der definitiv unkonventionellen Art.
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KW 22 – Iron Man 3, Pacific Rim, Man of Steel, Justice League: The Flashpoint Paradox, Timecop

Monster-Marvel

Während Iron Man 3 gerade der fünferfolgreichste Film aller Zeiten geworden ist, bekam Marvels Thor-Sequel Thor: The Dark World eine eigene Website spendiert.
Zu finden ist sie auch in unserer 2013-Sci-Fi-Filme-Liste.

Zu del Toros Monster-Epos Pacific Rim gibt es einen frischen TV-Trailer – und ‚kurz‘ heißt in diesem Fall eine halbe Minute:

Anderes Universum, andere Zeit

Ebenfalls mit einem neuen Spot bedacht wurde Snyders Superman-Interpretation Man of Steel:

Um  bei DC zu bleiben, gleich etwas nicht ganz so gepushtes hinterher. Auch die Zeichentrick-Abteilung schläft nicht und hat mit Justice League: The Flashpoint Paradox ein heißes Eisen im Ofen. Zeitreisen und rote Läufer sind sowieso eine galante Kombination.

Und um nun bei Zeitreisen zu bleiben: Timecop soll zurück in die Kinos reisen. 1994 wurde das Dark Horse-Comic  mit Lufttreter  Jean-Claude Van Damme verfilmt und bekam heimlich, still und leise im Jahre 2003 ein Sequel mit dem Titel Timecop 2: The Berlin Decision. Etwas, das hier vielleicht niemals besprochen werden wird.
Wie dem auch sei, Universal Pictures plant den Neustart und hat Marc Shmuger und Tom McNulty als Produzenten an Bord.

Quelle: Comingsoon

Japan-Filmfest Special: My Departure

Japan-Filmfest Special 5

Professor Tetsu Maeda (Sukiyaki, Dolphin Blue, School Days With a Pig) verdingt sich schon seit einer ganzen Weile als erfolgreicher und durchaus vielseitiger Regisseur, dessen Werke auch in unseren Breitengraden immer mehr Beachtung finden.
Sein neustes Werk wurde auf dem Japan Filmfest vorgestellt.

Story

Es ist soweit für Kousuke. Nach jahrzehntelanger Arbeit als Architekt wird er in den Ruhestand versetzt und bleibt mit einer Uhr als Dankeschön alleine in seinem Lebensabend zurück. Überfordert mit der Situation, die eigentlich Freizeit, in Wirklichkeit aber Leere und Einsamkeit bedeutet, gräbt er rastlos in Erinnerungen an sein Leben. Seine Tochter hat er seit 25 Jahren nicht mehr gesehen, seine Ehe ging in die Brüche und in früher Jugend traf er seine große Liebe, die er nie wieder sah. Als er auf längst verdrängte  Briefe von diesem Mädchen stößt, macht er sich auf die Reise, die Frau aufzuspüren, die aus dem Mädchen entstanden ist, obwohl er keinerlei Anhaltspunkte über ihren Verbleib hat.
Auf dem Weg erinnert er sich an die besonderen Umstände, unter denen sie sich damals als Brieffreunde kennenlernten, das erste Mal begegneten und schließlich wieder trennten.

What lies beyond the ocean?

Kritik

Einige Dinge sind international im modernen Leben. Geldsorgen, Einsamkeit im Alter, Identitätszweifel, Furcht vor der Nutzlosigkeit und die monströse Leere hinter dem Arbeitsleben.
Ist man anfangs noch in der Erwartung, die Reise des in die Jahre gekommenen Kousukes zu erleben, muss man feststellen, dass seinen Rückerinnerungen deutlich mehr Platz zugesprochen wird.
Mit entsättigten Farben erfährt der Zuschauer die eigentlich gar nicht so ungewöhnliche Geschichte der einander suchenden, findenden und verlierenden Kinder, die beide Malen wollen und es als Erwachsene doch nicht tun.
Die Rahmenhandlung besteht nicht nur aus dem zugfahrenden und umherirrenden Ruhestands-Flüchtling, sondern auch aus den Erlebnissen einer Frau, die ihren Vater vermisst, eines jungen Mannes, der ziellos mit seiner Geige durch den Tag reist und einer älteren Dame, die ihre Mutter pflegt. Man muss kein Genie sein, um sich schon früh zusammenzureimen, welche Rolle diese Figuren füreinander spielen. Grundsätzlich ist die Gewichtung zwischen der Handlung im Jetzt und der ausführlich erzählten Prolepse eine gelungene, da beide Seiten ihre eigenen, zu beantwortenden Fragen mit sich herumtragen. Zum Ende hin kommt diese Balance dem Film aber abhanden.

Grundsätzlich lässt sich ein souveräner Umgang mit den Mitteln der Technik und auch eine überragender  Darbietung der Schauspieler attestieren, deren brodelnde Spielfreude kaum zu übersehen ist. Nicht jedermanns Sache dürfte die schwelgerische Musik sein, die mit melancholischen Impressionen aufgeladen wird und damit für jede Menge Kitsch sorgt. Dieser hält sich meist in Grenzen und wird durch die souveräne Regie im Zaum gehalten, mit fortschreitender Handlung geht aber auch hier das Gleichgewicht verloren und die rührselige Grundstimmung gewinnt Überhand. Die Grazie der eingefangenen Bilder selbst lässt sich dafür zu keinem Augenblick bestreiten – auch wenn man an einigen Stellen meinen könnte, der schöne Schein bestünde nur um seiner selbst willen.
Der Handlung, so stilsicher sie auch erzählt wird, ist anzukreiden, dass sie sich aus zu vielen zufälligen Begegnungen heraus entwickelt, die dem ganze Ablauf eine Schicksalshaftigkeit verleihen.  Das Drehbuch ist in sich stimmig, aber nicht in sich logisch.
My Departure ist ein warmherziger, lebensfroher und in seinem Wesen positiver Film, der zeigen möchte, dass Hoffnung und Frieden keine Sache des Alters, sondern eine Sache der Einstellung sind. Lediglich die Geschichte des wandernden Musikers, der in jeder Szene die gleiche bedrückte Mine trägt, fügt sich nicht ganz reibungsfrei ins Konzept.

Fazit

Eine rührende Geschichte ist es, die My Departure mit sympathischen Figuren erzählt. Die gekonnte Machart tröstet darüber hinweg, dass die einzelnen Fragmente nur zusammenpassen, weil sie von sentimental-süßem Kleister gehalten werden.
Das Leben ist eine Zugfahrt.

Japan-Filmfest Special: Tebana Sankichi: Snot Rockets

Japan-Filmfest Special 4

Der abschließende Beitrag des ersten Japan Filmfest-Tags in Hamburgs kleinem Kino 3001 ist etwas Unerwartetes. Unfug in ungeahnten Dimensionen und nie für möglich gehaltener Geschwindigkeit, erstellt in unglaubwürdig vielen Jahren von Wirrkopf Yudai Yamaguchi (Versus, Meatball Machine, The ABCs of Death) und auf nie geahnte Weise ganz besonders einzigartig.

Make your prayers.

Story

Tebana Sankichi ist ein heroischer, von aller Welt vergötterter Detektiv, der gemeinsam mit seinem Sidekick Jiro, der alles zweimal sagt, knifflige Fälle löst und schauderhafte Bösewichte stellt. Außerdem bewahrt er regelmäßig Frauen davor, sich von einer Brücke in den Tod zu stürzen, und ohrfeigt sie danach.
Als Jiro stirbt, gerät seine Welt aus den Fugen und er kann nicht mehr… doch halt! Eigentlich ist er Charakter einer Serie, die in hunderten Episoden ausgestrahlt wird. Und dann ist da auch noch dieser Postbote, der ihm unbedingt einen Brief zustellen muss und dafür durch die ganze Welt hastet. Dann taucht plötzlich der Bruder des verstorbenen Jiros auf, der genauso aussieht, aber alles drei- und nicht zweimal sagt, doch auch er stirbt! Etwas Böses lauert im Hintergrund und zieht die Fäden. Erst einmal sollte aber gezeigt werden, wie unser Held Tebana Sankichi zu der Person wurde, die er ist.
Und dann ist da ja auch noch die Sache mit den Einschaltquoten…

Kritik

So wie Kant einst die abendländische Philosophie in eine tiefe Krise schubste, so kann auch dieser Film als Endpunkt der Kunstform Kinovergnügen angesehen werden. Denn: Was soll hiernach bitteschön noch folgen, welche relevante Ergänzung könnte im Anschluss noch gemacht werden?
Tebana Sankichi: Snot Rockets ist ein Film, gemacht für all jene, die denken, sie hätten bereits alles gesehen. Und vielleicht wünscht man sich am Ende – oder auch schon nach zwei Minuten – dass dem tatsächlich so gewesen und man nicht eines Besseren belehrt worden wäre.
Hier ist nichts subtil, feinsinnig oder tiefschürfend, wahrlich nicht. Es ist ein Film, der so tut, als wäre er ein Sender, der so tut, als würde er willkürliche Ausschnitte mehrerer Serien zeigen, die in willkürlicher Reihenfolge ausgestrahlt werden. Nur dass die Sendungen ineinander übergehen, irgendwie miteinander verknüpft sind, die Figuren die fiktive Realität durchbrechen und zu einem ebenso fiktiven Zuschauer sprechen, während sie wenig später als Werbemittel für sich selbst auftauchen. Das alles klingt verwirrend. Doch weder ist es das, noch hat das alles eine irgendwie entscheidende Relevanz. Alles ist Witz, alles ist Unfug, alles ist Schabernack, eine Anhäufung übermütiger Bocksprünge, die die Sinnlosigkeit zum Sinn gekürt haben.
Die Serie, deren Protagonist der namensgebende Tebana Sankichi ist, besteht genaugenommen nur aus schallendem Gebrüll. Der Held ist ein aus Coolness zusammengesetzter philanthropischer Schwertkämpfer, der zeitweise an Narkolepsie leidet und ohne seinen Sidekick in suizidalen Depressionen versinkt. Jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, an dem der Sender sich entscheidet, die Richtung der Serie zu ändern und eine frühmorgendliche Telenovela aus ihr zu machen. Zur Halbzeit gibt es ausuferndes Zeichentrick-Prequel, zwischendurch ein bisschen Puppenspiel und andauernd tauchen eigentlich schon bekannte Elemente in eigentlich schon bekannter Fassung auf und schaffen es dennoch, sich selbst zu übertrumpfen und –tölpen. Woraufhin das Gleiche noch mal passiert, nur in abgewandelter Form. Zwischendurch kommt immer mal wieder ein Abspann, der suggeriert, dass der Film beendet und überstanden sei. Doch stellt sich dann heraus, dass es wieder nur ein Abspann einer Staffel war, der die nächste folgt. Es ist nicht nur ein riesengroßer Spielplatz des unerwartet Sinnlosen, es wird auch unverfroren, clever und hemmungs- wie gnadenlos mit dem Zuschauer – dem echten wie dem fiktiven – gespielt.
  

Tebana Sankichi: Snot Rockets adäquat mittels eines Textes zu beschreiben, ist ein Ding der Unmöglichkeit. Auch deshalb, weil Vergleichsobjekte vollkommen fehlen. Wenn man sich Hot Shots in vierzigfacher Geschwindigkeit vorstellt und dann ganz viel No-Reason-Philosophie von Quentin Dupieux auf schlechtem Speed reinrammt, hat man eine Ahnung, aber keineswegs eine Vorstellung davon, was einem schwant.
Wenn der kühne Held mit falschem Bart für gefühlte Minuten auf dem Boden einer Gefängniszelle zappelt und groteske Geistererscheinungen anschreit, ist das nicht der Höhepunkt, sondern eine vollkommen normale Szene in diesem überfordernden Wirbelsturm rücksichtsloser Narretei. Alles ist so beißend, schrill und randvoll mit einfach allem, dass es einen von der ersten Sekunde an überrollt. Man muss den grenzenlos albernen Humor des Filmes überhaupt nicht teilen; er rauscht mit einer so sinnesbetäubenden Frequenz heran, dass man gar keine andere Wahl hat, als vor Entsetzen, Empörung und blanker Hilflosigkeit zu lachen. Und sei es nur, um sich irgendwie Erleichterung zu verschaffen, indem man selbst etwas Normales erzeugt. Diese dreiste Art, in jeder Szene auf ein Neues mit dieser traumatisierenden Spirale aus Manie zu überraschen, hält diesen pulsierenden Post-Film am Leben.
Yudai Yamaguchi hat 1995 angefangen, an diesem 74 Minuten langen Film zu arbeiten und nach und nach gemeinsam mit seinen Darstellern auf der ganzen Welt Sequenzen hinzugefügt. Heißt: Es entstanden etwas mehr als 4 Minuten pro Jahr.
Und mit ausschließlich jeder dieser großen und kleinen Episoden tut er Dinge, die kein Filmemacher bei klarem Verstand auch nur in Erwägung ziehen würde. Dieser geschmacklose destillierte Sinnesterror zwischen Geistern, Gangstern, Geschrei und Gezappel ist voll mit verrückten Geräuschen, Träumen in Halluzinationen, ‚Where is Mr. Postman?‘, Genresprüngen und sinnbefreiten Subplots. Purer Nonsense. Am Ende gibt es keinen Witz, den der Film nicht im Zeitraffer angeleckt und in verunstalteter Form zurückgelassen hat, keine affige Unvorstellbarkeit, die nicht geritten und mitten in einer Wüste zum Verdursten abgestellt wurde, und kein bizarres Bild, das nicht aus irgendeiner unmöglichen Perspektive auf den Zuschauer herabgegrölt hat, um sich dann selbst zu verschlingen. In jeder atemlosen Minute geschehen mehr verstörende Dinge als ansonsten in einem Jahr internationaler Filmgeschichte.

Dass man am Ende dieses Textes immer noch keine Vorstellung davon hat, was dieser Tebana Sankichi: Snot Rockets nun eigentlich ist und warum wie welche Geschichte erzählt wird, liegt schlicht und ergreifend daran, dass der Versuch, über diesen Film zu schreiben, zum Scheitern verurteilt ist. Es handelt sich um eine Sinneserfahrung, die so grenzwertig ist, dass eine Übertragung in ein anderes Medium sich nicht im Möglichen befindet.

Fazit

Der vielleicht kaputteste, blödeste, anstrengendste Schund, den es je gegeben hat und jemals geben wird. Filmgewordene Dummheit; und das in exzellenter, schmerzhaft unterhaltsamer Reinform, die einem – ob man auf japanischen Blödsinn steht oder nicht – gar keine Wahl lässt, als in hysterischer Panik zu kichern. Inmitten einer irritierend wohlwollenden Woge von Entrüstung vergisst man schnell, dass Tebana Sankichi: Snot Rockets nicht mehr als eine Aneinanderreihung von Quatsch ist. Das Maß ist voll.

Japan-Filmfest Special: Empty

Japan-Filmfest Special 3

Nach dem sehr kräftezehrenden Minus by Minus und dem sehr schlimmen A Taste of Kiss folgte auf dem Japan-Filmfest Hamburg Shogo Kusanos zweiter Film Empty. Hauptdarsteller Naoya Shimizu und Inhaltsbeschreibung ließen bereits leise Zweifel aufkommen, die zum Glück aber nur in kleinem Rahmen bestätigt werden konnten.

Identity is always something vague.

Story

Den Teenager Koban Kato als ruhig und unauffällig zu bezeichnen, wäre himmelschreiende Untertreibung. Er besitzt die Fähigkeit, sich zu teleportieren, was aber beinahe egal ist, da er sowieso für alle unsichtbar zu sein scheint. Das ungewollte Talent bringt ihn immer wieder in unangenehme Situationen, die in erster Linie dadurch entstehen, dass er nach dem unkonventionellen Ortswechsel ganz ohne Kleidung dasteht.
Alles scheint sich zu ändern, als er zweimal in kurzer Zeit in der Nähe des aufgeweckten Mädchens Sheena auftaucht. Das ist zum einen ungewöhnlich, weil seine Teleportationen eigentlich nie in der Nähe von Menschen enden und zum anderen, weil sie Verständnis für seine Situation und Interesse an seiner Person zu zeigen scheint. Offenbar hat sie ihr ganz eigenes Päckchen zu tragen. Die impulsive Unbekannte und der zurückhaltende Kato freunden sich langsam an und alles scheint für eine kurze Zeitspanne besser zu werden.
Die Fähigkeit, sich  zu teleportieren, ist aber keine Hilfe gegen die einholende Vergangenheit.

Kritik

Es gibt Filme, die sind deutlich schlechter als ihre Geschichte und umgekehrt. Empty ist einer dieser Umgekehrt-Filme. Die laue Plotline „Außenseiter hat ohne Erklärung eine übernatürliche Kraft und findet seine erste und große Liebe“ ist der Stoff, aus dem Schlimmes entstehen kann, aber offenbar hatte Regisseur, Autor und Produzent Shogo Kusano eine andere Vorstellung von seinem Film.
Das macht der Anfang bereits mehr als deutlich, der als wundervoll überdrehter Prolog mehr als nur augenzwinkernd Werdegang und Ist-Situation des Schülers darstellt und den leichtfüßigen und ideenreichen Schnelldurchlauf mit zirkusartiger Musik unterlegt, die wie die Faust aufs Auge passt. So geht es erst einmal weiter. Mit einem beachtlichen Gespür für komödiantisches Timing, ohne das die zahlreichen Slapstick-Einlagen zweifelsohne misslungen wären, feuert Empty einen gelungenen Gag nach dem anderen los und gönnt seiner Hauptfigur nebenbei sogar noch Raum für Entwicklung.
Dabei wird ein ums andere Mal übers gesetzt Ziel hinausgeschossen. Daran etwa, dass Kato mit einem Eimer auf dem Kopf und splitterfasernackt zu Tuba-Tölpelmusik in einem Wandschrank steht, hat man sich nach einigen Sekunden sattgesehen, doch hält sich der Film mit derlei Überspannungen zum Glück zurück.
Das alles funktioniert beschwingt gut, so lange der Film die Teleportgabe dazu einsetzt, seinen Protagonisten in prekäre Situationen zu navigieren.
  
Wenn dann Sheena in sein Leben tritt und diesem endlich so etwas wie eine klare Linie gibt, verschwindet die hohe Gagdichte mit einem Schlag und der Film entwickelt sich zu einer Coming-of-Age-Geschichte, die an sich funktioniert, aber dabei viel zu unspektakulär bleibt.
Immer dann, wenn der Humor zeitweise zurückkehrt, um noch ein Gastspiel aufzuführen, wird Empty wieder so charmant wie am Anfang. Die kurzen Intermezzi, die einem ausufernden Kappa-Kult gewidmet sind, der sich irrtümlich um Überwachungskameraaufnahmen des teleportierten und missinterpretierten Kato bildete, gehören dazu. Durch so etwas wird das Geschehen immer mal wieder und auch an den richtigen Stellen aufgelockert, doch hat der Film nicht mehr die Ambitionen, sich zurück auf das komische Plateau seines Anfangs zu begeben. Hinzu kommt, dass sich die Geschichte gegen Ende ein wenig verrennt und unnötige Verlängerungen nimmt.

Fazit

Als überdrehte Komödie mit gutem Timing funktioniert der Film viel besser denn als humoristisch angehauchtes Coming-of-Age-Drama, das er ab der Mitte wird. Trotzdem ein sehenswerter Trip eines alles andere als durchschnittlichen Teenagers mit einer Reihe lohnenswerter Eskapaden und guten Einfällen, die für die matter werdende zweite Filmhälfte entschädigen.

Japan-Filmfest Special: A Taste of Kiss

Japan-Filmfest Special 2

Ein halbes Jahrzehnt arbeitete der 70-Jährige Ippei Nishihara an seiner Vision von einer düsteren, erdrückenden Zukunft, in der Menschen nicht mehr ortbar und die Welt nicht mehr wiederzuerkennen ist.
Die gleiche einfache Frage, die der Film stellt, begegnet schnell auch dem Zuschauer: Warum?

The world I created unfolding before my eyes.

Story

Körper sind nicht mehr in Mode. Die Menschen haben ihr Bewusstsein auf Computerchips transferiert und existieren nur noch als kaltes Daten-Denken. Zusammen mit der Leiblichkeit und Sterblichkeit verloren sie auch die Fähigkeit zur Emotion.
Im Jahre 7369  wird ein Klon erschaffen und diesem ein Bewusstsein implantiert. Der Neugeborene trägt die Erinnerungen eines Menschen in sich, der vor 5000 Jahren in seinem Körper gelebt hat. Diese werden als virtuelle Umgebung rekonstruiert, wo der Klon die abgespeicherten Geschehnisse in aller Intensität erlebt.
Es ist die Geschichte einer entstehenden Liebe zu einer Frau, während eine unheilbare Krankheit die Menschheit befällt.

Kritik

Das Jahr 7369 wird für ein paar Minuten gezeigt. In gut gemeinten, tricktechnisch aber auf ganzer Linie versagenden Bildern wird eine Zukunft gezeigt, die durch die Unendlichkeit virtueller Räume geprägt ist, die irgendwo tief unter der Erdoberfläche für über Jahrtausende gereifte Bewusstseinsdaten erschaffen wurden. Die Idee gilt es zu würdigen, doch die Umsetzung ist ausgesprochen mäßig. Sobald der Klon in seine Erinnerungen abtaucht, wünscht man sich trotzdem schnell an jenen visuell gescheiterten, aber zumindest konzeptuell interessanten, wenn auch inhaltslosen Ort zurück, denn die der Gegenwart sehr nahen Zukunft, aus der das Bewusstsein stammt, ist weitaus schlimmer. Der Sepia-Stich der Computerrealität bleibt beibehalten, das Interessante verschwindet.
Das Schauspiel ist so dürftig, dass es in seiner Laienhaftigkeit an einigen Punkten für ungeplantes Schmunzeln sorgt, die eingefangenen Bilder wirken willkürlich und überhaupt erweckt die gesamte technische Seite den Anschein, als wären die Beteiligten vollkommen überfordert und bar jeder Einfälle gewesen. All das wird in den Schatten gesetzt von dem nur selten pausierenden minimalistischen Geklimper der Filmmusik, die dem Ganzen wohl einen melancholischen Anstrich verleihen soll, nach einigen Minuten aber in solchem Maße nervt, dass man sich kaum mehr auf die Geschichte konzentrieren kann. Zum Glück scheint man wenigstens hier mitgedacht zu haben, denn so sehr man sich auch ablenken lässt, verpassen kann man eigentlich kaum etwas, da das ganze Liebesleiden vollkommen uninteressant inszeniert ist und das Drehbuch nicht eine anerkennenswerte Idee aufweist.
    
Dabei mag der Grundgedanke durchaus in der Lage sein, einen Film zu stemmen, würde er nicht alle Naselang über die zahllosen Unzulänglichkeiten seiner Umsetzung stolpern.
Da macht man schon eine Geschichte über einen Klon, der sich erinnert, wie er sich erinnert, und das Ergebnis ist eine Minutenlange Sequenz, die zwei Menschen zeigt, welche sich gegenübersitzen und Kaffeetrinken. Wie man es auch dreht und wendet, so etwas hebt nicht die Spannung.
Kurz vor Schluss fällt der Film dann tatsächlich in ungewollte Komik und gipfelt in einem nicht enden wollenden Schwall aus total leerem Gerede, das sich – ohne übertreiben zu wollen – anfühlt, als würde es sich über weitere zwei Stunden erstrecken.

Fazit


Ein Film, der erst nichts erzählt, nur um später zuzugeben, dass er einfach nichts zu erzählen hat, um einen am Ende dennoch mit irrelevanten Wortkolonnen in den Wahnsinn zu treiben.
Fünf Jahre Arbeit, um eine reizvolle Idee umzusetzen. Leider ist das Ergebnis mehr als dürftig. Weder die Figuren und ihre Geschichte noch die Art, wie sie erzählt wird, weisen positive Eigenschaften auf. Zäh wie Baumharz und genauso genießbar, sodass auch die spannende Ausgangsidee nichts mehr zu retten vermag. Das geringe Budget mag die Optik entschuldigen, nicht aber das Gesamtwerk rechtfertigen.

Japan-Filmfest Special: Minus by Minus

Japan-Filmfest Special 1

Film 1 des Japan Film-Festes in Hamburg ist ein Erstlingswerk eines vormaligen Produzenten, der hier nicht nur Regie geführt, sondern auch das Drehbuch beigesteuert hat. Minus by Minus, oder -X-, wie der Film im Original ein wenig eleganter heißt, ist typisches japanisches Erzählkino der sehr gediegenen Sorte.

Story

Ein Taifahrer bringt eine Frau in ihre Wohnung, bleibt dort eine Weile, beginnt eine seichte Unterhaltung, spielt mit ihr ein Brettspiel und versinkt in unerwartet rüden Fantasien. Auf seinem Rückweg laufen ihm zwei Mädchen im Teenager-Alter über den Weg. Sie sind beste Freunde, doch scheint die Zukunft sie auseinanderzutreiben. Während eine den genauen Werdegang ihres Lebens als kläre Linie vor sich sieht, taumelt die andere immer noch in pubertärer Orientierungslosigkeit durchs verwirrende Japan der Gegenwart, leidet unter der Trennung ihrer Eltern und muss dabei zusehen, wie die enge Bindung zu ihrer Freundin zu kippen droht.

Kritik

Minus by Minus beginnt unterschwellig wahnsinnig und tisch skurrile Gespräche auf, die sich in ihrer Behäbigkeit Zeit zum Entfalten lassen. Alles ist gesetzt, ruhig und langsam, doch wirken die Charaktere anfangs eindeutig entrückt. Eine sonderbare Faszination enströmt dieser Stilkombination, wenn man sich auf das Tempo einlassen kann. Der kurze Ausflug in die Fantasie des Taxifahrers droht das Konzept dann mit abgründig schwarzem Humor zum Kippen zu bringen und scheint eine uneinsehbare Kurve nehmen zu wollen, doch endet dies nach wenigen Minuten – und lässt nichts zurück als einen verwirrenden Nachgeschmack.
Die Geschichte der Freundinnen und ihrer Probleme nimmt sogar noch mehr Tempo aus dem eh schon behäbigen Treiben. Sie treiben durch die Tage und erleben die Jugend in authentischer Schwermut. Nichts geschieht und doch scheint alles im Wandel begriffen zu sein. Die Phase im Leben, in der alles bleischwere Ankündigung zu sein scheint, ohne dass sich diese je konkret bewahrheitet. Manchmal schrammt das Geschehen schon fast am Surrealen vorbei, bevor die Schaukel wieder nach hinten schwingt und wirkliche Ausprägungen in diese Richtung vermieden werden. Immer wieder präsentiert der Film winzig kleine, aber wunderbare Ideen, verpackt in anfangs unscheinbare, doch im Kern sehr sonderbare Einfälle.
Technisch wird diese Schiene ebenfalls befahren. Mit wenig mehr als einer Handkamera und unbekannten Gesichtern errichtet Minus by Minus immer wieder verzaubernd kleine Ästhetik-Bauten, die nur für Momente existieren, doch ausgiebig nachwirken.
Ständig wirkt der Film so, als wüsste er eigentlich nicht so recht, wo er hin will, fühlt sich dabei aber gleichermaßen so an, als hätte er ein fixes Ziel vor Augen, das aus vielen kleinen besteht. Auch hier findet sich die mürbe Mentalität der unablässig fordernden Großstädte wieder, denen sich ihre Bewohner Tag für Tag stellen müssen, um in ihnen zu bestehen und ihre eigene Identität zu beweisen. Auf gescheite Weise und ohne erhobenen Zeigefinger werden mit unausgesprochenen Fragen die Problemen der heutigen Gesellschaft in Japan zu Brust genommen, während immer mal wieder tragisch-komische Elemente das trübe Bild auflockern. Etwas, das durchaus etwas häufiger passieren könnte, denn über die Laufzeit von 2 Stunden treibt die ziellos streunende Geschichte immer mal wieder gen Langeweile, die nicht zuletzt dadurch provoziert wird, dass die erste, sehr knappe Geschichte viel kurzweiliger ist als die ausgedehnte zweite. Das alles mag gewollt sein, macht die Erfahrung des Filmes aber zu keiner leichten Kost, sondern verlangt Geduld und langen Atem vom Zuschauer.

Fazit

Zwischen Orangen werfenden Herren, Sinnsuche und mahlender Alltäglichkeit navigiert der Film sich zu einem Ende, das so unvermittelt und absichtlich aussagelos daherkommt wie sein Beginn. Ein Portrait des modernen Japan als Mischung aus Road-Movie und Groteske, die einen eigenartigen Drive entwickelt, sich mit zunehmender Laufzeit aber zu schleppend voran bewegt.