Society

15. Japan-Filmfest Special 7

Brian Yuzna, dessen bekannteste Arbeit zweifelsohne die Re-Animator-Trilogie darstellt, begann seine Regie-Karriere mit etwas Sonderbarem namens Society, der erst in den letzten Jahren Stück für Stück aus der Indizierungskammer treten konnte.

– Fuckin‘ nightmare.
– Last night?
– My Life.

Story

Bill Whitney führt kein schlechtes Leben. Seine Eltern sind wohlhabend, er wohnt in einer schicken Gegend, steht kurz vor der Wahl zum Schulliebling und ist trotzdem verkörperte 80er-Jahre-Coolness, ein Star im Klassenzimmer und mit einem der hinreißendsten Mädchen der Stadt liiert.
Alles wäre also bestens, wenn ihm nicht vermehrt unheimliche Kleinigkeiten in seiner Familie auffallen würden. Anfangs scheint seine Wahrnehmung ihn zu trügen, doch beginnen die Dinge an Relevanz zuzunehmen, als sein Freund ihm ein Tonbandgerät zeigt, auf dem klar zu hören ist, dass Unfassbares in seiner Familie vorgeht.
Doch sein ganzes Umfeld scheint ihm nicht zu glauben, bis wenig später sich sogar der Inhalt des Tonbandes ein anderer zu sein scheint – und sein Freund bei einem Autounfall am gleichen Tag stirbt.

Kritik

Society startet nicht nur langsam und unaufgeregt, sondern regelrech ernüchternd. Eine kaum bemerkenswerte Bildspache, eine grobe, wenig sorgfältige Charakterzeichnung und -entwicklung und eine wahrlich beschämende Synchronisation, in der der Film auf dem Festival mangels beschaffbarer Alternativen gezeigt wurde, verhindern Identifikation und Spannung im üblichen Sinne. Lange Zeit ist ungewiss, wohin der Film möchte und was er eigentlich ist und nur die im Hintergrund überall auftauchenden Gemälde, die vor Obszönitäten strotzen, und die leicht verschrobene Grundstimmung sind als interessante Details auszumachen, während der Rest schlichtweg sonderbar wirkt und bestenfalls narkotisierte Erinnerungen an die Eis am Stil-Zeiten wachrütteln.
Society_14   Society_22   Society_01

Er nach einer ganzen Weile, wird klar, dass die sonderbare, nicht selten ärmliche Fortbewegung der Geschichte einem ganz eigenen System zu folgen scheint. Nach und nach entwickelt sich die leidlich unterhaltsame Detektivarbeit des arroganten High-Society-Schülers Billy zu einer merkwürdigen Tour de Farce, die sich im letzten Drittel schrittweise, aber unaufhaltsam zu einem surrealen Kompott aufgebläht. Irgendwann sind alle Figuren nach außen gekehrt, verständigen sich mit komplett zusammenhangsfreien Sätzen und tragen Schuhwerk von Nike. Der Schluss öffnet einen Strudel sumpfiger Entartung, die in Sachen Schrägheit wahrhaftig ihres Gleichen sucht und den Zuschauer schließlich fassungslos mit nicht zu erwartenden Eindrücken und der Frage, was zum Geier es mit der Haare verputzenden Mutter auf sich hat, zurücklässt.
Mit Society lotet Yuzna bereits auf höchst eigene Weise die Grenze zwischen Normalität und surrealer Abgründigkeit aus. Das Bizarre wird mit dem Biederen auf eine noch ausführlichere und kontrastreichere und eine viel hemmungslosere Weise konfrontiert, wie wenig später in seinem Kultwerk Re-Animator.

Fazit

So unpassend der Anfang vorerst scheint und so wenig fesselnd dieser anmutet, ist er doch das einzige in Frage kommende Tor, durch das der Zuschauer schreiten muss, um das bizarre Fest fleischiger Obszönitäten am Ende in seiner ganzen Heftigkeit erfahren kann. Auch wenn der Film durch seine rücksichtslose Dramaturgie nicht jedem gefallen wird, ist kaum ein Zuschauer vorstellbar, der Society nicht mindestens als interessante Seherfahrung verbuchen wird.

I am Ichihashi – Journal of a Murderer

15. Japan-Filmfest Special 6

Until I Was Arrested lautet der Titel des autobiographischen Werks, das Tatsuya Ichihashi im Gefängnis schrieb, um seine Version der Ermordung von Engländerin Lindsay Hawker und die anschließende, zweieinhalb Jahre anhaltende Flucht durch Japan zu schildern. Die Familie des Opfers verweigerte die Annahme der Verkaufserlöse.
Regisseur Dean Fujioka übernahm in seiner Adaption ebenfalls die Hauptrolle.

Dead by suicide or misadventure.

Story

Tatsuya Ichihashi vergewaltigte und ermordete die 22-jährige Lindsay. Es war seine erste schwere Straftat. Als die Polizei ihn zu verassen versuchte, floh er nur mit einem Rucksack mit Süortkleidung. Eine Flucht, die quer durch Japan führen und über zweieinhalb Jahre andauern sollte. Eine Flucht vor einem ganzen Land, der Schuld und sich selbst.
Irgendwo auf diesem Weg willige er ein, ein Interview zu geben, bei welchem die Fragen zu barsch für sein strapaziertes Gewissen sind und er selbst zu desozialisiert für die Fragen ist.

Kritik

Das Gesicht Ichihashis ist geisterhaft leer, aber auch schön, zerbrechlich, in manchen Einstellungen durch seine Leere fast schon erhaben. Er wird zutiefst menschlich und doch unverkennbar krank dargestellt. Unverkennbar Bestie. Inkompatibel. Sich dessen bewusst, darunter leidend. Er ist ein Schatten, zerrissen, unrettbar, wie er unter der Last seines Vergehens ziellos durch Japan flieht, während die Zahl der Verfolger stetig zunimmt und sein Kopfgeld bis ins Groteske anschwillt. Eine Flucht vor den Behörden, der Schuld, vor sich selbst und den Fragen, die alle drei an ihn haben, vor allem aber wohl vor den Antworten, die gegeben werden könnten. Dabei verliert er sich vor lauter Angst zwangsläufig selbst, wird fast eigenschaftslos und leer.
Die Vermittlung der Geschichte ist direkt, schmerzhaft, nah am Mann und doch ständig mit einer gewissen Distanziertheit behaftet die dem Zuschauer seine urteilfordernde (und sei es nur das Urteil, nicht zu urteilen) Beobachterposition vorhält. Die Farben sind kalt und schwer, die Kamera spähend, häufig fast schon versteckt und Geräusche nicht selten ebenso laut wie die Stimmen der Menschen. Der Film stilisiert den Fluchtweg Ichihashis auf eine Weise, die das Essenzielle in gekonnt abstrahierter Form darbietet, sich dabei aber trotzdem fast schon naturalistisch anfühlt.
I_am_Ichihashi_-_Journal_of_a_Murderer-1   I_am_Ichihashi_-_Journal_of_a_Murderer-2   I_Am_Ichihashi_Journal_of_a_Murderer

I am Ichihashi – Journal of a Murderer ist ein gewagtes Projekt, da die thematisierten Ereignisse und ihr Gedenken noch offen und frisch sind. Der Film enthält sich einer Bewertung der Ereignisse. Er spricht sich nicht für seinen Protagonisten aus – distanziert sich durch Texttafeln am Anfang und Ende sogar kritisch – verweigert aber ebenso eine Tendenz zum Schuldspruch. Er ist ein Beobachter, der sich eines Werturteils enthält. Und mit ihm der Zuschauer, der sich in der unangenehmen Situation empfindet, selbst Antworten und eine eigene Positionierung der Hauptperson gegenüber finden zu müssen. Eine keineswegs angenehme Aufgabe. Es ist kein Film über die Suche nach Schuld, vielmehr stellt er die leise Frage nach der Natur von Schuld. Es ist eine Geschichte, die von dem Trauma eines Mannes berichtet, der seine Identität ablegte und sich Schuld überstreifte, um sich rastlos und auf der Suche nach einem unmöglichen Neuanfang einem Ende anzunähern. Die Unmöglichkeit seiner Suche findet im letzten Drittel ihr Kulminationsmoment, wenn er auf einer leeren, kahlen wie kalten Insel seinen Irrgang durch sinnlos verwuchertes Dickicht antritt, ohne die Möglichkeit auf ein Ziel, sondern das Ziel in der Kreisbewegung, im Nomadentum findet, wenn auch nur kurzfristig. Es ist kahl, verwittert, lerr, bitter, windig, wüst, durch und durch trübsinnig. Ichihashis Odyssee entpuppt sich mit jeder Station, mit jeder neu angenommenen Identität als metaphysische Reise in den gesellschaftlichen wie individuellen Nexus.
Unterbrochen wird die Reise des Mörders von Interviewausschnitten, die zeitlich und räumlich vorerst unverortbar sind. Die Fragen, die dem zusammengekauerten Flüchtling gestellt werden, stehen im harten Kontrast zum Rest des Filmes. Sie sind nicht nur streng, sondern aggressiv und wenig ergiebig, wirken zu gestellt im Vergleich zum abgeklärten Rest und stören den Fluss des Filmes, obwohl sie als erzählerische Klammer durchaus sinnvoll sind.
So interessant I am Ichihashi auch ist, leicht genießbar ist dieses Werk kaum. Zu sperrig, zu sehr in die eigene Leere gerichtet und ohne klassisches Narrativ. Wie auch ihre quasi einzige Figur erscheint die Erzählung selbst ziel- und beinahe willenlos getrieben. Das ist notwendig, da sich der Film entscheidet, ein Urteil zu meiden, führt aber somit zu einer Seherfahrung, die durchaus ins Anstrengende übergleiten kann. Auch deshalb, weil der Film zwangsläufig im Nichts enden muss und den Zuschauer ratlos und erschöpft in ein verwirrend fröhliches Abspannlied entlässt.

Fazit

Eine mutig eingenommene Perspektive auf noch frische Ereignisse, die sich nie der Suche nach Schuld widmet, sondern dem Zuschauer die seltene wie anspruchsvolle Aufgabe überlässt, den gebrochenen Täter auf seiner Flucht kennenzulernen und sich möglichst unbeeinflusst ein Urteil zu bilden. Gestützt wird das Wagnis von einer kalten, abweisenden Atmosphäre in noch kälteren Bildern. Dass I am Ichihashi – Journal of a Murderer keine einfache Seherfahrung ist und einen auch nicht mit dem Bedürfnis nach Tanzliedern zurücklässt, ist quasi obligatorisch.

Miss Zombie

15. Japan-Filmfest Special 5

Hiroyuki Tanaka, besserf bekannt unter seinem Künstlerpseudonym SABU, und bekannt wohl aufgrund von verschrobenen Filmen wie Monday, Blessing Bell und Postman Blues, hat sich in den letzten Jahren etwas rar gemacht. Nun kehrt der Kultregisseur zurück mit etwas für seine Vita sehr Ungewöhnlichen: Einem Zombiefilm. Wenn auch einer der ganz anderen Art.

Feed fruits or vegetables.

Story

In der Zukunft Japans lief die Zombifizierung der Gesellschaft ungewöhnlich ab. Schnell bekam man die Epidemie unter Kontrolle und eigentlich war die Welt wieder sicher. Außerdem gibt es Zombies verschiedenen Grades – es ist kein bipolares Entweder-Oder-System, sondern jeder Zombie hat zu gewissen Graden Menschlichkeit. Je mehr von dieser, desto geringer ist die Aggressivität.
Ein wohlhabendes Ehepaar ordert sich halblegal eine Zombiedinerin. Ihr Name ist Sara und sie soll als untotes Hausmädchen den Hof ihrer Halter pflegen.
Neben ein paar ungehobelten Lüstlingen sorgen aber auch aufkeimende Spannungen innerhalb der Familie für Probleme, denn die Anwesenheit von Sara bringt Veränderungen mit sich.

Kritik

Was immer SABU in den vergangenen Jahren auch getrieben hat, er hat gewiss nicht stillgesessen. Miss Zombie, und das merkt man ab der ersten Minute, ist das mit enormem Abstand reifste, wohlkomponierteste Werk des Regisseurs. Mit seiner Zombieparabel in Schwarzweiß hat er nicht nur seinen ungewöhnlichsten Genreausflug gemeistert, sondern auch noch einen der ganz wenigen modernen Schwarzweißfilme geschaffen, welche mit Fug und Recht behaupten dürfen, von ihrer Farbarmut enorm zu profitieren. Jedes Bild wie gemalt, jeder Schwenk ein gut durchdachtes Beben und jeder Schnitt ein Schritt beim Tanze. So, wie SABU es schafft, die Schwarzweiß-Kontraste zur Geltung zu bringen, hat man es in den letzten Jahren nirgends betrachten dürfen. Miss Zombie spielt ästhetisch ganz weit vorne mit. Das durchdachte Sounddesign, das mit Klarheit, Präzision und einer ungemein stimmigen Auswahl glänzt, und das hervorragende Editing werden fallen dadurch erst an zweiter Stelle auf – was sie nicht weniger gut und wirkungsvoll macht. Selbiges treffen auf den Bildaufbau und die erstaunlich effektive Raumgeometrie mit ihren Linien und Formen, zu. Das perfektionistische Gesamtbild ist ein Erlebnis, ohne dass man je das Gefühl bekommt, der Film könnte sich in seiner Schönheit selbst verlieren. Alles trägt optimal zur Stimmung herbei und liefert der Erzählung bemerkenswerte Unterstützung. Es verhält sich wie mit dem Jungen des Paares, das in einer kurzen Szene in der Mitte des Filmes mit der Sofortbildkamera durch den Hof trabt und fotografiert, was ihm im Augenblick gefällt. Die Bilder greifen allesamt aus ihren Momenten das Maximale an Schönheit; trotzdem bieten sie keinen verklärten Blick auf ihren Gegenstand, sondern etwas Reines, Unschuldiges, Naives, das nicht sensationslüstern, sondern einfach nur neugierig ist.
Der für Tanaka typische sehr spröde Humor fehlt auch hier nicht zu Gänze, ist aber nur selten und sehr leise eingebettet, als wüsste er sich aus Respekt vor seinem Gegenstand zurückzuhalten.
f0 MISS_nuki.000002 MISS_nuki.000054
Die Geschichte selbst kommt so langsam voran wie ein Zombie, ist dabei aber bei weitem ansehnlicher. Auf der einen Seite steht das sich zart, aber unaufhaltsam entwickelte Drama, das zwischen Ehemann, Gattin und Diener-Zombie entsteht, und langsam auf eine Eskalation
hinsteuert. Auf der anderen der kritische Hinweis auf den tatsächlichen Zustand in Japan, wo unzählige Hausmädchen illegal beschäftigt und auf ihre bloße Tätigkeit reduziert werden und in ertragender Unterwürfigkeit ihr Dasein fristen, wodurch fast schon eine Zweiklassengesellschaft mit stark patriarchalischer Ausprägung entsteht.
In den schönen Bildern von Miss Zombie ist viel zu entdecken und viele Szenen glänzen mit Doppelbödigkeit, ohne auch nur kurz von oben herab belehrend zu wirken.
Die Geschichte um ein Mädchen, das ausschließlich für den Dienst lebt und sich im Geheimen nach Identität sehnt, aber für eine Gesellschaft arbeitet, die sie nie erreichen kann, ist schwer anzusehen, obwohl sie in berauschend schönen Bildern erzählt wird.

Fazit

Einer der wirklich wenigen relevanten Zombiefilme, der sein Schwarzweiß nicht als selbstzweckhafte Show nutzt, sondern tatsächlich einen enormen ästhetischen Mehrwert aus seiner fast vollkommen entfärbten Welt zieht.
Sowohl das hintergründig grollende Drama auf Plotebene als auch die gesellschaftskritische Analogie funktionieren selbstständig als auch zusammen bestens, wodurch sich ein zwar sehr langsamer, aber deswegen nicht minder fesselnder Film entsteht, der sich zudem als eine der außergewöhnlichsten Genrevertreter herausstellt.

Miroku

15. Japan-Filmfest Special 4

Inagaki Taruho Bücher gelten als unverfilmbar. Wohl auch deswegen, weil der Autor es Zeit seines Lebens jedem Anfragenden untersagte, seine Erzählungen in Film zu stricken. Kaizo Hayashi trat nach dessen Ableben dennoch an seine Tochter heran und bat um Erlaubnis, sein Zweitwerk Miroku zu verfilmen. Nun, 12 Jahre später und 38 Jahre nach dem Ableben des preisgekrönten Autors, ist seine Interpretation des Stoffes zu bestaunen.

Planes are carryieng the seeds of crashes inside them.

Story

Emiru ist ein Junge, der im Japan des frühen 20. Jahrhunderts aufwächst. Sein großer Traum ist es, Schriftsteller zu werden, doch stehen ihm viele Wege offen.
Viele Jahre später ist er tatsächlich Schreiberling, doch ist dieses Dasein nicht annähernd so schillernd, wie der Knabe sich es erträumt hatte. Ein in den Tag hineinlebender Trinker, der alle Hoffnung fahren lassen hat, ist Emiru geworden.
Eines Nachts begegnet ihm ein Dämon und mit dieser Begegnung könnte eine Wende kommen. Ist er Miroku-bosatsu, der Buddha, der in Zehntausenden Jahren die Menschen erlösen soll?

Kritik

Miroku ist durch und durch verkünstlelt. Die Bilder Schwarzweiß, optische Spielereien wohin das Auge sich auch richtet. Die Filmwelt, in die diese Buchwelt umverlegt wurde, ist ein gewaltiger Pool von Details. Im Hintergrund mühsam pumpende Ölbohrtürme, manchmal Pappaufsteller anstatt von Personen, weibliche Pinguine, Scherenschnitt, Stop-Motion und noch mehr. Fortwährend begegnet einem eine Vielzahl hinreißend schöner, mindestens aber beschaulicher Einfälle. Es lässt sich nur erahnen, wieviel von der ganzen stilistischen Verspieltheit reiner Selbstzweck ist – ein Interview, das der Regisseur nach dem Film gab, ließ durchschimmern, dass das auf vieles zutreffen mag. Doch wichtig ist das nicht, es kommt schließlich darauf an, wie sich die Einzelheiten im Gesamtbild machen und wie die individuelle Filmerfahrung ausfällt; nicht darauf, was die Intention des Künstlers war. Und hierzu lässt sich sagen: In seiner Masse mag der inszenatorische Übermut manchmal etwas ermüden, denn die Geschichte dazu ist sehr langsam erzählt und zugleich nicht sonderlich zugänglich, trotzdem aber stets nett anzuschauen und eindeutig das Erlebnis wert. Dass der Film über seine gesamte Lauflänge dann doch etwas zu selbstverliebt daherkommt und sich zudem manchmal in seinem eigenen Stilfanatismus zu verlieren scheint, ist aber nicht von der Hand zu weisen.
Nagase_1-fixed onishi_mizumoto CityNight
Dazu steckt der Film voller Referenzen. Es beginnt mit einer Hommage an Georges Méliès Reise zum Mond, passiert eine liebevolle Nosferatu-Anspielung und endet in der Tatsache, dass das gesamte Werk inszenatorisch ein wenig so tut, als wäre es ein Stummfilm – ohne je einer zu sein.
Diese sich türmenden Zitate, aus denen die Diegese sich Schritt um Schritt und Schnitt um Schnitt zusammensetzt, harmoniert aus sich heraus mit dem großen Spiel mit filmischen Realitäten, an dem Miroku sich versucht. Immer wieder wird man aus der Welt des Filmes rausgeworfen, weil sie so offensichtlich irreal ist, aber genau dies ist es schließlich, woraus diese Welt wiederum entsteht. Sie ist das, was jedes literarische Universum ist, nur viel deutlicher: Ein Flickwerk aus vielem Externen, das durch die Kompilationsarbeit aber etwas eigenes wird. Letztlich das Rezept zum Bau eines Individuums.
In der zweiten Hälfte, wo die Kindheit endet und die Existenz des gebrochenen Ex-Kindes beginnt, vollzieht sich erst einmal ein Bruch. Eine leichte Film Noir-Atmosphäre, dazu passend aus dem Off gesprochene Monologe des trinkenden Tunichtguts, der aus dem Knaben geworden ist.
Dann aber bewegt sich der Film rasch wieder in seine gewohnten Muster zurück und macht weiter, wo er aufgehört hat, um sich immer mehr in einem Aufmerksamkeit fordernden und für westliche Zuschauer nicht leicht zu durchschauenden Geflecht aus westlicher Philosophie, östlicher Mythologie und mundaner Religion zu vergnügen.

Und immer wieder all überall das neckische Spiel mit der filmischen Realität.

Fazit

Miroku ist eine Geschichte mit philosophischen Ambitionen, schleppend und mit einem Bilderreigen erzählt, dem in Sachen verkünstlelter Einfallsreichtum kaum ein Film das Wasser reichen dürfte.
Ob man die Verfilmung der komplexen Literaturvorlage mag oder nicht, hängt davon ab, wie viel geduldige Interpretationswillen, wie viel Offenheit und nicht zuletzt wie viel Schaulust man mitbringt. Neben einer Vielzahl interessanter Aspekte hat sich nämlich die ein oder andere Länge eingeschlichen, zudem ist die Materie in Unkenntnis japanischer Mythologie noch unzugänglicher als sowieso schon.

Slum-Polis

15. Japan-Filmfest Special 3

Frischer, unbefangener Esprit eines Teams von Grünschnäbeln, große Inspiration durch ein ebenso großes Vorbild, Gespür fürs Essenzielle, ein glückliches Händchen für Locations und das glücklichste für Ästhetik. Mehr braucht es nicht.

Kalt!

Story

Ein gewaltiges Erdbeben zerstörte im Jahre 2018 das bekannte Gesicht Japans. Während die Schäden in den urbanen Zentren mit der Zeit behoben wurden, herrscht in den Randgebieten immer noch das Chaos. Ein solcher Bezirk ist Slum-Polis, wo das Gesetz das Feld freiwillig rivalisierenden Gangs überlassen hat, die das Leben in den Trümmern mit Prostitution und Drogenhandel bestimmen.
Als die beiden Freunde Asu und Joe eine zentrale Figur des Rauschgifthandels töten und sich seine Ware unter den Nagel reißen, eröffnen sich ihnen verheißungsvolle Perspektiven, während sie gleichzeitig auf der Abschussliste der großen Gangs landen.
Verkompliziert wird die Situation durch die mittellose Künstlerin Anna. Anfängliche Streitpunkte verlieren rasch an Bedeutung. Die zarte freundschaftiche Dreiecksbeziehung gewährt den Dreien einen Augenblick des Friedens. Man malt, schießt auf Büchsen und klimpert auf dem Keyboard, stets in der Gewissheit, dass der Frieden nicht von Dauer sein kann.

Kritik

Wird bei Menschen gemeinhin der erste Eindruck als der Wichtigste erachtet, liegt es bei Kunst anders. Entscheidend ist, was man mit hinausnimmt, wie sie nachhallt, sich entwickelt und im besten Falle erst dann so richtig wächst, wenn sie von sich allein gelassen wurde, immer wieder bereichert durch die Arbeit des Rezipienten.
Daher stellt diese Rezension Slum-Polis gleich zu Beginn als eine unverkennbare Nachahmung vor. Die Art der Inszenierung, die Zusammensetzung der Diegese, die Betrachtungsweise der Figuren, dr Verlauf und die Gangart der Geschichte; das Grundgefühl des Filmes bis hinein in einzelne Szenenbilder und -verläufe ist übernommen von Shunji Iwais großem Meisterwerk Yentown – Swallowtail Butterfly.
Und nun zu den wichtigen Aspekten, die es verdienen, in Form des finalen Eindrucks erinnert zu werden.
Slum-Polis Slum-Polis 8 MVI_0199.MOV.Still016

Slum-Polis, und das ist das Verblüffendste, ist ein Uni-Abschlussfilm. Aber auch das ist eigentlich sofort zu vergessen und wird auch ab der ersten Szene vergessen. Denn Slum-Polis ist außerdem ein perfektionistisches Kleinord, das in sämtlichen formalen Aspekten brilliert.
Die Geschichte entrollt sich wie von alleine aus der erdrückenden Atmosphäre, die unter dem allgegenwärtigen Elend der Menschen, die ihr Heil in Selbstaufgabe suchen, ständig Lebenswillen und ungebremst eurphorische, im besten Sinne romantische Energie grollen lässt. Der Kamera gelingt es, den verheerten Landstrichen der Fukushima-Katastrophe eine urtümliche und bewegende Friedfertigkeit abzugewinnen. Die ungezwungene, sehr aufmerksame Kameraarbeit und die bestechend stimmige Mise en Scène kreieren freche wie sanftmütige Eindrücke. Hand in Hand mit dem visuellen Ästhetikbewusstsein geht das Gespür für den richtigen Ton. Immer wieder präsentiert der Film Collagen der Entwicklung oder stimmungsgebende Impressionen aus dem Alltag der drei Protagonisten, zu denen der herausragende Score gespielt wird. So gut das durchweg funktioniert, merkt man an diesem Punkt doch am deutlichsten, dass es sich um das Erstlingswerk eines sehr jungen Regisseurs handelt, denn der manipulierende Einsatz von Musik findet entschieden zu oft statt, sodass man schon früh auf den Gedanken käme, dass sich die Erzählung viel zu sehr auf diesen Aspekt verlassen würde, wenn diese Sequenzen nicht jedes Mal trotzdem direkt ins Herz gingen.
Neben dem inflationären Musikeinsatz findet sich ein zweiter klassischer Anängerfehler: Die Geschichte verpasst ihr eigenes Ende. Der richtige Augenblick, einen pointierten Schluss der Geschichte zu finden, wenn sie sich in voller Blüte befindet, wird von Slum-Polis verpasst. Stattdessen läuft der Film noch eine gute halbe Stunde weiter. Wie schon beim Musikeinsatz ist das eigentlich zu verschmerzen, weil alle Eigenarten, die dem Film seine Großartigkeit geben, natürlich beibehalten werden, doch erleidet gerade ein eigentlich ausgezeichnetes Werk durch solche Unstimmigkeiten merklich schaden. Gen Ende wird die emotionale Schraube ein paar mal zu weit
gedreht, obwohl eigentlich schon alles erreicht ist.

Es beginnt rhythmisch, treibend, pulsierend in einem Club. Körper flackern und beben. Das ‚Slum‘ in Slum-Polis ist ebenso zu erkennen wie das ‚Polis‘. Unsere beiden Protagonisten töten aus Habgier einen Mann und rennen davon. Wie talentiert Newcomer Ken Ninomiya ist, lässt sich schon daran ablesen, dass er es trotzdem schafft, die beiden Mörder binnen Minuten als liebenswerte Wesen einzuführen, die vor Sehnsucht bersten und Taten wie Umfeld zum Trotz viel Schönes in sich verwahren. Neben den veredelten Bildern ist es die bemerkenswert geschickte Schauspielführung, die dazu führt, dass dieser dystopisch-trostlose Film allem voran ein eine erbende Erzählung über das Wunder der Freundschaft geworden ist. Über die Suche nach Glück, Erfüllung und auch ein wenig nach sich selbst. Vor allem das außergewöhnliche, herzerwärmende Minenspiel von Asu öffnet ein direktes Tor in die emotionale Welt der Männer. Denn natürlich ist Slum-Polis vor allem ein Stimmungsbild der Sinnsuche einer orientierungslosen Generation, die mit Sehnsüchten aufwächst, die zu erfüllen ihre Zeit nicht in der Lage ist. Es ist ein Fim über Kompensation und Genügsamkeit, ebenso wie über Eskalation, Verzweiflung und Liebe.

Wäre Yentown – Swallowtail Butterfly einfach in seinem ersten Drittel hängengeblieben, dann wäre es vielleicht Slum-Polis geworden. Doch ist der Film viel zu tief, viel zu ehrlich und vor allem viel zu bezaubernd, um ihm mit gutem Gefühl als Plagiat zu bezeichnen. Hommage wäre wohl das passendere Prädikat – und einen einzigartigen und eigentlich unnachahmlichen Film wie Yentown mit einer derart versierten Überzeugung zu ehren, ist schon eine Leistung für sich, die kaum genug gewürdigt werden kann.

Fazit

Slum-Polis mag auf dem Papier eine Gangsterballade in dystopischer Umwelt sein. Als direkte Erfahrung ist es jedoch ein kleines Meisterwerk mit viel Liebe. Vor allem die Liebe fürs Kino selbst. Dass ein Debütant mit einem solchen Maß an Stilsicherheit zu Werke geht, lässt ihn zum vielleicht größten Hoffnungsträger des Gegenwartskinos werden

Arcana

15. Japan-Filmfest Special 2

Arcana ist eine Verfilmung des gleichnamigen Mangas von Yua Kotegawa, der sich in seinem Herkunftsland überdurchschnittlich gut verkaufte. Yoshitaka Yamaguchi, zuvor als Assistenz für Takashi Miike tätig, wählte diesen Stoff als Vorlage für seine erste selbstständige Regiearbeit.

Everything is nonsense. Everything!

Story

Polizeiinspektor Murakami hat die Fähigkeit Geister zu sehen, die junge Maki kann mit diesen Präsenzen noch stärker in Kontakt treten. Gemeinsam mit einer geheimen Behörde, die sich der Ermittlung in paranormalen Angelegenheiten verschrieben hat, nehmen sie die Fährte eines brutal vorgehenden Serienkillers auf, dessen blutige Spur darauf hinweist, dass er selbst in Verbindung mit dem Geisterreich steht – und mit dem Phänomen, dass viele Geister einen Doppelgänger in der unsrigen Welt zu haben scheinen.

Kritik

Arcana tut erst einma so, als sei der der sonderbarste Film des Festivals, wenn er den Zuschauer ohne Vorbereitung in eine Welt wirft, wo ein Dezernat für Übernatürliches eine Selbstverständlichkeit ist und manche Menschen scheinbar grundlos in der Lage sind, Geister wahrzunehmen. Das macht anfangs gespannt, ermüdet aber schnell, wenn zum Vorschein kommt, dass all das Augenwischerei ist, bis hin zur Geschichte, die sich geschwind als ziemlicher Durchschnitt, der anfangs nur so tut, als stecke er voller Besonderheiten.
     
Durch die vermeintiche Raffinesse am Anfang ist das Erlebnis am Anfang unnötig konfus. Wenn sich das Ganze langsam entwirrt und zum Vorschein tritt, dass Arcana alles, aber nicht besonders ist, kehrt erzählerische Belanglosigeit ein. Einzig das Agieren der Personen sorgt weiterhin dann und wann für krause Stirnen, weil jeder in seiner eigenen Unlogik zu handeln scheint.
Die krude Geistergeschichte versucht gar nicht erst, gruselig zu sein, sondern stützt sich vielmehr auf ihre eigene Mythologie, die ungewöhnlich, aber trotzdem vollkommen belanglos ist. Dazu gibt es ein paar schlecht geschriebene Cops, die nach Ordnung suchen und knapp unterdurchschnittliche Spezialeffekte, die durch ihren schlecht getimten Einsatz aber bar jeder Stimmung sind.

Dabei ist Arcana kein schlecht gemachter Film. Die Bilder sind in aller Regel zwar sehr beliebig, sehen im Rahmen ihrer Beliebigkeit aber gut aus, und auch an den Darstellern gibt es nur wenig auszusetzen. Wäre da eben nicht die gänzlich uninteressante Geschichte als Herz des Films.
In der grundlos verwirrenden Struktur des Werks finden sich zwar immer mal wieder auch ein paar inhaltliche Ideen ein, die eigentlich nicht übel sind, in der Gesamtheit des Filmes aber nur vergeudet wirken.

Fazit

So clever und unvorhersehbar Acrana anfangs auch tut, am Ende lässt sich der Film auf eine banale Krimistruktur runterbrechen, die lediglich unnötig kompliziert erzählt wird. Der Film setzt nicht auf Grusel, sondern auf die Faszination seiner eigenen, selbstständigen Mythologie, die aber leider nicht nur konfus und ziemlich an den Haaren herbeizogen, sondern auch noch höchst uninteressant ist.
Auf der Habenseite finden sich ein paar atmosphärische Szenen, die aber kaum genügen, eine Empfehlung für den Film auszusprechen.
Nur für Genrevernarrte, die auch mit Mystery-Schmu im Stile von Silk etwas anfangen können.

Gun Woman

15. Japan-Filmfest Special 1

Kurando Mitsutake, vorrangig bekannt aufgrund von Samurai Avenger: The Blind Wolf, versucht mit Gun Woman einen Film in bester Grindhouse-Tradition auf die Leinwand zu bringen. Die beliebte Asami (Robo Geisha, The Machine Girl) bekleidet die einiges an Körpereinsatz fordernde Hauptrolle.

Du fühlst dich betrunken oder als wärst du i einem schlechten Traum.

Story

Ein gelangweilter Killer erzählt einem anderen gelangweilten Killer auf einer Autofahrt, wie eine bemitleidenswerte Frau zu einer Killerin wird.
Tief in der Wüste, mitten in einem Gelände für Atomtests steht eine weiße Halle. Dort, versteckt vor den Augen der Welt, werden tote Schönheiten hingebracht, um die Gelüste der Reichen zu befriedigen, die ihren nekrophilen und kannibalistischen Neigungen sonst nicht nachgehen könnten.

Als die Frau eines aufstrebenden Wissenschaftlers vor seinen Augen misshandelt und getötet wird, sinnt er auf Rache. Viele Jahre später kauft er sich die süchtige Prostituierte Mayumi. Er befreit sie von ihrer Sucht, behält sie aber in Gefangenschaft, um aus ihr ein tödliches Werkzeug zu machen. Nach ihrer Ausbildung soll sie in das Gebäude in der Wüste eingeschleust werden und den Mörder zur Strecke bringen. Die Belohnung ist ein Neuanfang für Mayumi.

Kritik

Anfangs wirkt Gun Woman auf eine eigentlich kaum zu erklärende Weise wie ein früher Brian de Palma-Film. Auch aufgrund seiner Vorliebe, andere Filme zu zitieren – so zum Beispiel Psycho, bei dem, wie es auch de Palma zu tun pflegt, die Referenz aber in wichtigen Punkten abgeändert wird.-Zitat – in rabiat und ohne einen Schnitt.
Doch dieser Eindruck schwindet und es drängt sich ein anderes Vorbild in den Vordergrund. Gun Woman möchte sein wie ein Robert Rodriguez-Werk neuesten Datums – im Stile von Planet Terror oder Machete. Um ein wenig Fazit vorwegzunehmen: Während Rodriguez‘ Filme mit kleineren Tempoproblemen zu kämpfen haben, gelingt es Mitsutake mit seinem Film durchweg gut zu unterhalten.
Von den Figuren bis zur Durchführung ist Gun Woman durch und durch Comic und darüber hinaus darauf fixiert, viel Abstoßendes und Gewalthaltiges in diesem Kessel aus trashigem Schmutz an die Oberfläche zu rühren.
      

Gun Woman ist sensationsgeil, weiß diese wenig rühmliche Eigenschaft aber ironisch zu brechen. Gun Woman ist billig, aber gibt sich viel Mühe, trotzdem einen eigenen, unverwechselbaren Stil aufzubauen. Es hapert oftmals an der Montage, es scheppert im Drehbuch und auch die Regie wird keine Preise auf prestigereichen Festivals einheimsen, aber trotzdem, dieses Übermaß an kindlichem Ausdrucksfanatismus und vor allem am übergroßen Ego dieses Filmes, bei dem aber nie das nötige Bisschen Augenzwinkern fehlt, sorgen unterm Strich schlicht für eine großartige Unterhaltung. Diese entsteht dabei weniger aufgrund formaler Qualitäten, sondern einfach, weil jede Menge in kurzer Abfolge passiert. Zwischen Orgelmusik, sich überlappenden Blenden und eine Helden-Genese im Zeitraffer siedelt sich schlichtweg jede Menge Kurzweil an. Auch die Darsteller sind allesamt angemessen fähig und wissen es, dazu beizutragen, dass alles in einem leicht übertriebenen Ölfilm glänzt. Dieses überzogene Objekt ist rostig, stinkt und es wurden ziemlich eindeutig mit Absicht ein paar Beulen reingefahren, damit es wilder wirkt, aber es verfügt auch über einen ganz eigenen Charme.
Dazu gibt es Urin, Erbrochenes und Übertreibung in jeglichem Sinne. So unfassbar geschmacklos, wie das alles klingt, ist der Film nicht, weil er eben doch weiß, wann Schluss ist und deswegen nie zum Exzess ausartet. Stattdessen erfreut er sich viel mehr an der Absurdität seiner eigenen Geschichte, kann mit ein paar hübsch abgedrehten Ideen aufwarten. Über allem dröhnt übersteuerte Rockballaden, instrumentale, kitschige Größe beschreiende. Wie alles, nicht im klassischen Sinne gut, in gar keinem Sinne wertvoll und in seinem Handwerk zwar in sich stimmig, eigentlich aber oft noch an der Grenze zum Amateurhaften – in der vollen und bewussten Übertreibung ist diese Welt, in der alle Männer grausame Tyrannen sind und jede Frau ein wunderschönes Opfer, aber einfach schrecklich unterhaltsam.
Es ist, als würde jemand, der noch nie gelaufen ist, plötzlich auf Kokain sprinten. Es wirkt unbeholfen, zeitweise sogar besorgniserregend, aber doch kommt der Läufer auf seine wenig nachahmungswerte Weise als einer der Ersten ins Ziel.

Fazit

Gun Woman wäre unterm Strich gerne einfach nur ein wüster Rodriguez-Streifen. Der Film setzt diese Vorgabe mit einer Dreistigkeit und Beklopptheit um, dass man am Ende auch nicht mehr weiß, was man noch sagen soll.
Dass das Ganze nanu eine dumme Fleischbeschauung für trashverliebte Gaffer ist, muss nicht extra erwähnt werden. Wäre da nicht die Ironie und der überambitionierte Charme des sich seiner wahren Qualitäten bewussten Machwerks, könnte man das kritisieren. So könnte Gun Woman aber durchaus zu einem kalkulierten Semi-Kult als Guilty-Pleasure avancieren.
So bleibt am Ende eigentlich nur seufzen: Oh, Japan.

X-Men: Zukunft ist Vergangenheit

Nicht jeder stimmte in den Jubel mit ein, als bekannt wurde, dass Bryan Singer wieder das Ruder im neuen X-Men übernehmen würde. Nicht etwa, weil X-Men und X-Men 2 schlechte Filme gewesen wären, sondern weil Matthew Vaughn sich als der kompetentere Geschichtenerzähler erwiesen hat, als er die Mutantentruppe mit seinem X-Men: Erste Entscheidung mit einem Schlag von dem Debakel X-Men: Der letzte Widerstand emanzipierte.
Für X-Men: Zukunft ist Vergangenheit kann aber Entwarnung gegeben werden.

Patience isn’t my strong suit.

Story

Wir schreiben das Jahr 2023, die Zivilisation hat sich in sich selbst verbissen und schließlich getötet, die wenigen verbliebenen Mutanten werden von Robotern, den sogenannten Sentinels, die sich auf jede nur denkbare Fähigkeit einstellen können, gejagt und niedergestreckt.
Der Kern der alten X-Men-Garde sucht eine Dame namens Shadowcat, die die Fähigkeit besitzt, das Bewusstsein einer Person in die Vergangenheit zu schicken, wo es in seinem jüngeren Körper landet. Eine Reise, die sich über mehr als einen Monat erstreckt, würde normale Wesen das Leben kosten. Da Logan mit seinen ausgeprägten Selbstheilungskräften aber keineswegs als normales Wesen durchgeht, sendet man ihn in das Jahr 1973, um dort die jungen und wenig einsichtigen Kontrahenten Charles Xavier und Erik Lensherr miteinander zu versöhnen und den katastrophischen Lauf der Zeit zu ändern. Unterdessen tickt die Uhr in der Gegenwart, denn die Sentinels sind den verbleibenden Widerständlern dicht auf den Fersen.

Kritik

Nach einem etwas ärgerlich-generischen Anfangsmonolog und dem klassisch semi-trashigen Vorspann in Metalloptik mit Klingengeräuschen und gediegenen Cube-Anleihen kommen prompt die ersten unbekannten Mutanten ins Spiel, die sämtlich einem Spezialeffekte-Film unseres Lieblingsfilmlandes Japan entsprungen sein könnten und zum Teil auch recht eilig das Zeitliche segnen. Ein paar Ekelbeben in Erinnerung an X-Men: Der letzte Widerstand können da natürlich nicht ausbleiben. Doch zu Glück erfährt diese Vision keine entsprechende Einlösung in der Praxis. Im Gegenteil, es kommt ganz anders. Es kommt weitaus besser.
Vor allem anderen fällt aber auf, wie unbeschwert und locker die neuste Auskopplung der Marvel-Serie geworden ist. X-Men: Zukunft ist Vergangenheit ist voll von ungezwungenem Humor. Das führt in manchen Szenen sogar so weit, dass sich der Film kurzzeitig zu einer ziemlich albernen Slapstick-Komödie wandelt. Doch da das ‚albern‘ eines dieser seltenen guten ‚albern‘ ist und das ‚ziemlich‘ ein ‚ziemlich‘ wie vor ‚ziemlich witzig‘ ist, kann man zwar die fehlende Ernsthaftigkeit bemängeln, aber zugleich nicht verleugnen, dabei Freude zu empfinden.
Funktionieren tut das Gesamtwerk vornehmlich deswegen, weil alte Tugenden und Thesen trotz des komödiantischen Übergewichts sinnvoll aufgenommen und weitergeführt werden. Dieser neue X-Men-Film beweist nicht trotz, sondern zusätzlich zu seiner Freude am Spaß die Fähigkeit, die guten Aspekte seiner Vorgängerfilme zu schultern und gekonnt in seine eigene Geschichte mit hineinzunehmen. Der Film wirkt frisch und jung, aber er trägt ein mittlerweile doch recht komplexes und vor allem sehr schweres Erbe mit sich herum. Der mediale Terror; die Belagerung und Verdinglichung aller fremden Geschöpfe durch die eingeschüchterten Menschen; die inneren Konflikte der Ausgestoßenen und Abgesonderten; die Macht der Angst und ihre verheerende Stärke. All das ist weiterhin Thema und wird sehr sinnig integriert.
Dies macht X-Men: Zukunft ist Vergangenheit nicht nur zum kurzweiligsten, sondern neben X-Men: Erste Entscheidung auch zum ernstzunehmendsten, zum relevantesten Teil der Serie. Der Dank hierfür gebührt der lobenswerten Tatsache, dass sich der Film nur scheinbar am außer Kontrolle geratenen Wettkampf der Comicverfilmungen anschließt, mit jeder bewältigten Herausforderung beim nächsten Schritt noch mehr Zerstörung und Epos sein zu müssen, beim nächsten Mal alles noch größer, lauter und bedrohlicher zu gestalten. Auf den ersten Blick mag es um die gesamte Zukunft der gesamten Erde gehen, eigentlich aber steht das Schicksal Weniger im Vordergrund. Man fiebert nicht um das Leben anonymer Bewohner irgendwelcher gesichtsloser Großstädte, sondern um alte Bekannte, die sich im Laufe ihrer bunten Abenteuer der vergangenen 14 Jahre Profil und eine eigene Filmbiographie erarbeitet haben.

Einige Figurenhandlungen sind kaum nachvollziehbar und wirken teils seltsam schlecht durchdacht. Hier merkt man: Es sind nun mal Comiccharaktere. Das ist keine Rechtfertigung, die funktionieren kann, denn mit der Kritik muss der Film einfach leben, aber belassen wir es bei der Erwähnung.
Das Aufeinandertreffen der Generationen, das Trailer und Synopsis erwarten lassen, ist übrigens kaum Thema des Filmes. Fast die ganze Geschichte gehört dem alterslosen Wolverine und den jungen Alter Egos von Professor X, Magneto, Beast und Raven. Einige alte Bekannte werden dafür wortwörtlich verschleudert. Tatsächlich kommen deutlich weniger Mutanten als in jedem anderen Film der Reihe vor, anders wäre die Geschichte in ihrer eleganten Schlankheit aber auch nicht zu verwirklichen gewesen.
Charmebolzen Peter Dinklage gibt den flachen Schurken Bolivar Traske seinem Profil entsprechend und macht eine bessere Figur, als jeder andere an seiner Stelle es wohl getan hätte, gegen die Einseitigkeit seines fanatischen Kittelträgers mit Nazi-Allüren kann er aber auch nicht anspielen.

Neben ein paar sehr rüden Nachlässigkeiten in Bezug auf die Konsistenz des Gesamtkanons lässt sich – natürlich – auch in der Zeitreiselogik Unstimmigkeit finden. Es wird viel Lärm darum gemacht, dass man nur diese eine Chance hätte und das Unterfangen auf jeden Fall glücken müsse, sonst gäbe es nur noch Ende. Aber wieso denn eigentlich? Genaugenommen spräche nur wenig dagegen, bei einem Misserfolg einfach wieder jemanden in die Vergangenheit zu katapultieren. Und wieder und wieder und wieder, bis eben alles im Lot ist. Die notwendige Reise müsste sich nicht über Jahrzehnte erstrecken, sondern nur bis zum Start der vorangegangenen Reise selbst gehen und diese verändern, was höchstens ein paar Tage sein dürften.

Fazit

Nach den mittelmäßigen Spin-Offs, dem desaströsen Trilogieabschluss und der überraschenden Kehrtwende des Prequels macht Bryan Singers dritter Ausflug in das Marvel-Universum eigentlich alles richtig.
X-Men: Zukunft ist Vergangenheit macht Spaß, ist selbstsicher und persönlich, ehrt beide Generationen und öffnet auf eine charmante Weise Türen.
Und damit schließt sich ein Kreis, wodurch die Zeitreisestory ungeachtet kleinerer Schnitzer, ihren Auftrag bestens erfüllt.

Gareth Edwards ist Regisseur des ersten Star-Wars-Spin-offs

Gareth Edwars war vor seinem Indie-Hit Monsters (von dem irgendwann eine Kritik folgt, versprochen) ein Unbekannter und danach nur wenig bekannter. Doch das Wort hinter dem Bindestrich von „Indie“ weckte das Interesse der Studios und nach Monsters kam das eine große Monster namens Godzilla (Hach. Eine Kritik folgt, versprochen), welches zurzeit mit immensem Erfolg und viel Kritikerwohlwollen durch die Kinos trampelt und neue wie alte Fans auf seine Weise ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Nun, Godzilla schwemmt große Summen in die Kassen des Studios und Edwards ist nun offiziell das neuste Wunderkind, das in Spielbergschen Dimensionen gen Himmel steigt. Dass er nun nicht nur für Godzilla 2 (voraussichtlich mit Erfolg) geworben wird, ist abzusehen. Dass sein nächstes großes Projekt allerdings ein Star Wars-Film wird, entbehrt nicht einer geiwssen Überraschung.

Ihm wird die Inszenierung des ersten Spin-Offs in die Hände gelegt. Wer im Vordergrund der Geschichte steht, ist noch offen. In den internationalen Gerüchteküchen ist seit langer Zeit der Kopfgeldjäger Boba Fett hoch im Wert, aber auch Namen wie Yoda und Luke Skywalker fallen immer wieder.
Feststeht, dass die Figuren, anders als bei Abrams, wohl nicht von einer Wackelkamera eingefangen werden und sich der Stil des Filmes wohl auch sonst merklich von dem der neuen ‚Hauptfilme‘ entscheiden wird.

Man darf gespannt sein. Und sich wohl auch freuen.

Verlosung: DVD und BluRay von Hawking

Vor wenigen Tagen wurde die Dokumentation Hawking veröffentlicht. Dokumentarfilmer Stephen Finnigan hat sich mit dem berühtem Physiker zusammengetan, um ein recht außergewöhnliches Portrait eines der wichtigsten Männer unserer Zeit zu drehen.

SciFiFilme.net verlost je eine DVD und eine BluRay des viel gelobten Streifens.
Um teilzunehmen, spenidert dem Facebook-Beitrag ein gütiges „Gefällt mir“ Oder (viel besser!) schreibt einfach ein hübsches Gedicht unter diesen Beitrag, das das Wort „Pfadintegralformulierung“ enthält – denn dem Schreiber fällt einfach keine vernünftige Frage zum Themenkomplex ein.

„Mehr als zwei Drittel meines Lebens habe ich unter dem Damoklesschwert meines nahen Todes gelebt. Ich habe das Verlangen entwickelt, aus jeder einzelnen Minute alles herauszuholen.“ Und das macht Stephen Hawking! Das Tempo, mit dem der berühmte Physiker durch sein Leben braust, ist atemberaubend. Bis heute forscht der 72jährige, der mit seinem Bestseller „Eine kurze Geschichte der Zeit“ auch Millionen von Laien begeistert hat, hält Vorträge, schreibt Bücher und besucht Parties. Er war zweimal verheiratet und hat drei Kinder. Und all das, obwohl eine Nervenkrankheit seinen Körper völlig gelähmt hat und er nur noch durch einen Sprachcomputer kommunizieren kann. Jetzt erzählt er selbst die Geschichte seines ungewöhnlichen Lebens.

Was für ein brillanter Geist in diesem hilflosen Körper wohnt! Stephen Hawking, einer der bedeutendsten Astrophysiker unserer Zeit, konnte nur wenig mehr als die ersten 20 Jahre seines Lebens als gesunder Mensch verbringen. Dann hat ihm eine Erkrankung des zentralen Nervensystems Stück für Stück die Herrschaft über seinen Körper genommen. Inzwischen ist sein hellwacher und scharfer Verstand das Einzige, worüber er uneingeschränkt verfügen kann. Hawking hat sich nie versteckt, hat die Öffentlichkeit nie gescheut. Bis heute ist er auch darum bemüht, die Faszination seiner Arbeit einem breiten Publikum zu vermitteln. Regelmäßig hält der inzwischen 72jährige Vorträge für interessierte Laien. Sein Buch „Eine kurze Geschichte der Zeit“ wurde in mehr als 40 Sprachen übersetzt und hat ein Millionenpublikum begeistert.

Nebenbei ist er ein Charakter bei den Simpsons geworden und hat mit Jim Carrey rumgeblödelt. Stephen Hawking ist der Rockstar unter den Physikern und er genießt es!
Gemeinsam mit dem Dokumentarfilmer Stephen Finnigan erzählt Stephen Hawking erstmals selbst seine Geschichte. Freunde, Familie, Kollegen und Studenten kommen ebenfalls zu Wort. Die Kamera, oft auf den Rollstuhl montiert, begleitet Hawking durch den Alltag. Seine Computerstimme kommentiert das Geschehen. Dabei lassen sein pointierter Witz, seine Selbstironie und seine Lust am Leben erahnen, warum dieser Mann seiner Krankheit so lange die Stirn bieten konnte.

 

Viel Erfolg allen Teilnehmenden.